5 von 5
robinsen10
27. März 2021
Wiederhören macht Freude
Wenn man seine Lieblings-Platten der späten Kindheit und frühen Jugendzeit heute – zum Beispiel nach gut vierzig Jahren - wieder hört, macht sich in den meisten Fällen eine Enttäuschung breit, die man so nicht erwartet hatte. Bei „Thick as a brick“ von Jethro Tull ist das anders. Warum?
Ganz sicher auch deshalb: Wenngleich es sich hierbei um ein ellenlanges Stück Musik aus der Schublade „Progressiv Rock“ handelt, bleiben einem das heute unerträgliche, damals aber, zu Beginn der siebziger Jahre gar nicht unübliche, bedeutungsschwangere, ellenlange Gitarren-Gefrickel, Keyboard-Gefrickel und Schlagzeug-Gefrickel erspart – zumindest möchte man hier wegen so etwas nicht dauernd das Abspielgerät ausschalten.
Ganz im Gegenteil: „Thick as a brick“ vermag es, den geneigten Wiederhörer – ja, mitzureißen. Man erlebt eine komplexe Rock-Folk-Komposition, die einen durch herrliche Melodie-Einfälle, durch ein einfallsreiches Arrangement - durch kluge Fügungen, durch Andeutungen auf Kommendes, durch Aufgreifen von Vergangenem, durch spannende Rhythmuswechsel - durch ein mehr als durchschnittliches Spielvermögen der Musiker und wirklich nicht zuletzt durch den klangvollen und narrativen Gesangs Ian Andersons mehrfach entzückt am Ball bleiben lässt - bis der dann, nach weit über 40 Minuten auch die letzten Worte nicht etwa theatralisch schmettert, sondern schmunzelnd spricht. Auch das Ende bleibt ohne falsches Pathos.
Und dass Steven Wilson durch seine maßstabsetzende, den Charakter der Musik vollständig bewahrende Abmischung auch noch für mehr klangliche Klarheit sorgt, macht das Wiederhören von "Thick as a brick" zu einem noch größeren Vergnügen.