“I’m sick of grudges”
Einen der besten Songs seit seinem letzten Lebenszeichen mit „Varshons II“ hat Evan Dando schon vor zwei Jahren veröffentlicht. Und auch wenn mit „Fear of Living“ sein auf den Namen „Love Chant“ getauftes Comeback-Album zwar gelungener- aber keinesfalls herausragend geworden wäre, legt diese Single doch ganz gut offen, an was es diesem müden Neubeginn Alles fehlt.
“Life Is Short And Unforgiving. I Only Fear The Living”, sang Dando schon in diesem berührenden wie reuevollen Song. Er selbst ist dem Tod nach jahrelanger Drogensucht offenbar nochmal von der Schippe gesprungen. Sein Freund Dan Larder von der Band QTV, mit dem er “Fear Of Living” gemeinsam schrieb, starb 2023. Diese Koproduktion ist eine letzte Erinnerung an ihn. Dando, den es mittlerweile der Liebe wegen nach Brasilien verschlagen hat, will nochmal in das alte Gefühl eintauchen, als Bands wie die Lemonheads Mitte der 90er daran arbeiteten, das Erbe des Grunge anzutreten. Dafür hat er mal wieder die passenden Mitstreiter um sich versammelt. Unter anderem wirken alte Bekannte wie Juliane Hetfield und Gitarren-Weirdo J Mascis mit. Schöner wäre es gewesen, wenn Dando seine letzte Bandbesetzung mit den Descendents-Mitglieder Bill Stevenson und Karl Alvarez zurück hätte. Von den schmissigen Hits und dem mitreißenden Charme des letzten, schlicht “The Lemonheads” benannten Albums ist “Love Chant” meistens zu weit weg.
Die Highlights sind hier rar gesät, aber wenigstens gut verteilt. Das Größte, “Togetherness Is All I’m After”, steht im Zentrum der Platte. Wie sehr es Dando nochmal wissen will, hört man besonders diesem Song an. Der geläuterte Ex-Junkie mit der unverwechselbaren Stimme zeigt hier nicht nur seine Wehmut- sondern auch, dass er dabei immer noch richtig herzzerreißend klingen kann. Auch “Deep End” und “In The Margin” reaktivieren alte Kräfte. Der Rest von “Love Chant” trabt solchen Ausreißern meistens gemütlich hinterher. Schlaffe Lückenfüller wie “Be-In”, die klingen, als hätte Dando im Arzneischrank aus Versehen zum Schlafmittel gegriffen, wechseln sich zu oft mit Harmlosigkeiten wie “Marauders” oder dem belanglosen Titelsong ab, der in einer rein instrumentalen Version völlig ausgereicht hätte. Nicht nur, dass es Dando misslingt, über die komplette Distanz adäquat zu rocken. Ebenso seine Ausflüge ins Country-Universum, ein Genre, das er eigentlich tief in sich aufgesogen hat, gelangen ihm auch schon mal besser. Im gleichgültig dahin plätscherndem “Cell Phone Blues” versucht sich der längst in den 60igern angekommene Dando sogar an etwas Kulturkritik und klingt dabei nur wie ein Zeigefinger schwingender Rock-Greis, der den Anschluss an die Zeit verloren hat…