Obwohl die Madonna auf dem Bett verkehrt herum liegt, so liegt ihr Vertrieb diesmal nicht verkehrt
Zufriedenheit wird sich bei eingefleischten Fans wohl nie einstellen, aber das hier ist in etwa das, was man sich unter "Special Edition" eines alten Madonna-Albums vorstellt. Was bei Musikikonen wie Fleetwood Mac, Bowie und Prince längst zum guten Ton gehört, sprich ihren vorhandenen Katalog sukzessive um Ausnahmen aus dem Tresor und seltenen Remix-Abhandlungen zu erweitern, hat jetzt auch bei den Alben der Queen of Pop Madonna um Audienz gebeten. Einzigartig in diesem Sinne ist, dass man sich die Bonusbeigaben von BEDTIME STORIES als UNTOLD CHAPTER auf dem Medium der Schallplatte ins Regal stellen kann, ohne das dazugehörige Album, das sowieso schon längst vorhanden ist, nochmals als Teil eines überteuerten Sets erwerben zu müssen.
Bei der CD-Ausgabe der "30th Anniversary Edition" sieht es etwas anders aus. Hier hat man das Originalalbum zwangsweise wieder mit an der Backe, dazu noch nicht einmal neu abgemischt, weswegen sich kein Mehrwert bei der hellblauen CD 1 einstellt. Das ist jedoch nicht unbedingt schlecht, bedeutet der Hinweis "remastered" für gewöhnlich, dass man die Grundlautstärke angedickt hat und als Käufer zu der Erkenntnis gelangt, dass früher nicht alles schlechter war. BEDTIME STORIES kam in der Zeit des Umbruchs von analogen zu digitalen Medien Mitte der 90er auf den Markt, weswegen die Klanglandschaft von Hause aus schon aufgeblähter wirkte. Die R&B-Ausrichtung des Longplayers durch Kollaborateure wie Babyface und Dallas Austin, die etwa zeitgleich auch für TLC, Usher und Toni Braxton das Hitmaterial fertigten, führte zu mehr Anteilen im Bassbereich (man höre HUMAN NATURE), weswegen seichtes Clipping immer schon an der Tagesordnung stand. Eine Neuabmischung hätte diesen Eindruck wahrscheinlich noch verschlimmbessert.
Beim Gesamtpaket von BEDTIME STORIES kommt es aber eh auf das UNTOLD CHAPTER auf der pinken Disc 2 an. Anders als bei der vorangegangenen EP VERONICA ELECTRONICA, welche Weiterführendes zu RAY OF LIGHT bot, ist der Anteil an Demos wesentlich höher (und beschränkt sich nicht bloß auf den einen einzigen Titel GONE GONE GONE). Endlich RIGHT ON TIME (Anspieltipp) auf einem offiziellen Tonträger von Madonna zu wissen, ist phantastisch, genauso wie LOVE WON'T WAIT, wobei die Gesangsspur des zuletzt genannten Stückes im Vergleich zur jahrelang bekannten Demo aus dem Netz befremdlich angepasst wurde. Vorab beschuldigten viele Fans, dass beim Feinschliff der unfertigen Aufnahmen auf KI gesetzt wurde. Prüfen kann man das Ganze nicht, aber ein fader Beigeschmack bleibt, wenn man dann die ursprüngliche, sehr roh eingesungene Demo von LOVE WON'T WAIT mit jener recht polierten auf dem UNTOLD CHAPTER vergleicht. Eine Bereicherung wäre auch die Zugabe der Originalversion von I'D RATHER BE YOUR LOVER mit keinem Geringeren als den ikonischen Rapper 2Pac gewesen, mit welchem Madonna zu diesem Zeitpunkt nachweislich eine heiße Affäre gehabt hat. Ihre Liebesbriefe an ihn wurden vor Jahren versteigert, wogegen Madonna sogar gerichtlich vorgegangen ist. Biographen, die sich dem Werk der Popqueen verschrieben haben, deuten an, dass 2Pac selber gegen die Veröffentlichung dieses Duetts der Titanen gewesen ist, weil es dann wahrscheinlich Imageprobleme gegeben hätte, als Rapper mit dem größten weiblichen Popstar der Welt in Verbindung gebracht zu werden. Genauso hätten sich Fans über YOUR HONESTY gefreut, welches man seit 2004 als Beigabe der CD von REMIXED & REVISITED hören darf, aber eben nur digital, da uns die LP-Version dieser EP nach wie vor schuldig geblieben ist. Wie wäre es dann mit einem "Special Release" zu einem künftigen Record Store Day von REMIXED & REVISITED?
BEDTIME STORIES: 30TH ANNIVERSARY zeigt jedenfalls, dass sich Warner und Rhino auf dem richtigen Kurs befinden, was die Aufarbeitung von Madonnas Archiven betrifft. Nebenbei bemerkt ist das CD-Booklet sehr hübsch gestaltet worden, offenbart es einerseits alle Liedtexte, also auch die der Demos, sowie Bilder des Fotoshootings vom Cover ohne störende Schrift - wenngleich das Titelbild hier wieder verkehrt herum in Erscheinung tritt und wie vor 31 Jahren komisch eingefallen wirkt, liegt Madonna doch auf einem Bett und schaut von unten in die Kamera. Alles nur halb so wild, wenn sich Madonna im Bett nicht bewegt... solange sich irgendetwas in ihrer Diskographie bewegt.