Diese Coolness... unverkennbar Blondie!
Nach einer Pause von mehr als einer Dekade hat sich Blondie ohne einen Wechsel in der Besetzung kurz vor der Jahrtausendwende nochmal zusammengefunden um ihr Ding in Form des 7. Studioalbums NO EXIT durchzuziehen. Verändert hat sich bei ihnen höchstens die Stimmfarbe der ikonischen Frontfrau Debbie Harry, deren Timbre einen reiferen und derb-entrückten Schlag bekommen hat, welchen man besonders in den hohen Tönen merkt. Blondies Mitglieder machen dabei alles selber und haben keine Produzenten, die zur Zeit in sind, nötig, um ihr Liedgut ins Gefüge der derzeitigen Popwelt setzen zu lassen. Der Einfluss von Reggae und Ska (SCREAMING SKIN) vermischt mit melodischem Synth-Pop (FORGIVE AND FORGET) und untypischem, da selten gehörten Rap (NO EXIT als eine Art Update zu RAPTURE) sind schon lange Zutaten in der Rezeptur von Blondies besonderem Klangkörper, welcher immer noch von Rock getragen wird, auch wenn die Hip-Hop-Beiträge von externen Gästen zu fetten Beats erst einmal befremdlich wirken. Stärkere Hip-Hop-Noten sind zu diesem Zeitpunkt eine relative Neuheit der Bandgeschichte von Blondie (wenn man einmal von den zwischendurch gestreuten Remix-Alben absieht). Dabei sind solche Kuriositäten wie der Titeltrack mit Coolio herausgekommen, die sich nicht der damaligen Jugend anbiedern, sondern ihr vielmehr zeigt, dass eine Ursprungsquelle von blink-182 und Co. vielleicht Blondie und ihr Gefühl von Punk und ihrer Arbeit gegen gesellschaftliche und musikalische Konventionen gewesen sein dürfte. Frei nach dem Motto "She looks like she don't care", was Debbie Harry passenderweise am Anfang von MARIA singt, bringt die Band als einen der Begründer von New Wave ihre Coolness einmal mehr zum Besten. NO EXIT ist wiederum das Einläuten einer weiteren neuen Welle. Mit dem Radiohit MARIA und einem denkwürdigen Gitarrenriff, das an ikonische Blondie-Momente wie ONE WAY OR ANOTHER erinnert, beschreitet Blondie DAS Comeback 1999 und heimst ihren letzten großen kommerziellen Wurf ein! MARIA wird für viele der Grund gewesen sein, sich NO EXIT nach über 25 Jahren als Vinylpremiere endlich ins Plattenregal zu stellen, zählt das Lied mittlerweile zu den bekanntesten Liedern der Band.
Wie ist es um die Platte in seiner Standard-Edition auf schwarzem Vinyl bestellt, welches mitunter wesentlich günstiger als das limitierte kristallklare Vinyl angeboten wird? Hält man die erste der beiden LPs meines Exemplars gegen das Licht, fallen Schlieren auf dem Vinyl auf. Diese haben glücklicherweise keinen negativen Einfluss auf das Abspielen. Bis auf einige hörbare Knackser auf der D-Seite ist die Pressung ganz gut. An einigen Orten im Internet musste ich lesen, dass die schwarze Doppel-LP leiert und zu enge Mittellöcher hat. Ich habe diese Mankos nicht zu vermelden. Lässt man die zuvor genannten Mängel in der Pressqualität von Seite D außen vor, kann ich mich am phantastischen Klangbild der LPs erfreuen. Die Abmischung wirkt astrein sauber und erlaubt, tief ins Aufnahmegeschehen von NO EXIT zu blicken. Ein Highlight: das Schlagzeugspiel des verstorbenen Drummers Clem Burke, welchem durch einige Worte der Bandmitglieder in den Produktionsnotizen auf den bedruckten Innenhüllen bedacht wird. Ein Beileger und eine Klapphülle sind ebenfalls Bestandteile des Lieferumfangs, bei dem auf den Abdruck der Liedtexte leider gänzlich verzichtet wurde. Kurz zu den Bonustracks: der Remix zu HOT SHOT ist eine riesige Bereicherung, jene zu NO EXIT und MARIA sind durchaus verzichtbar. Alles in allem trotzdem sehr ordentlich und 5 Sterne wert.