Gemischt gefühlvoll
Gar nicht so einfach, unvoreingenommen über diese Musik zu schreiben - nicht, weil sie zeituntypisch von einer Frau stammt. Sondern weil sie zeittypisch derart ungünstigen Umständen abgerungen wurde, wie das Beiheft eindrücklich schildert. Vielleicht sollte man es NICHT vor dem Hören lesen - die "sehr freundlichen Worte", mit denen die Kritiker Elfrida Andrées Symphonien-Erstling bedachten, sind jedenfalls stark zu relativieren. Bestenfalls gönnerhaft klingt da, dass die begabte Komponistin "schwieriger als nötig schreibt", allenfalls geschmäcklerisch, "das Andante und das Finale behagten uns weniger". Die (natürlich männlichen) Kritiker mussten sich ziemlich verbiegen, um aus dem ersten symphonischen Werk der ersten schwedischen Domorganistin eine ... Niederlage zu machen. Also erst mal weg damit und mit dem Eindruck, dass diese Kritik der Komponistin schwer zu schaffen gemacht und ihre eigene SELBSTKRITIK fast schon ins Kreativitäts-schädigende beeinflusst und verstärkt hat ...
was hört man? Eine positiv-schwungvolle Opern-Suite - mit dieser Form konnte Andrée die Musik zur rasch abgesetzten Oper retten und zu einigem Erfolg führen -, kraftvolle, schöne Melodien, die tatsächlich nicht übermäßig nordisch gefärbt sind. Die Symphonie von 1868 wirkt auf mich wie etwa Gades Werke mendelssohn-haft bis -verhaftet, ja, diese Zeit war eigentlich schon vorbei, ein bisschen unbestimmt klingt das trotz aller Frische, viele Stimmungswechsel verhindern ein sofortiges Einhören. Das kann der noch suchenden Komponistin zugestanden werden - aber von einer halbe Stunde Dissonanzen, wie wiederum die zeitgenössische Kritik zu mäkeln wusste, kann natürlich keine Rede sein. Die als Orgelvirtuosin Begabte und Berühmte lässt sich hörend - anders als etwa Bruckner - auch nicht unbedingt ausmachen.
Ein Fazit? Musikhistorisch aufschlussreich und ein Beleg für Begabung und ein Komponieren mit der und gegen die Zeit zugleich. Das ist ja nicht wenig.