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    gaia

    Aktiv seit: 10. Oktober 2021
    "Hilfreich"-Bewertungen: 11
    99 Rezensionen
    Schwebende Lasten Annett Gröschner
    Schwebende Lasten (Buch)
    18.05.2025

    Eine Frau, die nie aufgegeben hat

    Die in Magdeburg geborene Autorin Annett Gröschner beschäftigt sich in ihrem Roman „Schwebende Lasten“ mit dem gesamten Leben einer Frau, die bis auf eine kurze Unterbrechung mit Aufenthalt in Berlin durchgängig in Magdeburg lebte, arbeitete und eine Familie gründete. Dabei umspannt das nur 280 Seiten dünne Buch einen Zeitraum von über 80 Jahren, tangiert kurz die Weimarer Republik, die Zeit des Dritten Reichs, die Entstehung der DDR und deren Übernahme durch die BRD. All diese Geschichte passiert hier allerdings vorwiegend am Rande, denn eigentlich geht es um Hanna Krause, die früh ihre Mutter verliert, der polnische Vater nie anwesend, quasi als Vollwaise von ihren Halbschwestern aufgezogen, ausgebildet als Blumenbinderin und mit eigenem Blumenladen ein wenig erfolgreich, wird sie Jahrzehnte lang dafür kämpfen ihre Familie zusammenzuhalten und nicht immer erfolgreich dabei sein. In der zweiten Hälfte ihres Arbeitslebens wird sie in der DDR Kranführerin sein und letztlich daran wachsen. Hier gibt es viel Last, die diese Figur tragen muss, aber auch Momente, die wie ein Dahinschweben in der Zeit wirken.

    Sprachlich unaufgeregt erzählt Gröschner von diesem Leben, welches von Höhen und Tiefpunkten gezeichnet ist, aber die Figur Hanna niemals in die Knie gänzlich zwingt. Nach meinem Empfinden passiert dies größtenteils mit einer Distanz zur Figur und einer Art Abgeklärtheit, die viele Ereignisse auf wenige Seiten packt, sodass ich selbst nur selten Hanna und ihrem Befinden nah sein konnte. Nur in einzelnen Szenen, wie ein Feuersturm bei einer Bombardierung Magdeburgs und dessen Folgen, packte mich der Erzählstil und ich konnte mir die Ausmaße dieser Katastrophe sehr genau – wenn natürlich auch nicht ansatzweise originalgetreu – vorstellen. Insgesamt ging mir alles zu schnell, um richtig mit Hanna und ihrer Familie mitzuschwingen. Ihr soziales Umfeld blieb für mich größtenteils nur Namen, ohne konkretes Bild zu ihnen und ihrer Persönlichkeit.

    Stilistisch treten den Kapitelanfänge hervor, welchen jeweils ein Eintrag zu verschiedenen Blumensorten vorangestellt ist. So wird hier ein Blumenstrauß zusammengestellt, bei dem man sich fragt: Kann ein Mensch das überhaupt alles erlebt haben? Ähnlich einem Strauß, zu dessen Anfertigung Hanna gebeten wird, der aber gar nicht so zu binden geht, weil die Pflanzen zu ganz unterschiedlichen Jahreszeiten blühen. Hanna Krause hat zu ganz unterschiedlichen historischen „Jahreszeiten“ gelebt und ihr Leben wird in diesem Buch geschickt zusammengebunden zu einem eng verknüpftem, sehr durchmischten Strauß. Sehr interessant gemacht.

    3,5/5 Sterne
    Schwebende Lasten Annett Gröschner
    Schwebende Lasten (Buch)
    18.05.2025

    Eine Frau, die nie aufgegeben hat

    Die in Magdeburg geborene Autorin Annett Gröschner beschäftigt sich in ihrem Roman „Schwebende Lasten“ mit dem gesamten Leben einer Frau, die bis auf eine kurze Unterbrechung mit Aufenthalt in Berlin durchgängig in Magdeburg lebte, arbeitete und eine Familie gründete. Dabei umspannt das nur 280 Seiten dünne Buch einen Zeitraum von über 80 Jahren, tangiert kurz die Weimarer Republik, die Zeit des Dritten Reichs, die Entstehung der DDR und deren Übernahme durch die BRD. All diese Geschichte passiert hier allerdings vorwiegend am Rande, denn eigentlich geht es um Hanna Krause, die früh ihre Mutter verliert, der polnische Vater nie anwesend, quasi als Vollwaise von ihren Halbschwestern aufgezogen, ausgebildet als Blumenbinderin und mit eigenem Blumenladen ein wenig erfolgreich, wird sie Jahrzehnte lang dafür kämpfen ihre Familie zusammenzuhalten und nicht immer erfolgreich dabei sein. In der zweiten Hälfte ihres Arbeitslebens wird sie in der DDR Kranführerin sein und letztlich daran wachsen. Hier gibt es viel Last, die diese Figur tragen muss, aber auch Momente, die wie ein Dahinschweben in der Zeit wirken.

    Sprachlich unaufgeregt erzählt Gröschner von diesem Leben, welches von Höhen und Tiefpunkten gezeichnet ist, aber die Figur Hanna niemals in die Knie gänzlich zwingt. Nach meinem Empfinden passiert dies größtenteils mit einer Distanz zur Figur und einer Art Abgeklärtheit, die viele Ereignisse auf wenige Seiten packt, sodass ich selbst nur selten Hanna und ihrem Befinden nah sein konnte. Nur in einzelnen Szenen, wie ein Feuersturm bei einer Bombardierung Magdeburgs und dessen Folgen, packte mich der Erzählstil und ich konnte mir die Ausmaße dieser Katastrophe sehr genau – wenn natürlich auch nicht ansatzweise originalgetreu – vorstellen. Insgesamt ging mir alles zu schnell, um richtig mit Hanna und ihrer Familie mitzuschwingen. Ihr soziales Umfeld blieb für mich größtenteils nur Namen, ohne konkretes Bild zu ihnen und ihrer Persönlichkeit.

    Stilistisch treten den Kapitelanfänge hervor, welchen jeweils ein Eintrag zu verschiedenen Blumensorten vorangestellt ist. So wird hier ein Blumenstrauß zusammengestellt, bei dem man sich fragt: Kann ein Mensch das überhaupt alles erlebt haben? Ähnlich einem Strauß, zu dessen Anfertigung Hanna gebeten wird, der aber gar nicht so zu binden geht, weil die Pflanzen zu ganz unterschiedlichen Jahreszeiten blühen. Hanna Krause hat zu ganz unterschiedlichen historischen „Jahreszeiten“ gelebt und ihr Leben wird in diesem Buch geschickt zusammengebunden zu einem eng verknüpftem, sehr durchmischten Strauß. Sehr interessant gemacht.

    3,5/5 Sterne
    Der Kaiser der Freude Ocean Vuong
    Der Kaiser der Freude (Buch)
    17.05.2025

    Poetischer, aber klarsichtiger Blick auf Menschen in prekären Lebenssituationen

    Ocean Vuong ist mit seinem zweiten Roman der große Wurf gelungen. Mithilfe eines jungen Mannes von 19 Jahren, der als kleines Kind mit seiner Familie Anfang der 1990er Jahre aus Vietnam in die USA emigrierte, seiner nächsten Verwandten sowie seinem direkten sozialen Umfeld zeigt Vuong auf, dass das Versprechen des amerikanischen Traums, vom Tellerwäscher zum Millionär, schon lange nicht mehr gilt, wenn es denn je gegolten hat. Scheinbar in einer langsamen aber dauerhaften Abwärtsspirale befindet sich Hai, den wir zu Beginn am scheinbaren Tiefpunkt antreffen. Er lebt in Gladness, einem Arbeitervorort Hartfords in Connecticut, und ist gerade dabei von einer Brücke in den Fluss Connecticut zu springen, um sich das Leben zu nehmen. Denn viel ist nicht mehr für ihn zu holen in dieser trostlosen Welt aus verlassenen Fabriken, heruntergekommenen Wohngebieten und Drogen. Doch die hochbetagte Grazina, die selbst einmal vor langer Zeit auf der Flucht vor Stalin und Hitler aus Litauen in die USA emigrierte, unterbricht Hais Plan und nimmt ihn als ihren neuen Pfleger bei sich im ansonsten leerstehenden Haus auf.

    Nun könnte man meinen, hieraus entwickelt sich eine Feel-Good-Geschichte um dieses ungleiche Paar herum. Nur ist hier nicht viel „Feel-Good“ in diesem Roman, wenn auch trotzdem Witz und Humor an der ein oder anderen Stelle. Es gibt kleine, zwischenmenschliche Lichtblicke in dieser harten Geschichte. Lichtblicke, die selbst eine zum Zeitpunkt der Geschehnisse bestehenden Obama-Regierung nicht zu bieten vermag. Die Lichtblicke entstehen durch den genauen Blick auf die Arbeiter:innen, die hier im Mittelpunkt stehen, wie sie miteinander umgehen und einander auch aushelfen. So kann man einigermaßen überleben, aber von Leben kann kaum die Rede sein, wenn zwei oder drei Jobs gleichzeitig kaum ausreichen, um den existenziellen Bedürfnissen nachzugehen. Alle Figuren tun es irgendwie doch, leben.

    Sprachlich vermittelt Vuong diese Atmosphäre der objektiven Hoffnungslosigkeit und des subjektiven Durchhaltevermögens einfach nur herausragend. Die genutzten Sprachbilder sind so poetisch und pointiert, dass man über fast jeden Satz Ewigkeiten nachdenken kann. Da steckt so viel in Vuongs Sprache, Dinge, die eventuell im englischsprachigen Original noch besser in ihrer Mehrdeutigkeit erfasst werden können. Anne-Kristin Mittag und Nikolaus Stingl haben hier trotzdem hervorragende Arbeit in der Überführung ins Deutsche geleistet. Allein die brillante Mehrdeutigkeit des englischsprachigen Originaltitels kann gar nicht richtig ins Deutsche überführt werden. „The Emperor of Gladness“. Was es mit diesem „Kaiser“ auf sich hat, und dass dies rein gar nichts mit der sozialen Stellung eines tatsächlichen Herrschers als Staatsoberhaupt zu tun hat, erfährt man erst im Laufe des Romans. In genau einem Satz fast am Ende des Buches wird die Tiefgründigkeit dieser Formulierung deutlich und haut einem beim Lesen einfach nur um. Und natürlich „der Freude“, die Direktübersetzung vom Wort „Gladness“. Dass der Handlungsort des Romans absolut nichts mit wahrer Freude zu tun hat, aber doch mit zwischenmenschlichen Freudenmomenten, schwingt alles in diesem fiktiven Ortsnamen mit. Bei Vuong könnte man jedes Wort auf die Goldwaage legen und hätte seine helle Freude am Interpretationsspielraum.

    Ich könnte jetzt noch ewig weiter jubeln über diesen umwerfenden Roman, empfehle stattdessen aber, ihn selbst zu lesen. Und ich selbst nehme mir vor, nun endlich auch den Debütroman „Auf Erden sind wir kurz grandios“ von Ocean Vuong zu lesen. Er konnte mich mit seinem Schreibstil komplett von seinem Können überzeugen. Dieser 1988 in Vietnam geborene Autor steht nun auf meiner „muss ich lesen“-Liste.

    4,5/5 Sterne
    Der große Riss Cristina Henríquez
    Der große Riss (Buch)
    08.05.2025

    Menschlich breiter Panoramablick über den Bau des Panamakanals

    Ich muss zugeben, dass sich dieser historische Roman von Cristina Henríquez für mich überraschend als Highlight gemausert hat. Er gibt mithilfe von vielen Figuren einen breiten Überblick über den Bau des Panamakanals, die Arbeitsbedingungen unter denen dies Anfang des vergangenen Jahrhunderts geschehen ist, das Leben auf dem Isthmus zur damaligen Zeit, die politischen Verwicklungen und Einflüsse, sowie die ganz persönlichen Befindlichkeiten von einfachen Menschen, die irgendwie – unter anderem auch eher lose - in Verbindung mit dem Bau dieses Mammutprojekts von Menschenhand standen. Dabei wird nicht minutiös über die Baufortschritte berichtet, sondern Schlaglichter auf einzelne Szenen und Personen geworfen.

    Nach den ersten 100 Seiten des Romans kam mir der Gedanke: „Sollten jetzt nicht so langsam mal alle Hauptfiguren vorgestellt sein, oder wie viele Personen sollen hier noch eingeführt werden?“ Denn eins muss man Henríquez lassen: Sie spart nicht an Figuren, deren Lebensgeschichten bis zum Punkt, an dem wir sie im Buch antreffen, in kleinen Vignetten knackig vorgestellt werden und die uns meist bist zum Schluss des Romans begleiten. Oder auch nicht, denn es gibt auch Todesfälle, die das Erzählte nur umso realistischer und nie heroisierend wirken lassen. Und gerade diese Art des Erzählens, dass ich so viele Einblicke in so viele Leben bekommen habe, und dabei die Hand, an die ich genommen wurde, niemals fallen gelassen wurde, ich also dem immensen Personal problemlos folgen konnte, hat mich bis zuletzt gefesselt. Innerhalb von zwei Tagen war dieser historische Pageturner von über 400 Seiten eingesogen. Nebenbei lernt man die wichtigsten historischen, politischen, gesellschaftlichen, wissenschaftlichen, technischen Zusammenhänge zum Panamakanal, die einen denken lassen: „Warum habe ich bisher so unwissend diesen Kanal, den man im Geografieunterricht kurz kennengelernt hat, als gegeben hingenommen?“

    Cristina Henríquez schreibt unglaublich süffig und zügig. Keiner einzigen Länge begegnete ich in diesem Roman und trotzdem fehlte meines Erachtens nichts. Ich habe selten mit so vielen Figuren gleichzeitig mitgefiebert, denn geschickt wechselt sie in den Kapiteln zwischen den Figuren, kein Erzählstrang fällt hinten runter, jeder wird zielsicher zum richtigen Moment wieder aufgegriffen.

    Allein die deutsche Übersetzung, welche inhaltlich und stilistisch grundsätzlich gelungen ist, braucht für diese erste Auflage noch einmal ein aufmerksames Lektorat, welches an der ein oder anderen Stelle ein paar Tippfehler korrigiert. Die Schutzumschlag- und Buchdeckelgestaltung finde ich äußerst gelungen und nach der Lektüre erkennt man auch, dass genau das richtige Bild- und Kartenmaterial hier herausgesucht und genutzt wurde. Eine runde Sache.

    Somit bin ich insgesamt durchaus begeistert von „Der große Riss“, habe viel Wissenswertes erfahren, wurde gut unterhalten und kann die Lektüre demnach guten Gewissens empfehlen.

    4,5/5 Sterne
    Women Chloé Caldwell
    Women (Buch)
    28.04.2025

    Dieses angebliche Kult-Buch versagt auf vielen Ebenen

    Die Ich-Erzählerin dieser (mithilfe des Nachworts der Autorin als solchen erkennbaren) stark autobiografisch grundierten Geschichte ist Ende Zwanzig, bisher in ihrem Leben ausschließlich mit Männern zusammen gewesen und lernt nun nach dem Umzug in eine größere Stadt eine 19 Jahre ältere Frau, Finn, kennen, aus deren Freundschaft eine „sexuelle Beziehung“ entsteht. Finn ist allerdings seit zehn Jahren in einer Langzeitbeziehung und gedenkt nicht, ihre Partnerin zu verlassen. Dass diese Liebe keine Chance hat, erfahren wir gleich zu Beginn der Geschichte. Nun ist es an uns, den Niedergang der Liebe zu beobachten. Leider muss man dabei gefühlt quälend lang eine wirklich ungesunde (man kann den aktuell überstrapazierten Begriff „toxisch“ verwenden) Beziehung begleiten und ist nur froh, wenn dann endlich endgültig Schluss ist mit den beiden.

    Der Klappentext dieses schmalen Büchleins verspricht uns eine Geschichte über „Liebe, Sexualität und Identität und darüber, ob es nötig bzw. möglich ist, sich diesbezüglich glasklar zu definieren“. Außerdem wird das Buch als „Kult-Buch“ beworben, welches schon 2014 in den USA erschien und dort wohl in der lesbischen Szene sehr erfolgreich war. Ich hatte demnach hohe Erwartungen an diese Geschichte, hoffte einen Einblick in die Protagonistin, ihre Gedanken und Gefühle zu bekommen, bezüglich der Neuentdeckung ihrer sexuellen Orientierung. Also ich dachte, es geht wirklich mehr um diesen ersten Moment nach dem Kennenlernen der anderen Frau und was das alles in ihr selbst in Bewegung setzt. Wie hinterfragt man sich, wenn man so viele Jahre der Meinung war, nur auf Menschen des anderen Geschlechts zu stehen und plötzlich tritt dort eine Person in das eigene Leben, die das alles über den Haufen wirft? Und zwar so nachhaltig, dass danach auch nur noch Frauen als (Sexual-)Partnerinnen infrage kommen? Aber all diese und noch mehr Fragen bezüglich der eigenen Identität werden im Buch nur leicht tangiert. Tatsächlich konzentriert sich die Autorin auf die Darstellung einer massiv ungesunden Liebesbeziehung, die von Wutausbrüchen, Ablehnung, Streitigkeiten aber auch scheinbar mind-blowing Sex geprägt ist. Von der Ich-Erzählerin erfahren wir schnell, dass sie eine Borderline-Persönlichkeitsstörung hat und nicht nur entsprechende Stimmungsumschwünge an den Tag legt, sondern ihr Sex-/Liebesleben genauso eine Abhängigkeit darstellt, wie sie auch von Substanzen abhängig ist, oder sie zumindest aktuell noch missbräuchlich nutzt.

    Nun könnte man denken, dass wenigstens diese Emotionalität der Erzählerin auch im Text emotional aufrüttelnd dargestellt sind, auch wenn sie einem selbst von der Art her massiv auf die Nerven gehen (gefühlt von Seite 10 an). Aber nein, die Autorin hat meines Erachtens einen so oberflächlichen, banalen, unterkomplexen Schreibstil, missachtet vollständig die gängige Empfehlung „Show, don‘t tell!“ und rattert einfach irgendwelche Gefühlszustände runter. Als Leserin habe ich kein einziges Mal im gesamten Text emotional mitschwingen oder kognitiv mitgehen können. Um dies zu unterstreichen, hier ein Zitat. Als Hinweis: Von dem Ex-Freund und seiner Mutter sowie der Freundin mit ihrer Katze, erfahren wie nichts vorher und nicht nachher in dieser Geschichte, dies taucht einfach so im Text auf:

    S. 115 und 116:

    mitten im Kapitel kommt plötzlich diese Stelle:

    "Die Mutter meines Ex-Freundes stirbt an AIDS. Vor Trauer breche ich zusammen. Der Ex ruft mich jeden Tag an, trotzdem rechne ich nie damit. Wir reden zwischen zwei und fünf Stunden pro Tag, egal wo. Er geht durch Chinatown in New York. Ich sitze im Garten hinter dem Aquarium und rupfe Grashalme aus. Er erzählt mir, sein Leben sei eine Folge von Six Feet Under. In der Bibliothek schließe ich mich in einer Toilettenkabine ein, um seine Anrufe anzunehmen. Wir hören uns abwechselnd beim Weinen zu. Eine Freundin, die nicht in der Stadt ist, ruft mich an und bittet mich, ihre Katze einschläfern zu lassen."

    Solcherlei Stellen gibt es immer im Text. Aber gut, jetzt könnte man behaupten, man müsse ja gar nicht sich in diese kleinen Anekdoten hineinfühlen können, solange man sich in diese große Liebe hineinfühlen kann zwischen Finn und der Erzählerin. Nur: Auch dies passiert nicht! Die Autorin spricht im Text immer wieder einmal ihre Leser:innen direkt mit „Du“ an und durchbricht auch die Vierte Wand, indem sie während man die Geschichte um die Erzählerin und Finn liest, Hinweise zum Entstehungsprozess des Buches gibt. So meint sie ziemlich zu Beginn des Textes, dass ihre Lektorin sich von Seite Eins an in Finn verknallt hätte. So wie die Autorin die Figur Finn beschreibt, kann man allerdings überhaupt nicht nachvollziehen, warum sie sich in diese Person überhaupt verliebt. Und auch wenn wir als Leserschaft das auch gar nicht müssen, so müsste die Autorin es zumindest plausibel darstellen können, warum dies ihrer Erzählerin so erging. Fehlanzeige.

    Wichtig zu wissen, ist, dass das 192 Seiten dünne Büchlein nicht nur die eigentliche Geschichte (Novelle?) enthält, sondern auch noch in dieser Seitenzahl ein Vor- und ein Nachwort enthalten ist. Das Vorwort fand ich nicht uninteressant, aber letztlich auch eher eine "Fanstory" vor der eigentlichen Geschichte. Was ich vom Buchsatz her schlecht gemacht finde, ist, dass unter dem Vorwort nicht, wie das sonst meist der Fall ist, der Ort und Monat/Jahr des Verfassens abgedruckt ist. Aus zwei Gründen ist dies schlecht: Da das Buch ja eigentlich aus 2014 stammt, wäre es mir lieb gewesen zu wissen, wann Katie Heaney das Vorwort verfasst hat. Zum anderen fing dadurch einfach auf der nächsten Seite der Haupttext an, ohne im Grafikdesign hier einen Hinweis darauf zu geben. Ich war noch gar nicht richtig "raus" aus dem Vorwort, da fing schon die Geschichte an. Und ich merkte sehr stark über die ersten 20-30 Seiten des eigentlichen Textes "Women" hinweg, dass ich innerlich immer wieder die Lebensgeschichte von Katie Heaney, die mir ehrlich gesagt überhaupt nichts sagt, mit der autofiktionalen Geschichte von Chloé Caldwell vermischte. Zum Nachwort: Ehrlich gesagt ist dies wohl das bisher am meisten von sich selbst eingenommene Nachwort eine*r Autor*in, das ich je gelesen habe. Es geht über 17 Seiten hinweg nur darum, immer wieder zu betonen, wie unglaublich toll die Geschichte angekommen ist in der lesbischen Szene und wie scheinbar (!) alle lesbischen Frauen sich damit identifizieren könnten. Die Darstellung dysfunktionaler Beziehung und als ob alle oder zumindest ein Großteil alles lesbischen Beziehungen so dysfunktional ablaufen würden und dies auch innerhalb der Szene „normal“ sei, finde ich hoch bedenklich.

    Letztlich konzentriert sich der ohnehin schon kurze Text dann mehr auf die ungesunde Beziehung zwischen den beiden Frauen. Und diese Art der Beziehungsführung empfand ich unglaublich anstrengend. Also inhaltlich wie stilistisch anstrengend im Sinne von wirklich „nervig“ und nicht „zu anspruchsvoll“. Leider kann ich von der Lektüre dieses Buches nur dringend abraten und, wenn man sich bezüglich dieses Themenkomplexes interessiert, ruhigen Gewissens zu „Das Archiv der Träume“ von Carmen Maria Machado raten. Schade.

    2/5 Sterne
    Das Ende ist beruhigend Carla Kaspari
    Das Ende ist beruhigend (Buch)
    27.04.2025

    Endlich eine neue Idee im Bereich Dystopie/Utopie!

    Die Autorin Carla Kaspari entwirft in ihrem aktuellen Roman „Das Ende ist beruhigend“ mal ganz neue Ideen bezüglich einer Zukunftsversion und dem ungewöhnlichen Art und Weise, wie den Menschen der Zukunft „geholfen“ werden soll.

    Wir lernen Dean im Jahre 2125 kennen, ein sogenannter „Sponsor“, was für nichts anderes als „superreich“ steht und der mit seinem Geld in der Städte- und gesellschaftlichen Entwicklung dem Staat (sofern dieser überhaupt noch existiert) unter die Arme greift. Soll heißen: Die Sponsor:innen dieser Zukunft entscheiden in eigenen Gremien, in denen nur der eigene Finanzwert zur Teilnahme befähigt, was gebaut werden soll, wie die Menschen leben sollen. Wichtig bleibt dabei immer der Profit, denn eigentlich erscheint das Leben für die Durchschnittsbevölkerung kaum noch lebenswert. Die Luft ist mit Partikeln so durchsetzt, dass man sie kaum noch atmen kann und die UV-Werte der Sonnenstrahlen so hoch bzw. die Hitze so stark, dass man sich kaum noch im öffentlichen Raum aufhalten/leben kann. Berlin ist kaum noch bewohnbar, die Randgebiete sind längst aufgegeben. Nur Dean hat sich entschieden, seinen eigenen Luxuswohnkomplex in Berlin bauen zu lassen. Die Menschen um ihn herum verlieren jegliche Hoffnung, für sich selbst und für unseren Planeten. Aus dieser Situation heraus kommt Dean eines Tages eine Idee und er lässt eine verlasse Ortschaft in Italien zu einem Kreativen-Paradies umbauen. Dort gibt es saubere Luft, genügen gesunde Nahrung und entspannende Mediationen, damit sich die dorthin eingeladenen kreativen Menschen, aus allen möglichen Bereichen, auf ihre Arbeit und kreativen Prozesse konzentrieren können. Um mit den entstanden Werken die „Normalbevölkerung“ bei Laune zu halten. So meint man zumindest zu Beginn der Lektüre. Was sich hinter dieser Siedlung wirklich verbirgt und damit auch die ungewöhnliche Idee der Autorin, kann an dieser Stelle nicht verraten, sondern muss selbst erkundet werden. Dies muss man zusammen mit der Ich-Erzählerin Esther, einer deutschen Malerin, die mit ihrer besten Freundin Théa seit 2130 in Spes I (so der Name der Siedlung) lebt, herausfinden.

    Was genau Carla Kasparis Roman ist, eine Dystopie oder eine Utopie, oder eine Utopie in der Dystopie, ist kaum zu greifen. Sie macht auf jeden Fall einiges richtig, wenn es um das Erzählen ihrer Idee geht. So gefällt mir besonders der ganz fein abgestimmte Schreibstil. Die Parts, die sich mit Dean beschäftigen sind aus der personalen Perspektive verfasst und wirken recht konventionell im Stil. So richtig interessant wird es, wenn wir die Stimme von Esther lesen. Diese hat nämlich eine sehr spezielle Wortwahl und Art des Beschreibens. Zunächst wundert man sich noch, aber dann wird mit Erfassen ihrer Lebensbedingungen in Spes I, woher ihre Art kommt. Sie ist nämlich unglaublich achtsam und psychologisch geschult, in ihrem Denken. Jeder Satz ist genau austariert, klingt wie aus psychologischen angehauchten Selbsthilfebüchern zu Achtsamkeit und Fremd- bzw. Selbstwahrnehmung. Dies ist keine artifizielle Art des Schreibens von der Autorin, die sie nicht im Griff hat, sondern gezielt eingesetzt, denn wir merken im Verlauf: In Esthers Denken, Fühlen und Handeln wird quasi eine Form der Gehirnwäsche sichtbar. Wie diese funktioniert? Bleibt erneut ein Geheimnis in dieser Buchbesprechung und muss selbst erlesen werden. ;)

    Hier eine kleine Kostprobe von Esthers Gedankenwelt:

    „Obwohl ich es nicht anders kannte [Anm.: selbst zu kochen], habe ich hier im Dorf gemerkt, wie sehr mir der Vorgang gefehlt hat. Produkte auszuwählen, die man später zubereiten und dann zu sich nehmen wird, ist eine zutiefst befriedigende Tätigkeit, die mich mit Glück und Ruhe erfüllt. Vor allem, wenn es sich um Produkte handelt, die größtenteils lokal angebaut oder hergestellt werden. Einen Moment halte ich inne, um dankbar zu sein für die qualitativ hochwertigen Lebensmittel in Spes I.“

    Esther zuzuhören ist, als ob man einen Werbespot für ein Bio-Wellness-Achtsamkeits-Ressort mit idyllischen Bildern und in Weichzeichner ansieht. Uns ist natürlich klar, dass diese Idylle nur trügerisch sein kann.

    Schlussendlich hat mir die Lektüre von „Das Ende ist beruhigend“ auf literarischer Ebene und auch bezüglich der inhaltlichen Ideen sehr gefallen. Das Buch liest sich ganz wunderbar in kurzer Zeit, ist ein knackiger Pageturner. Definitiv eine Leseempfehlung für alle, die aus dem Bereich Dystopie/Utopie mal etwas anderes lesen wollen.

    4,5/5 Sterne
    Beeren pflücken Amanda Peters
    Beeren pflücken (Buch)
    18.04.2025

    Emotionsgeladene Familiensage um die Verluste einer Mi‘kmaq-Familie

    Der Debütroman von Amanda Peters, die selbst u.a. Mi‘kmaq-Vorfahren hat, dreht sich um eine Familie ebendieses indigenen Volkes. Die Erzählung erstreckt sich vom Jahre 1962, in dem die kleine vierjährige Ruthie verschwindet, als sich die Familie auf dem Gebiet Kanadas ansässige Familie wie jedes Jahr als Beerenpflücker auf nach Maine in den USA macht, bis in die Gegenwart, in der der ältere Bruder Ruthies Joe im Sterben liegt. Gleich im Prolog wird angedeutet, dass viele Jahrzehnte nach ihrem Verschwinden eventuell die, die mal Ruthie war, ihren Weg zurück zu ihrer Familie findet. Diese Lücke von mehreren Jahrzehnten schließt die Autorin in ihrem Roman über Familienbande, persönliche Tiefen und Verluste.

    Erzählt wird die Geschichte in Kapiteln, die immer im Wechsel zwischen „Joe“ und „Norma“ präsentiert werden. Schon beim Lesen des Klappentextes sollte jeder Person klar werden, dass es sich bei „Norma“ um keine andere als das vermisste Familienmitglied „Ruthie“ handelt. Aus Joes Sicht erfahren wir, wie die Familie das Verschwinden der kleinen Ruthie damals erlebt hat, wie sie jahrelang nach ihr suchten, vergeblich. Wie es weitere Verluste der ein oder anderen Art in der Familie zu verkraften gab. Dabei ist Joe definitiv kein Sympathieträger, was seine Geschichte allerdings umso eindringlicher macht. Ein Mensch, der an dem empfundenen Schuldgefühl, auf seine nur zwei Jahre jüngere Schwester damals nicht genug aufgepasst zu haben und damit an ihrem Verschwinden schuld zu sein, zerbricht und sich erst kurz vor seinem nahenden Tod wieder langsam zusammensetzt. Die Autorin findet dahingegen eine Stimme für Norma, die nichts von ihrem Ursprung wissen kann, die demnach zwar nicht vollkommen naiv durch ihr Leben wandelt, aber die merkwürdigen Ahnungen, die sie ihr Leben lang immer wieder erfüllen, nicht einordnen kann. Norma wächst bei einer wohlhabenden Familie in Maine auf, wodurch wir nicht nur Einblick in das Leben von indianischen Wanderarbeiterfamilien bekommen, sondern auch in dieses eher durchschnittliche „Mainstream“-Leben in den USA. Dass sich die beiden Erzählstränge unaufhörlich aufeinander zu bewegen, ist von Anfang an klar, macht das Buch aber dadurch keinesfalls minder spannend. Peters konzentriert sich auf die Entwicklung der Figuren und bietet durch die personal-wechselnde Erzählstimme einen authentischen Blick in die Leben der beiden Hauptfiguren. Aber auch die Nebenfiguren werden durch die Augen unserer beiden Protagonist:innen mit wenigen Strichen gezeichnet und werden dadurch greifbar.

    Amanda Peters hat mich mit ihrem angenehmen Schreibstil sofort in die Geschichte gezogen, der ich kaum aufhören wollte zu folgen. In diesem Buch ist der Weg das Ziel. Hier soll nicht das Ende überraschen, sondern Menschen die Möglichkeit gegeben werden, ihre Geschichte zu erzählen. Beziehungsweise zwei Geschichten, die sich nur dadurch unterscheiden, in welcher Familie, mit welcher angeblichen Abstammung man aufwächst und damit auch deutlich andere Chancen im leben bekommt.

    Die Psychologie hinter dem Verschwinden von Ruthie und wie sie in ihrer neuen Familie landet wird dabei nur angedeutet. Dies ist im Rahmen der beiden Erzählperspektiven, welche auf Joe und Norma beschränkt sind, nur logisch. Trotzdem hätte ich mir ihr ein klitzekleines Bisschen mehr psychologischen Einblick in eine bestimmte Nebenfigur, welche damit zu tun hat, gewünscht. Dies stellt allerdings nur einen persönlichen Kritikpunkt auf hohem Niveau dar, denn mit diesem Einblick wäre der Kern des Romans verschoben worden.

    Insgesamt bin ich also sehr begeistert von diesem Debütroman, der mich von Anfang bis Ende fesseln konnte. Nur den deutschen Titel finde ich nicht annähernd so passend wie den englischen Originaltitel, der da ist „The Berry Pickers“, denn dieser setzt die Mi‘kmaq-Familie, die sich als Wanderarbeiter verdingen muss, ins Zentrum. „Beeren pflücken“ klingt dahingegen nichtssagend und austauschbar.

    4,5/5 Sterne
    Cinema Love Jiaming Tang
    Cinema Love (Buch)
    12.04.2025

    Das chinesische Stonewall

    Vielen Menschen sollte der Stonewall-Aufstand im New York des Jahres 1969 ein Begriff sein. Ist daraus doch der Christopher Street Day entstanden. Ähnlich den Protesten von LGBT-Personen gegen eine polizeiliche Razzia aus homophoben Gründen in New York gibt es auch in Jiaming Tangs Debütroman einen Aufstand homosexueller Männer gegen staatliches Eingreifen gegenüber dem Mawai City Arbeiterkino in den 1980er Jahren, denn das Kino stellte für homosexuelle Männer einen save space da, um sich zu treffen und Kontakt aufzubauen. Diese Unruhen in der chinesischen Stadt mit Verletzten und Toten auf Seiten der Kinounterstützer bildet das Zentrum von Tangs Erzählung. Verschiedene Menschenschicksale wurden an diesem Tag in bestimmte Richtungen gelenkt und wir verfolgen mehreren Personen, die daraufhin das Land verlassen und in die USA, nach New York, auswandern. So umfasst der Roman einen Zeitraum von fast 40 Jahren, queeres Leben auf zwei verschiedenen Kontinenten und die Geschichten von einem halben Dutzend Personen, die sich alle untereinander beeinflussen.

    Jiaming Tang erzählt, wie ein Ort in China damals aussehen konnte, an dem bestimmte Männer überhaupt nur lieben konnten. Aber auch ein Ort des Betrugs. Nämlich des Betrugs an den Ehefrauen dieser Männer, die in der Regel nichts Genaues wussten, vielleicht ahnten, meist aber auch gar nicht so genau wissen wollten. So führte die Tabuisierung von Homosexualität zu Demütigungen auf allen Seiten. Tangs Buch spinnt die Geschichten dieser Menschen weiter und zeigt ihr Streben nach einem würdevollen Leben, in einem Land, welches Freiheit verspricht, dieses Versprechen jedoch nur selten einlösen kann. Denn die Einwanderer kommen in den verschiedenen Chinatowns an, welche Ende der 1980er, Anfang der 1990er immer noch Slums darstellen, in denen die Wohn- und Arbeitsbedingungen menschenunwürdig sind. Und letztlich erstreckt sich die Geschichte bis in die Zeit der Corona-Lockdowns und die Auswirkungen auf die ärmsten Bevölkerungsschichten. Dies ist ein sehr großer Rahmen, den Tang jedoch sehr gut einhält, nicht zu ausschweifend erzählt und durch Personenwechsel den Roman zu einem Pageturner macht. Wir springen mit dem allwissenden Erzähler von Person zu Person, von Zeit zu Zeit und von Ort zu Ort. Selten fällt es schwer, dem zu folgen, meist gelingt es dem Autor jedoch, einen mitzunehmen in die verschiedenen Szenarien.

    Der Erzählstil hat mir über weite Strecken sehr gut gefallen. Einen allwissenden Erzähler, der sich mit den Lesenden verbündet, liest man heutzutage nicht mehr oft. So fragt er uns zum Beispiel: „Siehst du sie? Die hinkende Frau mit den Einkaufstüten.“ oder „Vielleicht die Frau von der Kinokasse – von der wir wissen, dass es Bao Mei ist-, vielleicht hatte sie etwas gesagt, das sie nicht hatte sagen sollen.“ Nur in einem einzigen Kapitel wechselt der Autor die Erzählperspektive. Hier scheint die Figur (eine für das Geschehen tragisch-wichtige Figur) sowohl dem Erzähler als auch uns Lesenden direkt von sich aus die eigenen Empfindungen aus der Ich-Perspektive zu berichten. Das liest sich zunächst sehr merkwürdig an, ergibt aber aufgrund der tragischen Rolle der Person durchaus Sinn. Nur beginnt in diesem Kapitel erst der zweite Absatz mit einem Anführungszeichen, welches auch erst ganz am Ende des Kapitels wieder geschlossen wird. Meines Erachtens hätte dieses Anführungszeichen der direkten Rede gleich zu Beginn des Kapitels die Rede der Figur eröffnen müssen. Ein Fehler? Gewollt? Ich weiß es nicht. Aber auf jeden Fall zusätzlich verwirrend.

    Sprachlich erzählt Jiaming Tang mitreißend, mithilfe von punktgenau treffenden Sätzen die Geschichte seiner Figuren. Ich habe das Buch förmlich eingesogen. Allein bei dem ein oder anderen Wort, welches nicht so ganz zur erzählten Zeit oder dem deutschen Sprachgebrauch entsprechen, stockte ich kurz. Es handelt sich dabei entweder um sehr fachspezifische Wörter, die so nicht so richtig reinpassen („präkanzeröses Muttermal“) oder etwas zu neumodische Wörter („zumal sie hin und wieder dann doch ihre Bubble verlassen mussten“). Nun haben wir aber auch einen allwissenden Erzähler und dieser kann ja auch durchaus ganz moderne, (in der Übersetzung) eingedeutschte Wörter verwenden, wenn er will. Ich persönlich bin hier und da darüber gestolpert.

    Die Figuren - vor allem die weiblichen, bei den männlichen hätte es noch Potenzial gegeben - sind facettenreich angelegt und dadurch, wie uns der Erzähler in verschiedene Zeiten und zu den verschiedenen Figuren führt, erfahren wir nach und nach, wer welche Gedanken und Gefühle zu einer bestimmten Situation hat und letztlich auch welche Schuld auf wem lastet bezüglich der Geschehnisse bezüglich des Arbeiterkinos. Das ist geschickt gemacht. Gerade eben noch einen Verlagstext zum Buch lesend, würde ich Interessenten eher davon abraten dies zu tun, weil dort meines Erachtens schon zu viel verraten wird, was während der Lektüre noch einen Überraschungseffekt hatte.

    So muss ich sagen, dass ich diesen Einblick in eine ansonsten nur selten bis gar nicht beleuchteten Teil der Welt sehr lehrreich und interessant empfand. Es passiert so viel auf diesen wenigen Seiten, dass ich mich nach Beenden des Buches noch wunderte, wie dies alles auf nur knapp 300 Seiten stehen kann. Somit gibt es von mir eine klare Leseempfehlung für den Debütroman von Jiaming Tang, selbst in den USA aufgewachsen als Kind von chinesischen Einwanderern.

    4,5/5 Sterne
    Halbe Leben Susanne Gregor
    Halbe Leben (Buch)
    23.03.2025

    Gefährliche Dynamik

    Klara und Paulína ähneln sich zwar in den Merkmalen „Frau, Mutter, Alter“, könnten aber unterschiedlicher nicht sein, ebenso wie ihre Lebenswirklichkeiten. Während Klara eine erfolgreiche Architektin ist, die ihre Arbeit vor alles, auch ihre Familie, stellt, tut Paulína alles für ihre Kinder, sogar aus der Slowakei aufgrund von Geldnöten nach Österreich ins Ausland gehen, um dort fremde Menschen zu pflegen. Dieser fremde Mensch ist im Speziellen Klaras Mutter, die nach einem Schlaganfall Pflege benötigt. Klara, die zuvor aber noch mit der tatkräftigen Unterstützung der Mutter bei der Erziehung der eigenen Tochter gerechnet hat, hat keine Kapazitäten, um sich selbst um sie zu kümmern. Also wird über eine Agentur u.a. Paulína immer für zwei Wochen im Wechsel mit einem anderen ausländischen Pfleger ins Haus geholt, damit sie sich kümmern kann. Eigentlich um Klaras Mutter, aber die Familie überschreitet immer wieder Grenzen von Paulína bezüglich der von ihr geforderten Aufgaben und Paulína hat Schwierigkeiten, sich selbst abzugrenzen und Nein zu sagen. So entsteht eine gefährliche Dynamik innerhalb der Familie, die, wie wir schon auf den ersten Seiten erfahren, irgendwie dazu führt, dass am Ende Klara tot ist und Paulína lebt.

    Mithilfe von Rückblicken erfahren wir immer mehr darüber, wie Paulína ins Haus der Familie kam, welche echten und gefühlten Zwänge sie immer mehr dort einspannen und wie sie beginnt, sogar ihre minderjährigen Söhne, die sie in der Slowakei bei der Schwiegermutter lassen musste, zu vernachlässigen. Ein psychologisch sehr interessantes Konstrukt, welches sich nicht von jetzt auf gleich aber nach und nach immer mehr verschärft.

    Während der Roman solide im Sprachstil ist, so ist der Erzählstil bezüglich der Perspektivwechsel zu wechselhaft und mitunter anstrengend bis nervig. Die Autorin wechselt immer wieder, mitunter nach nur wenigen Sätzen die personale Perspektive von einer Figur zur nächsten. Selbst für kürzeste Momente springen wir in die Haut einer neuen Figur, auch kleinere Nebenfiguren. Mitunter war mir literarisch nicht klar, warum man nun auch noch diese oder jene Sicht auf ein Ereignis lesen muss.

    Sehr gut hingegen stellt die Autorin heraus, wie hoch die Kosten für (meist) Frauen sind, die ihr Heimatland verlassen, ihre Familie zurücklassen, um ein bisschen mehr Geld in die Haushaltskasse zu bringen, indem sie im Ausland arbeiten. An ganz eindrücklichen Beispielen sehen wir, was alles durch diese Zwänge kaputtgeht.

    Wir wissen von Anfang an, dass diese Geschichte nicht gut ausgehen wird. Und ich habe bis zuletzt gehofft, dass das Ende mir mehr Aufschluss darüber geben wird, wie es dazu kommen konnte. Allerdings lässt die Autorin einen hier gefühlt am ausgestreckten Arm verhungern. Hier hätte ich mir, neben einem ruhigeren perspektivischen Erzählen, mehr Einblicke gewünscht. Letztlich bleiben mir die Figuren psychologisch zu schwammig.

    So kann ich zwar den Roman aufgrund der inhaltlichen Beschäftigung mit den Pflegekräften, die in reicheren Ländern die Care-Arbeit, die Angehörige nicht übernehmen können oder wollen, leisten und die fatalen Kosten für deren eigene Familie empfehlen, literarisch konnte er mich allerdings nicht überzeugen.

    2,5/5 Sterne
    Schweben Amira Ben Saoud
    Schweben (Buch)
    23.03.2025

    Rätselhaft-dystopisches Szenario

    Amira Ben Saouds Debütroman skizziert eine Zeit in der Zukunft, in der es nur noch vereinzelte menschliche Enklaven gibt, die untereinander nur durch Warenaustausch Kontakt hegen. Den Menschen in den Siedlungen wird gesagt, sie würden sterben, falls sie die Siedlung verlassen sollten. Ein Ausstoß ist also die Höchststrafe für die Bewohner und Eindringlinge aus anderen Siedlungen werden direkt an der Grenze erschossen. In dieser Welt, in der „das System“ solch einengende Gewalt an seinen Bürgern ausübt, soll es keine Gewalt mehr geben, denn sie ist verboten. Aber irgendetwas rumort hier. Jugendliche verprügeln sich gegenseitig, es gibt Tote und es gibt Menschen, die die Siedlung angeblich verlassen, trotz der drohenden Gefahren im Außen. Eine davon ist Emma gewesen und deren Ehemann Gil versucht nun durch ein sogenanntes „Begegnung“-Erlebnis mit der Hauptfigur, die ihren eigenen Namen nicht mehr kennt, weil sie schon zu lange beruflich in die Rollen fremder Menschen schlüpft, die Beziehung nachzustellen, um besser über den Verlust Emmas hinwegzukommen. Emma sei verrückt gewesen und umso länger sich unsere Hauptfigur in der Rolle Emmas befindet, umso verrückter wirkt sie selbst. Die Realität scheint aus den Fugen zu geraten.

    Die Autorin bindet in ihren Roman interessante Ideen zu einem zukünftigen Gesellschaftsentwurf ein, die nie ganz ausgearbeitet werden und häufig nur angedeutet bleiben. Das System dahinter bleibt vage, lässt aber eindeutig vermuten, dass es sich hier um eine dystopische Zukunft handelt. Alles läuft immer mehr aus der Bahn, nicht nur die Gedanken und das Handeln der Hauptfigur. Diese ist ebenso rätselhaft wie das Szenario angelegt. Da sie neben ihrem eigenen Namen auch ihre eigene Persönlichkeit unter den vielen angenommenen vergraben zu haben scheint, ist sie und ihre Motive auch sehr schwer greifbar, ebenso wie wichtige Nebenfiguren. Das erschwert nicht das Lektüreerlebnis, denn der Roman lässt sich sehr angenehm lesen. Aber es erschwert das Dahintersteigen, hinter die Figuren, das System, die Handlung. Unbeantwortete Fragen und offene Erzählstränge muss man gut tolerieren können, genauso wie surreale Ereignisse.

    Das ergibt insgesamt einen durchaus interessanten Genremix, der literarisch ansprechend geschrieben ist und anregende Gedankenexperimente andeutet. Das Buch reißt auch Themen wie Identitätsprägungen und toxische Beziehungen an, ohne die Verhaltensweisen und Beweggründe der agierenden Personen genauer auszuleuchten. So werden mir etwas zu viele Themen und Ideen angesprochen. Eine Konzentration auf weniger, dann aber detaillierter, hätte mir etwas besser gefallen. Das Buch habe ich durchgängig gern gelesen, bleibe jedoch nach der Lektüre zu stark orientierungslos schwebend zurück.

    Für alle, denen das lobende Zitat von Clemens J. Setz im Klappentext aufgefallen ist: Ja, die Leser:innen seiner Bücher finden „Schweben“ ob des Stils sicherlich auch sehr ansprechend. Mit 187 Seiten wäre das bei Setz allerdings „nur“ eine Novelle. ;)

    3,5/5 Sterne
    Die Summe unserer Teile Paola Lopez
    Die Summe unserer Teile (Buch)
    16.03.2025

    Unsympathische Hauptfigur, aber interessante Vorfahrinnen

    In ihrem Debütroman „Die Summe unserer Teile“ entwirft die Mathematikerin Paola Lopez eine interessante Familiendynamik zwischen den Frauen einer polnisch-libanesisch-deutschen Familie. Da ist die 23jährige Informatik-Studentin Lucy, die vor drei Jahren von München nach Berlin zog und damit den Kontakt zu ihrer Mutter Daria abbrach. Daria ist 1976 aus dem Libanon nach München gekommen, um dort Medizin zu studieren, aber auch sie brach den Kontakt zu ihrer Mutter Lyudmila früh ab, als sie in Deutschland ihren eigenen Weg mit ihrer neu gegründeten Familie gehen wollte. Und damit kommen wir in der Großelterngeneration von Lucy an. Ihre Großmutter Lyudmila floh im Laufe des Zweiten Weltkrieges aus Polen in den Libanon, nach Beirut, damals das Paris des Ostens, um dort Chemie zu studieren und ihren zukünftigen Ehemann, Professor Haddad kennenzulernen.

    Den drei Frauen folgen wir in ganz unterschiedlichen Zeiten, die von 1944 bis 2014 reichen. Durch die Zeit- und Ortssprünge, die zu Beginn eines jeden Kapitels angekündigt werden, lernen wir nicht nur die einzelnen Lebensgeschichten der Frauen dieser Familie kennen, wir verstehen auch immer besser, wie es zu der angespannten Dynamik zwischen ihnen hat kommen können. Prägende Lebensereignisse bis hin zu Traumata verknüpft die Autorin geschickt miteinander, sodass man zum Ende des Buches hin das Puzzle der Familie immer besser zusammensetzen kann.

    Sprachlich macht dies die Autorin sehr solide, allerdings begeht sie meines Erachtens einen Fehler bei den Lucy-Kapiteln. Alle Kapitel sind in personaler Erzählstimme verfasst und folgen dann jeweils entweder Lucy, Daria oder Lyudmila. Man merkt den verschiedenen Kapiteln durchaus unterschiedliche Töne an, die sich an den Stil der jeweiligen Person anpassen. Lucy, die wir gleich zu Beginn mit ihrem Konflikt in 2014 kennenlernen und die uns bis zum Schluss begleitet, wird dadurch automatisch zur Hauptperson des Romans. Ihre Handlung in 2014 erstreckt sich lediglich über wenige Wochen hinweg vom mysteriösen Erhalt eines Steinway-Konzertflügels in ihrer Berliner WG bis in die dadurch angestoßene Reise an die polnische Ostsee, um den Spuren ihrer Großmutter zu folgen. Ist die Erzählstimme zu den Lucy-Kapiteln in Berlin noch von Informatikbegriffen und -idiomen durchsetzt, was durchaus zu einer entsprechenden Studentin dieses Fachs passen kann, aber hier vielleicht einen Tacken zu viel von der Autorin genutzt wird. So verändert sich die Erzählstimme innerhalb von wenigen Tagen in Polen zu einer, der diese IT-Formulierungen vollkommen fehlen. Also nicht nur weniger werden, sondern einfach von jetzt auf gleich vollständig aus dem Romantext verschwinden. Gerade weil die Autorin in den ersten Lucy-Kapiteln so massiv um sich wirft mit den Begrifflichkeiten, erscheint es wenig authentisch, dass diese sich plötzlich komplett auflösen. Wie schon Lucys Großmutter feststellte: Es Stoff geht niemals verloren, er wandelt sich nur in andere Aggregatzustände oder verbindet sich zu neuen Stoffen. Vielleicht ist die Informatikerinnen-Persönlichkeit von Lucy ja von einen auf den anderen Tag verpufft. Ich weiß es nicht. Gefühlt gibt es auch das ein oder andere Plothole und der Zusammenhang zwischen Cover und der erzählten Geschichte des Romans wird mir nicht klar.

    Ein weiteres Problem habe ich noch mit Lucy. Diese ist meines Erachtens unglaublich unsympathisch, aber nicht auf eine gewollte Art und Weise. Sie ist mit Anfang 20 äußerst neurotisch und selbstzentriert. Angeblich soll sie als Kind ganz handzahm und ausgeglichen gewesen sein, so der Eindruck ihrer Mutter. Als Erwachsene ist sie dies jedenfalls nicht mehr, was man durchaus als harten, rebellischen Akt gegen ihre Mutter interpretieren könnte. Aber in der Regel ändert sich ein Mensch nicht so grundlegend, sondern nur in der Ausprägungsstärke eines Charakterzugs. Die junge Lucy hätte mich wahrscheinlich nicht so massiv genervt wie die erwachsene. Für mich sind einige ihrer Entscheidungen nicht nachvollziehbar abgebildet im Roman, was die Figur an sich für mich zur am schwächsten Entworfenen unter den drei Frauenfiguren macht.

    Insgesamt ein durchaus interessanter Roman, der einmal ganz neue Blickwinkel, Zeiten und Regionen einbaut. Ich habe das Buch nicht ungern gelesen und es liest sich schön fluffig weg.

    3/5 Sterne
    Der Einfluss der Fasane Antje Rávik Strubel
    Der Einfluss der Fasane (Buch)
    14.03.2025

    Unter dem Einfluss der Sprache

    Der vorliegende Roman der Gewinnerin des Deutschen Buchpreises von 2021 ist der erste, den ich von der Autorin gelesen habe. Und gleich zu Beginn und auch durch das gesamte Buch hinweg wird klar, dass ihr sprachlich kaum jemand etwas vormachen kann. Inhaltlich geht es um eine Kulturressortleiterin einer großen Hauptstadtzeitung, die mit einem Skandalartikel einen wichtigen Intendanten gerechtfertigterweise aber ziemlich reißerisch des Machtmissbrauchs beschuldigte. Nun ist dieser Intendant tot. Durch Suizid. Und die Frage steht im Raum, ob der durch den Artikel losgetretene Shitstorm Ursache und damit die Journalistin Mitschuld am Tod des Intendanten hat.

    Wir begleiten Hella Renata Karl von dem Moment an, in dem sie Nachricht vom Suizid des Intendanten Hochwerth erhält und folgen nun ihrem Weg durch den Shitstorm, der nun sie selbst überfällt, welche Folgen dieser für ihr berufliches wie auch privates Leben hat. Dabei betrachtet Strubel mit scharfem Blick die Kulturszene inklusive den berichtenden Medien und ihre Machtstrukturen und verarbeitet mit spitzer Feder diese ihr sicherlich selbst nicht unbekannten Gemengelagen in einen hoch interessanten Roman. Immer weiter werden wir in Hella Renata Karls Leben und Denken hineingezogen und fragen uns selbst manchmal, was hier eigentlich noch der Wahrheit entspricht und was nicht.

    Die Sprache stellt für mich an diesem Roman das Herausragendste dar. Allein schon die Namenswahl der beiden Hauptfiguren ist mit Bedacht konstruiert. Da ist Hella („Sonnenschein“) Renata („wieder geboren“) Karl („freier Mann“/ erinnernd an Karl der Große, also auch „Hella die Große“?), welche aus ärmlichen, zerrütteten Verhältnissen stammt und gleich beim ersten Aufeinandertreffen vor sieben Jahren Hochwerth (spricht für sich mit deinem „hohen Wert“) als einen mit ähnlicher Vorgeschichte erkennt. Über Jahre entsteht zwischen ihnen eine Verbindung, die quasi in einem Machtkampf um Machtmissbrauch endet. Wer hat hier eigentlich über wen die Macht? Und wer hat den größeren Einfluss?

    Über fast den gesamten Text hinweg konnte mich Strubel mit ihrer Sprache und dem Erzählstil fesseln und mitnehmen in dieses ganz eigene Milieu der Kultur in der Hauptstadt. Nur zum Ende hin hatte ich das Gefühl, dass die Handlung mir zu sehr wegdriftet und mich dadurch immer ein kleines bisschen mehr verloren hat.

    Trotzdem ist „Der Einfluss der Fasane“ definitiv ein Roman, der die Autorin auf meinen Plan gebracht hat und dafür sorgen wird, dass ich noch weitere, ältere von ihr lesen werde. Ich stehe auf jeden Fall unter dem Einfluss von Antje Ràvik Strubels Sprachtalent. ;)

    4/5 Sterne
    Dunkle Momente Elisa Hoven
    Dunkle Momente (Buch)
    26.02.2025

    Wenig Literatur, dafür umso mehr moralische Denkanstöße

    Die als „Roman“ bezeichnete Veröffentlichung der Professorin für Strafrecht sowie sowie Richterin Elisa Hoven ist vielmehr eine Sammlung an neun literarisch aufgearbeiteten, juristischen Fallvignetten, die lose durch die Bedenken einer Strafverteidigerin an ihrer eigenen Arbeit zusammengehalten werden. Eva Herbergen teilt uns direkt zu Beginn des Buches mit, dass sie ihre Anwaltszulassung als Strafverteidigerin in Berlin zurückgeben wird. Wie es zu dieser Entscheidung, welche sich bereits 20 Jahre zuvor als Zweifel in ihr Leben schlich, erfahren wir nach und nach, indem wir verschiedene Fälle aus ihrem beruflichen Leben und wie diese ihre moralischen Stützpfeiler ins Wanken brachten geschildert bekommen. Dabei sei für Betroffene gesagt: Es wird auch ein Fall einer heftigen Gruppenvergewaltigung beschrieben.

    Fast wie Kurzgeschichten wirken die einzelnen Fälle der Eva Herbergen im Buch präsentiert. Immer mit einer prägnanten Überschrift, der zeitlichen Einordnung und einer innerhalb der Fälle klare Einteilung mit Teilüberschriften. Jeder Fall wirkt auf den ersten Blick rechtlich wie moralisch erst einmal auf den ersten Seiten recht eindeutig. Erst mit dem Blick von verschiedenen Seiten und im Verlauf erkennen die Leser:innen wie auch die Strafverteidigerin selbst, dass ein Sachverhalt nie so einfach ist, wie er erst einmal scheint. Selbst wenn sich juristische Klarheit schaffen lässt, bleiben bei jeder Geschichte starke moralische Zweifel zurück. Ein jeder Fall stellt ein moralisches Dilemma dar. Es wird immer klarer, dass „Recht“ nicht dasselbe wie „Gerechtigkeit“ sein muss. Dass der Rechtsstaat, der mehr als eine Berechtigung hat und wir froh sein sollten, dass es ihn in Deutschland gibt, jedoch nicht immer jeder betroffenen Person Gerechtigkeit verschaffen kann. Und so wie Eva Herbergen immer mehr Schwierigkeiten hat zu erkennen, was richtig und was falsch ist, so ergeht es auch den Leser:innen dieses Buches. Man ist hin und her gerissen zwischen den handelnden Personen, fragt sich zunehmend, wer ist eigentlich „Täter“ und wer „Opfer“ und wie eindeutig kann diese Zuschreibung überhaupt sein. Gerade der menschliche Faktor im Rechtssystem wird von Elisa Hoven besonders herausgestellt, was von Natur aus schon eine Einordnung in ein stringentes System von Paragraphen erschwert bis unmöglich macht.

    Während diese vielen moralischen Dilemmata für mich das Kernstück des Buches darstellen und ich jedes für sich genommen unglaublich interessant fand, muss ich konstatieren, dass das Buch literarisch eher wenig zu bieten hat. Der Roman ist sehr konventionell bis sprachlich simpel geschrieben. Die starke Strukturierung scheint der Annäherung an Fallvignetten geschuldet zu sein, hat für mich das Buch allerdings auch in ein starres Korsett geschnürt. Vom Spannungsbogen her stellt für mich der siebte Fall, die Vergewaltigung, die Klimax dar. Die zwei Fälle, die danach geschildert werden, sind zwar für die Entscheidung der Protagonistin ihre Zulassung zurückzugeben besonders wichtig, verblassten allerdings für mich nach dem heftigen siebten Fall. Fast nebensächlich wirkten sie im Vergleich. Aber das kann an meiner eigenen moralischen Einschätzung liegen.

    Und genau das ist die Stärke des Buches: Das ständige Hinterfragen eigener moralischer Prinzipien. Die Frage: Wie hätte ich agiert, geurteilt, verteidigt? Deshalb entscheide ich mich auch ganz knapp für ein Aufrunden auf 4 Sterne. Literarisch ist das Buch für mich solide, aber nicht mehr als 3 Sterne in der eigenen Bewertung, inhaltlich allerdings greift es viele Ambiguitäten auf, was mir sehr gut gefallen hat und mich das Buch atemlos hat lesen lassen.

    3,5/5 Sterne
    Unter Grund Annegret Liepold
    Unter Grund (Buch)
    26.02.2025

    Geschickt verknüpft, aber ausbaufähig

    In ihrem Debütroman verknüpft Annegret Liepold geschickt die Geschichte von Franka in der „Gegenwart“ (ca. 2017), welche aktuell ein Referendariat in einer Schule in München absolviert und mit der Klasse zu Beginn des Romans den laufenden NSU-Prozess besucht, und der jugendlichen Franka im Jahre 2006, die sich in ihrem Heimatdorf mehr und mehr einer rechten(-extremen) Clique annähert. Somit verbindet die Autorin, wie Menschen ganz graduell in ein rechtes Milieu rutschen können, zu welchen Handlungen dies im Extremfall führen kann und letztlich durch die Verbindung zum NSU-Prozess, welche katastrophalen Folgen eine solche Gesinnung und ein solches Handeln haben können. Der Titel „Unter Grund“ ist diesbezüglich natürlich hervorragend gewählt, lassen sich doch durch verschiedene Sprechweisen auch Deutungsmöglichkeiten implizieren.

    Neben Franka, die wir durch sowohl Rückblicke in ihre Jugend als auch fortschreitende Geschehnisse in ihrer Gegenwart immer besser verstehen lernen, tauchen auch diverse Nebenfiguren auf, die das gesamte Spektrum von politisch links und alternativ bis hin zu knallhart rechtsextrem auffächern. Während Franke zunächst noch in der Schule mit einem Antifa-Sympathisanten befreundet ist, lernt sie zufällig Gleichaltrige aus dem rechten Spektrum kennen und lässt sich bereitwillig von deren Charisma mitziehen. Aber auch auf der familiären Ebene lernen wir Menschen kennen, die wie Frankas Mutter weltoffen agiert oder lesen Geschichten über ihre Großmutter „Die Füchsin“, die während ihrer Jugend straffe Anhängerin der nationalsozialistischen Ideologie war und bis ins hohe Alter einen großen Einfluss in der Familie ausübte.

    Nachdem ich nach dem fulminanten Einstieg zum Zeitpunkt des NSU-Prozesses erst einmal etwas Probleme hatte, mich in den Rückblicken von Franka zurechtzufinden, tauchte ich mehr und mehr in ihre Vergangenheit ein und beobachtete fasziniert, wie aus einer politisch eher neutralen Person innerhalb weniger Wochen eine Rechtsextreme werden kann. Dabei legt die Autorin immer wieder Hinweise aus, dass hierfür nicht allein die Peergroup verantwortlich ist, sondern auch die Familienhistorie. Hier hätte ich mir etwas detailliertere Ausführungen zur Großmutter und zum Vater der Protagonistin gewünscht. Es kann aber auch sein, dass die Autorin dies beabsichtigt vage gehalten hat, um uns aufzuzeigen, dass wir nicht vollkommen bewusst indoktriniert werden müssen, um trotzdem davon beeinflusst zu werden. Trotzdem kam mir dies etwas zu kurz.

    Letztlich fand ich besonders sie Beschreibungen von verschiedenen Aktionen innerhalb der rechten Szene sehr interessant zu lesen. Die Autorin deutet letztlich nur an, wie Franka letztlich von der Rechtsextremen wieder ihren Weg zurück zur Mitte gefunden hat und nun ihrer Vergangenheit, mit der sie sich nicht mehr in der „Gegenwart“ identifiziert, gegenübertreten muss. Auch hier wäre ich der Protagonistin sehr gern bei ihrem Erkenntnisprozess einer Endradikalisierung genauer gefolgt.

    Auch wenn der Roman meines Erachtens nach noch ausbaufähig gewesen wäre, kann ich eine Lektüre empfehlen. Er ist sprachlich solide verfasst und behandelt den Themenkomplex der politischen Radikalisierung aus einem interessanten Blickwinkel. Obwohl mir die Entscheidung sehr schwer fällt, tendiere ich zum Aufrunden auf 4 Sterne. Die Autorin hat definitiv Potenzial und ich bin gespannt, was sie nach diesem Debüt veröffentlicht.

    3,5/5 Sterne
    Achtzehnter Stock Sara Gmuer
    Achtzehnter Stock (Buch)
    21.02.2025

    Unvorhersehbar und dadurch ganz besonders eindrücklich

    Sara Gmuer legt mir „Achtzehnter Stock“ ein beeindruckendes Debüt vor. Im Mittelpunkt steht Wanda, eine arbeitslose Schauspielerin Mitte 30, die mit ihrer fünfjährigen Tochter Karlie einen Hochausplattenbau in Berlin bewohnt. Sie ist zu stolz, Hartz IV zu beantragen, wie fast alle anderen im Block, versucht sich mit dem Geld der vor zwei Jahren gedrehten Persil-Werbung über Wasser zu halten. Aber schnell wird klar, das ist hier nicht einfach nur ein Engpass, nein, hier geht es um alles, hier geht es um waschechtes Prekariat. Die Geschehnisse kommen ins Rollen mit einer angebotenen Rolle, deren Hauptdarsteller sich auch noch für Wanda interessiert. Doch zeitgleich wird Karlie krank und Wanda weiß als Alleinerziehende kaum alles unter den sagenumwobenen Hut zu bringen.

    Dieser Roman hat mich mit deinen wenigen 220 Seiten komplett eingesogen und durchgeschleudert wieder ausgespuckt. Zu Beginn der Lektüre dachte ich noch an der ein oder anderen Stelle: „Na, diesen Trope wird sie jetzt doch nicht bringen, oder?“. Zum Beispiel: Wird jetzt der auftauchende Starschauspieler echt der große Retter werden? Werden die anderen Mütter aus der Platte als beste Freundinnen die Retterinnen werden? Etc. pp. Aber Gmuer reißt so oft das Ruder herum, entwickelt einen – zumindest für mich – unvorhersehbaren Plot, überraschte mich immer wieder mit ihren Ideen, die aber nie unrealistisch daherkommen, dass sie mich vollständig für ihre Geschichte einnehmen konnte.

    Sprachlich ist der Text teilweise sehr reduziert, bringt dadurch aber immer wieder ganz tolle Gedanken gebündelt aufs Tapet, die dadurch noch eindringlicher nachwirken können. So entwickelt sie nicht nur eine Milieustudie zum Leben am Existenzminimum in einer Berliner Plattenbausiedlung der Gegenwart sondern auch einen Blick für das abgeschlossene Biotop der Filmaufnahmen auf einem Set. Gestochen scharf sind die Formulierungen, mit denen sie die Szenerien ebenso wie die Wünsche, Hoffnungen und Enttäuschung von Wanda seziert.

    So schreibt sie ganz wunderbar auf Seite 69: „Man wird zu den Menschen, mit denen man am meisten Zeit verbringt. Man wird eins mit der Umgebung, wie Fetzenfische zwischen Korallen oder hässliche Gespenstschrecken auf irgendwelchen Ästen. Man gleicht sich an, bis man sich am Ende selbst nicht mehr sieht, und wenn man dann hinter vergilbten Gardinen und vorgehaltener Hand über die anderen redet, meint man eigentlich sich selbst.“

    Oder auf Seite 168: „Man vererbt nicht nur Geld, man vererbt auch Armut. So oder so, es bleibt in der Familie.“

    Immer wieder hadert die Protagonistin mit ihrer Herkunft, ihrem Dasein in der Armut und ihrer möglichen oder unmöglichen Zukunft. Sie beißt sich durch und verletzt dadurch durchaus auch ihr Umfeld. Immer intensiver wird nicht nur das Erleben der Protagonistin sondern auch die Leseerfahrung zum Ende des Buches hin. Ich hing an Sara Gmuers Lippen respektive Schreibfingern und konnte das Buch kaum noch weglegen. Gefühlt fast etwas zu kurz empfand ich den Roman, aber gleichzeitig kann genau diese Kürze den Reiz dieser verdichteten Geschichte einer alleinerziehenden Mutter, die den Spagat zwischen zwei scheinbar unvereinbaren Welten versucht zu schaffen und stark ins Taumeln gerät, ausmachen; fast so, wie der Hochhausturm, dessen achtzehnten Stock die mit ihrer Tochter bewohnt, wenn es draußen stürmt und des Gefühl von Weltuntergang aufkommt.

    Ein äußerst lesenswertes Debüt von einer Autorin, deren weitere Werke ich schon jetzt begeistert erwarte.

    4,5/5 Sterne
    Klapper Kurt Prödel
    Klapper (Buch)
    09.02.2025

    Wohl ungewollt etwas anachronistischer Protagonist, aber solide Story

    Der 1991 geborene Autor Kurt Prödel legt mit „Klapper“ seiner Coming-of-Age-Geschichte mit einem Außenseiter als Hauptfigur ein solides Romandebüt vor. Im Zentrum steht Klapper, der eigentlich Thomas heißt, aber von seinen Mitschüler:innen den Spitznamen Klapper zugeschrieben bekam, weil sein spindeldürrer, langer, blasser Körper nach einem Wachstumsschub plötzlich anfing, bei jeder Bewegung zu knacken und knirschen. Klapper ist als Erwachsener im Jahre 2025, in dem wir ihn erstmals kennenlernen, ein PC-Nerd mit einer ungeliebten Stelle in der IT-Abteilung einer Firma. Seine wichtigste Aufgabe ist die regelmäßige Schulung, in der er Angestellten vermitteln muss, dass sie Email-Anhänge doch bitte nicht ungeschützt öffnen sollen. Nichts, was er sich noch im Alter von 15 Jahren erträumte, als er in 2011 die Sommerferien damit verbrachte, tagelang Counter Strike zu zocken und hierfür auch eigene Maps (nennen wir es mal „Level“ für Leute, die damit gar nichts anfangen können) zu kreieren. Er ist Metal-Fan, der jeden Tag eins seiner Bandshirts trägt und mit schwarzer Kutte rumläuft. Allein diese Merkmale machen ihn schon locker zum Außenseiter in der Schule. Im neuen Schuljahr lernt er Bär kennen. Ein großgewachsenes Mädchen, welches Deutschrap hört, kifft und Comicfiguren zeichnet, die alle einen Dübel im Mund haben. Wie es der Zufall will, zockt sie auch Counter Strike und die beiden freunden sich an. Doch irgendetwas führte zum Kontaktabbruch, ein Ereignis, dem wir uns nun im Roman langsam annähern und dabei die Beziehung der beiden Jugendlichen tiefer ergründen.

    Grundsätzlich hat mich die Geschichte um den Außenseiter Klapper sehr interessiert, da ich in einigen Eigenarten mein jugendliches Selbst wiedererkannte. So verfolgte ich auch durchgängig mit Interesse die Geschehnisse, die letztlich zum Kontaktabbruch der beiden führten. Der Roman ist süffig geschrieben und liest sich schön runter. Mit den beiden Personen Klapper und Bär hat der Autor auch zwei Figuren entworfen, die außerhalb der häufig bespielten Coming-of-Age-Schablonen liegen. Nur ist mir leider beim Lesen immer wieder aufgestoßen, dass gerade Klapper mit seinen Interessen irgendwie nicht ganz in die Zeit passen will. Und zwar nicht so, dass er gänzlich gewollt anachronistisch angelegt scheint (als Beispiel: in 2011 Fan von Nirvana ist, die zu der Zeit ja schon lange nicht mehr existierten, und es aber trotzdem immer Jugendliche geben wird, die die Band verehren; alles gut). Klapper ist ja demnach 1996 geboren und mit all seinen Interessen wirkt er mir eher so, als ob er besser in die Jugend des 1991 geborenen Autors passen würde. Alles scheint minimal um fünf Jahre versetzt zu sein. Er trägt T-Shirts von System Of A Down, Tool etc. Er spielt Maps bei Counter-Strike, welches 2000 rauskam und 2004 rum besonders beliebt war, die eher in diese Zeit passen, auch wenn 2011 durchaus noch Counter-Strike gezockt wurde. Es wird erwähnt, dass wegen Schulamokläufen Counter-Strike dafür als „Killerspiel“ verantwortlich gemacht wurde. Historisch war dir vor allem nach dem Amoklauf in Erfurt 2002 der Fall. Die Technik, die genannt wird im Buch, passt nicht ganz in 2011. Bär soll die erste mit dem ersten iPhone in der Schule gewesen sein. Dies kam aber schon 2007 raus. An anderer Stelle schreibt sie im Whatsapp, was aber ja schlecht gehen würde, wenn sie scheinbar eine der ersten mit einem Smartphone gewesen ist. Klapper ist Fan von Oliver Kahn, der bis 2006 Spieler der Nationalelf war. Mal ganz davon abgesehen, dass dieses Fan-Dasein bis auf die Anwesenheit eines Posters in seinem Zimmer, nicht durch entsprechende Handlungen (wie Fußball schauen, sich mit anderen darüber unterhalten, selbst spielen etc.) untermalt wird. Ganz ehrlich, ich kannte in meiner Jugend viele Leute – und war eine davon – die man als Nerds bezeichnen würde, und niemand davon war Fußball-Fan. Das stand eher immer für das komplette, dumpfe Gegenteil von dem, wofür man selbst stand. Auch Klapper wird im Buch von dumpfen Fußballern seiner Schule gequält. Diese merkwürdig unerklärte Affinität wird meines Erachtens also überhaupt nicht im Buch begründet oder mit Handlungen untermauert. So erscheint mir besonders die Figur Klapper insgesamt nicht richtig passend in die zeit, in die er hineingeschrieben ist. Nun kann man natürlich auch argumentieren, dass das alles auch so hätte sein können, keine Frage, aber bei mir hat das immer zu einem Störgefühl beim Lesen geführt. Auch wirft der Autor mit Markennamen von Energydrinks, IKEA-Möbeln und – kurioserweise – ständig mit dem Namen Til Schweiger um sich, um scheinbar ein Feeling für „die damalige Zeit“, „als wir noch jung waren“ wiederaufleben zu lassen.

    Die anderen Figuren sind mir mitunter nicht so richtig greifbar geraten. Bär ist ein kleines Mysterium geblieben und alle vier Elternteile scheinen irgendwelche psychische Störungen zu haben, die mal eben mit eine Rolle spielen. Das Ende kommt dann abrupt und dann ist das Buch auch schon wieder vorbei, ohne eine kräftige Wirkung hinterlassen zu haben.

    Insgesamt kann ich mir also vorstellen, dass Leser:innen, die sich weniger an diesen ganzen Details stören als ich, durchaus ihre Freude an diesem Roman haben werden. Ich habe ihn durchaus nicht ungern gelesen, war zügig durch, es wird aber nicht allzu viel zurückbleiben von der Lektüre.

    3/5 Sterne
    Digitale Diagnosen Laura Wiesböck
    Digitale Diagnosen (Buch)
    28.01.2025

    Erschreckende Entwicklungen fachlich hervorragend dargestellt

    In ihrem Sachbuch zum Umgang mit psychischer Gesundheit im Rahmen von Social Media Kanälen beleuchtet die österreichische Soziologin Laura Wiesböck ein internationales Phänomen der letzten 20 Jahre, welches sich aktuell immer stärker zuspitzt, absurder aber auch gefährlicher wird. Dabei stellt sie heraus, dass psychische Belastungen in den sozialen Medien zu schnell krankhaft dargestellt werden und damit profunde psychische Störungen von User:innen und allgemein in der Gesellschaft mehr und mehr verschwimmen. Dabei weißt sie durchaus darauf hin, dass „krank“ und „gesund“ keine objektiven Parameter sind, sondern sozial konstruiert. Somit werden sie auch gesellschaftlich vermittelt und es kommt zu spezifischen „Moden“ bezüglich der Nutzung dieser Begrifflichkeiten und Diagnosen. Da für Nutzer:innen die Grenze zunehmend verschwimmt zwischen psychiatrischer Diagnose und Fragen der emotionalen Ausgeglichenheit und Funktionalität werden „normale“ Schwankungen im psychischen Befinden schnell pathologisiert. So bewegt sich das Themengebiet der psychischen Gesundheit in einer post-faktischen Gegenwart der sozialen Medien zwischen einer durchaus wichtigen Enttabuisierung, einer verharmlosenden Glamourisierung sowie einer hoch gefährlichen Kommerzialisierung und Aneignung von psychischen Erkrankungen.

    Als Diplom-Psychologin bin ich fachlich von diesem Sachbuch wirklich massiv angetan. Trends, die mir in den letzten Jahren – verstärkt seit der Covid-19-Pandemie – in der Praxis zunehmend aufgefallen und auch unangenehm aufgestoßen sind, finden hier eine Entsprechung in Buchform. Bei jedem Satz gerade im anfänglichen, beschreibenden Teil des Buches hätte ich am liebsten laut „Ja, genauso ist es!“ ausgerufen. Sehr präzise stellt die Autorin dar, wie gefährlich ungenaue Beschreibungen von psychischen Zuständen bis hin zu tatsächlich „behandlungswürdigen“ Erkrankungen in den sozialen Medien auf die Menschen wirken und welche katastrophalen Folgen die Generierung von Inhalten ausgehend von gewinnorientierten Algorithmen wirken können. Sie zeigt auf, wie die Praxis, ambivalentes menschliches Verhalten und Empfinden mit eindeutigen (aber eben in dieser eindeutigen Form nicht sinnvollen) Zuschreibungen zu vereinfachen, zu kategorisieren und zu standardisieren, im derzeitigen technologischen Design verankert sind (S.61). Sehr genau beschäftigt sie sich mit den Anreizsystemen der verschiedenen Social Media Plattformen und wie diese – passend zum neoliberalen Gesellschaftsmodell – eine Spirale nach unten bilden können. Immer wieder verknüpft die Autorin sehr nachvollziehbar, wie das aktuell vorherrschende Gesellschafts- und Geschäftsmodell auf psychische Gesundheit einwirkt und durch die sozialen Medien verstärkt wirkt.

    Mit gefällt besonders der Aufbau des Buches, der vom Mikrobereich einzelner Beispiele aus Kanälen sozialer Medien sich zum Ende hin im Makrobereich zu einer allgemeineren Gesellschaftskritik bezogen auf das Themengebiet entwickelt. Dort spart die Autorin auch nicht an Kritik gegenüber der aktuellen Psychologie und Psychiatrie und das Konzept der psychischen Erkrankung als solches, da doch letztlich alles eine Frage der Abweichung von einer normativ gesellschaftlich und auch politisch entstandenen Krankheitsdefinition. Man nehme das Beispiel der Homosexualität, die zunächst als krankhaft eingestuft wurde und mit der Streichung aus den Kriterienkatalogen plötzlich ein großer Teil der Bevölkerung als nicht mehr krank galt, was zuvor noch der Fall gewesen ist.

    Als einziger, klitzekleiner Kritikpunkt muss ich anmerken, dass ich das Gefühl hatte, die Autorin wiederholt sich zum Ende hin bezüglich mancher Aussagen. Dies mag daran liegen, dass diese die für sie wichtigsten Take-Home-Messages sind und sie daher diese besonders unterstreichen wollte. Aber dies ist Meckern auf hohem Niveau, denn insgesamt ist dieses Buch ein echter Gewinn in der Betrachtung moderner Einflüsse auf ein (durchaus zu hinterfragendes) System von psychischer Krankheit und Umkehrschluss Gesundheit.

    Ich kann das Buch eigentlich allen ans Herz legen. Es gibt keinerlei fachliche Ungenauigkeiten, ist präzise formuliert, vertritt eine starke Haltung.

    4,5/5 Sterne
    Warum Hunde uns zu besseren Menschen machen Kurt Kotrschal
    Warum Hunde uns zu besseren Menschen machen (Buch)
    27.01.2025

    Wissenschaftlich fundiertes Buch zur Mensch-Hund-Beziehung

    Der Verhaltensbiologe und emeritierte Professor der Universität Wien Kurt Kotrschal erzählt in seinem Sachbuch mit eingängiger, verständlicher Sprache vom Team Mensch-Hund, dessen evolutionäre Geschichte, ihre Besonderheiten gegenüber anderen Partnern, den Einfluss von Hunden auf das menschliche Verhalten und Gesundheit sowie die Unterschiede zwischen Hund und Wolf, die eine so intensive Verbindung zwischen Mensch und Hund überhaupt erst ermöglichen.

    Ohne seine Leser:innen aus den Augen zu verlieren, formuliert Kotrschal den aktuellen wissenschaftlichen Wissensstand zur Beziehung zwischen Mensch und Hund konkret und nachvollziehbar aus. Er mystifiziert nicht das scheinbar unbegreifliche Band zwischen den beiden Arten, sondern erklärt es anhand wissenschaftlicher Untersuchungen und rationalen Überlegungen. So fand ich ganz toll, wenn er direkt im ersten Satz nach der eingängigen Kapitelüberschrift „Das Wunder der zwischenartlichen Beziehungsfähigkeit: Die menschliche Seite“ schreibt: „‘Wunder‘ entziehen sich der rationalen Erklärung, sonst wären es ja keine. Versuchen wir es also mit einer Zusammenschau unterschiedlicher Ergebnisse aus der Forschung.“ Herrlich! Das lässt mein wissenschaftlich-orientiertes Herz höher schlagen. Hier wird nichts verniedlicht, sondern immer alles sachlich untermauert.

    Nachdem der Autor die Besonderheiten (entwicklungspsychologisch, kognitiv, behavioral, bindungsbezogen etc.) von Hunden herausstellt, widmet er sich sogar noch kurz in den letzten beiden Kapiteln des Buches zum einen den negativen Seiten des Zusammenlebens von Hunden und Menschen auf diesem Planeten als auch einem Ausblick, wie diese Beziehung in der (zunehmend digitalisierten und technisierten) Zukunft aussehen könnte. Hier merkt man, dass dem Autor der Zustand unseres Planeten vor allem bezogen auf die Klimakrise keineswegs egal ist und er die Möglichkeit nutzt, auf Missstände hinzuweisen.

    Insgesamt empfand ich die Lektüre als sehr erhellend, obwohl ich schon so einige Sachbücher zum Thema gelesen habe. Besonders die psychologischen Aspekte und der aktuellste Wissensstand fand ich gerade erfrischend umgesetzt. Und die Tatsache, wie häufig ich während und nach der Lektüre Menschen aus meinem direkten Umfeld von dieser oder jener Erkenntnis oder Studie, die im Buch erwähnt wurde, erzählte, zeigt mir, wie eindrücklich diese war. Allein zum Schluss wirkte mir gerade das Kapitel zu den „Dunkeln Seiten“ etwas zu hektisch runtererzählt. Hier hätte der Autor meines Erachtens durchaus noch mehr ins Detail gehen können.

    Insgesamt handelt es sich um eine lohnenswerte Lektüre, selbst wenn man das Gefühl hat, schon viel zum Thema gelesen zu haben. Und natürlich gibt es zwischendurch auch noch wunderschöne Farbfotografien, da freut sich der:die Hundefreund:in zusätzlich.

    4,5/5 Sterne
    Zwei vernünftige Erwachsene, die sich mal nackt gesehen haben Anika Decker
    Zwei vernünftige Erwachsene, die sich mal nackt gesehen haben (Buch)
    09.01.2025

    Unterhaltsam und gesellschaftlich relevant zugleich

    Auch mit ihrem zweiten, anspruchsvollen Unterhaltungsroman nach dem großartigen „Wir von der anderen Seite“ weiß die Drehbuchautorin und Regisseurin Anika Decker zu überzeugen, wenn auch mit Abstrichen.

    Wie man sich schon aufgrund des Titels denken kann, schreibt Decker - wieder einmal - mit leichter Feder und viel Sprachwitz ihre Geschichte über Nina, eine geschiedene Frau im Alter von 49 Jahren, die nicht nur eine neue Liebe entdeckt und damit aneckt, ist doch der Auserwählte zwanzig Jahre jünger als sie, sondern auch noch mit ihrer Rolle als Tochter einer gezeichneten Frau und Mitarbeiterin einer von männlicher Dominanz durchzogenen Medienproduktionsfirma hadert. Ihre jüngere Schwester Lena indes hadert mit ihrer Rolle als Ehefrau und Mutter in einer Zeit, in der Instagram-Supermütter alles richtig zu machen scheinen und dabei auch noch durchgängig glücklich wirken. Als im Unternehmen ein metoo-Skandal an die Öffentlichkeit zu treten droht und einige Männer aus den höheren Etagen (darunter Lenas Ehemann) versuchen diesen zu vertuschen, müssen die Schwestern ihren eigenen Standpunkt finden und sich entscheiden, ob sie wegschauen oder solidarisch kämpfen wollen.

    Der Inhalt zeigt schon einmal auf, in welche Richtung der aktuelle Roman von Anika Decker geht. Oberflächlich wie ein Liebesroman anmutend, da die Annäherung an den viel jüngeren David zunächst im Zentrum steht, entwickelt der Roman schnell einige weitere Facetten, die im Verlauf sogar wichtiger wirken, als der immer wieder einmal auftauchende Liebesplot. Dieser konnte mich auch nur zu Beginn einfangen, denn später fehlte mir die Möglichkeit darin so richtig einzutauchen, da nur kurze Schlaglichter auf einzelne Szenen geworfen werden. Hier entspinnt sich eine Geschichte zwischen zwei Menschen, die von Missverständnissen und nicht ausgesprochenen Gedanken durchzogen ist, was prinzipiell sehr realistisch ist, mich über die Länge des Buches hinweg allerdings ab und an auch genervt hat. Das liegt an der Natur der Sache, da ich persönlich kein Fan von Geschichten mit viel Hin und Her und Gehader bin.

    Stilistisch ist für mich der leichte Schreibstil, der sich süffig einsaugen lässt, ausschlaggebend für meine Freude über ein neues Anika Decker-Buch. Was meines Erachtens nicht ganz so gut gelungen ist, ist der Perspektivwechsel zwischen den Figuren. Wir beginnen den Roman aus der Ich-Perspektive von Nina zu lesen, wechseln später aber auch immer wieder in Lenas oder andere Perspektiven, die dann aber im personalen Erzählstil gehalten sind. In einem Lena-Kapitel rutscht die Autorin sogar mal aus Versehen für einen Absatz in die Ich-Perspektive. Nur David bekommt noch eine Ich-Perspektive zugestanden, was ihn scheinbar als wichtige zweite Hauptfigur markieren soll. Leider blieb er für mich trotzdem nur eine kleine Nebenfigur, weshalb dies irgendwie nicht stimmig wirkte. Seine „Ich-Gedanken-Anteile“ bleiben nur recht kurz gehalten und versuchen zwar einen Einblick in seine Geschichte zu geben, dieser formt sich allerdings nicht zu einem runden, stimmigen Bild. Ganz zum Schluss bekommt auch Lenas Mann noch ein Kapitel zugeordnet, welches mit allerdings recht edukativ angelegt wirkte.

    Somit muss ich sagen, dass mir zwar der neue Roman von Anika Decker sehr gut gefallen hat, mich aber nicht annähernd so vollständig von sich überzeugen konnte wie „Wir von der anderen Seite“. Ich glaube, ich hätte mir entweder einen Roman mit größerem Fokus auf die Liebesgeschichte oder einen, der diese fast ganz herauslässt und damit nicht die Sicht auf die gesellschaftlich relevanten Themen verstellt, gewünscht.

    Ich würde den vorliegenden Roman letztlich inhaltlich mit den letzten Romanen von Mareike Fallwickl vergleichen, die zwar einen noch deftigeren, feministischen Einschlag haben und literarisch etwas anspruchsvoller sind, aber Anika Decker schafft es mit dem Verve ihres unterhaltsamen Schreibstils die feministischen Thematiken geschickt in einen Unterhaltungsroman zu verwandeln, der hoffentlich viele Leser:innen ansprechen wird und somit ein größeres Bewusstsein für die Belange von Frauen unterschiedlichster Altersgruppen und gesellschaftlicher Schichten schafft.

    3,5/5 Sterne
    Unversehrt. Frauen und Schmerz Eva Biringer
    Unversehrt. Frauen und Schmerz (Buch)
    25.10.2024

    Unverzichtbar!

    Mit ihrem Sachbuch „Unversehrt“ legt die Autorin Eva Biringer ein fesselnd geschriebenes Werk zum lange übersehenen Thema Frauen und Schmerz vor, welches durch seine Verständlichkeit besticht und die wichtigsten wissenschaftlichen und kulturell(-historisch)en Fakten zum Thema zusammenführt. Gerade wenn man/frau sich gerade erst in das Thema neu einlesen will, ist dies ein sehr guter Startpunkt und eine klasse Übersicht.

    Nach ein paar persönlichen, einführenden Worte, die sich um die Leidensgeschichte von Biringers Großmutter drehen, leitet die Autorin nachvollziehbar her, wie es sein kann, dass noch bis zum heutigen Tage die Schmerzen von Frauen, schwere, schmerzauslösende Erkrankungen bei Frauen und bedenkliche aktuelle Tendenzen in den sozialen Medien weiterhin übersehen werden, nicht ausreichend behandelt werden, nicht ausreichend unterbunden werden. Dabei bringt sie unglaubliche Beispiele von Unterdrückung durch das patriarchale System aber auch dadurch bei vielen Frauen eingeprägte, dysfunktionale Verhaltensweisen sich selbst gegenüber, die Schmerzen auslösen. So bekommt man ein punktgenau zusammengefasstes und trotzdem weitreichendes Bild dieses Themenkomplexes und kann während und nach der Lektüre nur geschockt und wütend zurückbleiben.

    Kaum zu glauben ist der Hinweis darauf, dass zum Beispiel in 1986 eine Studie zum Einfluss von Übergewicht auf Brust- und Gebärmutterkrebs durchgeführt wurde, die ohne eine einzige weibliche Teilnehmerin auskam! Genauso eine weitere beispielhaft erwähnte Studie über den hormonellen Einfluss auf Herzerkrankungen, bei der nicht eine einzige Frau zur Stichprobe gehörte!

    Sprachlich löst die Autorin dies immer gekonnt, wissenschaftlich genug, aber gleichzeitig nicht zu hochtrabend, manchmal sogar humorvoll bis sarkastisch. Dadurch werden die Leiden der Frauen und der Umgang damit in unserer Gesellschaft und in Sprechzimmern jedoch nie verharmlost oder lächerlich gemacht. Immer ist während der Lektüre klar, wie tiefgreifend der problematische Umgang mit weiblichem Schmerz ist und wie wichtig ein Wandel hin zu einem wertschätzenden Umgang ist. Dafür zeigt die Autorin zum Ende hin auch Beispiele auf, deren Nachahmung nur unterstützenswert ist.

    Ebenso unterstützenswert ist diese Buchveröffentlichung. Ich hoffe sehr, dass viele, viele Menschen (weiblich/männlich/divers!) dieses und ähnliche Bücher lesen werden, damit der bisher nur zaghaft eingeschlagene Weg, weg von diskriminierendem Umgang innerhalb der Gesellschaft und speziell in der Medizin und Psychosomatik gegenüber Frauen und weiblich gelesenen Menschen vorangetrieben wird.

    Eine klare Leseempfehlung von mir, die unglaublich viel gelernt hat durch die Lektüre.

    5/5 Sterne
    Antichristie Mithu Sanyal
    Antichristie (Buch)
    14.10.2024

    Nachhilfe im indischen Unabhängigkeitskampf

    Mithu Sanyal erschafft in ihrem zweiten Roman „Antichristie“ einen wilden Ritt der historischen, literarischen und popkulturellen Bezüge, bei dem man letztlich sehr viel hinzulernt, man darf aber auch nicht zwischen den Jahrhunderten verloren gehen.

    Der Plot von „Antichristie“ ist schwer kurz zusammenzufassen, hier also nur ein Versuch: Durga ist eine Drehbuchautorin für Science Fiction und Costume Drama um die Fünfzig, deren deutschstämmige Mutter, zu welcher sie nach der Trennung der Eltern ein angespanntes Verhältnis hatte, vor kurzem verstorben ist. Den indischstämmigen Vater, bei dem Durga nach der Trennung aufwuchs, lernen wir erst einmal nur kurz bei der „Bestattung“(dem Verstreuen) der Asche kennen. Eine ruhige Trauerverarbeitung scheint für Durga kaum in Sicht, muss sie doch direkt nach London weiterreisen, da sie den Auftrag hat, an einer anti-rassistischen Neuverfilmungsserie zu Agatha Christies Detektiv-Figur Hercule Poirot mitzuarbeiten. Sie ist Spezialistin für sogenannte Locked-Room-Mysteries und im Laufe des Romans wird sie einem solchen auch selbst gegenüberstehen. In London angekommen dauert es nicht lange und die designierte Doctor Who-Autorin reist unfreiwillig aus dem Todesjahr der britischen Königin Elisabeth II. 2022 zum Beginn des 20. Jahrhunderts zurück. Selber Ort, andere Zeit. Und: Anderer Körper, denn nun befindet sie sich im Körper eines jungen Anfang Zwanzig jährigen Inders, der gerade aus der indischen Kolonie nach London gekommen ist. Als diese Person schließt sie/er sich der indischen Unabhängigkeitsbewegung an, die auch von London aus geführt wird, und kommt in Kontakt mit wichtigen intellektuellen Vertretern der Bewegung, unter denen eine hitzige Diskussion herrscht, ob ein Widerstand gewaltfrei oder mit Mitteln der Gewalt geführt werden soll und darf. Mit der Zeit wird klar, dass es sich weniger um eine Zeit- als vielmehr um eine Astralreise handelt und die Person Durga/Sanjeev (wie sie/er sich im historischen London nennt) mehrfach zwischen den Zeiten hin und her wechselt.

    Es ist schon unglaublich ambitioniert gemacht, wie Sanyal hier so viele Themen miteinander verbindet. Da ist nicht nur die Fragestellung, wie zu einer Königsfamilie stehen, die noch viele Jahre koloniale Gräueltaten billigte, sondern auch, wie rassistisch und von kolonialen Mustern geprägt literarische Klassiker sein können und ob dies neu interpretiert werden sollte. Auch geht es in einem großen Schwerpunkt um den indischen Unabhängigkeitskampf von der Kolonialmacht Groß Britannien. Und gleichzeitig muss sich Durga ihrer eigenen Lebensgeschichte, ihren Eltern, deren Lebenserfahrungen sowie der Trauer um die verstorbene Mutter stellen. Stilistisch kommt es dann auch noch zu einem im Roman eingebauten Querverweis auf die Krimis von Agatha Christie, indem im Vergangenheitsstrang ein Locked-Room-Mystery geschieht, welches mithilfe eines berühmten Detektivs aufgeklärt werden soll. Und mit dem Trick der Astralreise gibt die Autorin der zeitgenössischen Figur Durga die Chance, die damaligen Diskussionen um den moralisch „richtigen“ Weg eines Widerstands aus unserer heutigen Sicht immer wieder zu reflektieren und zu bewerten.

    Gerade der letzte schriftstellerische Trick von Sanyal ist für mich der stärkste Pluspunkt an diesem Roman. Denn wird ein historischer Roman geschrieben, steht es einem nicht zur Verfügung, eine zeitgenössisch-wertende Figur daran teilhaben zu lassen. Schreibt man einen Roman, der in der Gegenwart spielt, können die Figuren gar nicht nachempfinden, wie es sich zur damaligen zeit für die realen Protagonist:innen angefühlt haben muss. Diese Gegenüberstellung löst die Autorin hier äußerst kreativ.

    Der Schreibstil von Sanyal ist immer wieder von witzigen Kommentaren und Hinweisen durchsetzt, sodass sich der Text oft mit einer gewissen Leichtigkeit lesen lässt, obwohl er sehr schwere Themen behandelt. Allerdings schweift die Autorin auch deutlich aus und man muss ein großes Interesse an der Geschichte des indischen Unabhängigkeitskampfes mitbringen, um hier bei der Stange bleiben zu können. Nicht viel anfangen konnte ich mit den nun auch noch zusätzlich zu jedem Kapitelbeginn eingeschobenen Regieanweisungen für einen möglichen Filmset. Um was es sich handelt, wird schnell klar, aber trotzdem sind diese Anweisungen plus die darauf folgenden Zitate aus verschiedenen (pop-)kulturellen Quellen meines Erachtens einfach zu viel zu all den anderen stilistischen und inhaltlichen Mitteln. In der Struktur ist der Roman also wirklich sehr komplex.

    Letztlich wirkte mir der Roman auf literarischer Ebene aufgrund der unglaublich vielen Ideen, die Mithu Sanyal hineingepackt hat, doch zu überladen. Im Vergleich hat mir „Identitti“ diesbezüglich mehr gefallen, da der Roman stringenter ausgeführt wirkte. So schwanke ich sehr zwischen 3 und 4 Sternen in der abschließenden Bewertung. Der Roman ist unterm Strich - mit den entsprechenden Ambitionen und Durchhaltevermögen der Leser:innen - äußerst lehrreich und dadurch durchaus lesenswert.

    3,5/5 Sterne
    Playground Richard Powers
    Playground (Buch)
    02.10.2024

    Hier ist der Weg das Ziel

    Richard Powers richtet in seinem neuen Roman „Das große Spiel“ den Blick auf die technischen Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte aber auch wohin es in der nahen Zukunft gehen könnte. Dafür versammelt er verschiedene Protagonist:innen, deren Lebenswege nachgespürt werden und die letztlich alle zusammenführen. So geht es inhaltlich nicht nur um das große, durch den Menschen ausgelöste Artensterben vor allem in den Weltmeeren, sondern auch um die Entwicklung von Computertechnik bis hin zur KI.

    Wer hier einen actiongeladenen Umweltthriller erwartet, wird eventuell enttäuscht werden, denn Powers konzentriert sich über viele hunderte Seiten hinweg hauptsächlich drauf, die einzelnen handelnden Personen des Romans vorzustellen. Bis man dann irgendwann merkt, dass es gar nicht um die Einführung von Figuren geht, sondern dass in diesem Roman der Weg das Ziel ist. Es geht um genau diese verschiedenen Lebensentwürfe und wie sie mit einander und mit dem Schicksal des Planeten verschränkt sind. Da haben wir den hochbegabten Todd Keane, der aus guten hause stammt und sich schon zu Schulzeiten mit dem ebenso hochbegabten Schwarzen Rafi Young anfreundet. Während das Programmieren Todds Steckenpferd ist, stellt dies bei Rafi das Schreiben, die Lyrik dar. Und da gibt es noch die Meeresbiologin Evie Beaulieu, welche schon als Kind tauchen lernt und sich in der Mitte des 20. Jahrhunderts als Frau in der Feldforschung behaupten muss. Sowie Ina Aroita, eine Künstlerin, welche schon immer auf Inseln lebte und deren Identität von den Vorfahren des Meeres geprägt ist.

    All diese Leben sind miteinander verwoben. Immer wieder gibt uns Powers durch Rückblicke Hinweise, auf welche Art und Weise und letztlich können wir das Gesamtbild mit dem Clou der Geschichte erst zum Ende hin vollständig greifen. Diesen besagten Clou habe ich bezogen auf sein Auftauchen zwar erwartet, aber inhaltlich nicht vorhersehen können, was für mich ein massiver Pluspunkt des Buches ist. Wer schon viele Geschichten zum Thema KI gelesen hat, kann nur noch selten überrascht werden. Powers ist dies hier gelungen.

    Des Weiteren eröffnet er ein unglaublich wissenswertes Themengebiet um die vielen Inseln mitten im Ozean von Französisch-Polynesien. Inseln mit all ihrer Natur und ihren Bewohnern, die von den französischen Eroberern bis weit in die 1960er Jahre hinein und bis heute ausgeraubt werden. Auf deren Atollen man meinte, Atomtests durchführen zu können. Speziell Makateas Phosphatvorkommen wurden rücksichtslos abgebaut und eine geschundene Insel hinterlassen. Auf dieser Insel spielt die „Gegenwartshandlung“, welche nur leicht in die Zukunft versetzt wurde. Man weiß schnell, dort wird es zum Showdown kommen. Und man wird nicht enttäuscht. Nur die Art des Showdowns ist wirklich eine Nummer für sich.

    Insgesamt liest sich „Das große Spiel“ wirklich sehr süffig weg. Wenn man die knapp 510 Seite gelesen hat, wundert man sich, wie man durch sie hindurchgeflogen ist. Für mich gab es nur selten die ein oder andere Länge in den Geschichten. Letztlich fügte sich hier aber alles zusammen, sodass ich gern eine Leseempfehlung für den Roman ausspreche. Allein schon für die leicht verständliche Darstellung der Entwicklungsstufen von Künstlicher Intelligenz lohnt eine Lektüre, aber natürlich auch für das eindringliche Aufzeigen der menschlichen Zerstörungskraft und den Appell unseren Planeten mit all seinen Lebewesen nicht noch mehr zugrunde zu richten, sondern die Kehrtwende zu forcieren.

    4,5/5 Sterne
    Aus dem Haus Miriam Böttger
    Aus dem Haus (Buch)
    05.09.2024

    Konnte mir nichts geben

    Die Ich-Erzählerin in Miriam Böttgers Debütroman wählt DAS HAUS ihrer Familie, in dem sie Jahre ihrer Kindheit und Jugend verbracht hat, um anhand von thematischen Ausflügen ein Porträt ihrer Familie und Verwandtschaft zu erstellen.

    Zusammen mit dem ansprechenden Klappentext des Buches könnte man nun eine witzig-selbstironische Betrachtung der Eigenheiten einer Familie erwarten. Leider erfüllt der Roman von Böttger dieser Erwartung nicht. Es fehlt dem Text eindeutig am nötigen Humor bzw. an der Selbstironie, um diese Nabelschau interessant zu gestalten. Auf hohem Niveau wird sich in dieser Familie über ihr HAUS und das Unglück im Allgemeinen beschwert. Bei dem HAUS handelt es sich um ein 300 Quadratmeter großes Herrenhaus, welches die Familie in Kassel bauen ließ, nachdem sie in einer echten Luxusvilla zur Zwischenmiete wohnte. Nun ist alles schlechter als man es sich wünscht, die Mutter leidet an einer depressiven Verstimmung und Kassel muss man auch noch ertragen.

    Warum die Autorin hier als Rahmenhandlung eine nur kurz angedeutete Gegenwart wählt, in der – wir erfahren es gleich zu Beginn – bereits der Vater der Erzählerin verstorben ist und die Mutter scheinbar vorzeitig gealtert, nur um dann für den Haupttext wieder zurück in die Zeit des Wohneigentums zurückzuspringen und dort unglaublich viele Anekdoten und Befindlichkeiten zu präsentieren, bleib mir unerschlossen. Geärgert hat mich am Text, dass dieser so beliebig wirkt und Belanglosigkeit an Belanglosigkeit reiht. Menschen, die keinen Grund haben sich zu beschweren und es trotzdem durchweg tun, sind, wenn sie nicht mit ebenjener erwähnten Selbstironie ausgestattet werden oder so zumindest beschrieben werden, unglaublich nervtötend.

    Hätte es sich hierbei nicht um ein Rezensionsexemplar gehandelt, ich hätte es nach spätestens 40 Seiten abgebrochen und ich hätte nichts weiter verpasst.

    Man sollte sich inhaltlich auf 225 Seiten von dem gefasst machen, was hier im Text selbst sogar umschrieben wird:
    „Erst allmählich ist mir klar geworden, wie luxuriös und verschwenderisch und wie schön es manchmal war, sein leben in diesem Negativitätstaumel zu verbringen und sich über all die Unzulänglichkeiten zu mokieren, die eigenen, die der anderen und die des Lebens überhaupt, als hätten wir etwas viel besseres verdient, als wäre es unser gutes Recht, uns mit dem, was wir hatten, nicht zufriedenzugeben und unsere Zeit mit Unglücklichsein zu vertun, als stünde uns unbegrenzt Zeit zur Verfügung.“

    Diese Versuche der Betrachtung aus Distanz, die hier die Ich-Erzählerin anstellt, führen leider nicht dazu, all diesen Negativitätstaumel besser zu ertragen. Es bleiben leider alle Figuren sehr fern. Diese allgegenwärtige Unzufriedenheit, obwohl es an objektiven Gründen dafür zu fehlen scheint, lässt sich für mich nicht ergründen und bleibt nur auszuhalten.

    Da das Buch grundsätzlich recht solide geschrieben ist, bekommt es von mir 2 Sterne. Erreichen konnte es mich kein bisschen. Ich würde es nicht einmal als unterhaltsam bezeichnen, da es mich kaum unterhalten konnte sondern größtenteils nur genervt hat. Sehr schade, war doch der Klappentext und die Leseprobe recht vielversprechend.

    2/5 Sterne
    Das Wesen des Lebens Iida Turpeinen
    Das Wesen des Lebens (Buch)
    28.08.2024

    Ein fast dokumentarischer Roman über die Ausrottung (eines) Lebewesens

    Die Finnin Iida Turpeinen dokumentiert in ihrem Debütroman, der von Maximilian Murmann ins Deutsche übertragen wurde, das Aussterben der Stellerschen Seekuh, ein wunderbares, riesiges Meeressäugetier, welches von Menschenhand ausgerottet wurde. Dabei folgen wir in fünf Buchabschnitten Menschen, die auf die ein oder andere Weise mit der Seekuh oder deren Skelett in Kontakt gekommen sind. Der Roman erstreckt sich bei einer Anzahl von nur 315 Seiten über einen Zeitraum von 1741 bis ins Jahre 2023. Chronologisch sortiert erfahren wir dabei, wie Georg Wilhelm Steller zusammen mit dem Kapitän Vitus Bering und der Besatzung der Swjatoi Pjotr von Kamtschatka nach Alaska segelt, um für die russische Kaiserin dieses Gebiet zu kartieren. Dabei „entdeckt“ der Naturforscher Steller die sagenumwobene Seekuh und hinterlässt erste naturwissenschaftliche Aufzeichnungen zu dieser. Mit jedem der fünf Buchteile lernen wir ein neues Szenario bzw. ein neues Personal kennen. Darunter immer wieder naturwissenschaftlich Interessierte, die jedoch durch ihren Wissens- und Sammeldrang diese von ihnen so geliebte Natur eher zerstören als bewahren.

    Ein klarer Pluspunkt dieses Romans ist die Fülle an Informationen, die man hier erhält. Fast dokumentarisch nähert sich die Autorin dem Thema des menschengemachten Artensterbens am Beispiel der Stellerschen Seekuh. Das hat mir sehr gut gefallen, da ich mir immer gern durch eine Lektüre Wissen aneigne. Als Nachteil empfand ich ganz klar den Aufbau bezüglich der Figuren im Roman. Dadurch, dass das Personal ständig komplett gewechselt wird und der Schreibstil sehr berichthaft anmutet, konnte ich mich kaum bis gar nicht den Figuren auf menschlicher Ebene annähern. Mit zunehmenden Verlauf fiel mir dies immer schwerer. Konnte ich noch ein bisschen mit Steller mitfiebern, verlor sich dies zum Ende hin komplett und mit der letzten, ausführlicher beschriebenen Figur, dem Eier-Präparator John Grönvall in den 1950er Jahren, konnte ich mich dann gar nicht mehr verbinden, obwohl dieser gerade erstmals moderne moralische Standards erkennt und ihm aufgeht, dass wir Menschen eine Naturkatastrophe an sich sind, wenn wir ganze Arten vernichten und Millionen an Tieren umbringen – und sei es „für die Wissenschaft“. Ich hatte dann einfach nicht mehr die Kapazität übrig, mich auch noch in ihn hineinzuversetzen.

    Das Dankeswort der Autorin hat mich dann wieder zurückgeholt zur Grunderkenntnis des Buches, denn die Autorin nennt nicht nur namentlich rund 20 Arten, die während des Verfassens des Buches ausgestorben sind, sondern erwähnt außerdem, dass ganze 374 weitere Arten in dem selben Zeitraum ausgestorben sind. Überhaupt verdeutlicht die Autorin häufig auch im Romantext durch knallharte Zahlen, wie zerstörerisch der Mensch auf dem Erdball handelt. Diese Angaben sind es, die mir während des Lesens einen kalten Schauer beschert haben. Es verdeutlicht auch, wie viel der Autorin an der Bewusstmachung dieser Vorgänge liegt. Und genau das schafft auch der Roman.

    Somit liefert die Autorin einen auf inhaltlicher Ebene äußerst lesenswerten Roman ab, der mit auf literarischer Ebene allerdings dem inhaltlichen Appell hinterherhinkt. Ich musste während des Lesens häufiger an Maja Lunde und ihre Romane denken, die einfach noch einmal eine ganz andere Zugkraft auf der Plotebene haben.

    Der vorliegende Roman sei allen Menschen zur Lektüre empfohlen, die von ihrem hohen Ross des „Wir-Menschen-stehen-über-allen-anderen-Lebenwesen“ runterkommen wollen und sich den Konsequenzen auch wissenschaftlichem Handelns stellen wollen. Ich wünsche dem Roman jedenfalls viele Leser:innen.

    So ende ich mit einem Zitat aus dem Roman, das treffender nicht sein könnte:
    „Für Furuhjelm waren die Knochen der Seekuh ein störendes Rätsel, ihr Verschwinden ein seltsames, Unheil verkündendes Ereignis, doch für Grönvall ist die Seekuh die Verwirklichung von Verlust, und der Gedanke, dass seine eigene Art eine andere auslöschen kann, hat sich von einer Ahnung in eine Prophezeiung verwandelt, die sich ein ums andere Mal verwirklicht.“

    3,5/5
    Als wir Schwäne waren Behzad Karim Khani
    Als wir Schwäne waren (Buch)
    19.08.2024

    Ein poetisches Mosaik aus Erinnerungsfetzen

    Das Wort „Erinnerungsfetzen“ habe ich für meine Überschrift durchaus bewusst gewählt. Besteht der Text „Als wir Schwäne waren“ doch durchaus aus mitunter recht brutalen Gewaltszenen, die sich im Bochum der 1980er und 1990er zwischen Jugendlichen abspielten. So berichtet Behzad Karm Khani in seinem zweiten Roman aus der Sicht eines Jungen, dessen Eltern mit ihm aufgrund der Islamischen Revolution aus dem Iran 1979 geflohen sind und nun versuchen im Ruhrgebiet wieder fuß zu fassen und vielleicht eine neue Heimat zu finden.

    Nicht immer chronologisch ordnet Khani sein Mosaik aus Rückblicken an, die das Leben im neuen Land beschreiben und die soziologischen Zusammenhänge verschiedener Milieus erforschen. Sprachlich arbeitet Khani auf sehr hohem Niveau und verpackt seine Gedanken bzw. die Gedanken des Ich-Erzählers in poetische Aphorismen, Gleichnisse und Metaphern. Bei der Schilderung von Gewalt, die in seinem Viertel vorherrscht, bleibt er hingegen recht sachlich, was dem Text sehr gut steht. Ich muss allerdings zugeben, dass für mich einige poetische Bilder nicht durchdringbar waren und ich ab und an einfach nicht in der Tiefe verstanden habe, was der Autor mir mit der ein oder anderen Formulierung sagen möchte. Hier könnten die persischen Einflüsse zum tragen kommen, denn wie wir aus dem Text erfahren, gibt es im Persischen „zehn, fünfzehn verschiedene Begriffe für Stolz“. Dafür hat sich der Autor in diesem deutschsprachigen Roman recht kurz gehalten, packt er doch die Geschichte der Familie ab dem Ankommen in Deutschland auf nur knapp 190 recht locker bedruckten Seiten zusammen. Dies geschieht vor allem durch das bruchstückhafte Herausgreifen einzelner Anekdoten und Geschehnisse.

    Dadurch lernen wir auch ein breites Personal an Nachbarn, Freunden und Bandenmitgliedern kennen, die – ebenso wie die Eltern des Erzählers – durchweg vielschichtig angelegt sind und die Zerrissenheit zwischen dem Weggang aus der alten Heimat und dem Ankommen in einem neuen System zeigen. Das finden einer eigenen Identität für die Kinder von Migranten steht im Mittelpunkt des Buches. Während dabei die meisten Figuren aus verschiedenen Kulturen facettenreich rüberkommen muss ich allerdings darauf hinweisen, dass mir die Darstellung der Roma, die eines Tages im Viertel auftauchen, recht einseitig negativ erschienen ist.

    Insgesamt kann ich den Roman aufgrund seiner eindringlichen Sprache als auch des unverblümten Inhalts empfehlen, wenngleich ich keinen Vergleich zum Debütroman des Autors anstellen kann, da dieser bei mir noch auf eine Lektüre wartend im Regal steht.

    3,5/5 Sterne
    1 bis 25 von 99 Rezensionen
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