Inhalt Einstellungen Privatsphäre
jpc.de – Leidenschaft für Musik Startseite jpc.de – Leidenschaft für Musik Startseite
  • Portofrei ab 20 Euro
  • Portofrei bestellen ab 20 Euro
  • Portofrei innerhalb Deutschlands Vinyl und Bücher und alles ab 20 Euro
0
EUR
00,00*
Warenkorb EUR 00,00 *
Anmelden
Konto anlegen
    Erweiterte Suche
    Anmelden Konto anlegen
    1. Startseite
    2. Alle Rezensionen von gaia bei jpc.de

    gaia

    Aktiv seit: 10. Oktober 2021
    "Hilfreich"-Bewertungen: 11
    111 Rezensionen
    Botanik des Wahnsinns Leon Engler
    Botanik des Wahnsinns (Buch)
    31.08.2025

    Hypnotisches Cover, wenig einnehmender Roman

    Während das coole Cover zum Buch „Botanik des Wahnsinns“ hypnotisch wirkt, ist die Hypnotherapie eins der wenigen therapeutischen Verfahren, welches nicht in diesem Roman erwähnt wird. Denn Leon Engler entwirft einen Erzähler, der eine psychopathologische Familienanamnese seiner eigenen Familie niederschreibt und nebenbei auch seinen eigenen, verworrenen, wenn auch nicht verrückten Weg im jungen Erwachsenenalter zeichnet.

    Der Erzähler Leon hat eine scheinbar ähnliche Biografie wie der Autor Leon. Was an diesem Roman frei erfunden und was autobiografisch ist, bleibt offen, und das ist auch gut so. Die Familie des Erzählers Leon ist jedenfalls bis in mehrere Generationen von psychischen Erkrankungen geplagt. Schon Urgroßeltern haben Probleme, die diagnostisch relevant erscheinen. Leon, der nach viel Orientierungslosigkeit selbst Psychologie studiert hat, arbeitet nun in einer Psychiatrie und soll zu Übungszwecken seinen eigenen Anamnesebogen ausfüllen. Beim Punkt „Familie“ wird es schwierig. Wie weit soll er zurückgehen? Reicht die reine Aufzählung von Diagnosen schon aus, um zu erfassen, wie die Familie sowohl väterlicher- als auch mütterlicherseits von diesen Erkrankungen geprägt ist?

    In wechselnden Kapiteln folgen wir nun zum einen Leon selbst und auf seinem Weg durch die Welt als junger Erwachsener, erfahren in Rückblicken auch immer wieder etwas aus seiner Kindheit und Jugend. Auf der anderen Seite vermittelt uns Leon bis in früheste Generationen hinein ein Bild von den verschiedenen Familienmitgliedern, die von psychischen Erkrankungen geplagt waren bzw. noch sind. Er selbst kämpft ständig mit der Angst, die Anlagen für eine oder mehrere psychische Erkrankungen in sich zu tragen und somit unausweichlich „verrückt zu werden“.

    Engler hat gute Ideen für seinen Roman. Der Aufbau, die Herangehensweise an eine psychopathologische Familiengeschichte, der durchblitzende Humor bezogen auf das Studium der Psychologie, die fachlichen Einwürfe zu verschiedenen Erkrankungen und ihre Behandlungsformen, das Einweben von literarischen und philosophischen Überlegungen zu psychischer Krankheit. All das klingt eigentlich nach genau einem Buch für mich. Aber leider konnte er mir zwar den ein oder anderen Lacher entlocken, mich aber nicht mit seinem reduzierten Schreibstil für sein Buch begeistern. Der ständige Wechsel zwischen verschiedenen Generationen, Familienseiten und Personen mit ihren Krankheitsgeschichten machte es schwer, zu folgen und die Personen auseinanderzuhalten oder einzuschätzen, in welcher Zeitebene das Erzählte jetzt gerade stattfindet.

    Es steht fest, dass Leon Engler hier sehr viel Recherche in seinen Roman gesteckt hat und dass er durchaus gut schreiben kann, nur vom Hocker hat mich das Endresultat nicht hauen können. Trotzdem habe ich das Buch durchaus gern und kurzweilig gelesen.

    3,5/5 Sterne

    Dr. No Percival Everett
    Dr. No (Buch)
    26.08.2025

    Ein „Sandwichwerk“

    „Verdammt, ich verstehe es zwar nicht, aber ich finde es toll.“

    Das oben stehende Zitat findet sich im Roman und beschreibt, wie eine Figur absolut nichts mit dem Konstrukt von nichts anfangen kann, aber die Auswirkungen von nichts toll findet. Alles verstanden? Nein? Das ist nicht schlimm. Dieser Roman ist absurd und abstrakt, darauf muss man sich einlassen können.

    Percival Everetts Roman „Dr. No“, welcher im englischsprachigen Original bereits 2022 zwischen den großartigen Werken „The Trees“ („Die Bäume“) und „James“ erschien. Wir in Deutschland bekommen den Roman also zeitversetzt und nach „James“ zu lesen. Im Vergleich zu den beiden genannten Werken wirkt „Dr. No“ allerdings wie das berüchtigte, mittlere, problembehaftete „Sandwichkind“ aka „Sandwichwerk“. Und handelten die beiden anderen von so vielen Dingen, handelt „Dr. No“ von nichts. Im wahrsten Sinne des Wortes. Denn der autistische Mathematikprofessor Wala Kitu (was „nichts nichts“ bedeutet) ist Spezialist für genau das: Nichts. Nun will der Schurke John Sill das Wissen von Wala nutzen, um den USA nichts anzutun, denn dies sei der mächtigste Weg als Schurke zu agieren, den es für ihn gibt. Reich ist er schon. Macht hat er dadurch auch schon. Was will er mehr? Rache! Und so entspinnt sich eine James-Bond-Parodie, die stark beginnt aber meines Erachtens eher schwach endet.

    Vor allem aufgrund seiner Experimentierfreudigkeit als auch bösem Humor und absoluter Sprachvirtuosität ist Percival Everett einer meiner bevorzugten Autoren. Aber diese Experimentierfreudigkeit kann auch dazu führen, dass ein Buch nicht so wirklich funktioniert. Und leider ist dies hier geschehen. Die ersten Kapitel des Romans waren wirklich großartig und ich dachte, ein 5-Sterne-Buch vor mir zu haben. Wala ist unser Ich-Erzähler und er ist Autist. Die Gedanken und Dialoge dieses Menschen hat der Autor absolut authentisch erschaffen können. Eigentlich noch nie habe ich mich so wohlgefühlt mit einem Ich-Erzähler. Gerade in der ersten Hälfte des Romans besticht Everett damit, Wala mathematikphilosophische Monologe vom Feinsten zu entwerfen. Auch der bereits von ihm bekannte Humor findet Einzug in diesen Roman und ich musste so oft laut auflachen ob des trockenen Humors als auch der schieren Verrücktheit . Grandios. Aber eben hauptsächlich in der ersten Hälfte grandios.

    Aber etwa zur Hälfte begann das Buch zu schwächeln. Alle lohnenswerten Witze waren gemacht, die philosophischen Elemente ausgeschöpft, die Bond-Parodie hatte ihren Lauf genommen. Der Rest des Buches wirkte wie eine uninspirierte Abarbeitung des Spoinageplots. Es gab noch ein paar andere Kleinigkeiten – Nebenhandlungen, die zu nichts führten, merkwürdige Charaktere, die spät in der Geschichte eingeführt wurden und keinen Zweck erfüllten –, die mir das Gefühl gaben, dass das Buch eine sorgfältigere Überarbeitung hätte gebrauchen können.

    Ich würde den Roman dennoch wegen der cleveren Wortspiele und der unglaublich authentischen Erzählstimme des autistischen Protagonisten empfehlen und runde mit sehr viel Wohlwollen auf 4 Sterne auf. Aber Everett hat eindeutig schon Besseres geleistet. Ich hoffe somit, dass dieses Werk eher ein „Ausrutscher“ zwischen zwei großartigen Werken war und wir als nächstes wieder die bekannte Klasse von Everett erleben können.

    3,5/5 Sterne
    Onigiri Yuko Kuhn
    Onigiri (Buch)
    11.08.2025

    Konnte mich leider nicht überzeugen

    Yuko Kuhn erzählt in ihrem Roman „Onigiri“ die Geschichte der Ich-Erzählerin Aki, deren Mutter vor 50 Jahren aus Japan nach Deutschland kam und mit dieser sie nun noch einmal eine Reise in ihre Heimat antreten möchte. Die Mutter ist an Demenz erkrankt und kann sich kaum merken, dass ihre eigene Mutter vor einem halben Jahr verstorben ist. Aki sieht die letzte Chance, mit ihrer Mutter noch einmal die Familie in Japan zu besuchen.

    Inhaltlich dreht sich der Roman viel weniger um die neuntägige Reise nach Kobe in Japan sondern vielmehr um Erinnerungen aus der Kindheit von Aki als auch Erzählungen ihrer Mutter und ihres Vaters, wie die Mutter als junge Frau in Deutschland ankam und sich hier ein Leben aufgebaut hat. Es geht um das Aufwachsen als Halbjapanerin in Deutschland mit Großeltern, die aus der Oberschicht stammen und die japanische Frau ihres Sohnes nie richtig akzeptierten. Die Reise dient hier nur als nebensächliches Vehikel, um Erinnerungen aufleben zu lassen.

    Leider war mir der Erzählstil der Autorin zu verworren und wie in einem Zettelkasten zusammengeworfen. Handelt die eine Erinnerungsanekdote noch von diesem Thema über zehn, zwanzig Zeilen hinweg, geht es in der nächsten Anekdote schon wieder um etwas anderes. Auch weiß man häufiger nicht so richtig, ob man sich jetzt in der Gegenwart oder der Vergangenheit befindet. So war mir manchmal auch nicht gleich klar, ob jetzt etwas über die Großmutter von Aki erzählt wird, über ihre Mutter oder sie selbst. Gleichzeitig macht es der Schreibstil der Autorin schwer, inhaltlich zu folgen. Sie verzichtet nicht nur auf Anführungszeichen bei der direkten wörtlichen Rede sondern fädelt diese auch merkwürdig in die Sätze ein. So entstehen unnötige Bandwurmsätze wie diese hier:

    „Als wir in Deutschland ankommen, ist es sehr früh am Morgen und noch dunkel, im Taxi versteht meine Mutter nicht, wo sie ist, sie hat keine Vorstellung mehr von dem Ort, an dem sie lebt, darf ich zu dir kommen, Aki, fragt sie, und ich sage, natürlich, Mama, wir fahren erst mal zu mir und du kommst in Ruhe an, später bringt Kenta dich nach Hause.“

    oder

    „Beim Abendessen sitzt meine Mutter mir gegenüber am Esstisch, Aki, darf ich diesen Tee trinken, fragt sie mich und zeigt auf ihre Tasse, dann verschwindet sie plötzlich unter dem Tisch, um einzelne angetrocknete Reiskörner, die an den Kinderstühlen und auf dem Boden kleben, einzusammeln, sie ist immer aufs Neue entsetzt darüber, wie es bei uns nach dem Essen aussieht, ihr Kopf taucht wieder oberhalb der Tischkante auf, überrascht über meinen Anblick lacht sie mich an und ich freue mich einfach nur darüber, dass sie da ist.

    Inhaltlich zeichnet die Autorin sicherlich ein gutes Bild von einer demenzerkrankten Person, die anfängt, sich in der Welt nicht mehr zurechtzufinden. Aber sprachlich konnte mich der Roman einfach gar nicht überzeugen. Ich habe mich durch diese 200seitige Aneinanderreihung von beschreibenden Sätzen gequält und auch ungewöhnlich lang am Buch gelesen. Zehn Seiten kamen mir gefühlt häufiger wie 50 Seiten vor. Immer wieder war ich erschrocken, dass ich wieder „nur“ 20 Seiten geschafft habe, obwohl es sich wie 100 anfühlte.

    Eigentlich mit großen Interesse in die Lektüre gestartet, konnte ich keinerlei Verbindung zu den Protagonistinnen aufbauen und habe auch keine Emotionen wahrgenommen, sodass ich insgesamt das Buch einfach nicht gern gelesen habe. Schade.

    2,5/5 Sterne
    Im Leben nebenan Anne Sauer
    Im Leben nebenan (Buch)
    01.08.2025

    Was wäre wenn,…

    In ihrem Romandebüt erforscht Anne Sauer, wie es sich anfühlen würde, wenn man kognitiv plötzlich in ein anderes Leben „gebeamt“ werden würde. Wie das Leben weiter verlaufen würde und ob man sich dort zurechtfinden kann. Thematisch dreht sich in „Im Leben nebenan“ um die Frage der Mutterschaft. Eine ungewollt kinderlose Frau, die nach einer Kinderwunschbehandlung mal wieder eine Fehlgeburt hatte, erwacht am nächsten Morgen in einer für sie fremden Wohnung mit einem Baby, ihrem Baby, auf der Brust liegend. Was nun?

    Antonia, kurz Toni, ist mit ihrer großen Liebe zusammen. Nur können Jakob und sie keine Kinder bekommen. Sie scheinen zu spät dran zu sein, haben scheinbar zu lange damit gewartet. Ansonsten ist dieses Leben genauso, wie es sich Toni wünscht. In dem anderen Leben, in dem sie plötzlich erwacht, befindet sie sich zwar noch in ihrem Körper, dieser ist jedoch von einem Kaiserschnitt gezeichnet. Sie kann sich an keine Ereignisse aus diesem Leben erinnern, wie sie bis an diesen Punkt mit einem Neugeborenen gekommen ist und natürlich glaubt ihr keiner, als sie es verwirrt versucht zu erklären. „Keiner“ ist hier Adam. Ihre frühere Jugendliebe, von dem sich Toni vor 13 Jahren getrennt hat. Sie liebt ihn nicht mehr, muss nun aber notgedrungen mit ihm Familie spielen.

    Ich finde den Roman von Anne Sauer sehr klug entworfen. Sie stellt in wechselnden Kapiteln sowohl Tonis „altes“ Leben als auch das „neue“, hineingerutschte Leben dar. Ab diesem einen Punkt der Fehlgeburt befindet sich das Bewusstsein von Toni quasi in zwei Leben. Es läuft nicht so ab, wie in anderen Büchern/Filmen mit diesem „Was wäre wenn“-Thema, dass den Lesenden einfach zwei Versionen vorgesetzt werden und die Lesenden vergleichen und „bewerten“ die beiden Versionen dann selbst. Dadurch, dass Tonis Bewusstsein mit übernommen wird in das „neue“ Leben, erleben wir sie dabei, wie sie sich dort zurechtfinden muss, wie sie selbst damit hadert, jetzt zwar das langersehnte Kind vor sich zu haben, es aber nicht ausgetragen zu haben. Wie kann man ein Kind lieben, was so plötzlich existiert? Wie kann man einen Mann lieben, gegen den man sich vor 13 Jahren bewusst entschieden hat, während das Herz sich nach dem eigentlichen Partner sehnt?

    Sauer erklärt nicht, wie es zu dieser Bewusstseinsabspaltung in ein neues Leben gekommen ist. Das ist auch gar nicht nötig, sonder würde es sich um einen Sci-Fi oder Phantastik-Roman handeln. Es ist wie es ist und Toni muss damit leben. Oder besser: die zwei Tonis. Genau diesen Kniff mag ich sehr gern an diesem Roman. Über mehrere Monate hinweg begleiten wir also diese beiden Tonis. Die alte und die neue-alte. Beide treffen auf Hindernisse, beide zweifeln. Auch die alte Toni, die weiterhin in der Kinderwunschbehandlung feststeckt und sich fragen muss, ob dies noch wirklich das ist, was sie will. Das Ende lässt Sauer wunderbar offen. So kann man als Leser:in selbst weiterspinnen, welche Möglichkeiten von Mutterschaft, Schwanger-werden und vielleicht auch bewusste Nicht-Mutterschaft auf Toni zukommen.

    Die Buch liest sich leicht, obwohl mitunter heftige Themen behandelt werden. Ein gelungenes Debüt.

    4/5 Sterne
    Himmlischer Frieden Lai Wen
    Himmlischer Frieden (Buch)
    23.07.2025

    Großartiger Roman über die Sehnsucht nach Freiheit

    Viele Menschen kennen den originalen Videoausschnitt des sog. „Tank Man“, der sich am Tag nach dem Massaker der kommunistischen Regierung Chinas auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking 1989 den Panzern der Staatsmacht entgegenstellte. Dies ist ein Bild, welches sich ins kollektive Gedächtnis mehrerer Generationen gebrannt hat. Details zu den studentischen Protesten, die sich auf die arbeitende Bevölkerung Chinas in 1989 ausbreiteten, sind meist nicht präsent. Die chinesische Autorin Lai Wen macht sich nun mit ihrem autobiografischen Prosawerk daran, ein Bild von den 1980er Jahren in China, einer von der Kulturrevolution noch immer gebeutelten Nation, auf Ebene eines ganz durchschnittlichen Mädchens zu erzählen. Dies gelingt ihr auf jeder einzelnen Seite dieses Buches bravourös. Und nebenbei gibt sie ein komplett neues Bild des „Tank Man“, was einem die Kinnlade runterklappen lässt.

    Lai Wen ist 1970 in Peking geboren und aufgewachsen. Als Studentin war sie direkt in den Studentenaufstand involviert, wenn auch nicht an vorderster Front dabei. Ihren 560 Seiten starken Roman beginnt sie in der Kindheit der autobiografischen Figur Lai. Ein Mädchen, welches schon im Grundschulalter die harte Hand des Staates zu spüren bekommen hat und fortan in ständiger Angst und zuvorkommendem Gehorsam lebt. Die Autorin nimmt sich genügend Zeit, um die Lebensumstände, familiäre Dynamiken und staatliche Einflussnahmen zu beschreiben, bevor sie eigentlich erst auf den letzten 150 Seiten zu den Protesten des Jahres 1989 kommt. An keiner Stelle ist jedoch der Roman langatmig. Dieses Herleiten eines beispielhaften Lebens unter der Diktatur der Kommunistischen Partei Chinas ist hoch interessant und fesselnd geschrieben. Es ist unglaublich erhellend zu lesen, wie dieser Staat den Spagat versuchte zwischen einer kommunistischen Parteiräson und einer Marktwirtschaft, die sich an dem westlichen Modell orientiert. Dass aber eine relativ freie Marktwirtschaft und die Öffnung gegenüber westlicher Popkultur, welche in anderen noch heute abgeschotteten Staaten wie z.B. Nordkorea vollkommen unterdrückt wird, trotzdem den Bürgern und Bürgerinnen des Landes noch nicht automatisch das Gefühl von Freiheit vermittelt, wird in diesem Roman mehr als deutlich.

    Lai Wen schreibt zunächst sehr ruhig und im Verlauf der Geschehnisse um den Platz des Himmlischen Friedens jedoch immer drängender. So floss bei mir während dieser letzten 150 Seiten immer wieder auch die ein oder andere Träne, was wirklich sehr, sehr selten vorkommt. Aber die Autorin hat mich gepackt mit ihrer Geschichte. Sowohl ihrer eigenen Geschichte als auch der in Romanform verdichteten Geschichte der Figur Lai und ihrer Freunde. Das Ende des Buches hat mir dann noch komplett den Boden unter den Füßen weggezogen und dem Roman das Siegel des „Highlights“ verpasst.

    Ich kann diesen Roman einfach nur uneingeschränkt empfehlen. Wer etwas mehr - als nur ikonische Bilder - über die Aufstände in Peking 1989 erfahren, eine Vorstellung von einer skrupellosen Staatsmacht bekommen möchte, die mit Schusswaffen und Panzern auf ihre eigene Bevölkerung losgeht, und auch sehen, was im schlimmsten Fall im gleichen Jahr auch in der DDR bei einem falschen Schachzug während der Proteste, die glücklicherweise als eine „friedliche Revolution“ in die Geschichte einging, hätte passieren können, sollte dringend zu diesem Roman greifen. Ich jedenfalls bin absolut begeistert davon.

    5/5 Sterne
    Himmlischer Frieden Lai Wen
    Himmlischer Frieden (Buch)
    23.07.2025

    Großartiger Roman über die Sehnsucht nach Freiheit

    Viele Menschen kennen den originalen Videoausschnitt des sog. „Tank Man“, der sich am Tag nach dem Massaker der kommunistischen Regierung Chinas auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking 1989 den Panzern der Staatsmacht entgegenstellte. Dies ist ein Bild, welches sich ins kollektive Gedächtnis mehrerer Generationen gebrannt hat. Details zu den studentischen Protesten, die sich auf die arbeitende Bevölkerung Chinas in 1989 ausbreiteten, sind meist nicht präsent. Die chinesische Autorin Lai Wen macht sich nun mit ihrem autobiografischen Prosawerk daran, ein Bild von den 1980er Jahren in China, einer von der Kulturrevolution noch immer gebeutelten Nation, auf Ebene eines ganz durchschnittlichen Mädchens zu erzählen. Dies gelingt ihr auf jeder einzelnen Seite dieses Buches bravourös. Und nebenbei gibt sie ein komplett neues Bild des „Tank Man“, was einem die Kinnlade runterklappen lässt.

    Lai Wen ist 1970 in Peking geboren und aufgewachsen. Als Studentin war sie direkt in den Studentenaufstand involviert, wenn auch nicht an vorderster Front dabei. Ihren 560 Seiten starken Roman beginnt sie in der Kindheit der autobiografischen Figur Lai. Ein Mädchen, welches schon im Grundschulalter die harte Hand des Staates zu spüren bekommen hat und fortan in ständiger Angst und zuvorkommendem Gehorsam lebt. Die Autorin nimmt sich genügend Zeit, um die Lebensumstände, familiäre Dynamiken und staatliche Einflussnahmen zu beschreiben, bevor sie eigentlich erst auf den letzten 150 Seiten zu den Protesten des Jahres 1989 kommt. An keiner Stelle ist jedoch der Roman langatmig. Dieses Herleiten eines beispielhaften Lebens unter der Diktatur der Kommunistischen Partei Chinas ist hoch interessant und fesselnd geschrieben. Es ist unglaublich erhellend zu lesen, wie dieser Staat den Spagat versuchte zwischen einer kommunistischen Parteiräson und einer Marktwirtschaft, die sich an dem westlichen Modell orientiert. Dass aber eine relativ freie Marktwirtschaft und die Öffnung gegenüber westlicher Popkultur, welche in anderen noch heute abgeschotteten Staaten wie z.B. Nordkorea vollkommen unterdrückt wird, trotzdem den Bürgern und Bürgerinnen des Landes noch nicht automatisch das Gefühl von Freiheit vermittelt, wird in diesem Roman mehr als deutlich.

    Lai Wen schreibt zunächst sehr ruhig und im Verlauf der Geschehnisse um den Platz des Himmlischen Friedens jedoch immer drängender. So floss bei mir während dieser letzten 150 Seiten immer wieder auch die ein oder andere Träne, was wirklich sehr, sehr selten vorkommt. Aber die Autorin hat mich gepackt mit ihrer Geschichte. Sowohl ihrer eigenen Geschichte als auch der in Romanform verdichteten Geschichte der Figur Lai und ihrer Freunde. Das Ende des Buches hat mir dann noch komplett den Boden unter den Füßen weggezogen und dem Roman das Siegel des „Highlights“ verpasst.

    Ich kann diesen Roman einfach nur uneingeschränkt empfehlen. Wer etwas mehr - als nur ikonische Bilder - über die Aufstände in Peking 1989 erfahren, eine Vorstellung von einer skrupellosen Staatsmacht bekommen möchte, die mit Schusswaffen und Panzern auf ihre eigene Bevölkerung losgeht, und auch sehen, was im schlimmsten Fall im gleichen Jahr auch in der DDR bei einem falschen Schachzug während der Proteste, die glücklicherweise als eine „friedliche Revolution“ in die Geschichte einging, hätte passieren können, sollte dringend zu diesem Roman greifen. Ich jedenfalls bin absolut begeistert davon.

    5/5 Sterne
    Wohin du auch gehst Christina Fonthes
    Wohin du auch gehst (Buch)
    23.07.2025

    Eindrückliches, intersektionales Porträt zweier kongolesischer Frauen

    Der Debütroman der 1987 in Kinshasa geborenen Autorin Christina Fonthes überzeugt durch seine Einblicke in die Leben zweier Frauen aus Zaire/Demokratische Republik Kongo, die auf den ersten Blick unterschiedlicher nicht sein könnten und doch eng miteinander verbunden sind. Dabei schafft es die Autorin gekonnt Intersektionalität als übergeordnetes Konstrukt immer wieder durchscheinen und lebendig auftreten zu lassen.

    Wir lernen in „Wohin du auch gehst“ zwei Frauen auf zwei verschiedenen Zeitebenen kennen. Da ist zum einen Mira, deren Erzählfaden sie schon kurz als kleines Kind in 1974 in Kinshasa, Zaire, zeigt und später ganz ausführlich als 16jährige ab 1981. Sie ist eine lebensfrohe Jugendliche, die gern mit ihrer Freundin tanzen geht und dafür auch mal die gesellschaftlichen Regeln biegt. Denn sie gehört der aufsteigenden Klasse Zaires an, das Umfeld, in dem sie sich bewegt, eher den mittellosen Lebemenschen. Hals über Kopf verliebt sie sich in einen Gitarristen, was ihre Eltern gar nicht gern sehen. Und da ist Bijoux, die wir im Alter von Mitte Zwanzig im London des Jahres 2004 erstmals kennenlernen. Sie hat die ersten zwölf Jahre ihres Lebens in ihrem Geburtsort Kinshasa verbracht, musste jedoch zu ihrer strengen, sogar verbitterten Tante Mireille nach London ziehen und lebt nun noch immer dort bei ihrer Tante. Mit Tantine Mireille geht sie regelmäßig in die Kirche „The Mountain“, eine evangelikale Kirche, die unbarmherzig starren Vorstellungen folgt. Nur ist Bijoux lesbisch und seit einem Jahr in einer geheimgehaltenen Beziehung zu einer anderen Frau. Ein Lebenswandel, der für ihre rigide Tante jenseits von Gut und Böse liegt. Recht schnell wird klar, dass es sich bei ihrer Tante Mireille um die lebensfrohe und offene Mira aus dem ersten Zeitstrahl handelt und wir begeben uns über die nächsten 400 Seiten auf die Spur, um nicht nur zu erfahren, wie aus Mira diese so ganz andere Tantine Mireille werden konnte, indem wir dem Zeitstrahl aus 1981 fortschreitend folgen, wir erfahren auch, wie es mit Bijoux weitergeht und was das Leben für sie in den folgenden Jahren zu bieten oder eben nicht zu bieten hat.

    Meines Erachtens verwebt Fonthes inhaltlich wie auch sprachlich geschickt diese beiden Lebenswege miteinander und leitet psychologisch unglaublich authentisch her, wie sich die Figuren fortan verhalten bzw. in der Vergangenheit verhalten habe und zu welcher Art Mensch sie haben werden müssen. Durch den gekonnten Wechsel zwischen den Erzählfäden entsteht ein unglaublicher Sog und das Buch wird ein wirklicher Pageturner, ohne dabei an Tiefe zu verlieren. Außerdem gibt der Roman Einblicke in zum Beispiel eine lesbische Szene, in der sich vorrangig Schwarze Frauen bewegen. Ein von der Mainstreamgesellschaft selten gesehenes Milieu. Wenn dann auch noch eine Figur in einem Café für lesbische Frauen auftaucht, die vollkommen alltäglich und unaufgeregt im Rollstuhl sitzt und genauso agiert, wie jede andere Frau auch im Raum, nur eben im Sitzen, ist die Intersektionalität des Textes gesetzt. Die Autorin trägt diese Eigenschaften von marginalisierten Gruppen allerdings nie zu dick auf, sie sind einfach da und fügen sich absolut ins Buch, die Geschehnisse, die Figuren ein. Die Autorin bildet die Gesellschaft mit vielen Facetten ab. Allein zum Ende hin wurde mir ein klitzekleines bisschen der Plot um die Familiengeheimnisse herum runtererzählt, was der Klasse des Gesamtwerks aber keinen Abbruch tut.

    Was soll ich noch sagen? Ich hing der Autorin quasi an den Lippen, habe mit den Figuren mitgefiebert und konnte das Buch kaum aus der Hand legen. „Wohin du auch gehst“ erfüllt für mich alle Kriterien eines Highlights und das ist es auch. Also gibt es eine klare Leseempfehlung von meiner Seite für diesen interessanten Debütroman, der nach Verbindungen über Kontinente, Hautfarben, sexuelle Orientierung, Klasse und so viele Eigenschaften hinweg sucht. Toll!

    4,5/5 Sterne
    Perlen Siân Hughes
    Perlen (Buch)
    16.07.2025

    Über Verlust und generationenübergreifende, psychische Erkrankungen

    In ihrem späten Debütroman verknüpft die Lyrikerin Siân Hughes ein mittelalterliches Gedicht „Pearl“ mit der Geschichte einer jungen Frau, die im Alter von acht Jahren unter mysteriösen Umständen ihre Mutter verliert und fortan mit dieser Leerstelle in ihrer Familie leben muss. Was genau mit der Mutter geschah, ist fraglich, aber sie verschwand einfach eines Tages, ging aus dem Haus, ließ nicht nur die achtjährige Marianne zurück sondern auch den Säugling Joe sowie den Ehemann und Vater der Kinder.

    Anhand von einzelnen Kapiteln, denen jeweils der Vers des Gedichtes von „Gawain Poet“ (anonym) vorangestellt ist, erzählt Hughes nun, wie dieses Mädchen Marianne zur psychisch auffälligen Jugendlichen und jungen Erwachsenen heranwächst. Dabei verschränken sich verschiedene Faktoren bis hin zu Genese einer eigenen postnatalen Psychose. Auch schon die verschwundene Mutter zeigte psychotische Symptome und auch die Tochter von Marianne weist diese erneut auf. Leider wirft die Autorin hier verschiedene Krankheitsbilder in einen Topf, nämlich die schizoaffektiven Störungen bis hin zur erblich bedingten Schizophrenie und der, im Roman als postnatale Depression bezeichnete, postnatale Psychose. Diese Erkrankungen können sich durchaus gegenseitig bedingen, sind hier aber meines Erachtens für Laien schwer auseinanderzuhalten.

    Die Autorin bemüht das Mittel der unzuverlässigen Erzählerin, was einfach aus Erinnerungsverzerrungen natürlich entstehen kann. Sie erwähnt die Möglichkeit der verfälschten Erinnerung allerdings ein wenig zu häufig ganz offen im Text. Hier hätte mehr Spannung dadurch aufgebaut werden können, dass es auch für die Lesenden lange offen bleibt, was tatsächlich passiert ist. Mit der Mutter. Mit Marianne. Mit dem Vater. Mit der Familie allgemein. Die Ausführungen zu Mariannes Jugend erscheinen mir hier ein wenig zu abschweifend. Letztlich bleiben die tatsächlichen Geschehnisse um das Verschwinden der Mutter genauso offen, wie auch Mariannes Geisteszustand zum Ende des Romans hin. Das ist gut gemacht, wenn es denn so auch intendiert war von der Autorin. Es wirkt alles ein bisschen zu gewollt nebulös gehalten. Wodurch auch eine Verbindung zu den Hauptfiguren nur schwer zustande kommt.

    Für mich gab es keine einprägsamen Sätze und Passagen im Roman. Insgesamt habe ich das Buch gern gelesen, es wird wohl nur leider nicht so viel davon nachhallen.

    3/5 Sterne
    Die Schrecken der anderen Martina Clavadetscher
    Die Schrecken der anderen (Buch)
    13.07.2025

    Diese Schrecken sind meine und doch nicht meins

    Die Autorin Marina Clavadetscher konnte mich mit ihrem Roman „Die Erfindung des Ungehorsams“ seinerzeit sowohl erzählerisch als auch inhaltlich überzeugen. Auch dieser vorherige Roman der Autorin ist zunächst ähnlich verwirrend aufgebaut, wie der vorliegende „Die Schrecken der anderen“, nur konnte mich hier die Geschichte leider nicht überzeugen.

    Es geht um die Machenschaften von Alt-Nazis und Jung-Nazis in der Schweiz mit Blick auf die historischen Verwicklungen von Schweizer Geldhäusern und reichen oder noch-nicht-reichen Schweizern zu Zeiten des Nationalsozialismus als Staat, der die Neutralität ja angeblich mit Löffeln gefressen hat. Es geht darum, dass unter dem Deckmantel der Neutralität und Verlässlichkeit eine hässliche Fratze versteckt ist, die es aufzudecken gilt, sonst „wiederholt sich Geschichte“. Geschichte kann sich ja als solche nicht wiederholen, es kann nur zu ähnlichen Bewegungen in der Gesellschaft kommen und diese treten heutzutage aus dem Hintergrund immer mehr zutage. Altes Geld wartet darauf, alte reaktionäre Anliegen in den Händen von neuen Akteuren zu unterstützen. Wir müssen also nicht nur wachsam sein, sondern auch aktiv dagegen vorgehen. Dies ist die Quintessenz des Romans.

    Vermittelt wird dies durch mehrere Erzählstränge, die sich immer stärker annähern. Weiß man zunächst noch nicht, was der agoraphobische Archivar der Polizei mit dem auf seine Millionen wartenden Erben oder die komische alte Hippie-Frau aus dem Wohnwagen mit der hundertjährigen Mutter des wartenden Erben zu tun hat und das alles mit einem Toten in einem gefrorenen Bergsee, so kommt nach und nach alles zueinander.

    Sprachlich macht dies die Autorin wieder einmal top. Es gibt Sprachbilder, die mir im Gedächtnis bleiben werden und unglaublich stark sind. Wie eine Beschreibung der strengen Prägung durch die hundertjährige Mutter auf den mittlerweile nun auch nicht mehr jungen Sohn auf Seite 16, wenn sie mit der Naturgewalt von mächtigen Gesteinsbewegungen eines Bergmassivs verglichen wird:

    „Sie sitzt tadelnd in ihm, egal wohin er selbst in Gedanken geht, ihre verbalen Anfälle geschehen direkt in deinen Hirnwindungen. Ihre eisigen Worte schieben sich wie eine Gletscherzunge durch sein Gehirn, und am Ende bleibt das Geröll in seinem Gedächtnis liegen, verdreckt und schwer. Jede Mutter hinterlässt ihre Ablagerungen.“

    Und trotzdem konnte mich der Kniff der Autorin neben der Handlung her auf der Metaebene zu arbeiten und die Handlung literaturwissenschaftlich zu hinterfragen und zu definieren nicht überzeugen. So wird die Struktur der Geschichte immer wieder offen gelegt. Es heißt vom Verlag, damit „macht [Martina Clavadetscher] den unsichtbaren Elefanten im Raum sichtbar und fragt nach der Verantwortung von Literatur“. Und genau diesen Part habe ich schlicht und ergreifend nicht verstanden. Beziehungsweise habe ich das Gefühl es nicht in dem Ausmaße verstanden zu haben, wie es die Autorin vielleicht intendierte. Der Tote im Eis heißt McGuffin mit Nachnamen. Sie spielt auf einen Begriff an, den Hitchcock prägte, und der ein beliebiges Objekt oder Person beschreibt, das oder die die Handlung vorantreibt, ohne selbst von besonderem Nutzen zu sein. Ja, so ist es auch mit unserem Toten. Aber was will mir das sagen? Was soll diese Krimihandlung, wenn es der Autorin doch um das Wiedererstarken des rechten Gedankengutes geht? So muss sie uns auch zwischendurch immer wieder darauf hinweisen, was sie mit ihrem Roman auf anderer Ebene vorhat: „Bei undurchsichtigen Geschichten geht es oft um Ausdauer. Und um den richtigen Handlungsträger.“ (Ausdauer der Leserin: Check. Richtiger Handlungsträger: offen, eher nein.) Oder: „Nichts läuft je ins Leere. Alles ist miteinander verbunden.“ (Okay, ja. Und nun?) Und „Was passiert war, war passiert.“ (Amen.)

    So bleiben außer ein paar griffigen Sätzen und ein paar genaueren historischen Informationen, wie in und nach der Zeit des Nationalsozialismus Schweizer bekannten Nazis geholfen haben nicht nur Gold, Kunstwerke sondern auch sich selbst aus Europa wegzuschaffen, nur Fragen aus dieser Lektüre. Ich habe immer noch auf den großen Clou gewartet, aber er kam nicht und letztlich war ich einfach nur froh, dass die Lektüre vorbei war. Sehr schade.

    2,5/5 Sterne
    We Burn Daylight Bret Anthony Johnston
    We Burn Daylight (Buch)
    04.07.2025

    Weder „warmherzig“ noch „schonungslos“

    Auf dem Cover von Bret Anthony Johnstons zweitem Roman „We Burn Daylight“ ist ein Zitat des Lobes vom The Boston Globe abgedruckt, welches in seiner Kürze sagt: „So warmherzig wie schonungslos“. Leider kann ich in diesem Roman beides nicht oder nur minimal angedeutet erkennen. Um noch weiter zu gehen: Der Roman, der seinen Plot an die realen Ereignisse eines missglückten Behördeneinsatzes gegenüber einer dubiosen, christlichen Sekte in Texas in 1993 entlang führt, hat mich wirklich enttäuscht.

    Auf Plotebene verfolgen wir als Hauptfiguren zwei Teenager, Roy und Jaye, die beide 14 Jahre alt sind und sich ineinander verlieben. Nur, dass Jaye mit ihrer Mutter innerhalb der Sekte lebt und Roy der Sohn des Sheriffs ist. Somit stehen sie scheinbar auf zwei verschiedenen Seiten dieser Geschichte, was sie, mit der Deutung des Buchtitels „We Burn Daylight“ als Shakespeare-Zitat aus „Romeo und Julia“ die beiden jugendlichen Liebenden zu einem modernen Romeo-und-Julia-Equivalent machen. Tragisch geht nicht nur das Original von Shakespeare aus, sondern tragisch sind auch die Geschehnisse um die mit schweren Waffen ausgestatteten Sekte und eine schief gelaufende Razzia mit anschließender Belagerung des Farmgeländes.

    Auf den ersten Blick haben mir sehr viele stilistische Entscheidungen des Autors wirklich gefallen, aber er konnte sie einfach in meinen Augen nicht gut umsetzen. So entscheidet sich Johnston dafür, das fast 500 Seiten starke Buch in vier große Abschnitte und einen Prolog einzuteilen. Die vier Teile des Buches sind nach den vier Pferden der Apokalyptischen Reiter benannt. Das weiße Pferd steht für Jesus, das feuerrote Pferd für den Krieg, das schwarze Pferd für Hunger und das fahle Pferd für den Tod. Die Handlung in diesen vier Teilen, welche sich in einem sehr engen Zeitraum von Januar 1933 bis März 1993 bezogen auf die Ereignisse auf der Farm des Sektenführers abspielen, soll somit unten diesen Vorzeichen der vier Apokalyptischen Reiter stehen. Das passt zu Beginn noch gut, wenn uns Perry Cullen, der sich zukünftig nur noch „Lamb“ (also wie „das Lamm Gottes“) nennt, als selbsternannter Prophet, der seine Schäfchen zu sich ruft, vorgestellt wird. Das passt inhaltlich in die Teilüberschrift, allerdings passt die Figur nicht, aber dazu später mehr. Mitunter stellt er sich Jesus gleich somit passt zu ihm das weiße Pferd. Allerdings schon im zweiten Teil, wenn man den „Krieg“ erwartet, passiert noch gar nicht das, was dort eigentlich reingehören würde: nämlich die gewaltsame Razzia. Und auch die folgenden Überschriften halten – ohne hier ins Detail zu gehen – nicht, was sie versprechen. Mit kleinen Verschiebungen innerhalb der Ploteinteilung zu den Teilüberschriften hätte diese strukturelle Idee meines Erachtens wirklich sehr gut werden können.

    Die nächste sehr gute stilistische Idee des Autors ist neben den wechselnden personalen Kapiteln zwischen Roy und Jaye auch noch Kapitel einzuflechten, die Ausschnitte aus Podcast-Sendungen beinhalten. Dieser Podcast ist dreißig Jahre nach den Ereignissen in Waco, Texas, angesiedelt und beinhaltet Interviews von verschiedenen Beteiligten der damaligen Ereignisse. Diese Möglichkeit der Rückschau auf die fatalen Geschehnisse in 1993 wäre ein perfektes Stilmittel gewesen, um das Geschehene nachträglich einzuordnen. Leider verschießt auch hier Johnston sein Pulver, da die Personen einfach mitunter so schwer auseinanderzuhalten sind, dass man über die 500 Seiten hinweg mitunter den Überblick verliert, wer hier eigentlich wer ist. Auch erscheinen mit die Interviewauszüge mitunter wenig hilfreich, was die Handlung betrifft, wenngleich sie durchaus auch aufzeigen, welche Fehlentscheidungen hier auf Seiten der Regierungsorganisationen getroffen wurden, die zur Verschlimmerung der Situation auf der belagerten Farm beigetragen haben. So muss ich Johnston zugestehen, dass er sowohl auf Seiten der Sektenanhänger als auch auf Seiten der Regierungsorganisationen verschiedene Akzente setzt, was Fehler aber auch positive Aspekte angeht.

    Was mich allerdings stilistisch am meisten gestört hat ist, wie die Figuren konstruiert sind und vor allem wie sie miteinander umgehen. Sowohl im Kleinen, wenn sie miteinander kommunizieren als auch im Großen, wenn es um Entscheidungen innerhalb ihrer Beziehung zueinander geht. Vieles ist einfach unplausibel und psychologisch nicht nachvollziehbar. Und leider betrifft dies auch wirklich alle Figuren. Sie sind meines Erachtens wirklich in sich nicht gut entworfen und dargestellt. Allen voran natürlich Lamb selbst, der im Klappentext als „charismatisch“ beschrieben wird. An keiner Stelle des Romans wurde mir klar, warum diese Menschen ihm folgen in seinen wilden Prophezeiungen, außer eine Mörderin auf der Flucht und die portugiesische Familie, die als Illegale in den USA leben. Aber ehrlich, gerade aus Portugal?! Na ja, aber bei denen weiß man wenigstens, dass sie einfach nur in erster Linie pragmatisch einen Unterschlupf brauchten, der scheinbar von den Behörden unbeachtet bleibt.

    Von allen stilistischen Fragen abgesehen, muss ich betonen, dass vielleicht dieses Buch besser funktioniert hätte, wenn es dann nicht auch noch 500 Seiten lang gewesen wäre. Ich empfand den Roman so dermaßen zäh, dass ich zwischendurch sogar eine Pause machen musste, weil es sich wie Treibsand anfühlte. Der Autor verwendet viel zu viel Zeit mit Nebensächlichkeiten und schafft es nicht, die Handlung knackig zu gestalten. Wenn dann auch noch keine plausiblen Figuren – ob sie nun Sympathieträger oder nicht wären, aber leider haben die Figuren fest keinerlei Regung bei mir ausgelöst – existieren, die den Roman tragen und die Sprache nur mittelmäßig ausfällt, zeihen sich 500 Seiten wie Gummi. Hier kann ich nur ein Zitat aus dem Buch anbringen:

    „Was immer gesendet wurde, ich schaute es mir an. Ich konnte nicht wegsehen. Niemand konnte das. Wir waren alle Geiseln.“ Hier geht es zwar um die fragwürdige Medienberichterstattung über die Belagerung der Sekte, aber es könnte auch eine Beschreibung sein, wie ich mich beim Lesen fühlte: Wie eine unfreiwillige Geisel. Ich musste das Buch lesen, weil es ein Rezensionsexemplar ist, hätte es aber eindeutig abgebrochen, wenn dieser Zwang nicht dagewesen wäre.

    Somit kann ich dieses Buch leider nicht weiterempfehlen. Es trägt gute schriftstellerische Ideen in sich, die allerdings nicht gut ausgeführt wurden.

    2,5/5 Sterne
    Der Schlaf der Anderen Tamar Noort
    Der Schlaf der Anderen (Buch)
    19.06.2025

    Vom Finden eines neuen Schlaf- und Lebensrhythmus

    In ihrem zweiten Roman erforscht Tamar Noort auf prosaische Art und Weise den Einfluss von gestörtem Schlaf auf unsere Persönlichkeit, unsere Beziehungen, unser Leben. Dabei treffen zwei Frauen Anfang Vierzig an einem ungewöhnlichen Ort aufeinander: Im Schlaflabor. Janis ist eigentlich ausgebildete Fachkrankenschwester und vollkommen überqualifiziert für ihren Job als Nachtwache in genau diesem Schlaflabor. Sie schaut ihren „Gästen“ dabei zu, wie sie schlafen, und findet dadurch selbst kaum noch geregelten Schlaf. Sina ist Lehrerin kurz vor einer Schlafmittelabhängigkeit, die sich ins Schlaflabor begeben muss, weil der neue Arzt ihr kein Zolpidem mehr verschreibt und sie einen folgenschweren Fehler unter Schlafmangel begeht. Nun treffen die beiden in einer Nacht aufeinander und es entsteht eine Verbindung über dieses rein funktionale Setting hinaus, die über mehrere Monate anhält. Ein Roman über das Leben außerhalb der gesellschaftlichen Norm und eine betörende Freundschaft mit Hindernissen.

    Tamar Noort konnte mich direkt mit der ersten Seite ihres Romans für ihren Schreibstil gewinnen. Schnörkellos und gleichzeitig leise poetisch erfasst sie Menschen und Situationen, die irgendwie neben sich selbst und neben der Realität der Mehrheit stehen. Im Wechsel zwischen Kapiteln mit Janis als Hauptfigur und mit Sina als Hauptfigur nähern wir uns diesen Frauen und sie sich selbst an. Langsam erfahren wir immer mehr über ihre Hintergründe und wie sie an diesen Punkt der Schlaflosigkeit in ihrem jeweiligen Leben gekommen sind. Was hält diese beiden Frauen wach? Was lässt ihnen keine Ruhe? Und wir dürfen sie dabei begleiten, wie sie nicht nur einen ganz eigenen Schlafrhythmus sondern auch für sich selbst einen ganz neuen Lebensrhythmus finden.

    Beide Frauen unterliegen gewissen Zwängen und beide werden für uns Leser:innen nachvollziehbar dargestellt. Immer sind wir ganz nah dran an ihren unerfüllten Bedürfnissen und Wünschen und ihrem persönlichen Weg aus dem Hamsterrad, ohne uns letztlich eine Pauschallösung anzubieten, sondern lediglich mögliche Wege aufzuzeigen.

    So konnte mich dieser kurzweilige und trotzdem tiefgründige Roman um zwei schlaflose Frauen bis zur letzten Seite fesseln, weshalb ich eine Lektüre empfehle und selbst den Debütroman der Autorin auf meine Wunschliste setzen werde.

    4/5 Sterne
    Aue Becky Manawatu
    Aue (Buch)
    15.06.2025

    Gehalt- und gewaltvolle Geschichte um eine maorische Familie

    So facettenreich wie der abgebildete Vogel aus einem Kunstwerk des neuseeländischen Künstlers Totaea Rendell entfaltet sich auch der Debütroman der neuseeländischen Autorin mit Maori-Vorfahren Becky Manawatu. Dort lernen wir zunächst den achtjährigen Arama und seinen siebzehnjährigen Bruder Taukiri kennen, deren Eltern scheinbar ums Leben gekommen sind. Taukiri liefert seinen kleinen Bruder bei deren Tante Kat und Onkel Stu einfach nur ab und verschwindet danach auf die Nordinsel Neuseelands. Während sich die Wege der beiden Brüder trennen erlebt jeder Bruder für sich seine ganz eigene Hölle und auch ganz eigenen, leider nur seltene positiven Momente. Sie müssen nicht nur den Verlust ihrer Eltern verarbeiten sondern auch ihren Weg im Leben finden. Diesen Weg als holprig zu bezeichnen wäre massiv untertrieben, da Arama mit einem gewalttätigen Onkel zu kämpfen hat und Taukiri mit einem Abwärtsstrudel, der ihn zu verschlingen droht.

    Becky Manawatu inszeniert ihren Roman sehr geschickt, indem sie nur nach und nach Informationen zu den einzelnen Protagonisten freigibt und sich Zusammenhänge, die bis in die Großelterngeneration der beiden Brüder zurückgehen langsam aufdeckt. Das macht den Einstieg in den Roman nicht leicht, lohnt sich aber mit jeder weiteren gelesenen Seite. Die mit den Namen der im jeweiligen Kapitel verfolgten Personen überschriebenen Kapitel folgen nicht nur Arama und Taukiri sondern auch deren Vorfahren Jade und Toko. Auf diesen beiden Zeitebenen der Vergangenheit und Gegenwart nähern wir uns einem fulminanten Finale an, das Kapitel für Kapitel einen beim lesen gefangen nimmt. Wir erkennen, dass das Leben dieser Familie schon lange Zeit von Gewalt und Drogen geprägt ist und bis zum Schluss eine Gefahr für alle Beteiligten darstellt. Wobei es sich hier keinesfalls um ein reines Actionspektakel handelt, ganz im Gegenteil. Mitunter sehr leise und mit großartigen, wiederkehrenden sprachlichen Bildern arbeitet Manawatu die einzelnen Facetten ihrer Figuren und deren (Innen-)Leben heraus. Figuren, die zunächst von Grund auf böse erscheinen, bekommen im Verlauf eine mehrdimensionale Tiefe verliehen, selbst mit nur ganz kurzen Szenen und Sequenzen. Spiralen der Gewalt und Angst aber auch der Zusammenhang mit Liebe und Anziehung werden psychologisch authentisch an den Beispielen der Figuren aufgeschlüsselt. Und durch die Hinzunahme der Erzählebene um Jade und Toko bleibt der Roman auch kein reiner Coming-of-Age-Roman mit kindlichen/jugendlichen Protagonisten, sondern entfaltet seine Anziehungskraft auch für Leser:innen, die sich eher weniger in diesem Genre wohlfühlen. Letztlich habe ich mit allen Hauptfiguren bis zum Schluss mitgefiebert und konnte das Buch kaum noch aus der Hand legen. Durch den Stil des nach und nach Offenbarens lohnt hier sicherlich auch eine Zweitlektüre, um noch mehr Feinheiten der Geschichte erfassen zu können.

    Sprachlich zeigt die Autorin ein besonderes Talent, atemberaubende Metaphern für grundlegende, menschliche Bedürfnisse und Zwänge zu entwerfen. Wobei ihr Stil niemals „drüber“ ist, sondern trotzdem bodenständig und verständlich. Etwas „drüber“ finde ich allerdings den Drang des Verlags im Anhang im Rahmen des Glossars alle möglichen Begrifflichkeiten zu erläutern. Vollkommen hilfreich, sinnvoll und wissenswert ist dies bei den vielen Begriffen aus der maorischen Sprache, die im Text vorkommen. Das hat die Übersetzerin Jana Grohnert, ebenso wie natürlich beim gesamten Romantext, ganz hervorragend gemacht. Allerdings werden neben den maorischen Begriffen auch Worte der gegenwärtigen Sprachkultur wie Chewbacca, Hacky Sack oder Snapchat im Glossar erklärt, was kurios bis lächerlich wirkt. Hier hätte sich der Verlag meines Erachtens auf die maorischen Begriffe beschränken sollen. An einer Stelle ging es dann auch bei einer Anspielung auf den Film „Die Reifeprüfung“ mit der Übersetzerin oder dem Verlag durch, denn dort bieten sie im Glossar eine komplette Deutung der Anspielung im Roman an. Das hat nach meinem Empfinden dort nichts zu suchen und sollte dem Kombinationsvermögen der Leser:innen überlassen bleiben. Leider kennzeichnet der Verlag die im Glossar auftauchenden Worte auch nicht im eigentlich Romantext. Meine persönliche Präferenz wären hier Fußnoten direkt auf der entsprechenden Seite im Roman gewesen.

    Da diese Kleinigkeiten bezogen auf den Anhang zum Buch allerdings meine einzigen Kritikpunkte am Buch darstellen, ich ansonsten inhaltlich wie sprachlich den Roman wirklich toll finde ebenso wie die Covergestaltung, kann ich eine Lektüre aus diesem ansonsten in der deutschsprachigen Übersetzung nur selten vertretenen Region der Erde nur dringend empfehlen.

    4,5/5 Sterne
    Schwebende Lasten Annett Gröschner
    Schwebende Lasten (Buch)
    18.05.2025

    Eine Frau, die nie aufgegeben hat

    Die in Magdeburg geborene Autorin Annett Gröschner beschäftigt sich in ihrem Roman „Schwebende Lasten“ mit dem gesamten Leben einer Frau, die bis auf eine kurze Unterbrechung mit Aufenthalt in Berlin durchgängig in Magdeburg lebte, arbeitete und eine Familie gründete. Dabei umspannt das nur 280 Seiten dünne Buch einen Zeitraum von über 80 Jahren, tangiert kurz die Weimarer Republik, die Zeit des Dritten Reichs, die Entstehung der DDR und deren Übernahme durch die BRD. All diese Geschichte passiert hier allerdings vorwiegend am Rande, denn eigentlich geht es um Hanna Krause, die früh ihre Mutter verliert, der polnische Vater nie anwesend, quasi als Vollwaise von ihren Halbschwestern aufgezogen, ausgebildet als Blumenbinderin und mit eigenem Blumenladen ein wenig erfolgreich, wird sie Jahrzehnte lang dafür kämpfen ihre Familie zusammenzuhalten und nicht immer erfolgreich dabei sein. In der zweiten Hälfte ihres Arbeitslebens wird sie in der DDR Kranführerin sein und letztlich daran wachsen. Hier gibt es viel Last, die diese Figur tragen muss, aber auch Momente, die wie ein Dahinschweben in der Zeit wirken.

    Sprachlich unaufgeregt erzählt Gröschner von diesem Leben, welches von Höhen und Tiefpunkten gezeichnet ist, aber die Figur Hanna niemals in die Knie gänzlich zwingt. Nach meinem Empfinden passiert dies größtenteils mit einer Distanz zur Figur und einer Art Abgeklärtheit, die viele Ereignisse auf wenige Seiten packt, sodass ich selbst nur selten Hanna und ihrem Befinden nah sein konnte. Nur in einzelnen Szenen, wie ein Feuersturm bei einer Bombardierung Magdeburgs und dessen Folgen, packte mich der Erzählstil und ich konnte mir die Ausmaße dieser Katastrophe sehr genau – wenn natürlich auch nicht ansatzweise originalgetreu – vorstellen. Insgesamt ging mir alles zu schnell, um richtig mit Hanna und ihrer Familie mitzuschwingen. Ihr soziales Umfeld blieb für mich größtenteils nur Namen, ohne konkretes Bild zu ihnen und ihrer Persönlichkeit.

    Stilistisch treten den Kapitelanfänge hervor, welchen jeweils ein Eintrag zu verschiedenen Blumensorten vorangestellt ist. So wird hier ein Blumenstrauß zusammengestellt, bei dem man sich fragt: Kann ein Mensch das überhaupt alles erlebt haben? Ähnlich einem Strauß, zu dessen Anfertigung Hanna gebeten wird, der aber gar nicht so zu binden geht, weil die Pflanzen zu ganz unterschiedlichen Jahreszeiten blühen. Hanna Krause hat zu ganz unterschiedlichen historischen „Jahreszeiten“ gelebt und ihr Leben wird in diesem Buch geschickt zusammengebunden zu einem eng verknüpftem, sehr durchmischten Strauß. Sehr interessant gemacht.

    3,5/5 Sterne
    Schwebende Lasten Annett Gröschner
    Schwebende Lasten (Buch)
    18.05.2025

    Eine Frau, die nie aufgegeben hat

    Die in Magdeburg geborene Autorin Annett Gröschner beschäftigt sich in ihrem Roman „Schwebende Lasten“ mit dem gesamten Leben einer Frau, die bis auf eine kurze Unterbrechung mit Aufenthalt in Berlin durchgängig in Magdeburg lebte, arbeitete und eine Familie gründete. Dabei umspannt das nur 280 Seiten dünne Buch einen Zeitraum von über 80 Jahren, tangiert kurz die Weimarer Republik, die Zeit des Dritten Reichs, die Entstehung der DDR und deren Übernahme durch die BRD. All diese Geschichte passiert hier allerdings vorwiegend am Rande, denn eigentlich geht es um Hanna Krause, die früh ihre Mutter verliert, der polnische Vater nie anwesend, quasi als Vollwaise von ihren Halbschwestern aufgezogen, ausgebildet als Blumenbinderin und mit eigenem Blumenladen ein wenig erfolgreich, wird sie Jahrzehnte lang dafür kämpfen ihre Familie zusammenzuhalten und nicht immer erfolgreich dabei sein. In der zweiten Hälfte ihres Arbeitslebens wird sie in der DDR Kranführerin sein und letztlich daran wachsen. Hier gibt es viel Last, die diese Figur tragen muss, aber auch Momente, die wie ein Dahinschweben in der Zeit wirken.

    Sprachlich unaufgeregt erzählt Gröschner von diesem Leben, welches von Höhen und Tiefpunkten gezeichnet ist, aber die Figur Hanna niemals in die Knie gänzlich zwingt. Nach meinem Empfinden passiert dies größtenteils mit einer Distanz zur Figur und einer Art Abgeklärtheit, die viele Ereignisse auf wenige Seiten packt, sodass ich selbst nur selten Hanna und ihrem Befinden nah sein konnte. Nur in einzelnen Szenen, wie ein Feuersturm bei einer Bombardierung Magdeburgs und dessen Folgen, packte mich der Erzählstil und ich konnte mir die Ausmaße dieser Katastrophe sehr genau – wenn natürlich auch nicht ansatzweise originalgetreu – vorstellen. Insgesamt ging mir alles zu schnell, um richtig mit Hanna und ihrer Familie mitzuschwingen. Ihr soziales Umfeld blieb für mich größtenteils nur Namen, ohne konkretes Bild zu ihnen und ihrer Persönlichkeit.

    Stilistisch treten den Kapitelanfänge hervor, welchen jeweils ein Eintrag zu verschiedenen Blumensorten vorangestellt ist. So wird hier ein Blumenstrauß zusammengestellt, bei dem man sich fragt: Kann ein Mensch das überhaupt alles erlebt haben? Ähnlich einem Strauß, zu dessen Anfertigung Hanna gebeten wird, der aber gar nicht so zu binden geht, weil die Pflanzen zu ganz unterschiedlichen Jahreszeiten blühen. Hanna Krause hat zu ganz unterschiedlichen historischen „Jahreszeiten“ gelebt und ihr Leben wird in diesem Buch geschickt zusammengebunden zu einem eng verknüpftem, sehr durchmischten Strauß. Sehr interessant gemacht.

    3,5/5 Sterne
    Der Kaiser der Freude Ocean Vuong
    Der Kaiser der Freude (Buch)
    17.05.2025

    Poetischer, aber klarsichtiger Blick auf Menschen in prekären Lebenssituationen

    Ocean Vuong ist mit seinem zweiten Roman der große Wurf gelungen. Mithilfe eines jungen Mannes von 19 Jahren, der als kleines Kind mit seiner Familie Anfang der 1990er Jahre aus Vietnam in die USA emigrierte, seiner nächsten Verwandten sowie seinem direkten sozialen Umfeld zeigt Vuong auf, dass das Versprechen des amerikanischen Traums, vom Tellerwäscher zum Millionär, schon lange nicht mehr gilt, wenn es denn je gegolten hat. Scheinbar in einer langsamen aber dauerhaften Abwärtsspirale befindet sich Hai, den wir zu Beginn am scheinbaren Tiefpunkt antreffen. Er lebt in Gladness, einem Arbeitervorort Hartfords in Connecticut, und ist gerade dabei von einer Brücke in den Fluss Connecticut zu springen, um sich das Leben zu nehmen. Denn viel ist nicht mehr für ihn zu holen in dieser trostlosen Welt aus verlassenen Fabriken, heruntergekommenen Wohngebieten und Drogen. Doch die hochbetagte Grazina, die selbst einmal vor langer Zeit auf der Flucht vor Stalin und Hitler aus Litauen in die USA emigrierte, unterbricht Hais Plan und nimmt ihn als ihren neuen Pfleger bei sich im ansonsten leerstehenden Haus auf.

    Nun könnte man meinen, hieraus entwickelt sich eine Feel-Good-Geschichte um dieses ungleiche Paar herum. Nur ist hier nicht viel „Feel-Good“ in diesem Roman, wenn auch trotzdem Witz und Humor an der ein oder anderen Stelle. Es gibt kleine, zwischenmenschliche Lichtblicke in dieser harten Geschichte. Lichtblicke, die selbst eine zum Zeitpunkt der Geschehnisse bestehenden Obama-Regierung nicht zu bieten vermag. Die Lichtblicke entstehen durch den genauen Blick auf die Arbeiter:innen, die hier im Mittelpunkt stehen, wie sie miteinander umgehen und einander auch aushelfen. So kann man einigermaßen überleben, aber von Leben kann kaum die Rede sein, wenn zwei oder drei Jobs gleichzeitig kaum ausreichen, um den existenziellen Bedürfnissen nachzugehen. Alle Figuren tun es irgendwie doch, leben.

    Sprachlich vermittelt Vuong diese Atmosphäre der objektiven Hoffnungslosigkeit und des subjektiven Durchhaltevermögens einfach nur herausragend. Die genutzten Sprachbilder sind so poetisch und pointiert, dass man über fast jeden Satz Ewigkeiten nachdenken kann. Da steckt so viel in Vuongs Sprache, Dinge, die eventuell im englischsprachigen Original noch besser in ihrer Mehrdeutigkeit erfasst werden können. Anne-Kristin Mittag und Nikolaus Stingl haben hier trotzdem hervorragende Arbeit in der Überführung ins Deutsche geleistet. Allein die brillante Mehrdeutigkeit des englischsprachigen Originaltitels kann gar nicht richtig ins Deutsche überführt werden. „The Emperor of Gladness“. Was es mit diesem „Kaiser“ auf sich hat, und dass dies rein gar nichts mit der sozialen Stellung eines tatsächlichen Herrschers als Staatsoberhaupt zu tun hat, erfährt man erst im Laufe des Romans. In genau einem Satz fast am Ende des Buches wird die Tiefgründigkeit dieser Formulierung deutlich und haut einem beim Lesen einfach nur um. Und natürlich „der Freude“, die Direktübersetzung vom Wort „Gladness“. Dass der Handlungsort des Romans absolut nichts mit wahrer Freude zu tun hat, aber doch mit zwischenmenschlichen Freudenmomenten, schwingt alles in diesem fiktiven Ortsnamen mit. Bei Vuong könnte man jedes Wort auf die Goldwaage legen und hätte seine helle Freude am Interpretationsspielraum.

    Ich könnte jetzt noch ewig weiter jubeln über diesen umwerfenden Roman, empfehle stattdessen aber, ihn selbst zu lesen. Und ich selbst nehme mir vor, nun endlich auch den Debütroman „Auf Erden sind wir kurz grandios“ von Ocean Vuong zu lesen. Er konnte mich mit seinem Schreibstil komplett von seinem Können überzeugen. Dieser 1988 in Vietnam geborene Autor steht nun auf meiner „muss ich lesen“-Liste.

    4,5/5 Sterne
    Der große Riss Cristina Henríquez
    Der große Riss (Buch)
    08.05.2025

    Menschlich breiter Panoramablick über den Bau des Panamakanals

    Ich muss zugeben, dass sich dieser historische Roman von Cristina Henríquez für mich überraschend als Highlight gemausert hat. Er gibt mithilfe von vielen Figuren einen breiten Überblick über den Bau des Panamakanals, die Arbeitsbedingungen unter denen dies Anfang des vergangenen Jahrhunderts geschehen ist, das Leben auf dem Isthmus zur damaligen Zeit, die politischen Verwicklungen und Einflüsse, sowie die ganz persönlichen Befindlichkeiten von einfachen Menschen, die irgendwie – unter anderem auch eher lose - in Verbindung mit dem Bau dieses Mammutprojekts von Menschenhand standen. Dabei wird nicht minutiös über die Baufortschritte berichtet, sondern Schlaglichter auf einzelne Szenen und Personen geworfen.

    Nach den ersten 100 Seiten des Romans kam mir der Gedanke: „Sollten jetzt nicht so langsam mal alle Hauptfiguren vorgestellt sein, oder wie viele Personen sollen hier noch eingeführt werden?“ Denn eins muss man Henríquez lassen: Sie spart nicht an Figuren, deren Lebensgeschichten bis zum Punkt, an dem wir sie im Buch antreffen, in kleinen Vignetten knackig vorgestellt werden und die uns meist bist zum Schluss des Romans begleiten. Oder auch nicht, denn es gibt auch Todesfälle, die das Erzählte nur umso realistischer und nie heroisierend wirken lassen. Und gerade diese Art des Erzählens, dass ich so viele Einblicke in so viele Leben bekommen habe, und dabei die Hand, an die ich genommen wurde, niemals fallen gelassen wurde, ich also dem immensen Personal problemlos folgen konnte, hat mich bis zuletzt gefesselt. Innerhalb von zwei Tagen war dieser historische Pageturner von über 400 Seiten eingesogen. Nebenbei lernt man die wichtigsten historischen, politischen, gesellschaftlichen, wissenschaftlichen, technischen Zusammenhänge zum Panamakanal, die einen denken lassen: „Warum habe ich bisher so unwissend diesen Kanal, den man im Geografieunterricht kurz kennengelernt hat, als gegeben hingenommen?“

    Cristina Henríquez schreibt unglaublich süffig und zügig. Keiner einzigen Länge begegnete ich in diesem Roman und trotzdem fehlte meines Erachtens nichts. Ich habe selten mit so vielen Figuren gleichzeitig mitgefiebert, denn geschickt wechselt sie in den Kapiteln zwischen den Figuren, kein Erzählstrang fällt hinten runter, jeder wird zielsicher zum richtigen Moment wieder aufgegriffen.

    Allein die deutsche Übersetzung, welche inhaltlich und stilistisch grundsätzlich gelungen ist, braucht für diese erste Auflage noch einmal ein aufmerksames Lektorat, welches an der ein oder anderen Stelle ein paar Tippfehler korrigiert. Die Schutzumschlag- und Buchdeckelgestaltung finde ich äußerst gelungen und nach der Lektüre erkennt man auch, dass genau das richtige Bild- und Kartenmaterial hier herausgesucht und genutzt wurde. Eine runde Sache.

    Somit bin ich insgesamt durchaus begeistert von „Der große Riss“, habe viel Wissenswertes erfahren, wurde gut unterhalten und kann die Lektüre demnach guten Gewissens empfehlen.

    4,5/5 Sterne
    Women Chloé Caldwell
    Women (Buch)
    28.04.2025

    Dieses angebliche Kult-Buch versagt auf vielen Ebenen

    Die Ich-Erzählerin dieser (mithilfe des Nachworts der Autorin als solchen erkennbaren) stark autobiografisch grundierten Geschichte ist Ende Zwanzig, bisher in ihrem Leben ausschließlich mit Männern zusammen gewesen und lernt nun nach dem Umzug in eine größere Stadt eine 19 Jahre ältere Frau, Finn, kennen, aus deren Freundschaft eine „sexuelle Beziehung“ entsteht. Finn ist allerdings seit zehn Jahren in einer Langzeitbeziehung und gedenkt nicht, ihre Partnerin zu verlassen. Dass diese Liebe keine Chance hat, erfahren wir gleich zu Beginn der Geschichte. Nun ist es an uns, den Niedergang der Liebe zu beobachten. Leider muss man dabei gefühlt quälend lang eine wirklich ungesunde (man kann den aktuell überstrapazierten Begriff „toxisch“ verwenden) Beziehung begleiten und ist nur froh, wenn dann endlich endgültig Schluss ist mit den beiden.

    Der Klappentext dieses schmalen Büchleins verspricht uns eine Geschichte über „Liebe, Sexualität und Identität und darüber, ob es nötig bzw. möglich ist, sich diesbezüglich glasklar zu definieren“. Außerdem wird das Buch als „Kult-Buch“ beworben, welches schon 2014 in den USA erschien und dort wohl in der lesbischen Szene sehr erfolgreich war. Ich hatte demnach hohe Erwartungen an diese Geschichte, hoffte einen Einblick in die Protagonistin, ihre Gedanken und Gefühle zu bekommen, bezüglich der Neuentdeckung ihrer sexuellen Orientierung. Also ich dachte, es geht wirklich mehr um diesen ersten Moment nach dem Kennenlernen der anderen Frau und was das alles in ihr selbst in Bewegung setzt. Wie hinterfragt man sich, wenn man so viele Jahre der Meinung war, nur auf Menschen des anderen Geschlechts zu stehen und plötzlich tritt dort eine Person in das eigene Leben, die das alles über den Haufen wirft? Und zwar so nachhaltig, dass danach auch nur noch Frauen als (Sexual-)Partnerinnen infrage kommen? Aber all diese und noch mehr Fragen bezüglich der eigenen Identität werden im Buch nur leicht tangiert. Tatsächlich konzentriert sich die Autorin auf die Darstellung einer massiv ungesunden Liebesbeziehung, die von Wutausbrüchen, Ablehnung, Streitigkeiten aber auch scheinbar mind-blowing Sex geprägt ist. Von der Ich-Erzählerin erfahren wir schnell, dass sie eine Borderline-Persönlichkeitsstörung hat und nicht nur entsprechende Stimmungsumschwünge an den Tag legt, sondern ihr Sex-/Liebesleben genauso eine Abhängigkeit darstellt, wie sie auch von Substanzen abhängig ist, oder sie zumindest aktuell noch missbräuchlich nutzt.

    Nun könnte man denken, dass wenigstens diese Emotionalität der Erzählerin auch im Text emotional aufrüttelnd dargestellt sind, auch wenn sie einem selbst von der Art her massiv auf die Nerven gehen (gefühlt von Seite 10 an). Aber nein, die Autorin hat meines Erachtens einen so oberflächlichen, banalen, unterkomplexen Schreibstil, missachtet vollständig die gängige Empfehlung „Show, don‘t tell!“ und rattert einfach irgendwelche Gefühlszustände runter. Als Leserin habe ich kein einziges Mal im gesamten Text emotional mitschwingen oder kognitiv mitgehen können. Um dies zu unterstreichen, hier ein Zitat. Als Hinweis: Von dem Ex-Freund und seiner Mutter sowie der Freundin mit ihrer Katze, erfahren wie nichts vorher und nicht nachher in dieser Geschichte, dies taucht einfach so im Text auf:

    S. 115 und 116:

    mitten im Kapitel kommt plötzlich diese Stelle:

    "Die Mutter meines Ex-Freundes stirbt an AIDS. Vor Trauer breche ich zusammen. Der Ex ruft mich jeden Tag an, trotzdem rechne ich nie damit. Wir reden zwischen zwei und fünf Stunden pro Tag, egal wo. Er geht durch Chinatown in New York. Ich sitze im Garten hinter dem Aquarium und rupfe Grashalme aus. Er erzählt mir, sein Leben sei eine Folge von Six Feet Under. In der Bibliothek schließe ich mich in einer Toilettenkabine ein, um seine Anrufe anzunehmen. Wir hören uns abwechselnd beim Weinen zu. Eine Freundin, die nicht in der Stadt ist, ruft mich an und bittet mich, ihre Katze einschläfern zu lassen."

    Solcherlei Stellen gibt es immer im Text. Aber gut, jetzt könnte man behaupten, man müsse ja gar nicht sich in diese kleinen Anekdoten hineinfühlen können, solange man sich in diese große Liebe hineinfühlen kann zwischen Finn und der Erzählerin. Nur: Auch dies passiert nicht! Die Autorin spricht im Text immer wieder einmal ihre Leser:innen direkt mit „Du“ an und durchbricht auch die Vierte Wand, indem sie während man die Geschichte um die Erzählerin und Finn liest, Hinweise zum Entstehungsprozess des Buches gibt. So meint sie ziemlich zu Beginn des Textes, dass ihre Lektorin sich von Seite Eins an in Finn verknallt hätte. So wie die Autorin die Figur Finn beschreibt, kann man allerdings überhaupt nicht nachvollziehen, warum sie sich in diese Person überhaupt verliebt. Und auch wenn wir als Leserschaft das auch gar nicht müssen, so müsste die Autorin es zumindest plausibel darstellen können, warum dies ihrer Erzählerin so erging. Fehlanzeige.

    Wichtig zu wissen, ist, dass das 192 Seiten dünne Büchlein nicht nur die eigentliche Geschichte (Novelle?) enthält, sondern auch noch in dieser Seitenzahl ein Vor- und ein Nachwort enthalten ist. Das Vorwort fand ich nicht uninteressant, aber letztlich auch eher eine "Fanstory" vor der eigentlichen Geschichte. Was ich vom Buchsatz her schlecht gemacht finde, ist, dass unter dem Vorwort nicht, wie das sonst meist der Fall ist, der Ort und Monat/Jahr des Verfassens abgedruckt ist. Aus zwei Gründen ist dies schlecht: Da das Buch ja eigentlich aus 2014 stammt, wäre es mir lieb gewesen zu wissen, wann Katie Heaney das Vorwort verfasst hat. Zum anderen fing dadurch einfach auf der nächsten Seite der Haupttext an, ohne im Grafikdesign hier einen Hinweis darauf zu geben. Ich war noch gar nicht richtig "raus" aus dem Vorwort, da fing schon die Geschichte an. Und ich merkte sehr stark über die ersten 20-30 Seiten des eigentlichen Textes "Women" hinweg, dass ich innerlich immer wieder die Lebensgeschichte von Katie Heaney, die mir ehrlich gesagt überhaupt nichts sagt, mit der autofiktionalen Geschichte von Chloé Caldwell vermischte. Zum Nachwort: Ehrlich gesagt ist dies wohl das bisher am meisten von sich selbst eingenommene Nachwort eine*r Autor*in, das ich je gelesen habe. Es geht über 17 Seiten hinweg nur darum, immer wieder zu betonen, wie unglaublich toll die Geschichte angekommen ist in der lesbischen Szene und wie scheinbar (!) alle lesbischen Frauen sich damit identifizieren könnten. Die Darstellung dysfunktionaler Beziehung und als ob alle oder zumindest ein Großteil alles lesbischen Beziehungen so dysfunktional ablaufen würden und dies auch innerhalb der Szene „normal“ sei, finde ich hoch bedenklich.

    Letztlich konzentriert sich der ohnehin schon kurze Text dann mehr auf die ungesunde Beziehung zwischen den beiden Frauen. Und diese Art der Beziehungsführung empfand ich unglaublich anstrengend. Also inhaltlich wie stilistisch anstrengend im Sinne von wirklich „nervig“ und nicht „zu anspruchsvoll“. Leider kann ich von der Lektüre dieses Buches nur dringend abraten und, wenn man sich bezüglich dieses Themenkomplexes interessiert, ruhigen Gewissens zu „Das Archiv der Träume“ von Carmen Maria Machado raten. Schade.

    2/5 Sterne
    Das Ende ist beruhigend Carla Kaspari
    Das Ende ist beruhigend (Buch)
    27.04.2025

    Endlich eine neue Idee im Bereich Dystopie/Utopie!

    Die Autorin Carla Kaspari entwirft in ihrem aktuellen Roman „Das Ende ist beruhigend“ mal ganz neue Ideen bezüglich einer Zukunftsversion und dem ungewöhnlichen Art und Weise, wie den Menschen der Zukunft „geholfen“ werden soll.

    Wir lernen Dean im Jahre 2125 kennen, ein sogenannter „Sponsor“, was für nichts anderes als „superreich“ steht und der mit seinem Geld in der Städte- und gesellschaftlichen Entwicklung dem Staat (sofern dieser überhaupt noch existiert) unter die Arme greift. Soll heißen: Die Sponsor:innen dieser Zukunft entscheiden in eigenen Gremien, in denen nur der eigene Finanzwert zur Teilnahme befähigt, was gebaut werden soll, wie die Menschen leben sollen. Wichtig bleibt dabei immer der Profit, denn eigentlich erscheint das Leben für die Durchschnittsbevölkerung kaum noch lebenswert. Die Luft ist mit Partikeln so durchsetzt, dass man sie kaum noch atmen kann und die UV-Werte der Sonnenstrahlen so hoch bzw. die Hitze so stark, dass man sich kaum noch im öffentlichen Raum aufhalten/leben kann. Berlin ist kaum noch bewohnbar, die Randgebiete sind längst aufgegeben. Nur Dean hat sich entschieden, seinen eigenen Luxuswohnkomplex in Berlin bauen zu lassen. Die Menschen um ihn herum verlieren jegliche Hoffnung, für sich selbst und für unseren Planeten. Aus dieser Situation heraus kommt Dean eines Tages eine Idee und er lässt eine verlasse Ortschaft in Italien zu einem Kreativen-Paradies umbauen. Dort gibt es saubere Luft, genügen gesunde Nahrung und entspannende Mediationen, damit sich die dorthin eingeladenen kreativen Menschen, aus allen möglichen Bereichen, auf ihre Arbeit und kreativen Prozesse konzentrieren können. Um mit den entstanden Werken die „Normalbevölkerung“ bei Laune zu halten. So meint man zumindest zu Beginn der Lektüre. Was sich hinter dieser Siedlung wirklich verbirgt und damit auch die ungewöhnliche Idee der Autorin, kann an dieser Stelle nicht verraten, sondern muss selbst erkundet werden. Dies muss man zusammen mit der Ich-Erzählerin Esther, einer deutschen Malerin, die mit ihrer besten Freundin Théa seit 2130 in Spes I (so der Name der Siedlung) lebt, herausfinden.

    Was genau Carla Kasparis Roman ist, eine Dystopie oder eine Utopie, oder eine Utopie in der Dystopie, ist kaum zu greifen. Sie macht auf jeden Fall einiges richtig, wenn es um das Erzählen ihrer Idee geht. So gefällt mir besonders der ganz fein abgestimmte Schreibstil. Die Parts, die sich mit Dean beschäftigen sind aus der personalen Perspektive verfasst und wirken recht konventionell im Stil. So richtig interessant wird es, wenn wir die Stimme von Esther lesen. Diese hat nämlich eine sehr spezielle Wortwahl und Art des Beschreibens. Zunächst wundert man sich noch, aber dann wird mit Erfassen ihrer Lebensbedingungen in Spes I, woher ihre Art kommt. Sie ist nämlich unglaublich achtsam und psychologisch geschult, in ihrem Denken. Jeder Satz ist genau austariert, klingt wie aus psychologischen angehauchten Selbsthilfebüchern zu Achtsamkeit und Fremd- bzw. Selbstwahrnehmung. Dies ist keine artifizielle Art des Schreibens von der Autorin, die sie nicht im Griff hat, sondern gezielt eingesetzt, denn wir merken im Verlauf: In Esthers Denken, Fühlen und Handeln wird quasi eine Form der Gehirnwäsche sichtbar. Wie diese funktioniert? Bleibt erneut ein Geheimnis in dieser Buchbesprechung und muss selbst erlesen werden. ;)

    Hier eine kleine Kostprobe von Esthers Gedankenwelt:

    „Obwohl ich es nicht anders kannte [Anm.: selbst zu kochen], habe ich hier im Dorf gemerkt, wie sehr mir der Vorgang gefehlt hat. Produkte auszuwählen, die man später zubereiten und dann zu sich nehmen wird, ist eine zutiefst befriedigende Tätigkeit, die mich mit Glück und Ruhe erfüllt. Vor allem, wenn es sich um Produkte handelt, die größtenteils lokal angebaut oder hergestellt werden. Einen Moment halte ich inne, um dankbar zu sein für die qualitativ hochwertigen Lebensmittel in Spes I.“

    Esther zuzuhören ist, als ob man einen Werbespot für ein Bio-Wellness-Achtsamkeits-Ressort mit idyllischen Bildern und in Weichzeichner ansieht. Uns ist natürlich klar, dass diese Idylle nur trügerisch sein kann.

    Schlussendlich hat mir die Lektüre von „Das Ende ist beruhigend“ auf literarischer Ebene und auch bezüglich der inhaltlichen Ideen sehr gefallen. Das Buch liest sich ganz wunderbar in kurzer Zeit, ist ein knackiger Pageturner. Definitiv eine Leseempfehlung für alle, die aus dem Bereich Dystopie/Utopie mal etwas anderes lesen wollen.

    4,5/5 Sterne
    Beeren pflücken Amanda Peters
    Beeren pflücken (Buch)
    18.04.2025

    Emotionsgeladene Familiensage um die Verluste einer Mi‘kmaq-Familie

    Der Debütroman von Amanda Peters, die selbst u.a. Mi‘kmaq-Vorfahren hat, dreht sich um eine Familie ebendieses indigenen Volkes. Die Erzählung erstreckt sich vom Jahre 1962, in dem die kleine vierjährige Ruthie verschwindet, als sich die Familie auf dem Gebiet Kanadas ansässige Familie wie jedes Jahr als Beerenpflücker auf nach Maine in den USA macht, bis in die Gegenwart, in der der ältere Bruder Ruthies Joe im Sterben liegt. Gleich im Prolog wird angedeutet, dass viele Jahrzehnte nach ihrem Verschwinden eventuell die, die mal Ruthie war, ihren Weg zurück zu ihrer Familie findet. Diese Lücke von mehreren Jahrzehnten schließt die Autorin in ihrem Roman über Familienbande, persönliche Tiefen und Verluste.

    Erzählt wird die Geschichte in Kapiteln, die immer im Wechsel zwischen „Joe“ und „Norma“ präsentiert werden. Schon beim Lesen des Klappentextes sollte jeder Person klar werden, dass es sich bei „Norma“ um keine andere als das vermisste Familienmitglied „Ruthie“ handelt. Aus Joes Sicht erfahren wir, wie die Familie das Verschwinden der kleinen Ruthie damals erlebt hat, wie sie jahrelang nach ihr suchten, vergeblich. Wie es weitere Verluste der ein oder anderen Art in der Familie zu verkraften gab. Dabei ist Joe definitiv kein Sympathieträger, was seine Geschichte allerdings umso eindringlicher macht. Ein Mensch, der an dem empfundenen Schuldgefühl, auf seine nur zwei Jahre jüngere Schwester damals nicht genug aufgepasst zu haben und damit an ihrem Verschwinden schuld zu sein, zerbricht und sich erst kurz vor seinem nahenden Tod wieder langsam zusammensetzt. Die Autorin findet dahingegen eine Stimme für Norma, die nichts von ihrem Ursprung wissen kann, die demnach zwar nicht vollkommen naiv durch ihr Leben wandelt, aber die merkwürdigen Ahnungen, die sie ihr Leben lang immer wieder erfüllen, nicht einordnen kann. Norma wächst bei einer wohlhabenden Familie in Maine auf, wodurch wir nicht nur Einblick in das Leben von indianischen Wanderarbeiterfamilien bekommen, sondern auch in dieses eher durchschnittliche „Mainstream“-Leben in den USA. Dass sich die beiden Erzählstränge unaufhörlich aufeinander zu bewegen, ist von Anfang an klar, macht das Buch aber dadurch keinesfalls minder spannend. Peters konzentriert sich auf die Entwicklung der Figuren und bietet durch die personal-wechselnde Erzählstimme einen authentischen Blick in die Leben der beiden Hauptfiguren. Aber auch die Nebenfiguren werden durch die Augen unserer beiden Protagonist:innen mit wenigen Strichen gezeichnet und werden dadurch greifbar.

    Amanda Peters hat mich mit ihrem angenehmen Schreibstil sofort in die Geschichte gezogen, der ich kaum aufhören wollte zu folgen. In diesem Buch ist der Weg das Ziel. Hier soll nicht das Ende überraschen, sondern Menschen die Möglichkeit gegeben werden, ihre Geschichte zu erzählen. Beziehungsweise zwei Geschichten, die sich nur dadurch unterscheiden, in welcher Familie, mit welcher angeblichen Abstammung man aufwächst und damit auch deutlich andere Chancen im leben bekommt.

    Die Psychologie hinter dem Verschwinden von Ruthie und wie sie in ihrer neuen Familie landet wird dabei nur angedeutet. Dies ist im Rahmen der beiden Erzählperspektiven, welche auf Joe und Norma beschränkt sind, nur logisch. Trotzdem hätte ich mir ihr ein klitzekleines Bisschen mehr psychologischen Einblick in eine bestimmte Nebenfigur, welche damit zu tun hat, gewünscht. Dies stellt allerdings nur einen persönlichen Kritikpunkt auf hohem Niveau dar, denn mit diesem Einblick wäre der Kern des Romans verschoben worden.

    Insgesamt bin ich also sehr begeistert von diesem Debütroman, der mich von Anfang bis Ende fesseln konnte. Nur den deutschen Titel finde ich nicht annähernd so passend wie den englischen Originaltitel, der da ist „The Berry Pickers“, denn dieser setzt die Mi‘kmaq-Familie, die sich als Wanderarbeiter verdingen muss, ins Zentrum. „Beeren pflücken“ klingt dahingegen nichtssagend und austauschbar.

    4,5/5 Sterne
    Cinema Love Jiaming Tang
    Cinema Love (Buch)
    12.04.2025

    Das chinesische Stonewall

    Vielen Menschen sollte der Stonewall-Aufstand im New York des Jahres 1969 ein Begriff sein. Ist daraus doch der Christopher Street Day entstanden. Ähnlich den Protesten von LGBT-Personen gegen eine polizeiliche Razzia aus homophoben Gründen in New York gibt es auch in Jiaming Tangs Debütroman einen Aufstand homosexueller Männer gegen staatliches Eingreifen gegenüber dem Mawai City Arbeiterkino in den 1980er Jahren, denn das Kino stellte für homosexuelle Männer einen save space da, um sich zu treffen und Kontakt aufzubauen. Diese Unruhen in der chinesischen Stadt mit Verletzten und Toten auf Seiten der Kinounterstützer bildet das Zentrum von Tangs Erzählung. Verschiedene Menschenschicksale wurden an diesem Tag in bestimmte Richtungen gelenkt und wir verfolgen mehreren Personen, die daraufhin das Land verlassen und in die USA, nach New York, auswandern. So umfasst der Roman einen Zeitraum von fast 40 Jahren, queeres Leben auf zwei verschiedenen Kontinenten und die Geschichten von einem halben Dutzend Personen, die sich alle untereinander beeinflussen.

    Jiaming Tang erzählt, wie ein Ort in China damals aussehen konnte, an dem bestimmte Männer überhaupt nur lieben konnten. Aber auch ein Ort des Betrugs. Nämlich des Betrugs an den Ehefrauen dieser Männer, die in der Regel nichts Genaues wussten, vielleicht ahnten, meist aber auch gar nicht so genau wissen wollten. So führte die Tabuisierung von Homosexualität zu Demütigungen auf allen Seiten. Tangs Buch spinnt die Geschichten dieser Menschen weiter und zeigt ihr Streben nach einem würdevollen Leben, in einem Land, welches Freiheit verspricht, dieses Versprechen jedoch nur selten einlösen kann. Denn die Einwanderer kommen in den verschiedenen Chinatowns an, welche Ende der 1980er, Anfang der 1990er immer noch Slums darstellen, in denen die Wohn- und Arbeitsbedingungen menschenunwürdig sind. Und letztlich erstreckt sich die Geschichte bis in die Zeit der Corona-Lockdowns und die Auswirkungen auf die ärmsten Bevölkerungsschichten. Dies ist ein sehr großer Rahmen, den Tang jedoch sehr gut einhält, nicht zu ausschweifend erzählt und durch Personenwechsel den Roman zu einem Pageturner macht. Wir springen mit dem allwissenden Erzähler von Person zu Person, von Zeit zu Zeit und von Ort zu Ort. Selten fällt es schwer, dem zu folgen, meist gelingt es dem Autor jedoch, einen mitzunehmen in die verschiedenen Szenarien.

    Der Erzählstil hat mir über weite Strecken sehr gut gefallen. Einen allwissenden Erzähler, der sich mit den Lesenden verbündet, liest man heutzutage nicht mehr oft. So fragt er uns zum Beispiel: „Siehst du sie? Die hinkende Frau mit den Einkaufstüten.“ oder „Vielleicht die Frau von der Kinokasse – von der wir wissen, dass es Bao Mei ist-, vielleicht hatte sie etwas gesagt, das sie nicht hatte sagen sollen.“ Nur in einem einzigen Kapitel wechselt der Autor die Erzählperspektive. Hier scheint die Figur (eine für das Geschehen tragisch-wichtige Figur) sowohl dem Erzähler als auch uns Lesenden direkt von sich aus die eigenen Empfindungen aus der Ich-Perspektive zu berichten. Das liest sich zunächst sehr merkwürdig an, ergibt aber aufgrund der tragischen Rolle der Person durchaus Sinn. Nur beginnt in diesem Kapitel erst der zweite Absatz mit einem Anführungszeichen, welches auch erst ganz am Ende des Kapitels wieder geschlossen wird. Meines Erachtens hätte dieses Anführungszeichen der direkten Rede gleich zu Beginn des Kapitels die Rede der Figur eröffnen müssen. Ein Fehler? Gewollt? Ich weiß es nicht. Aber auf jeden Fall zusätzlich verwirrend.

    Sprachlich erzählt Jiaming Tang mitreißend, mithilfe von punktgenau treffenden Sätzen die Geschichte seiner Figuren. Ich habe das Buch förmlich eingesogen. Allein bei dem ein oder anderen Wort, welches nicht so ganz zur erzählten Zeit oder dem deutschen Sprachgebrauch entsprechen, stockte ich kurz. Es handelt sich dabei entweder um sehr fachspezifische Wörter, die so nicht so richtig reinpassen („präkanzeröses Muttermal“) oder etwas zu neumodische Wörter („zumal sie hin und wieder dann doch ihre Bubble verlassen mussten“). Nun haben wir aber auch einen allwissenden Erzähler und dieser kann ja auch durchaus ganz moderne, (in der Übersetzung) eingedeutschte Wörter verwenden, wenn er will. Ich persönlich bin hier und da darüber gestolpert.

    Die Figuren - vor allem die weiblichen, bei den männlichen hätte es noch Potenzial gegeben - sind facettenreich angelegt und dadurch, wie uns der Erzähler in verschiedene Zeiten und zu den verschiedenen Figuren führt, erfahren wir nach und nach, wer welche Gedanken und Gefühle zu einer bestimmten Situation hat und letztlich auch welche Schuld auf wem lastet bezüglich der Geschehnisse bezüglich des Arbeiterkinos. Das ist geschickt gemacht. Gerade eben noch einen Verlagstext zum Buch lesend, würde ich Interessenten eher davon abraten dies zu tun, weil dort meines Erachtens schon zu viel verraten wird, was während der Lektüre noch einen Überraschungseffekt hatte.

    So muss ich sagen, dass ich diesen Einblick in eine ansonsten nur selten bis gar nicht beleuchteten Teil der Welt sehr lehrreich und interessant empfand. Es passiert so viel auf diesen wenigen Seiten, dass ich mich nach Beenden des Buches noch wunderte, wie dies alles auf nur knapp 300 Seiten stehen kann. Somit gibt es von mir eine klare Leseempfehlung für den Debütroman von Jiaming Tang, selbst in den USA aufgewachsen als Kind von chinesischen Einwanderern.

    4,5/5 Sterne
    Halbe Leben Susanne Gregor
    Halbe Leben (Buch)
    23.03.2025

    Gefährliche Dynamik

    Klara und Paulína ähneln sich zwar in den Merkmalen „Frau, Mutter, Alter“, könnten aber unterschiedlicher nicht sein, ebenso wie ihre Lebenswirklichkeiten. Während Klara eine erfolgreiche Architektin ist, die ihre Arbeit vor alles, auch ihre Familie, stellt, tut Paulína alles für ihre Kinder, sogar aus der Slowakei aufgrund von Geldnöten nach Österreich ins Ausland gehen, um dort fremde Menschen zu pflegen. Dieser fremde Mensch ist im Speziellen Klaras Mutter, die nach einem Schlaganfall Pflege benötigt. Klara, die zuvor aber noch mit der tatkräftigen Unterstützung der Mutter bei der Erziehung der eigenen Tochter gerechnet hat, hat keine Kapazitäten, um sich selbst um sie zu kümmern. Also wird über eine Agentur u.a. Paulína immer für zwei Wochen im Wechsel mit einem anderen ausländischen Pfleger ins Haus geholt, damit sie sich kümmern kann. Eigentlich um Klaras Mutter, aber die Familie überschreitet immer wieder Grenzen von Paulína bezüglich der von ihr geforderten Aufgaben und Paulína hat Schwierigkeiten, sich selbst abzugrenzen und Nein zu sagen. So entsteht eine gefährliche Dynamik innerhalb der Familie, die, wie wir schon auf den ersten Seiten erfahren, irgendwie dazu führt, dass am Ende Klara tot ist und Paulína lebt.

    Mithilfe von Rückblicken erfahren wir immer mehr darüber, wie Paulína ins Haus der Familie kam, welche echten und gefühlten Zwänge sie immer mehr dort einspannen und wie sie beginnt, sogar ihre minderjährigen Söhne, die sie in der Slowakei bei der Schwiegermutter lassen musste, zu vernachlässigen. Ein psychologisch sehr interessantes Konstrukt, welches sich nicht von jetzt auf gleich aber nach und nach immer mehr verschärft.

    Während der Roman solide im Sprachstil ist, so ist der Erzählstil bezüglich der Perspektivwechsel zu wechselhaft und mitunter anstrengend bis nervig. Die Autorin wechselt immer wieder, mitunter nach nur wenigen Sätzen die personale Perspektive von einer Figur zur nächsten. Selbst für kürzeste Momente springen wir in die Haut einer neuen Figur, auch kleinere Nebenfiguren. Mitunter war mir literarisch nicht klar, warum man nun auch noch diese oder jene Sicht auf ein Ereignis lesen muss.

    Sehr gut hingegen stellt die Autorin heraus, wie hoch die Kosten für (meist) Frauen sind, die ihr Heimatland verlassen, ihre Familie zurücklassen, um ein bisschen mehr Geld in die Haushaltskasse zu bringen, indem sie im Ausland arbeiten. An ganz eindrücklichen Beispielen sehen wir, was alles durch diese Zwänge kaputtgeht.

    Wir wissen von Anfang an, dass diese Geschichte nicht gut ausgehen wird. Und ich habe bis zuletzt gehofft, dass das Ende mir mehr Aufschluss darüber geben wird, wie es dazu kommen konnte. Allerdings lässt die Autorin einen hier gefühlt am ausgestreckten Arm verhungern. Hier hätte ich mir, neben einem ruhigeren perspektivischen Erzählen, mehr Einblicke gewünscht. Letztlich bleiben mir die Figuren psychologisch zu schwammig.

    So kann ich zwar den Roman aufgrund der inhaltlichen Beschäftigung mit den Pflegekräften, die in reicheren Ländern die Care-Arbeit, die Angehörige nicht übernehmen können oder wollen, leisten und die fatalen Kosten für deren eigene Familie empfehlen, literarisch konnte er mich allerdings nicht überzeugen.

    2,5/5 Sterne
    Schweben Amira Ben Saoud
    Schweben (Buch)
    23.03.2025

    Rätselhaft-dystopisches Szenario

    Amira Ben Saouds Debütroman skizziert eine Zeit in der Zukunft, in der es nur noch vereinzelte menschliche Enklaven gibt, die untereinander nur durch Warenaustausch Kontakt hegen. Den Menschen in den Siedlungen wird gesagt, sie würden sterben, falls sie die Siedlung verlassen sollten. Ein Ausstoß ist also die Höchststrafe für die Bewohner und Eindringlinge aus anderen Siedlungen werden direkt an der Grenze erschossen. In dieser Welt, in der „das System“ solch einengende Gewalt an seinen Bürgern ausübt, soll es keine Gewalt mehr geben, denn sie ist verboten. Aber irgendetwas rumort hier. Jugendliche verprügeln sich gegenseitig, es gibt Tote und es gibt Menschen, die die Siedlung angeblich verlassen, trotz der drohenden Gefahren im Außen. Eine davon ist Emma gewesen und deren Ehemann Gil versucht nun durch ein sogenanntes „Begegnung“-Erlebnis mit der Hauptfigur, die ihren eigenen Namen nicht mehr kennt, weil sie schon zu lange beruflich in die Rollen fremder Menschen schlüpft, die Beziehung nachzustellen, um besser über den Verlust Emmas hinwegzukommen. Emma sei verrückt gewesen und umso länger sich unsere Hauptfigur in der Rolle Emmas befindet, umso verrückter wirkt sie selbst. Die Realität scheint aus den Fugen zu geraten.

    Die Autorin bindet in ihren Roman interessante Ideen zu einem zukünftigen Gesellschaftsentwurf ein, die nie ganz ausgearbeitet werden und häufig nur angedeutet bleiben. Das System dahinter bleibt vage, lässt aber eindeutig vermuten, dass es sich hier um eine dystopische Zukunft handelt. Alles läuft immer mehr aus der Bahn, nicht nur die Gedanken und das Handeln der Hauptfigur. Diese ist ebenso rätselhaft wie das Szenario angelegt. Da sie neben ihrem eigenen Namen auch ihre eigene Persönlichkeit unter den vielen angenommenen vergraben zu haben scheint, ist sie und ihre Motive auch sehr schwer greifbar, ebenso wie wichtige Nebenfiguren. Das erschwert nicht das Lektüreerlebnis, denn der Roman lässt sich sehr angenehm lesen. Aber es erschwert das Dahintersteigen, hinter die Figuren, das System, die Handlung. Unbeantwortete Fragen und offene Erzählstränge muss man gut tolerieren können, genauso wie surreale Ereignisse.

    Das ergibt insgesamt einen durchaus interessanten Genremix, der literarisch ansprechend geschrieben ist und anregende Gedankenexperimente andeutet. Das Buch reißt auch Themen wie Identitätsprägungen und toxische Beziehungen an, ohne die Verhaltensweisen und Beweggründe der agierenden Personen genauer auszuleuchten. So werden mir etwas zu viele Themen und Ideen angesprochen. Eine Konzentration auf weniger, dann aber detaillierter, hätte mir etwas besser gefallen. Das Buch habe ich durchgängig gern gelesen, bleibe jedoch nach der Lektüre zu stark orientierungslos schwebend zurück.

    Für alle, denen das lobende Zitat von Clemens J. Setz im Klappentext aufgefallen ist: Ja, die Leser:innen seiner Bücher finden „Schweben“ ob des Stils sicherlich auch sehr ansprechend. Mit 187 Seiten wäre das bei Setz allerdings „nur“ eine Novelle. ;)

    3,5/5 Sterne
    Die Summe unserer Teile Paola Lopez
    Die Summe unserer Teile (Buch)
    16.03.2025

    Unsympathische Hauptfigur, aber interessante Vorfahrinnen

    In ihrem Debütroman „Die Summe unserer Teile“ entwirft die Mathematikerin Paola Lopez eine interessante Familiendynamik zwischen den Frauen einer polnisch-libanesisch-deutschen Familie. Da ist die 23jährige Informatik-Studentin Lucy, die vor drei Jahren von München nach Berlin zog und damit den Kontakt zu ihrer Mutter Daria abbrach. Daria ist 1976 aus dem Libanon nach München gekommen, um dort Medizin zu studieren, aber auch sie brach den Kontakt zu ihrer Mutter Lyudmila früh ab, als sie in Deutschland ihren eigenen Weg mit ihrer neu gegründeten Familie gehen wollte. Und damit kommen wir in der Großelterngeneration von Lucy an. Ihre Großmutter Lyudmila floh im Laufe des Zweiten Weltkrieges aus Polen in den Libanon, nach Beirut, damals das Paris des Ostens, um dort Chemie zu studieren und ihren zukünftigen Ehemann, Professor Haddad kennenzulernen.

    Den drei Frauen folgen wir in ganz unterschiedlichen Zeiten, die von 1944 bis 2014 reichen. Durch die Zeit- und Ortssprünge, die zu Beginn eines jeden Kapitels angekündigt werden, lernen wir nicht nur die einzelnen Lebensgeschichten der Frauen dieser Familie kennen, wir verstehen auch immer besser, wie es zu der angespannten Dynamik zwischen ihnen hat kommen können. Prägende Lebensereignisse bis hin zu Traumata verknüpft die Autorin geschickt miteinander, sodass man zum Ende des Buches hin das Puzzle der Familie immer besser zusammensetzen kann.

    Sprachlich macht dies die Autorin sehr solide, allerdings begeht sie meines Erachtens einen Fehler bei den Lucy-Kapiteln. Alle Kapitel sind in personaler Erzählstimme verfasst und folgen dann jeweils entweder Lucy, Daria oder Lyudmila. Man merkt den verschiedenen Kapiteln durchaus unterschiedliche Töne an, die sich an den Stil der jeweiligen Person anpassen. Lucy, die wir gleich zu Beginn mit ihrem Konflikt in 2014 kennenlernen und die uns bis zum Schluss begleitet, wird dadurch automatisch zur Hauptperson des Romans. Ihre Handlung in 2014 erstreckt sich lediglich über wenige Wochen hinweg vom mysteriösen Erhalt eines Steinway-Konzertflügels in ihrer Berliner WG bis in die dadurch angestoßene Reise an die polnische Ostsee, um den Spuren ihrer Großmutter zu folgen. Ist die Erzählstimme zu den Lucy-Kapiteln in Berlin noch von Informatikbegriffen und -idiomen durchsetzt, was durchaus zu einer entsprechenden Studentin dieses Fachs passen kann, aber hier vielleicht einen Tacken zu viel von der Autorin genutzt wird. So verändert sich die Erzählstimme innerhalb von wenigen Tagen in Polen zu einer, der diese IT-Formulierungen vollkommen fehlen. Also nicht nur weniger werden, sondern einfach von jetzt auf gleich vollständig aus dem Romantext verschwinden. Gerade weil die Autorin in den ersten Lucy-Kapiteln so massiv um sich wirft mit den Begrifflichkeiten, erscheint es wenig authentisch, dass diese sich plötzlich komplett auflösen. Wie schon Lucys Großmutter feststellte: Es Stoff geht niemals verloren, er wandelt sich nur in andere Aggregatzustände oder verbindet sich zu neuen Stoffen. Vielleicht ist die Informatikerinnen-Persönlichkeit von Lucy ja von einen auf den anderen Tag verpufft. Ich weiß es nicht. Gefühlt gibt es auch das ein oder andere Plothole und der Zusammenhang zwischen Cover und der erzählten Geschichte des Romans wird mir nicht klar.

    Ein weiteres Problem habe ich noch mit Lucy. Diese ist meines Erachtens unglaublich unsympathisch, aber nicht auf eine gewollte Art und Weise. Sie ist mit Anfang 20 äußerst neurotisch und selbstzentriert. Angeblich soll sie als Kind ganz handzahm und ausgeglichen gewesen sein, so der Eindruck ihrer Mutter. Als Erwachsene ist sie dies jedenfalls nicht mehr, was man durchaus als harten, rebellischen Akt gegen ihre Mutter interpretieren könnte. Aber in der Regel ändert sich ein Mensch nicht so grundlegend, sondern nur in der Ausprägungsstärke eines Charakterzugs. Die junge Lucy hätte mich wahrscheinlich nicht so massiv genervt wie die erwachsene. Für mich sind einige ihrer Entscheidungen nicht nachvollziehbar abgebildet im Roman, was die Figur an sich für mich zur am schwächsten Entworfenen unter den drei Frauenfiguren macht.

    Insgesamt ein durchaus interessanter Roman, der einmal ganz neue Blickwinkel, Zeiten und Regionen einbaut. Ich habe das Buch nicht ungern gelesen und es liest sich schön fluffig weg.

    3/5 Sterne
    Der Einfluss der Fasane Antje Rávik Strubel
    Der Einfluss der Fasane (Buch)
    14.03.2025

    Unter dem Einfluss der Sprache

    Der vorliegende Roman der Gewinnerin des Deutschen Buchpreises von 2021 ist der erste, den ich von der Autorin gelesen habe. Und gleich zu Beginn und auch durch das gesamte Buch hinweg wird klar, dass ihr sprachlich kaum jemand etwas vormachen kann. Inhaltlich geht es um eine Kulturressortleiterin einer großen Hauptstadtzeitung, die mit einem Skandalartikel einen wichtigen Intendanten gerechtfertigterweise aber ziemlich reißerisch des Machtmissbrauchs beschuldigte. Nun ist dieser Intendant tot. Durch Suizid. Und die Frage steht im Raum, ob der durch den Artikel losgetretene Shitstorm Ursache und damit die Journalistin Mitschuld am Tod des Intendanten hat.

    Wir begleiten Hella Renata Karl von dem Moment an, in dem sie Nachricht vom Suizid des Intendanten Hochwerth erhält und folgen nun ihrem Weg durch den Shitstorm, der nun sie selbst überfällt, welche Folgen dieser für ihr berufliches wie auch privates Leben hat. Dabei betrachtet Strubel mit scharfem Blick die Kulturszene inklusive den berichtenden Medien und ihre Machtstrukturen und verarbeitet mit spitzer Feder diese ihr sicherlich selbst nicht unbekannten Gemengelagen in einen hoch interessanten Roman. Immer weiter werden wir in Hella Renata Karls Leben und Denken hineingezogen und fragen uns selbst manchmal, was hier eigentlich noch der Wahrheit entspricht und was nicht.

    Die Sprache stellt für mich an diesem Roman das Herausragendste dar. Allein schon die Namenswahl der beiden Hauptfiguren ist mit Bedacht konstruiert. Da ist Hella („Sonnenschein“) Renata („wieder geboren“) Karl („freier Mann“/ erinnernd an Karl der Große, also auch „Hella die Große“?), welche aus ärmlichen, zerrütteten Verhältnissen stammt und gleich beim ersten Aufeinandertreffen vor sieben Jahren Hochwerth (spricht für sich mit deinem „hohen Wert“) als einen mit ähnlicher Vorgeschichte erkennt. Über Jahre entsteht zwischen ihnen eine Verbindung, die quasi in einem Machtkampf um Machtmissbrauch endet. Wer hat hier eigentlich über wen die Macht? Und wer hat den größeren Einfluss?

    Über fast den gesamten Text hinweg konnte mich Strubel mit ihrer Sprache und dem Erzählstil fesseln und mitnehmen in dieses ganz eigene Milieu der Kultur in der Hauptstadt. Nur zum Ende hin hatte ich das Gefühl, dass die Handlung mir zu sehr wegdriftet und mich dadurch immer ein kleines bisschen mehr verloren hat.

    Trotzdem ist „Der Einfluss der Fasane“ definitiv ein Roman, der die Autorin auf meinen Plan gebracht hat und dafür sorgen wird, dass ich noch weitere, ältere von ihr lesen werde. Ich stehe auf jeden Fall unter dem Einfluss von Antje Ràvik Strubels Sprachtalent. ;)

    4/5 Sterne
    Dunkle Momente Elisa Hoven
    Dunkle Momente (Buch)
    26.02.2025

    Wenig Literatur, dafür umso mehr moralische Denkanstöße

    Die als „Roman“ bezeichnete Veröffentlichung der Professorin für Strafrecht sowie sowie Richterin Elisa Hoven ist vielmehr eine Sammlung an neun literarisch aufgearbeiteten, juristischen Fallvignetten, die lose durch die Bedenken einer Strafverteidigerin an ihrer eigenen Arbeit zusammengehalten werden. Eva Herbergen teilt uns direkt zu Beginn des Buches mit, dass sie ihre Anwaltszulassung als Strafverteidigerin in Berlin zurückgeben wird. Wie es zu dieser Entscheidung, welche sich bereits 20 Jahre zuvor als Zweifel in ihr Leben schlich, erfahren wir nach und nach, indem wir verschiedene Fälle aus ihrem beruflichen Leben und wie diese ihre moralischen Stützpfeiler ins Wanken brachten geschildert bekommen. Dabei sei für Betroffene gesagt: Es wird auch ein Fall einer heftigen Gruppenvergewaltigung beschrieben.

    Fast wie Kurzgeschichten wirken die einzelnen Fälle der Eva Herbergen im Buch präsentiert. Immer mit einer prägnanten Überschrift, der zeitlichen Einordnung und einer innerhalb der Fälle klare Einteilung mit Teilüberschriften. Jeder Fall wirkt auf den ersten Blick rechtlich wie moralisch erst einmal auf den ersten Seiten recht eindeutig. Erst mit dem Blick von verschiedenen Seiten und im Verlauf erkennen die Leser:innen wie auch die Strafverteidigerin selbst, dass ein Sachverhalt nie so einfach ist, wie er erst einmal scheint. Selbst wenn sich juristische Klarheit schaffen lässt, bleiben bei jeder Geschichte starke moralische Zweifel zurück. Ein jeder Fall stellt ein moralisches Dilemma dar. Es wird immer klarer, dass „Recht“ nicht dasselbe wie „Gerechtigkeit“ sein muss. Dass der Rechtsstaat, der mehr als eine Berechtigung hat und wir froh sein sollten, dass es ihn in Deutschland gibt, jedoch nicht immer jeder betroffenen Person Gerechtigkeit verschaffen kann. Und so wie Eva Herbergen immer mehr Schwierigkeiten hat zu erkennen, was richtig und was falsch ist, so ergeht es auch den Leser:innen dieses Buches. Man ist hin und her gerissen zwischen den handelnden Personen, fragt sich zunehmend, wer ist eigentlich „Täter“ und wer „Opfer“ und wie eindeutig kann diese Zuschreibung überhaupt sein. Gerade der menschliche Faktor im Rechtssystem wird von Elisa Hoven besonders herausgestellt, was von Natur aus schon eine Einordnung in ein stringentes System von Paragraphen erschwert bis unmöglich macht.

    Während diese vielen moralischen Dilemmata für mich das Kernstück des Buches darstellen und ich jedes für sich genommen unglaublich interessant fand, muss ich konstatieren, dass das Buch literarisch eher wenig zu bieten hat. Der Roman ist sehr konventionell bis sprachlich simpel geschrieben. Die starke Strukturierung scheint der Annäherung an Fallvignetten geschuldet zu sein, hat für mich das Buch allerdings auch in ein starres Korsett geschnürt. Vom Spannungsbogen her stellt für mich der siebte Fall, die Vergewaltigung, die Klimax dar. Die zwei Fälle, die danach geschildert werden, sind zwar für die Entscheidung der Protagonistin ihre Zulassung zurückzugeben besonders wichtig, verblassten allerdings für mich nach dem heftigen siebten Fall. Fast nebensächlich wirkten sie im Vergleich. Aber das kann an meiner eigenen moralischen Einschätzung liegen.

    Und genau das ist die Stärke des Buches: Das ständige Hinterfragen eigener moralischer Prinzipien. Die Frage: Wie hätte ich agiert, geurteilt, verteidigt? Deshalb entscheide ich mich auch ganz knapp für ein Aufrunden auf 4 Sterne. Literarisch ist das Buch für mich solide, aber nicht mehr als 3 Sterne in der eigenen Bewertung, inhaltlich allerdings greift es viele Ambiguitäten auf, was mir sehr gut gefallen hat und mich das Buch atemlos hat lesen lassen.

    3,5/5 Sterne
    1 bis 25 von 111 Rezensionen
    1
    2 3 4 5
    Newsletter abonnieren
    FAQ- und Hilfethemen
    • Über jpc

    • Das Unternehmen
    • Unser Blog
    • Großhandel und Partnerprogramm
    MasterCard VISA Amex PayPal
    DHL
    • AGB
    • Versandkosten
    • Datenschutzhinweise
    • Barrierefreiheitserklärung
    • Impressum
    • Kontakt
    • Hinweise zur Batterierücknahme
    * Alle Preise inkl. MwSt., ggf. zzgl. Versandkosten
    ** Alle durchgestrichenen Preise (z. B. EUR 12,99) beziehen sich auf die bislang in diesem Shop angegebenen Preise oder – wenn angegeben – auf einen limitierten Sonderpreis.
    © jpc-Schallplatten-Versandhandelsgesellschaft mbH
    • jpc.de – Leidenschaft für Musik
    • Startseite
    • Feed
    • Pop/Rock
    • Jazz
    • Klassik
    • Vinyl
    • Filme
    • Bücher
    • Noten
    • %SALE%
    • Weitere Bereiche
      • Themenshops
      • Vom Künstler signiert
      • Zeitschriften
      • Zubehör und Technik
      • Geschenkgutscheine
    • Anmelden
    • Konto anlegen
    • Datenschutzhinweise
    • Impressum
    • Kontakt