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    2. Alle Rezensionen von JAW-Records bei jpc.de

    JAW-Records Top 50 Rezensent

    Aktiv seit: 08. März 2011
    "Hilfreich"-Bewertungen: 3403
    271 Rezensionen
    Symphonie Nr.8 Symphonie Nr.8 (CD)
    18.06.2015
    Booklet:
    3 von 5
    Gesamteindruck:
    3 von 5
    Klang:
    4 von 5
    Künstlerische Qualität:
    3 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    leider etwas blass . . .

    SCHALLERS BESONDERHEITEN BEI BRUCKNER-AUFNAHMEN

    Das herausragende Verdienst Gerd Schallers ist, dass er wenig oder noch nie gespielte Fassungen (fast immer von Carragan) eingespielt hat:

    1te (1866, ohne spätere Nachbesserungen wie sonst meist verwendet)
    2te (1972, mit von Carragan geöffnete Strichen)
    3te (1874, eine Fassung, die es so eigentlich gar nicht gibt)
    4te (1888, eine der zwei Einspielungen - nämlich die als Einzel-CD veröffentlichte - ist mit dem "Volksfest-Finale")
    8te (1887-Fassung, mit Änderungen von 1888)
    9te (mit Finale, erstellt von Carragan)
    5te, 6te und 7te verwenden die üblichen Ausgaben.

    DIE ACHTE IN DER FASSUNG VON 1888 - EINE WELTPREMIERE

    Bei der hier vorliegenden Achten ist die Grundlage die Erstfassung von 1887 mit ein paar Änderungen, die Bruckner 1888 vorgenommen hat. Manches davon fällt dem, der die 1887-Fassung gut kennt auf - es ist aber eher wenig bzw. nicht gravierend.
    Natürlich ist es höchst lobenswert und auch interessant, hier hören zu können, was Bruckner an Änderungen von Kleinigkeiten vollzog und wie er diese durchführte. Aber einen ersten Ansatz zur Entscheidung einer Neufassung - dem später durchgeführten echten Konzeptwandel - hat der Komponist hier noch nicht vollzogen.

    INTERPRETATION

    Die Interpretation bewegt sich in moderatem bis eher langsamen Tempi. Die Artikulation ist gut verständlich und Farbigkeit groß.

    Das Orchester ist (international gesehen) sehr gut, aber nicht wirklich herausragend. Die Intonation zeigt keine "Auffälligkeiten", die Grenzbereiche des Instrumentalen sind im tiefen Blech sehr gut gelungen, in der Höhe gibts kleinere Probleme. Das fällt aber nicht störend auf.

    Das Herz einer jeden Einspielung ist für mich --- eben das Herz der Einspielung!
    Und deshalb gibt es von mir persönlich für diese Aufnahme nur drei Sterne. Mir ist da zu wenig Gestaltendes, "Geschichte" des Werks oder Vision. Die Achte hat nicht umsonst den (zutreffenden, aber nicht von Bruckner stammenden) Beinamen "Apokalyptische".

    Dazu ein paar Sätze aus meiner Rezension der Aufnahme der Erstfassung mit Fedoseyev:
    "Bruckner ist hier ein „katholischer Luther“ auf der Kanzel, der die Welt entstehen lässt und dem Hörer die Schrecken (seine eigenen und allgemeine) so drastisch vor Augen führt, dass dieser sich - obwohl in der Kirche bzw. Konzertsaal - schon in der Hölle, dem Fegefeuer oder dem Himmel wähnt. Hier scheint nirgends mild verklärtes Licht, behäbige Gewohnheit, dafür gibt es Sehnen, Schmerz, Schockwellen, Gewalt, Stärke, himmelsstürmende Freude, Visionen …"

    DAVON ist in dieser Einspielung mit Schaller leider nichts zu spüren. Kraft, Konstanz, Lyrik, Übersicht, Struktur - ja ... aber nichts Exaltiertes oder Extremen oder ein an die Grenzen gehen, was Die Achte erst zur ACHTEN macht!

    Die Aufnahmetechnik ist für eine Einspielung in einem Kirchenraum (Abteikirche Ebrach, Juli 2012) ausgezeichnet.

    EDITORISCHES

    Ein Schwachpunkt aller Bruckner-CDs mit Schaller bei Hänssler sind die ungenauen, lückenhaften oder "Osterei"-Angaben (fröhliches Suchen im Text!) über die Fassungen, Entstehung und Besonderheiten. Gerade bei solch einem Projekt, dass hier den Schwerpunkt setzt, ist das völlig unverständlich. Man sollte - wie es ja sogar bei diesbezüglich weniger ambitionierten Aufnahmen der Fall ist - alle wichtigen Details übersichtlich auf der Rückseite oder in der Aufstellung des Texthefts sehen können.
    Ansonsten ist die Ausgabe voirbildlich.

    Ach ja - nicht zu vergessen:

    KITZLER - DEM ANDENKEN ANTON BRUCKNERS

    Ein schöner romantischer fast vierzehnminütiger Trauermarsch. Im A-Teil mit einer deutlichen stimmungsmäßigen Anleihe bei der "Götterdämmerung", im Mittelteil gibt es eine Ähnlichkeit zum "Gretchen"-Satz aus Liszts "Faust-Sinfonie". Direkt mit Bruckners Musik habe ich keine Parallelen entdecken können.
    Die Interpretation ist äußerst stimmig und adelt das Stück zusätzlich. Sehr gutes orchesterspiel, ein paar wunderbare Linien der Solo-Trompete.

    FAZIT

    Wenn man nicht gerade so verrückt ist wie ich und hörend "in Bruckners Kopf und Herz" sehen möchte bzw. seine Beweggründe für Änderungen erspüren bzw. die Schritte erkennen möchte, dann ist diese CD nicht zwingend nötig. Wer die Erstfassung der Achten in einer ausgezeichneten Einspielung hören möchte, der halte sich unbedingt an Fedoseyev (feurig visionär) oder Nagano (mystisch langsam).

    - - - - -

    Über ein Feedback (Bewertung JA oder NEIN, Kommentar - wie und welcher Art entscheiden natürlich SIE!) zu meinen Bemühungen des Rezensierens würde ich mich freuen! Lesen Sie gern auch andere meiner weit über 200 Klassik-Besprechungen mit Schwerpunkt "romantische Orchestermusik" (viel Bruckner und Mahler), "wenig bekannte nationale Komponisten" (z.B. aus Skandinavien), "historische Aufnahmen" und immer wieder Interpretationsvergleiche und für den Kenner bzw. Interessierten meist Anmerkungen zum Remastering!
    Symphonie in E (1825) Symphonie in E (1825) (CD)
    16.06.2015
    Booklet:
    5 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    3 von 5
    Künstlerische Qualität:
    4 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    konkurrenzlos

    Hier ist die einzige Einspielung der Weingartner-Fertigstellung der Sinfonie E-Dur D 729 (Rögner / RSO Berlin) auf CD (als Download gibts noch die alte Aufnahme mit Litschauer), ansonsten wird heute die Newbould-Fertigstellung eingespielt (Marriner).
    Eine gute (solide ist zu wenig gesagt) Einspielung in deutscher Spieltradition. Der Vergleich mit der "modeneren" Rekonstruktion (eigentlich ein unpassendes Wort, das die Sinfonie ja nicht WIEDER-herzustellen war) ist hochinteressant. Ich wollte Weingartner nicht missen, da es hier ein paar ganz großartige stimmungsvolle Momente gibt. Man merkt, dass der Dirigent einfach auch ein guter Komponist war!

    Ganz großartig ist die zweite Platte mit Peter Gülke als Dirigent. Die wichtigen und großen Fragmente in "Einrichtungen" (ein gutes und bescheidenes Wort, passend zu dem leider unterschätzten sympathischen Dirigenten) Peter Gülkes.

    Besonders spannend ist natürlich das große ganz späte dreisätzige Sinfonie Torso D 936A, das mancher wohl eher in der Verarbeitung von Berio in der Komposition "Rendering" kennt. Gülkes ansatz ist eine wichtige Alternative zur Bearbeitung von Newbould.

    Aber auch die vier Sätze D 708a und der eine Satz D 615 sind voll Inspiration.

    Gute späte analoge DDR-Aufnahmen - eine sehr erfreuliche Platte - in dieser Spielweise und den Bearbeitungen ohne Konkurrenz!
    Messe Nr.3 f-moll Messe Nr.3 f-moll (CD)
    16.06.2015
    Booklet:
    3 von 5
    Gesamteindruck:
    3 von 5
    Klang:
    3 von 5
    Künstlerische Qualität:
    3 von 5
    Repertoirewert:
    3 von 5

    Wunderbares, Wechselbäder und Willkür

    Folgendes schreibe ich für denjenigen, die sich gerne von begeisterten Worten leiten lassen und dennoch vielleicht auch „Gegenstimmen“ für seine Kaufentscheidung hören möchte:

    Meine klare persönliche Aussage: Celibidaches Mitschnitte (über das Drumherum ist hie ja genug geschrieben) der f-moll Messe (der eine von EMI und der andere von EXCLUSIVE veröffentlicht) zähle ich nicht zu den wirklich ganz großen Interpretationen des äußerst komplexen letzten Messe Bruckners. Da ich das aber nicht nur als "Meinung aus dem Bauch" verstanden wissen will, möchte ich ein paar Gedanken zu dieser Einschätzung ausführen.

    INTONATION, INTERAKTION, FLUSS, VERHÄLTNISMÄSSIGKEIT, DER GROSSE BOGEN

    Der Chor intoniert mir im Sopran teilweise einfach zu tief - das tut hie und da schon richtig weh. Zudem gibt es für mich bei Celi zu wenig „Interaktion“ zwischen Dirigent, Orchester und besonders dem Chor: Der eigenwillige Dirigent möchte mit Chor und Orchester etwas ganz bestimmtes in seiner Vorstellung erzwingen, ohne darauf zu achten, was im Moment des Geschehens zurückkommt. Das ist bei Celi ein generelles Problem. Natürlich entstehen daraus manchmal magische Momente (z.B. das „et resurrexit“, Momente im Benedictus z.B. in den Hörnern, die Stringenz und der Klang mancher Streicherfiguren) und auch hie und da wirklich Erkenntnisse, aber insgesamt finde ich das anhand der langen Durststrecken einfach zu wenig. Manches (wie z.B. das „cujus regni non erit finis“) ist mir beim Blick in die Noten auch einfach zu willkürlich und selbstherrlich. Der Dirigent als Komponist: gerne – aber doch bitte nur mit EIGENEN Werken …

    Die "schönen Stellen" überzeugen insgesamt deshalb nicht und fügen sich nicht in das Ganze ein, weil sie als Stellen oder Abschnitte gedacht sind und auch nur so funktionieren können. Wenn der Abschnitt, die Stimmung, die gewollte(!) Aussage vorbei ist, dann gibt es einen Sinnbruch (äußerlich oft durch Tempo oder "Durchhänger" gekennzeichnet) zum Nachfolgenden und dem ganzen Satz / Werk.

    Nochmals zum Thema Intonation und dem Verhältnis von Körperspannung zu musikalischem Fluss und Bogen (also auch die Spannung bis zum letzten Ton): Das funktioniert noch eher bei reinen Orchesterstücken, da der Instrumentalist die Physik des Instruments zur Hilfe hat, aber die menschliche Chorstimme macht das nicht mit. Das mag mit ein Grund sein, weshalb es hier so viele angestrengt klingende Stellen und Intonationsprobleme gibt. Die Chöre „singen sich fest“ … Natürlich sind hier Profis am Werk, somit betrifft es nur einige Stellen, da aber sehr schmerzlich ...

    Ich persönlich finde zu seiner Art von Spiritualität in dieser durch und durch katholischen Messe keine Zugang: da ist mir zu wenig (schmerzliche) Innigkeit und heiterer Jubel: Gebeugtes Haupt, Niedergedrücktheit, Flehen, Gewalt vom Himmel schon, aber das ist doch nicht alles in dem Werk. Immer sind es "viele" - und nie fühle ich mich in meinem persönlichen Glauben und meiner ganz eigenen Spiritualität "gemeint", angesprochen und berührt. Alles erscheint mir wie unter einer trüben Glocke, die „gewaltig“ bremst. Das ist mir zu un-menschlich. Es entstehen auch Affekte um ihrer selbst Willen wie in einer Opernaufführung (wo sowas allerdings auch nicht passt!). Aber DAS ist wohl alles eine Empfindungs- oder Geschmacksache…

    WERK-IMMANENZ

    Celibidaches f-moll Messe ist äußerst breit angelegt, manchmal mit sehr willkürlichen Temporückungen, insgesamt jedoch sehr statisch anmutend. Alles erscheint sehr blockhaft und gemeißelt. Dazu sollte man aber das Entstehungsjahr bedenken: 1866 wurde die Erste Sinfonie (das „kecke Beserl“ – nomen est omen: bedeutet "ein junger frecher Bursch / Mädel") vollendet und auch der Übergang zur zweiten Sinfonie hat noch nichts mit dem teilweise Gewaltigen, Blockhaften der Dritten zu tun. Der frühere Stil Bruckners ist flexibel und „klassischer“ ausgerichtet. Die frühen Werke als spätere (ab 1873 oder noch später) „aufzublähen“, lässt sie unverhältnismäßig erscheinen und schmälert bzw. verdeckt das Wesentliche und Feine der großartigen Kompositionen. Sie haben das ganz und gar nicht nötig.

    Keine Frage: manche Stellen gelingen bezwingend und haben einen ganz eigenen Zauber, aber genau das GANZE, der große Bogen wird in Celibidaches Einspielung (und ebenso dem Live-Mitschnitt) nicht erreicht.

    MEINE EMPFEHLUNGEN

    Wer es wirklich spirituell tief empfunden UND menschlich berührend mag, der ist bei Jochum und Davis gut aufgehoben. Natürlich ist auch bei den beiden nicht alles perfekt oder absolut stimmig (z.B. ein paar Temporückungen bei Davis), denn das Werk ist einfach eine große Herausforderung.
    Wer es gut proportioniert und möglichst „perfekt“ in der Durchsichtigkeit und Umsetzung haben möchte, der greife zu Best oder evtl. auch Herrweghe. Und wer es innig UND schlank zügig haben möchte und sich an sympathischen Schwächen des Ensembles nicht stört, der ist mit der alten Forster Einspielung gut bedient. Aber DER ist wohl am allerweitesten Weg von den Visionen Celibidaches ...

    Mal sehen, wie viele NEIN ich mir mit der „Celi-Kritik“ einfange ... : - )
    2 Kommentare
    Anonym
    18.06.2015
    ....meine volle Zustimmung.
    Allerdings handelt es sich beim dem Philharmonischen Chor München um einen ambitionierten Laienchor. Es mag durchaus sein, das zu diesem Konzert ein paar Profis eingekauft worden sind, jedoch denke ich wenn z.B. der Chor des BR eingesetzt worden wäre, wären solche Intonationstrübungen, egal bei welchem Tempo nicht vorgekommen.
    Anonym
    23.06.2015

    JAW-Records

    Danke für die wichtige ergänzende Information zum Chor. Ich hätte das auch recherchieren können und sollen ...

    Ich hoffe, dass in meiner Besprechung herauskommt, dass ich es ja nicht als Manko des CHORES ansehe, sondern einer wolh bewussten "Unflexibilität" des Dirigenten. Für mich entsteht Musik im Konzert (und auch auf Platte) nicht aus Ideen oder gar "Einstellungen" (um nicht andere Worte zu verwenden), sondern aus einem LEBENDIGEN MITEINANDER, welches - so glaube ich zumindest hier zu spüren - stellenweise einfach nicht möglich war.
    Italienisches Konzert BWV 971 Italienisches Konzert BWV 971 (CD)
    16.06.2015
    Booklet:
    1 von 5
    Gesamteindruck:
    1 von 5
    Klang:
    3 von 5
    Künstlerische Qualität:
    5 von 5
    Repertoirewert:
    3 von 5

    ACHTUNG LANDOWSKA-FANS: Diese CD enthält nur die bekannten Aufnahmen von 1936 und 1945 - die Aufnahme-Daten 1953 sind falsch

    Nur ganz kurz:
    Die CD-Transfers der FABULA CLASSICA CD mit drei Bach-Aufnahmen mit Wanda Landowska sind OK, aber die Aufnahmedaten der Partita Nr.1 und des Italienischen Konzerts sind falsch angegeben! Dort steht 1953 und mancher Landowska-Fan erhofft sich (wie es mir ging) davon nun neuentdeckte Konzertaufzeichnungen o.ä. ... Das Italienische Konzerts und die Partita Nr.1 von Bach sind aber die wohlbekannten Aufnahmen von 1936 (EMI)! Es hat jemand mit den Jahreszahlen nicht achtgegeben ... Die Goldbergvariationen sind mit 1945 (RCA) richtig beschriftet.
    Für den, der diese Einspielungen schon hat, gibt es keinen Grund diese CD hier zu kaufen - auch nicht wegen der Austattung oder besonders gelungener Transfers ...

    Als Tipp: Die frühen europäischen Vor-RCA-Aufnahmen gibt es ist einer sehr empfehlenswerten UNITED ARCHIVES CD-Box (8 CDs) (ASIN: B005HO1W5Q) in einer sehr ordentlichen Überspielung, die summa summarum besser im Klang ist als die unvollständige EMI-Ausgabe.
    Vladimir Horowitz plays Scriabin Vladimir Horowitz plays Scriabin (CD)
    16.06.2015
    Booklet:
    3 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    4 von 5
    Künstlerische Qualität:
    5 von 5
    Repertoirewert:
    4 von 5

    Notwendig? eine subjektive Entscheidung . . .

    Eine kurze, aber hoffentlich hilfreiche Rezension - tendenziell an den Kenner oder Horowitz-Fan gerichtet:

    Hier sind also 3 CDs mit allen von Horowitz bei Columbia und RCA eingespielten Scriabin-Aufnahmen - zumindest FAST allen (denn zwei drei Doubletten kurzer Stücke fehlen!) ...

    In welchem Fall ist es sinnvoll, diese 3 CD Ausgabe zu kaufen?

    1. wenn man diese hier vorgestellten Werke Scriabins in ganz großartigen Einspielungen hören möchte. Somit ein absolutes Muss!

    2. wenn man als Horowitz-Verehrer noch nicht die große Horowitz-Box (Original Jacket Collection) von Sony hat.

    3. wenn man diese große Box (unsinnigerweise ohne Komponisten-Index!) hat, aber (wie ich) "zu faul" ist um sich die einzelnen Scriabin-Stücke aus den dort meist weit verteilten CDs langwierig herauszusuchen.

    Ein weiterer Grund könnte das auf dem Deckblatt prangende "REMASTERED" sein. Diesen Punkt kann man m.E. allerdings als eher marginal vernachlässigen, denn es ist eher eine PR-Maßnahme. Die große Box war ja schon sehr ordentlich remastert!
    London Philharmonic Orchestra - The Formative Years London Philharmonic Orchestra - The Formative Years (CD)
    16.06.2015
    Booklet:
    4 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    5 von 5
    Künstlerische Qualität:
    4 von 5
    Repertoirewert:
    3 von 5

    Aufnahmetechnisch geschichtlich interessant!

    Alle Enspielungen hier sind mit Beecham und dem LPO. Als vollständige Aufnahme gibt es die seinerzeit sehr favourisierte Mozarts Jupiter-Sinfonie von 1934 in einem sehr guten CD-Transfer der Schellacks. Die Interpretation ist von apollinischer Ruhe und Ausgeglichenheit geprägt - immer noch schön ... aber es gibt heute natürlich mannigfache Konkurrenz aller Couleur.

    Auszüge aus dem gleichen Werk sind als Testaufnahmen Alan Blumleins in Stereo zu hören. Hier hätte man aber unbedingt den tiefen Brummton rausfiltern sollen, was kein allzu großer Akt gewesen wäre. Schade, denn dieser stört über eine lineare Anlage doch ziemlich ...

    Wesentlich frappierender klingen die drei Minuten Schritt und Spachaufnahmen als Stereotest von 1933 - vier Monate früher als der Mozart-Test. Über Kopfhörer klingt das sehr seltsam (für alle, die meinen den Stereo-Effekt so noch besser zu hören), aber über Anlage kommt das Stereo ziemlich überzeugend rüber, besonders eben letztere Sprachaufnahmen!

    Zudem gibt es noch ein weiteres spannendes Kapitel der Schallplattengeschichte: eine der ersten Tonbandaufzeichungen von 1936 - ein Konzertmitschnitt mit Beecham und dem LPO aus Ludwigshafen bei der BASF! Was hier gegenüber den deutschen Tonbandaufnahmen aus der Kriegszeit ab 1942 (manche ab 1944 in Stereo!) auffällt ist, dass die Bänder noch nicht vormagnetisiert waren und somit eher schwach in den Höhen klingen.
    Die Mozart 39te ist nur in Auszügen zu hören, zwei Sätze (eines der bei Beecham üblichen Arrangements) aus der Oper "Der goldene Hahn" von Rimsky-Korsakoff vollständig und ebenso komplett und musikalisch ganz großartig ist "On hearing the first Cuckoo in Spring" von Delius. Alles ohne Schellackknistern oder Schleifgeräusche, aber etwas schwach in den Höhen und der Auflösung und mit leichten Band-Trägergeräuschen.

    Eine CD für Beecham-Fan, Liebhaber von Delius (die paar Minuten sinds schon wert) und natürlich für alle, die fasziniert sind von der Geschichte der Aufnahmetechnik. Für letztere ist die CD ein Muss!
    Symphonien Nr.1-9 Symphonien Nr.1-9 (CD)
    16.06.2015
    Booklet:
    2 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    3 von 5
    Künstlerische Qualität:
    4 von 5
    Repertoirewert:
    3 von 5

    Ganz vorne mit dabei!

    Den Dirigenten Wyn Morris habe ich durch die Ersteinspielung der Mahler 10ten in der revidierten Aufführungsversion von Deryck Cooke kennen und schätzen gelernt. Von Anfang an fiel mir der ganz persönliche "Ton" des Orchesters und der Interpretation auf. Die Etikettierung "englischer Furtwängler" wurde mir allerdings erst beim Hören dieser Beethoven Sinfonien hier verständlich: In der Tat gibt es immer wieder Momente, die von ganz großer Vision und glücklich zwingender Entwicklung geprägt sind. Es ist jederzeit zu spüren, dass Morris „seinen“ Beethoven verinnerlicht hat.

    Morris nimmt tendenziell eher breitere Tempi, wobei man das durchaus nicht verallgemeinern kann. Das LSO klingt bei ihm sehr klar, vital, flexibel und bei aller Emphase immer rhythmisch diszipliniert. Der Dirigent zeigt eine Sicht auf Beethoven, die stilistisch die große Interpretationsgeschichte nicht verleugnet und dennoch ganz authentisch, lebendig und von heute ist. Ganz entscheidend dabei ist Morris Gespür für den Klang, den das London Symphony Orchestra erzeugen kann - und WIE er diesen erzielen kann. Das erinnert neben Furtwängler auch an Otto Klemperer.

    Auf die Interpretation der einzelnen Sinfonien möchte ich hier nicht eingehen. Allesamt sind sie überzeugend, manchmal hört man Beethoven sogar im besten Sinne (also nicht extravagant oder gewollt „anders“) neu. Das Konstrukt des Satzes aus der hypothetischen 10ten Beethoven sehe ich als Dreingabe an. Hieran sollte man aber keine allzu großen Erwartungen stellen – als Kuriosum ist er aber durchaus interessant.

    Die durchgehend vorhandene Klangschönheit des Orchesters ist von der Tontechnik leider nicht ganz optimal eingefangen. Die Orchesterbalance und Transparenz sind zwar ordentlich bis gut, aber die Streicher klingen etwas „weiß“. Vielleicht wäre da bei einer sehr liebevollen Nachbearbeitung der digitalen Bänder noch mehr drin…

    Die Ausgabe (Papp-Box, CDs in Papierhüllen) von MUSICAL CONCEPTS ist ebenso wie die Sibelius Sinfonien mit Abravanel und die Mahler Sinfonien mit Abravanel zwar spartanisch, aber tadellos. Vielleicht erbarmt sich dieses Label ja auch der Veröffentlichung des fragmentarischen Mahler Sinfonien-Zyklus (2, 4, 5, 8, 9) mit Wyn Morris und den Sinfonia of London?

    FAZIT:

    Ein sehr guter und Großteils packender Beethoven Zyklus, der die meisten Einspielungen der letzten 20 Jahre in den Schatten stellt. Sehr empfehlenswert!
    Columbo - Der Mann der vielen Fragen Columbo - Der Mann der vielen Fragen (EPB)
    16.06.2015

    vielschichtig, intelligent, undogmatisch und kurzweilig

    VIELSCHICHTIG - da auch "abseitigere" Aspekte der m.E. tiefgründigen Serie aufgezeigt werden.

    INTELLIGENT - schon deshalb, weil das System und der Aufbau des Buchs großartig durchdacht sind.

    UNDOGMATISCH - weil hier nicht in enger "cineastischer" sondern aus menschlich-ganzheitlicher Sicht geschrieben wird.

    KURZWEILIG - weil immer und überall (wohl angesteckt von Columbo) beim Autor Humor und Geistesblitz durchscheint.
    _ _ _ _ _

    Das Buch "Columbo - der Mann der vielen Fragen" möchte möglichst viele Facetten der Serie "Columbo" aufdecken und beleuchten. Besonders ist dem Autor Michael Striss wichtig, die Sicht auf die Serie über die Handlung hinaus zu erweitern. Er tut das auf gewissermaßen "kriminalistische" Weise und er achtet dabei auf größtmögliche Logik und Transparenz.
    Am Ende weiß der Leser und Columbo-Fan it Sicherheit ein paar Dinge mehr über den sympathischen Lieutenant - wenn auch bestimmt nicht alles.
    Denn das Wesentliche der "Figur" liegt auf rätselhafte Weise mehr im Philosophischen bzw. Religiösen ...

    Ein ganz und gar empfehlenswertes Buch - besonders wenn man in der Serie Columbo etwas mehr sieht als eine Fernsehserie: den Ausdruck von Menschlichkeit ...
    Symphonien Nr.4 & 5 (Haas-Edition) Symphonien Nr.4 & 5 (Haas-Edition) (CD)
    16.06.2015
    Booklet:
    5 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    3 von 5
    Künstlerische Qualität:
    4 von 5
    Repertoirewert:
    3 von 5

    eine großartige CD-Ausgabe!

    Karl Böhm nahm 1936 die 4te und 1937 die 5te Bruckner als erster in der Haas-Ausgabe für Electrola auf. Das war eine bedeutende Pioniertat, da an Bruckner Interessierte zum ersten Mal seine Musik in der von ihm gewünschten Form und nicht in den verfremdenden und verstümmelnden Bearbeitungen von Schalk, Löwe und anderen hören konnten.

    Böhms Einspielungen sind sowohl klassisch streng (feste Tempi, keine "Ausdruckswut") als auch klanglich dem Romantischen Idiom verpflichtet - aber nicht unbedingt in den heute oft damit verbunden Sinne (viel "Wolke" und Klangfülle). Denn schon z.B. die "Streicherkultur" ist faszinierend: ein Spiel mit Portamento, bei dem das Vibrato aber nur als Ausdruckmittel eingesetzt wird. Wie sich da der Kreis aus der Vorkriegszeit zum modernen Musizieren eines Norrington schließt...

    Natürlich gibt es von der Haas-Ausgabe und der nachfolgenden Novak-Ausgabe mittlerweile eine Unzahl von Einspielungen, die noch mehr Facetten der 4ten und 5ten Bruckner zeigen. Dennoch ist Böhm eine interpretatorisch unangreifbare erste Einspielung gelungen: klar in Durchsichtigkeit von Stimmen, Struktur und Aussage - und direkt, kraftvoll und ehrlich im Musizieren!

    Die Überspielungen der von Hänssler in Lizenz übernommenen Electrola (EMI) Aufnahmen sind deutlich mit "Ambientsound" versehen, aber dennoch sehr gut gelungen: voll im Klang, nicht in den Höhen beschnitten, ausgewogen im Frequenzgang. Über Anlage ist der Klang sehr gut, über Kopfhörer tritt natürlich die Bearbeitung (eine elegantere Nachfolge der Praxis der "Stereophonisierungen" vor 40 Jahren) deutlich zu Tage. Mit wäre eine reine Mono-Ausgabe lieber gewesen, aber mit dem von Hänssler erzeugten Klangbild können wohl auch Puristen gut leben.
    Es geht nur ein wenig an Dynamik und Detailschärfe verloren, andererseits ist der Aufnahme auch unangenehme Schärfe, die in Fort-Stellen die DaCapo-Ausgaben der EMI (Vinyl) prägte, genommen.

    Das 36-seitige Textheft auf Deutsch ist sehr informativ (über Bruckner, Böhm, die Staatskapelle, die Fassungen, das Besondere dieser Aufnahmen und die Aufnahmetechnik) und in seiner Aufmachung äußerst "stimmungsvoll". Anders kann ich das nicht ausdrücken: Die graphische Aufbereitung, die Abbildungen und auch die Auswahl der Texte.

    Besonders für an der Geschichte klassischer Aufnahmen und an der Rezeptionsgeschichte Bruckners Interessierte ein großartige CD-Ausgabe!
    Symphonien Nr.0-9 Symphonien Nr.0-9 (CD)
    16.06.2015
    Booklet:
    2 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    4 von 5
    Künstlerische Qualität:
    4 von 5
    Repertoirewert:
    4 von 5

    Eckpfeiler der Bruckner-Rezeption

    Mittlerweile gibt es ja einige Zyklen der Sinfonien Anton Bruckners: Andreae, 2x Jochum, Haitink, Wand, Inbal, Karajan, Masur, 2x Barenboim, Solti, Tintner, Gielen, Maazel, Paternostro, Young, Venzago, Blomstedt, Janowski und andere - auch annähend vollständige Zyklen z.B. von Rögner und Celibidache. jeder der Einspielungen hat ihre Meriten und ihre "Tendenz" in der Verwendung von Fassungen, Tempi, der Sicht auf Bruckner als Mystiker, Sinfoniker, Erneuerer, den „Österreicher“ usw.

    Skrowaczewski ist mit seinem Bruckner-Zyklus in mancher Hinsicht vorbildlich:
    1. Es sind alle Sinfonien Bruckners eingespielt – auf die Studiensinfonie f-moll und die Annullierte d-moll. Samt der wunderbaren g-moll Ouverture einem Arrangement des Adagios aus dem Streichquintett für Streichorchester.
    2. Bruckners Kompositionen werden überzeugend und ohne belastende Überfrachtung gespielt. Die Tempi sind zumeist eher "unauffällig" - also weder extrem langsam oder sehr schnell. Ebenso werden agogische Mätzchen vermieden, der Partitur nichts (z.B. an Spielvorschriften) hinzugefügt oder weggenommen. Der Dirigent hat eine genaue Vorstellung von Gestalt, Form und der inneren Gesetzmäßigkeit jeder Sinfonie. Zudem ist er auch in der "Tradition" sattelfest, wobei er kaum unreflektiert etwas aus der Bruckner-Rezeption Tradiertes übernimmt.
    3. Und da wäre noch überhauot die Leistung des Dirigenten und des doch etwas weniger bekannten Rundfunkorchesters, eine solch hochqualitative Gesamteinspielung hinbekommen zu haben.
    4. Nicht zuletzt übterstützt das ganze die Aufnahmetechnik, die eine gute Balance zwischen Räumlichkeit und Detailgenauigkeit hält und das RSO Saarbrücken in einem vorteilhaften Licht erscheinen lässt.

    - - - - -

    Musik und Interpretation lässt sich schwer in Worte fassen. Ein vager Versuch: Die Zweite nimmt Skrowaczewski im Kopfsatz als ein sehr lyrisches Werk. Er „erlebt“ die Pausen und deshalb haben sie bei ihm Spannung. Dennoch betont er auch das auseinander heraus Wachsende der Themen. Es liegt trotz der „Weichheit“ etwas stark Sehnsüchtiges und sogar Tragisches über dem ganzen Satz. Dieser findet seine ganz natürliche Entsprechung im sehr kontemplativen zweiten Satz. Dieses Andante tendiert eher zum Adagio, behält aber trotzdem die Klangrede eine Quasi-Gebets mit einer offenen Frage oder Bitte (Solo-Horn, Pizzicati) des Seitenthemas bei. Im Scherzo und Finale entwickelt die Musik mehr Dramatik, ist auch rhythmischer mit Drive nach vorne. Das nützt der Dirigent bewusst und wirkt so der Gefahr entgegen, dass der lange Finalsatz im Spannungsbogen energetisch wieder zum Beginn der Sinfonie, sondern mehr zu einer Entladung des lange Zurückgehaltenen führt. So macht auch der Rückblick auf den Anfang einen wahrhaftigen und zwingenden Eindruck. Dieser große Bogen über das ganze immer noch weit unterschätzte Werk ist grandios gelungen. Da können es Skrowaczewski nur ganz wenige gleichtun.

    Das gleiche gilt jeweils auf seine Art für alle Werke. Ob einem nun alles gleich gut gefällt oder nicht: jedenfalls lässt sich überall ganz tiefes Verständnis für die Musik und die lebenslange Auseinandersetzung mit den Besonderheiten der Brucknerschen Sinfonik erspüren. Für mich eröffnen diese Einspielung der Sinfonien sozusagen einen erkenntnisreichen Dialog mit meiner eigenen langen Auseinandersetzung mit dem Komponisten. Das kommt nur ganz selten vor, da offensichtliche „Fehler“ in Architektur und Verlauf, die ich ansonsten in vielen (auch hochberühmten) Einspielungen immer wieder entdecke, es oft gar nicht so weit kommen lassen … natürlich ist diese Wahrnehmung durchaus subjektiv.

    - - - - -

    Editorisch ist bei der OEHMS-Box mit 12 CDs leider zu bemängeln, dass die verwendeten Fassungen der Sinfonien nicht angeführt sind. Deshalb führe ist diese Informationen hier samt Aufnahmedaten an:
    Sinfonie f-moll „Studiensinfonie“ WAB 99 (einzige Fassung 1863, Ed.: L.Nowak 1973) (Ed.: Alkor Kassel) (6-10.3.2001 Saarbrücken)

    Sinfonie Nr. 1 c-moll WAB 101 („Linzer“ Fassung, überarbeitet 1877, Ed.: L.Nowak 1953) (13-18.6.1995 Saarbrücken)

    Sinfonie d-moll „Annullierte“ WAB 100 (1869, Ed.: L.Nowak 1968) (Naxos / 23-25.9.1996 Saarbrücken)

    Sinfonie Nr. 2 c-moll WAB 102 (revidierte Fassung 1877, zweiter Druck: L.Novak 1965) (23-26.10.1999 Saarbrücken)

    Sinfonie Nr. 3 d-moll WAB 103 (Fassung 1889 <1888/89>, Ed.: L.Nowak 1959) (Okt.1996 Saarbrücken)

    Sinfonie Nr. 4 Es-Dur „Romantische“ WAB 104 (1886 <1878/80>, Ed.: L.Nowak 1953) (25-28.10.1998 Saarbrücken)

    Sinfonie Nr. 5 B-Dur WAB 105 (Fassung 1878, Ed.: L.Nowak 1951) (Okt.1996 Saarbrücken)

    Sinfonie Nr. 6 A-Dur WAB 106 (Fassung 1881, Ed.: L.Nowak 1952) (3+4.3.1997 Saarbrücken)

    Sinfonie Nr. 7 E-Dur WAB 107 (Fassung 1885, Ed.: L.Nowak 1954) (27+29.9.1991 Saarbrücken)

    Sinfonie Nr. 8 c-moll WAB 108 (Fassung 1890, Ed.: L.Nowak 1955) (8+9.10.1993 Saarbrücken)

    Sinfonie Nr. 9 d-moll WAB 109 (Originalfassung 1894, Ed.: L.Nowak 1951) (12-18.1.2001 Saarbrücken)

    Die CDs der ausreichend stabilen Pappbox stecken alle in Papphüllen, die nur die Gesamtspielzeit der CD anzeigen.
    Die Spielzeiten der einzelnen Sätze finden sich im 18-seitigen deutschen Booklet. Alle Sinfonien sind je komplett auf einer CD – nur die 8te ist auf zwei CDs verteilt.

    Fazit:

    Eine äußerst preisgünstige Gesamtausgabe wirklich aller Sinfonien Bruckners (natürlich nur jeweils in einer Fassung), die jeden Euro wert ist! Eine klare Kaufempfehlung!
    Friedrich Gulda Friedrich Gulda (CD)
    16.06.2015
    Booklet:
    1 von 5
    Gesamteindruck:
    3 von 5
    Klang:
    3 von 5
    Künstlerische Qualität:
    5 von 5
    Repertoirewert:
    3 von 5

    Qualität ist umständehalber OK, für Kenner oder Neugierige

    - ganz in Kürze:

    CD1 (Solo-Klavier mit Musik von Bach Mozart Chopin Debussy Prokofieff) sind als offizielle Produktionen nicht zu haben bzw. Rundfunkmitschnitte (1947 u 1948).
    Das Remstering ist wie so viele "schlichter gestrickten" unserer Zeit: relativ viel Höhen weggenommen ganz leichte Artefakte in ganz leisen Stellen. Man wolle halt möglichst Trägergeräusche ausblenden.

    CD2 (Mozartkonzerte 25 u 26 mit dem Dirigenten Anthony Collins) ist durchaus akzeptabel geraten. Es ist eine Decca-Aufnahme von 1955 und auch bei Eloquence Australien (u.a. Decca) offiziell als CD zu haben. Anthony Collins ist übrigens ein Großartiger Dirigent (Delius, Sibelius-Zyklus!) - auch als Begleiter!

    CD3 + CD4 (Beethoven Konzerte 1 u 3 und Sonaten 8-10 1959 u 1957) sind ebenfalls akzeptabel gelungen, wenn auch CD3 etwas schärfer im Klang ist als CD2.

    Angesichts des sehr geringen Preises könnte man der CD-Box sogar 4 Sterne geben - aber das wissen vielleicht wirklich nur Kenner der Materie zu schätzen. Das Spiel des jungen Gulda ist m.E. sowieso fünf Sterne wert! Er hat schon alle Meriten der späteren Jahre, ist aber dennoch wohltuend "normal" ohne jegliche Mätzen (die es später leider bei ihm trotz aller Genialität immer wieder gab)

    Fazit:

    Eine Box eher für Kenner, die den frühen Gulda vielschichtig kennenlernen möchten.
    Symphonien Nr.0-9 Symphonien Nr.0-9 (CD)
    16.06.2015
    Booklet:
    1 von 5
    Gesamteindruck:
    3 von 5
    Klang:
    4 von 5
    Künstlerische Qualität:
    4 von 5
    Repertoirewert:
    3 von 5

    ehrliches Musizieren, großes Verständnis

    Im Grunde war meine Besprechung nur als eine kleine Ergänzung zu der informativ und wohltuend klar und doch zugewandt geschriebenen Rezension von FIDELIO gedacht, dem ich in den meisten Punkten zustimme - auch im weiteren Sinne der Sicht aufs Ganze. Nun ist es och wieder etwas Größeres geworden … :-)

    Wichtig ist mir als Musiker, Dirigent von Amateurorchestern und noch vorrangig dazu Liebhaber der Musik Bruckners vorneweg zu betonen, dass in dieser Gesamtaufnahme der Sinfonien Bruckner (ohne Studiensinfonie, aber mit „Nullter“) mit dem österreichisch-italienischen Dirigenten Roberto Paternostro hier jederzeit "ehrliches Musizieren" (ein Lieblingsausdruck Arturo Toscaninis) und die Liebe und das Verständnis für die Musik Bruckners zu spüren ist.

    Nun ein paar der Sinfonien im Detail:

    DIE ZWEITE

    Was (neben einem kurzen Störton) am Anfang gleich auffällt, ist die schöne Akustik, in die sich die Musik und Aufnahme perfekt hineinbegibt. Man ist gleich von der lyrischen Anlage des Kopfsatzes gefangen. Das Seitenthema könnte vielleicht etwas deutlicher artikuliert und das dritte Thema etwas schärfer umrissen sein – aber das ist natürlich durchaus Ansichtsache. Das Andante entfaltet sich durchaus wie vorgeschrieben „feierlich, etwas bewegt“. Viele Dirigenten nehmen das deutlich breiter, was aber deshalb nicht per se „richtiger“ ist. Die innere Ruhe sehe ich bei diesem Satz als ganz entscheidend an – und das haben Paternostro und die Reutlinger ziemlich gut hinbekommen. Die gemeinen Solo-Horn Stellen sind gelungen, wenn auch von der Intonation nicht perfekt. Im Konzert ist das sicherlich so gut wie gar nicht aufgefallen, auf CD ist halt alles extrem peinlich genau (und immer wieder) zu hören. Ist aber marginal … Der Schluss ist leider (oder ist es in diesem Falle gut so?) mit Klarinetten-, nicht mit Horn-Solo. Das Scherzo ist relativ breit und ein wenig schwerfällig genommen, hat aber dennoch ausreichend tänzerischen Schwung. Ds Trio ist nicht wie vorgegeben „etwas langsamer“, sondern im Tempo des Scherzos gehalten. Anders wäre es wohl angesichts des breiten Scherzos auch wohl nicht möglich gewesen. Das Finale zeigt an manchen Stellen, wie tückisch schwer Bruckner schon da komponiert hat! Alles wird aber souverän gemeistert, auch wenn das manchmal ein wenig auf Kosten des letzten Quäntchens Phantasie und Freiheit. Viele Stellen sind aber ganz traumhaft gelungen, z.B. die weltentrückte Streicherstelle nach F ebenso wie die „Rückerinnerungen“ kurz von Ende der Sinfonie.

    DIE DRITTE

    Für mein Empfinden hat sich hier Paternostro im Kopfsatz tatsächlich etwas „verrechnet“, was das Grundtempo und die Binnentemporelationen anbetrifft. Es ist die einzige Sinfonie, die mir in diesen wesentlichen Punkten nicht schlüssig erscheint. Alles wirkt ein wenig zäh behäbig und zu gleichförmig. Allerdings muss man sagen, dass Bruckner in dieser dritten Fassung unlogische Tempoangaben gemacht hat: Zu Anfang heißt es „Mehr langsam. Misterioso“. Dann gibt es einen Takt vor B ein „ritenuto“ und bei B steht „Tempo I“. Hier nehmen die meisten Dirigenten ein neues, leicht beschleunigtes Tempo, obwohl es doch wohl eher „erstes Tempo, also Tempo des Anfangs“ bedeutet? Allerdings heißt es dann bei C „ursprüngliches Tempo“ … das ist schon verwirrend. Die Philharmonie Reutlingen macht auch an manchen Stellen verständlich, warum die Wiener Philharmoniker das Stück als „unspielbar“ abgelehnt hatten … :-)
    Der zweite Satz kommt etwas zu direkt (auch zu laut – da fühle ich mich an Inbal erinnert) und wenig „lang gezogen“ (Spielanweisung) daher. Die Nähe zum Tristan könnte etwas spürbarer sein. Es fließt auch nicht so recht in den ersten Violinen (ab B, besonders 9 nach B wirkt recht steif). Natürlich ist das alles „Meckern auf sehr hohem Ausdrucksniveau“. Im Scherzo wird man gewahr, dass manche der wahrgenommenen Schwachpunkte an der direkteren Mikrophonpositionierung als bei anderen Sinfonien liegen könnte. Dadurch entsteht das Eckige. Das Trio ist ziemlich „un-ländlerisch“ genommen. Das Finale schlägt sich wacker, ohne den Gesamteindruck nochmal deutlich verändern zu können. Dazu sind manche Stellen etwas zu sehr buchstabiert (z.B. für die Streicher komponierte Echowirkungen).

    DIE ACHTE

    In der Tat ein Höhepunkt der Gesamteinspielung. Zur Klimax des ersten Satzes hin entsteht ein mächtiger Sog, auch klanglich visionär und atemberaubend bis zum Satzende. Das Scherzo hat unglaublichen Schwung und ist absolut kurzweilig. Wie oft ermüdet das Scherzo schnell nach dem ersten Satz – nicht so hier. Nach diesem zweiten Satz sind die Erwartungen des Hörers an das Folgende extrem gestiegen (zumindest erging es mir so). Das wunderbar ausgespielte Adagio kann diese noch voll erfüllen, auch wenn ich mir in diesem Riesensatz noch zwingender gewünscht hätte, dem Finale – so gut und überzeugend es auch gespielt ist – fehlt gegenüber dem Kopfsatz etwas die letzte Kraft. Insgesamt aber ein großartiges Zeugnis, dass es nicht der Berliner Philharmoniker oder des RSO Stuttgart bedarf, um die „Krone der Sinfonik“ (H. Wolf) in ihrer Fülle und Vision erlebbar zu machen. Das Konzerterlebnis war sicherlich phänomenal. Mir hier besonders unverständlich ist der wieder mal sehr verhaltene Schlussapplaus …

    DIE ANNULLIERTE

    Ohne Hetze und doch mit Drive beginnt der Kopfsatz. Eher kontemplativ breitet Paternostro das Seitenthema aus. Dadurch einsteht eine größere Spannung als bei Dirigenten, die dem Seitenthema weniger Zeit lassen. In der Coda achtet Paternostro wieder mal sehr auf die internen „Echowirkungen“ der Streicher, wo hohe Streicher und Celli nicht synchron komponiert sind. Viel Ruhe im zweiten Satz, alles darf sich entfalten. Dieser nicht ganz „zielgerichtete“ Satz gewinnt durch das Ausspielen der schönen Einfälle und Momente. Lediglich die heikle Choralstelle für zwei Hören und Fagott ist nicht ganz sauber. Das Scherzo schwingt tänzerisch und lässt trotzdem die ihm innewohnende Dramatik nicht vermissen. Das Innehalten des Trios ist gut gelungen, die Coda klingt durch die dumpfe Pauke etwas verwaschen. Die Einleitung des Finales habe ich schon schmerzlicher und sehnsüchtiger gehört, aber

    TE DEUM

    Hier muss ich „Fidelio“ doch widersprechen. Die Aufführung ist aufnahmetechnisch recht gut, ja sogar sehr geschickt eingefangen. Es ist immer zu bedenken, dass es sich um eine Live-Aufführung in einer Kirche handelt! Auch die Aufführung selbst ist beachtlich: die Leistung des Orchesters und mit ein paar kleinen Abstrichen auch des Chores. Das Solistenquartett singt sauberer wie auf manch berühmter Studioeinspielung – außer vielleicht die Eröffnung von „in te Domine speravi“, wo auch der Chor ein wenig schwächelt. Was ein Wunder bei der mörderischen Stimmführung Bruckners … Die Tenorpartie ist und bleibt einfach faszinierend – undankbar. So richtig was zum „festsingen“ … Zumindest ist hier alles da und man muss keine Angst haben, dass in der nächsthöheren Sequenz des „Salvum fac populum“ der Spitzenton nicht mehr kommt. Natürlich gefallen Klangfarbe und Sangesart des Tenors bestimmt nicht jedem …
    Zwei drei Stellen habe ich im Verständnis des Stücks tatsächlich neu entdeckt. Für die Ektase des Schlussteils fehlen allerdings einfach die physischen Mittel des Chores und somit kann auch das Orchester nicht alles geben. Somit nimmt Paternostro klugerweise eine würdevoll gesetzte Schlussphrase …

    AUFNAHME UND KIRCHENAKUSTIK

    Sowohl vom Dirigenten wie auch der Tontechnik wurde optimal mit der Akustik der Basilika Weingarten umgegangen – ja, diese dient sogar zum Vorteil des Ganzen (musikalisch und klanglich), was in vergleichbaren Fällen eigentlich nie der Fall ist! Die Balance ist gut, man hört fast alle Details der zum Teil sehr komplexen Strukturen. Der Umgang Paternostros mit Pausen in der Akustik ist traumwandlerisch. Auch die Dynamikverhältnisse sind zum größten Teil bestens beachtet (was in solch einem Raum ja besonders schwierig ist).
    Für diese Punkte 5 Sterne – da wurden Maßstäbe gesetzt!
    Ach ja – den Applaus hätte ich eher weggelassen, auch wenn er natürlich das Liveerlebnis dokumentiert. Aber gegenüber den wunderbar engagierten Aufführungen wirken die Beifallsbekundungen – ja: eher lustlos … und hinterlassen unterbewusst die Botschaft „naja – so gut war's wohl doch nicht“.

    IN RELATION GESETZT

    Soll heißen: <Paternostro und die Philharmonie Reutlingen versus „die Großen“ Bekannten>.
    Das schreibe ich ganz bewusst so provokant – denn es gibt ja auch „Kategorien“ bei der Hörerschaft:

    1. Den "unbelasteten" mehr oder weniger "Zufallshörer" interessiert nicht, welches Orchester ein "klassisches" Musikstück spielt. Solange das Ohr nicht geschult ist, wird dieser Hörer auch nicht wissen, ob ihn etwas an der Musik selbst oder am Orchesterspiel, der Interpretation oder der Aufnahmetechnik stört. Er versucht einfach in der Musik etwas zu finden, das ihn anspricht.

    2. Der ernsthaft Interessierte und "Lernwillige" hört und kauft oftmals mehr oder weniger nach bekannten Namen oder auf Empfehlung (meine Erfahrung aus Jahrzehnten Verkauf im Tonträger Klassik). Sein Bestreben ist im weitesten Sinne Verständnis der Musik. Vielleicht vergleicht er auch schon hie und da mal Interpretationen.

    3. Der "Kenner" der Materie reagiert meist auf solch eine Einspielung wie diese hier ENTWEDER "wohlwollend" und vergibt quasi einen Bonus. Er lobt die Einspielung, die ja trotz der "Einschränkungen" gar nicht schlecht oder sogar erstaunlich gut ist. ODER er legt die CD gleich nach ein paar Takten Höreindruck beiseite, da er sich darin bestätigt fühlt, dass solche anspruchsvolle Musik nur die hochkarätigsten Ensembles spielen oder aufnehmen sollten.

    Ich persönlich gebe etwas ganz anderes zu bedenken:

    Das Musikstück wird (mit Hilfe der Probenarbeit, welche allerdings nur die Voraussetzungen schafft!) in der Aufführung zum Leben erweckt und zeigt in der Wahrhaftigkeit der Intentionen des Dirigenten und der Musiker EINE Möglichkeit seiner Lebendigkeit, bevor es nach dem letzten verklungenen Ton wieder zu auf Papier geschriebenen Strichen wird. Wie Vielfältig und farbig dieses Leben ist, wie stark und differenziert der Charakter dieser "Musikstück-Person" ist, hängt natürlich auch von den Möglichkeiten der Darstellung der Musiker und der wesentlichen Durchdringung des Stücks durch den Dirigenten ab. Aber die Möglichkeiten sind kein Garant für Wahrhaftigkeit und Vielfalt!

    Das Erlebnis eines Live-Konzertes und auch das Hören auf CD macht sich auch stark daran fest, wie hoch die Bereitschaft des Hörenden ist innerlich MITZUGEHEN. Wenn man ganz im Werk und dem geschehen aufgeht, gibt es eine Zeit mehr und auch keine Gedanken – schon gar nicht an „Vergleiche“ oder Wertungen. Da ist der unbelastete Hörer u.U. näher am Geschehen als der Kenner.

    FAZIT

    Dieser Brucknerzyklus ist m.E. eindeutig auf der erfreulichen Seite der vielen Veröffentlichungen von Gesamtaufnahmen des sinfonischen Schaffens des Meisters. Es gibt keinerlei interpretatorischen „Unsinn“, es wird immer mit Liebe zum Detail, mit Verständnis und auf sehr hohem Niveau musiziert. Der Dirigent Paternostro weiß, was jedes Werk will und wie er es mit dem Orchester in der Kirchenakustik umsetzen kann. Die Musik atmet zumeist frei, zeigt die lyrischen und dramatischen Aspekte. Struktur und „emotionaler Sinn“ befinden sich nicht im Widerspruch. Vieles gelingt äußerst persönlich, auch Schwächeres (was es wohl in jeder Gesamteinspielung gibt) ist immer noch bemerkenswert gut.

    Und:

    ÄPFEL UND BIRNEN

    Eigentlich wären vier Sterne zu vergeben – aber dann könnte man anhand dieser keine Relation z.B. zur Vierten mit Klemperer / Philharmonia Orch. oder Neunten mit Guilini / CSO herstellen. Wie sollte man sonst auch herausragende Einzelleistungen der Musiker in den Spitzen-Orchestern, die nochmal eine ganze zusätzliche Welt ausmachen können, würdigen? Die Sterne sind also eher für die gedacht, die hier nicht allzu viel lesen wollen …
    Ein Livekonzert eines Baden-Württembergischen Orchesters abseits des RSO oder des SWF S.O. ist einfach etwas anderes wie eine Studioeinspielung mit einem Schallplattenorchester wie dem Philharmonia Orchestra. Den stärksten Eindruck machten die Sinfonien dieser CD-Box hier bestimmt vor Ort live in der Basilika von Weingarten. Die CDs sind aber ein Dokument ehrlichen wahren Musizierens – und DAS kommt durchaus auch auf den CDs rüber!

    Die Aufmachung der CD-Box ist angesichts des lächerlichen Preises fast schon edel. Ein Textheft gibt es aber nicht, die einwandfrei gefertigten 11 CDs (die Achte ist als einzige Sinfonie auf zwei CDs verteilt) befinden sich in stabilen Papphüllen.
    Bernstein Sibelius - Remastered Edition Bernstein Sibelius - Remastered Edition (CD)
    16.06.2015
    Booklet:
    3 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    4 von 5
    Künstlerische Qualität:
    4 von 5
    Repertoirewert:
    3 von 5

    Gelungene Masterings mir Überraschungen

    Den Dirigent Leonard Bernstein war und ist in manchen seiner Interpretationen umstritten. Seine Sicht auf ein paar Komponisten wird von der Musikwelt ziemlich einhellig gewürdigt: Haydn, Mahler (mit kleinen Einschränkungen), einige Musik de 20ten Jahrhundert - und Jean Sibelius.

    DIE SINFONIEN SIBELIUS IN BERSTEINS ENTWICKLUNG – ein kurzer Vergleich mit Karajan

    Diese Liebe zur Sinfonik des Finnischen Meisters hat Bernstein mit seinem (ebenfalls in vielem umstrittenen) Kollegen Herbert von Karajan gemein. Wo Karajans Verständnis und Schwerpunkt (besonders in den späteren Einspielungen) auf dem nordisch Mystischen liegt, zeigt Bernstein in seinen frühen Aufnahmen Sibelius „einfach“ als genialen Sinfoniker. Interessant ist, dass die beiden an sich so unterschiedlichen Dirigenten bei ihren ersten Einspielungen (Karajan in den 50zigern mit dem Philharmonia Orchestra, Bernstein in den 60zigern mit dem New York Philharmonic) sich bei Sibelius in ihrer „klassischen“ Haltung gar nicht so unähnlich sind: Beide glauben daran, dass Sibelius Sinfonien ohne allzu „deutende“ Interpretation am überzeugendsten wirken.

    In den späten Einspielungen (bei Karajan im Gegensatz zu Bernstein noch nicht in Richtung Lebensende) wird der Unterschied der Wahrnehmung des Inhalts der Werke deutlicher. Aber eine Gemeinsamkeit haben sie noch: die breiter werden Tempi. Bei Karajan sind diese aber nur eine Folge des Kontemplativen oder manchmal sogar Meditativen, bei Bernstein erscheint mir bei den DG-Einspielungen die oft extremen Verbreiterungen Ausdruck übersteigerter „gewollter“ Expressivität, die die Werke überfrachtet und das wirklich Moderne, Überraschende und Verstörende der Sinfonien wieder zudeckt oder abschwächt.
    Anders und ohne subjektive Wertung gesagt: Wer die DG-Aufnahmen kennt, liebt und nun von der Sony-Box ähnliches erwartet, wird vielleicht überrascht - oder gar enttäuscht sein …

    BERNSTEINS SIBELIUS-ZYKLUS BEI COLUMBIA

    Der hier vorliegende von Columbia (jetzt bei Sony) aufgenommene Sibelius-Zyklus war die erste Gesamteinspielung in Stereo (das schon seit 15 Jahren kommerziell genutzt wurde!), gleichzeitig arbeitete auch Barborolli mit seinem Hallé Orchestra an einem Zyklus.
    Bernstein trifft in diesen Einspielungen (7te 1960, 5te 1961, 3te 1965, 4te und 2te 1966, 1te und 6te 1967) die eigenartigen Proportionen, Strukturen, Linien und Farben der Sinfonien. Besonders überzeugen mich die 1te, 3te, die 2te und 6te (jeweils mit kleinen Abstrichen) und 7te. Die Wahrnehmung der 5ten ist durch die etwas distanzierte Aufnahme erschwert, die 4te liebe ich herber und sie hat mir hier zu wenig großen Bogen.
    Der Klang der Aufnahmen ist deutlich unterschiedlich (was m.E. nicht an der Aufnahmespanne von 7 Jahren liegt) und bewegt sich zwischen gut und sehr gut. Richard Evidon mahnt im Text das breite Tempo im Finale als Extravaganz an, aber es gibt einige Einspielungen, die diese Sicht pflegen. In der Partitur steht nur „Allegro“ (alla breve Takt) ohne Metronomangaben.

    Bernsteins Sibelius (des frühen Zyklus) ist rhythmisch prägnant, in den Tempi flexibel (aber ohne willkürliche Temporückungen), von der Gesamtanlage her tendenziell eher straff. Bernstein arbeitet nicht so differenziert wie Barbirolli mit der Dynamik, aber er hat (fast immer) einen Blick fürs Große und Ganze (den man bei Barbirolli auch nach mehrmaligem Hören hie und da dann doch nur im „nicht mehr nach Suchen“ findet).

    Die New York Philharmonic spielen hier durchweg gut und konzentriert für Lenny (was nicht selbstverständlich ist). Somit ist die Box ein schönes Dokument dieses amerikanischen Spitzenorchesters. Die Musik lebt und atmet, wenn auch die „Klangrede“ sowohl bei Collins als auch bei Barbirolli (um mal zwei extrem polare Einspielungen zu nennen) mehr spricht.

    Wer den Klang der NYP (z.B. die Holzbläser) liebt und einen Draht zu Lennies Musizieren hat, wird mit dieser CD-Ausgabe vollauf zufrieden sein. Bernstein ehrt auf absolut seriöse Art den finnischen Komponisten und seine Liebe und Verständnis für diese Musik ist deutlich spürbar - erschauernd und ergreifend z.B. die letzte große Steigerung in der 7ten vor dem „Ergeben“!

    ORIGINALKOPPLUNGEN MIT BRUCH UND GRIEG

    Zuerst schaut man wohl zweimal hin, wenn man plötzlich in der Box eine Grieg-CD entdeckt und noch Bruchs g-moll Violinkonzert – aber das waren halt die originalen Kopplungen, die bei den Sony-VÖs nun wohl in solchen Boxen absolute Priorität haben. Bei der „Grieg-CD“ (Peer Gynt Suiten Nr. 1 und 2) ist es für mich kaum zu glauben, dass das die Erstausgabe der drei Sibelius-Stücke (Finnlandia, Valse triste, Der Schwan von Tuonela) war, denn ich kann mich noch an den VÖ Anfang der 80ziger erinnern.
    Die Platte mit Francescatti (Violinkonzerte Bruch g-moll mit Schippers und Sibelius mit Bernstein) ist – heute sagt man das wohl so: „romantisch“ gelungen. Viel Vibrato und Portamento, aber sehr geschmackvoll eingesetzt. Insgesamt ziehe ich da aber manch andere Einspielung vor – nicht nur Heifetz ... Ich finde, dass Francescatti uns stärkere Platte hinterlassen hat, z.B. mit Mitropoulos und Ormandy.

    CD-REMASTERING
    Ich schrieb bereits von den Überraschungen der Unterschiede der Sibelius-Aufnahmen Bernsteins bei Sony und gei DG. Aber auch der, der den frühen Zyklus in der Ausgabe der „Royal-Edition“ oder der „Columbia Legends“ kennt, kommt angesichts der Klanglichkeit der neuen VÖ hier aus dem Staunen nicht heraus. War man von den VÖs aus den 90zigern und 2003 ein recht halliges Klangbild gewohnt, so erfährt man 2015 endlich wieder, wie Columbia manche dieser Sibelius Sinfonien eigentlich aufgenommen hat – insbesondere die 1te: Sehr trocken, manchmal scharf und eng in den Höhen, von dem Panorama her mehr ein Flickenteppich denn ein geschlossenes Orchester. Es gibt keine klangliche „Blume“, die ein geschickt mit einbezogener Raumklang des Aufnahmesaals einer Einspielung geben kann.
    Das klingt an für sich erst mal alles ziemlich ernüchternd – und ist es auch. Allerdings ist dabei zu bedenken, dass eine Hinzufügung von hall auch immer etwas vom Primärsignal wegnimmt, d.h. die Aufnahmen zwar „voller“ und „runder klingen mögen, aber etwas von Präzision und Kraft einbüßen. Besonders die gewählten Tempi bemessen sich an der Raumakustik und sind bei nachträglicher Hallzufügung für den Hörer oftmals nicht mehr ganz schlüssig.
    Zudem sind es trotz Stereo mittlerweile historische Aufnahmen – und diese Tatsache ist einfach zu akzeptieren. Viele Aufnahmen aus den 60zigern klingen hervorragend, aber eben leider nicht alle – besonders bei Columbia.
    Wer nun denk, dass dieses neue Remastering schuld an der klanglichen „Ent-Täuschung“ sei, befindet sich im Irrtum. Dazu ein ganz einfaches Argument: Hall lässt sich immer nur HINZUFÜGEN, aber niemals aus einer original so aufgenommenen Einspielung ENTFERNEN!

    Die 1te und 3te sind von den hier beschrieben klanglichen Mängeln besonders betroffen, die 2te klingt deutlich besser und Geschlossenheit des Klangs, aber ebenfalls sehr trocken. Die 4te erklingt mit mehr Raumklang (m.E. eine besser Mikropositionierung), ist aber von der Interpretation nicht ganz so überzeugend, die 5te (1961!) hat viel Raumklang und entspricht in der Aufnahmephilosophie der „weiteren Distanz“ vielen heutigen Einspielungen. Mir persönlich ist das etwas zu weit weg… Die 6te finde ich von der Aufnahme her gut gelungen, die 7te von 1960 ist besser gelungen als die 5te von 1961. Mich spricht da allerdings die 2003 Ausgabe mehr an, da sie etwas weicher und voller klingt – und das ohne „verdickende“ Hinzufügung von Hall.

    EIN TIPP ZUM THEMA CD-MASTERING

    Wer es sehr „ehrlich“ liebt und möglichst genau am Original sein will, der kommt um diese neue VÖ hier nicht rum. Wer den Klang lieber etwas voluminöser, runder und in gewissem Sinne „angenehmer“ haben möchte, der sollte die VÖ von „Columbia Lebends“ von 2003 behalten oder sich zulegen – hauptsächlich eben wegen der sehr trocken klingenden ersten drei Sinfonien. Die „Royal Edition“ geht in diese zweite Richtung, ist aber nicht so gut wie die Ausgabe von 2003.

    PRÄSENTATION

    Die sieben CDs stecken – wie es bei Sony schon zur lobenswerten Angewohnheit geworden ist! – in stabilen Papphüllen, welche jeweils eines der Originalcover der früheren Schallplattenveröffentlichungen zieren. Ich hätte nur die Cover-Doublette vermieden und eine Alternative einer anderen Ausgabe verwendet. Eine Marginalie …
    Dazu gibt es ein kleines Booklet mit einem extrem kurzen dreieinhalb seitigen Text von Richard Evidon, der aber erstaunlich offen kritisch gehalten ist und in der Bewertung der Einspielungen mit ganz wenigen Sätzen den absoluten Kenner verrät. Das hebt sich wohltuend von den oft platten Werbetexten ab. Die Aufnahmedaten, Lokalität usw. sind aufgeführt.
    Die 7CD-Box ist gewohnt (ausreichend) stabil, die Covergestaltung mit dem Bernsteinportrait finde ich nicht ganz glücklich, aber das ist persönlicher Geschmack.

    „MEIN“ SIBELIUS

    Für mich ist Bernsteins Columbia-Einspielung der Sinfonien von Sibelius die erste Wahl der alternativen Einspielungen … :-)

    Vornean stehen „in Stein gemeißelt“ :
    Anthony Collins (mono 1952-55) (erscheint am 7.8.2015 wieder bei Decca zusammen mit Großartigem von Rosbaud und van Beinum in einer 11CD Box „Sibelius – Great Performances“! ASIN: B00YG7W8EO – ist auch schon als zwei Doppel-CDs bei Eloquence Australia erschienen)
    und (zumindest als Zyklus gesehen) Barbirolli mit dem Hallé Orchestra

    und natürlich als allererste Wahl auch einige Einzeleinspielungen:
    4te und 5te und 6te Karajan Philharmonia Orchestra,
    1te und 3te und 5te mit Kajanus,
    1te und 5te mit Sargent,
    4te und 5te in mono mit Ormandy,
    2te mit Barbirolli und dem RPO,
    6te mit Schneevoigt,
    7te mit Koussevitzky
    und ein paar andere z.B. mit Beecham, Stokowski …

    Dann kommen der Bernstein- Abravanel- und der erste Berglund-Zyklus, die Ormandy RCA und Karajan DG-Einspielungen, danach Davis der zweite Berglund, Blomstedt …

    FAZIT

    Offen gestanden halte ich den Bernstein Zyklus angesichts er Fülle an überragenden Einzeleinspielungen der letzten ca. 80 Jahre nicht für zwingend notwendig. Aber Sibelius gehört zu meinen ganz besonderen Lieblingen und somit höre ich auf Dinge, die andere so vielleicht gar nicht wahrnehmen.
    Pierre Boulez - Le Domain Musical 1956-1967 Pierre Boulez - Le Domain Musical 1956-1967 (CD)
    16.06.2015
    Booklet:
    4 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    4 von 5
    Künstlerische Qualität:
    4 von 5
    Repertoirewert:
    4 von 5

    besonderes Flair, bedeutende Musikgeschichte

    Pierre Boulez Bedeutung als Komponist und Interpret / Verbreiter neuerer und (zur jeweiligen Zeit) wirklich moderner Musik ist unbestritten. Einige Labels hatten diesen vielseitigen Musiker unter Vertrag: Columbia, Erato, Deutsche Grammophon – und in der Anfangszeit kleine Labels wie Ades oder Vega.

    Über mancher dieser Aufnahmen liegt ein ganz bestimmtes Flair, ja ein Zauber. Ob das nun an den älteren Aufnahmen mit ihrem Wohnzimmerklang liegt, an der Frische des „ersten Mal“, an den besonders authentischen und von der Sache überzeugten Musikern oder an allem Zusammen lässt sich schwer sagen.

    Hier eine Auflistung der Einspielungen, da die Angaben bei Amazon extrem spärlich sind. Ich kommentiere nur sehr wenig, auch weil diese Box natürlich etwas für einen kleinen Kreis von Spezialisten ist und ich selbst nicht sattelfest genug bezüglich Stockhausen, Berio, Nono, Kagel und Boulez als Komponist bin.

    ALLE AUFNAHMEN IN DIESER BOX (samt weniger persönlicher Anmerkungen):

    CD 1

    Kontra-Punkte by Karlheinz Stockhausen
    Conductor: Pierre Boulez
    Orchestra/Ensemble: Domaine Musicale Orchestra

    Serenata 1 by Luciano Berio
    Performer: Severino Gazzelloni (Flute)
    Conductor: Pierre Boulez
    Orchestra/Ensemble: Domaine Musicale Orchestra

    Le marteau sans maître by Pierre Boulez (1966)
    Performer: Georges von Gucht (Percussion), Severino Gazzelloni (Flute), Jeanne Deroubaix (Mezzo soprano),
    Serge Collot (Viola), Jean Batigne (Percussion), Claude Ricou (Vibraphone),
    Anton Stingl (Guitar)
    Conductor: Pierre Boulez

    „Le Marteau sans maitre“ finde ich in dieser Einspielung äußerst gelungen – auch aufnahmetechnisch. Die Altistin Jeanne Deroubaix sticht m.E. alle nachfolgenden Konkurrentinnen aus.

    Oiseaux exotiques by Olivier Messiaen
    Performer: Yvonne Loriod (Piano)
    Conductor: Rudolf Albert
    Orchestra/Ensemble: Domaine Musicale Orchestra

    CD 2

    Syrinx by Claude Debussy
    Performer: Severino Gazzelloni (Flute)

    Density 21.5 by Edgard Varèse
    Performer: Severino Gazzelloni (Flute)

    Zwei bestechende Interpretationen des italienischen Flötisten, ausgezeichnet eingefangen – nicht zuviel Raumklang, und dennoch ist dieser gut zu hören.

    Hyperprism by Edgard Varèse
    Conductor: Pierre Boulez
    Orchestra/Ensemble: Domaine Musicale Orchestra

    Octandre by Edgard Varèse
    Performer: Marcel Naulais (Clarinet), Claude Maissoneuve (Oboe), André Fournier (Horn),
    Guy Deplus (Clarinet), Roger Delmotte (Trumpet), Jacques Cazauran (Double bass),
    Jacques Castagner (Flute), René Allain (Trombone), André Rabot (Bassoon)
    Conductor: Pierre Boulez

    Cantéyodjayâ by Olivier Messiaen
    Performer: Yvonne Loriod (Piano)

    Haïkaï (7) by Olivier Messiaen
    Performer: Yvonne Loriod (Piano)
    Conductor: Pierre Boulez
    Orchestra/Ensemble: Les Percussions de Strasbourg

    Das trockene Klangbild aller Orchesterstücke dieser CD gereicht zum Vorteil der Musik und deren Klarheit.

    CD 3

    Structures for 2 Pianos, Book 1 by Pierre Boulez
    Performer: Aloys Kontarsky (Piano), Alfons Kontarsky (Piano)

    Sonatine for Flute and Piano by Pierre Boulez
    Performer: David Tudor (Piano), Severino Gazzelloni (Flute)

    Sonata for Piano no 2 by Pierre Boulez
    Performer: Yvonne Loriod (Piano)

    Alle drei Stücke in bestechend klaren Interpretationen, ebenso sind die Aufnahmen absolut klar.

    CD 4

    Sextet for Strings by Mauricio Kagel
    Conductor: Pierre Boulez
    Orchestra/Ensemble: Domaine Musicale Orchestra

    Incontri by Luigi Nono
    Conductor: Pierre Boulez
    Orchestra/Ensemble: Domaine Musicale Orchestra

    Concerto per il Marigny by Hans Werner Henze
    Performer: Yvonne Loriod (Piano)
    Conductor: Rudolf Albert
    Orchestra/Ensemble: Domaine Musicale Orchestra

    Madrigal III by Henri Pousseur
    Performer: Diego Masson (Percussion), Gérard Jarry (Violin), Jean-Charles François (Percussion),
    Guy Deplus (Clarinet), Fabienne Boury-Fournier (Piano), Michel Tournus (Cello)

    Mobile by Henri Pousseur
    Performer: Aloys Kontarsky (Piano), Alfons Kontarsky (Piano)

    Zeitmaße by Karlheinz Stockhausen
    Performer: Paul Taillefer (Cor anglais), André Rabot (Bassoon), Claude Maissoneuve (Oboe),
    Guy Deplus (Clarinet), Jacques Castagner (Flute)

    Klavierstück no 6 by Karlheinz Stockhausen

    CD 5

    Intégrales by Edgard Varèse
    Conductor: Pierre Boulez
    Orchestra/Ensemble: Domaine Musicale Orchestra

    Concertino for 12 instruments by Igor Stravinsky
    Conductor: Pierre Boulez
    Orchestra/Ensemble: Domaine Musicale Orchestra

    Pieces (3) for Clarinet solo by Igor Stravinsky
    Performer: Guy Deplus (Clarinet)

    Pieces (3) for String Quartet by Igor Stravinsky
    Orchestra/Ensemble: Parrenin string quartet

    Symphonies of Wind Instruments by Igor Stravinsky
    Conductor: Pierre Boulez
    Orchestra/Ensemble: Domaine Musicale Orchestra

    Renard by Igor Stravinsky
    Performer: Xavier Depraz (Bass), Louis Devos (Tenor), Jean Giraudeau (Tenor),
    Elemer Kiss (Cimbalom), Louis-Jacques Rondeleux (Bass)
    Conductor: Pierre Boulez
    Orchestra/Ensemble: Domaine Musicale Orchestra

    Agon by Igor Stravinsky
    Conductor: Hans Rosbaud
    Orchestra/Ensemble: South West German Radio Orchestra

    Wie auch der Berg und Webern klingt hier das Remastering der Rosbaud-Aufnahmen vollkommen anders wie bei der (längst gestrichenen) CD-Ausgabe von Ades. Ades hat ein sehr offenes, räumliches und natürliches Klangbild hinbekommen, dass erstaunlich zeitnah klingt. Der hier vorgestellte CD-Transfer ist etwas besser als in der Rosbaud-Box der DG, bleiben aber dennoch bezüglich Natürlichkeit im Klang m.E. deutlich hinter Ades zurück. Dennoch sehr gut und natürlich eine absolut wichtige Einspielung, die derzeit auch nicht besser zu bekommen ist.

    CD 6

    Verklärte Nacht for String Sextet, Op. 4 by Arnold Schoenberg
    Performer: Pierre Penassou (Cello), Denes Marton (Viola), Marcel Charpentier (Violin),
    Serge Collot (Viola), Jaques Parrenin (Violin), Michel Tournus (Cello)

    Pieces (6) for orchestra, Op. 6 by Anton Webern
    Conductor: Hans Rosbaud
    Orchestra/Ensemble: South West German Radio Orchestra

    Wie auch der Berg und Strawinsky klingt hier das Remastering der Rosbaud-Aufnahmen vollkommen anders wie bei der (längst gestrichenen) CD-Ausgabe von Ades. Ades hat ein sehr offenes, räumliches und natürliches Klangbild hinbekommen, dass erstaunlich zeitnah klingt. Der hier vorgestellte CD-Transfer ist etwas besser als in der Rosbaud-Box der DG, bleiben aber dennoch bezüglich Natürlichkeit im Klang m.E. deutlich hinter Ades zurück. Dennoch sehr gut und natürlich eine absolut wichtige Einspielung, die derzeit auch nicht besser zu bekommen ist.

    Pieces (3) for Chamber Orchestra by Arnold Schoenberg
    Conductor: Pierre Boulez
    Orchestra/Ensemble: Domaine Musicale Orchestra

    Pierrot Lunaire, Op. 21 by Arnold Schoenberg
    Performer: Maria Bergmann (Piano), Jacques Castagner (Flute), Serge Collot (Viola),
    Guy Deplus (Clarinet), Jean Huchot (Cello), Louis Montaigne (Bass clarinet),
    Helga Pilarczyk (Soprano), Luben Yordanoff (Violin)

    Eine wichtige Einspielung des Pierrot Lunaire, die eine andersgeartete Alternative zu der Einspielung von Rosbaud mit der wunderbaren Jeanne Héricard (VÖ bei Wergo) und Rufer mit Irmen Burmeister (diese beiden Einspielungen erachte ich als herausragend) darstellt.

    CD 7

    Sonata for Piano, Op. 1 by Alban Berg
    Performer: Yvonne Loriod (Piano)

    Eine sehr feine aufschlussreiche Interpretation, die ein Gegengewicht zu tendenziell “romantischen” Einspielungen wie die von Barenboim oder Eschenbach darstellt.

    Pieces (3) for Orchestra, Op. 6 by Alban Berg
    Conductor: Hans Rosbaud
    Orchestra/Ensemble: South West German Radio Orchestra

    Wie auch der Webern und Schönberg klingt hier das Remastering der Rosbaud-Aufnahmen vollkommen anders wie bei der (längst gestrichenen) CD-Ausgabe von Ades. Ades hat ein sehr offenes, räumliches und natürliches Klangbild hinbekommen, dass erstaunlich zeitnah klingt. Der hier vorgestellte CD-Transfer ist etwas besser als in der Rosbaud-Box der DG, bleiben aber dennoch bezüglich Natürlichkeit im Klang m.E. deutlich hinter Ades zurück. Dennoch sehr gut und natürlich eine absolut wichtige Einspielung, die derzeit auch nicht besser zu bekommen ist.

    Chamber Symphony no 1 in E major, Op. 9 by Arnold Schoenberg
    Conductor: Pierre Boulez
    Orchestra/Ensemble: Domaine Musicale Orchestra

    Rilke Lieder (2), Op. 8 by Anton Webern
    Conductor: Pierre Boulez
    Orchestra/Ensemble: Domaine Musicale Orchestra

    Lieder (4), Op. 13 by Anton Webern
    Performer: Jeanne Héricard (Speaker)
    Conductor: Pierre Boulez
    Orchestra/Ensemble: Domaine Musicale Orchestra

    Cantata no 1, Op. 29 by Anton Webern
    Performer: Ilona Steingruber (Soprano)
    Conductor: Pierre Boulez
    Orchestra/Ensemble: (Elisabeth) Brasseur Chorale Choir, Domaine Musicale Orchestra

    Cantata no 2, Op. 31 by Anton Webern
    Performer: Xavier Depraz (Bass), Ilona Steingruber (Soprano)
    Conductor: Pierre Boulez
    Orchestra/Ensemble: (Elisabeth) Brasseur Chorale Choir, Domaine Musicale Orchestra

    CD 8

    Serenade, Op. 24 by Arnold Schoenberg
    Performer: Serge Collot (Viola), Guy Deplus (Clarinet), Paul Grund (Mandolin),
    Jean Huchot (Cello), Louis Montaigne (Bass clarinet), Louis-Jacques Rondeleux (Bass),
    Paul Stingl (Guitar), Luben Yordanoff (Violin)

    Eine sehr gut aufgenommene Einspielung, in einer fasziniertenden Art von Abgeklärtheit.

    Suite, Op. 29 by Arnold Schoenberg
    Performer: Serge Collot (Viola), Guy Deplus (Clarinet), Jacques Ghestem (Violin),
    Jean Huchot (Cello), Yvonne Loriod (Piano), Louis Montaigne (Bass clarinet),
    Marcel Naulais (Clarinet)
    Conductor: Pierre Boulez

    Variations for piano, Op. 27 by Anton Webern
    Performer: Yvonne Loriod (Piano)

    Symphony, Op. 21 by Anton Webern
    Conductor: Pierre Boulez
    Orchestra/Ensemble: Domaine Musicale Orchestra

    Bei der Sinfonie op. 21 zeigen sich doch ziemlich die Grenzen der orchestralen Möglichkeiten dieses Ensembles damals.

    CD 9

    Werke von Gabrieli, Strawinsky, Henze, Messiaen und Eloy

    Die Platte ist ein Kuriosum. Außer Eloy ist alles mit dem Dirigenten Rudolf Albert und dem Orchestre du Domaine musical eingespielt. Ich weiß nicht wie ich es ausdrücken kann, ohne gleich als despektierlich zu gelten: Irgendwie klingt diese Aufnahme, als wenn ein ambitionierter Musikverein sich der Komponisten und Werke annimmt. Besonders trifft das auf Gabrieli zu. Vor 30 Jahren sagten manche bösen Zungen, dass Musiker, deren instrumentale Fähigkeiten etwas eingeschränkt sind, gern auf alten Instrumenten alte Musik spielen, da das dort nicht so auffiele. Eine heute jedenfalls völlig unhaltbare Behauptung … Aber daran fühle ich mich hier erinnert …

    CD 10

    Le marteau sans maître by Pierre Boulez (erste Aufnahme von 1956)
    Performer: Marie Therese Cahn (Alto)
    Conductor: Pierre Boulez
    Orchestra/Ensemble: Domaine Musical Soloists

    Interview mit Boulez vom 14.9.2005

    CD-REMASTERING UND PRÄSENTATION

    Die CD-Remasterings sind sehr gut. Anhand von Störgeräuschen ist das Alter der Aufnahmen nur selten auszumachen, allerdings pflegte man bei den meisten Einspielungen (bestimmt bewusst) ein äußerst trockenes Klangbild. Bandhiss (also Rauschen) gibt es nicht wirklich und dennoch hat man nicht den Eindruck, dass die Überspielungen in den Höhen beschnitten oder eng klingen. Allerdings kenne ich keine LP-Ausgaben (außer Pierrot Lunaire und der Serenade von Schönberg) und die bereits erwählte Rosbaud CD von Ades - und diese klingt tatsächlich besser als diese Neuausgabe.

    Das sehr informative CD-Büchlein (108 Seiten!) ist leider nur auf Englisch und Französisch. Das ist sehr schade, da eine deutsche Übersetzung für viele Hörer hierzulande das Verständnis und die Akzeptanz dieser zweiweise durchaus sperrigen Musik hätte fördern helfen können. Da hat Universal leider an der falschen Stelle gespart … Ich persönlich hätte mich auch sehr über ein paar Abbildungen mehr der Originalen Covers der Erst- oder Folgeausgaben der Platten gefreut (zwei sind vorhanden). Denn so hätte man „sinnlich“ mehr über die originalen Zusammenstellungen erfahren, auf die in dieser thematisch geordneten Box ja keine Rücksicht genommen wurde (anscheinend außer CD9). Die Aufnahmedaten sind auf der Rückseite jeder CD aufgeführt (also ist kein nerviges Geblätter zum Ende des Hefts nötig - wie oft bei EMI und Decca), allerdings in sehr kleiner Schrift.

    Die 10 CDs zieren alle (außer CD9) schwarzweiße Fotos: Schnappschüsse aus der Zeit der Aufnahmen, welche Boulez oder hier eingespielte Komponisten zeigen.

    Die CD-Box ist stabil und optisch sehr ansprechend. Eine sehr ambitionierte Gestaltung, die versucht dem musikalischen Inhalt und einer historischen Modernität gerecht zu werden.

    FAZIT

    Auch wenn ich die Veröffentlichung der vor Jahren veröffentlichten 2 CD-Boxen a 4 und 5 CDs nicht kenne (da scheint ja eine der hier veröffentlichten CDs zu fehlen), so empfehle ich doch uneingeschränkt diese 10-CD Box hier.
    Charles Rosen - The Complete Columbia and Epic Album Collection Charles Rosen - The Complete Columbia and Epic Album Collection (CD)
    16.06.2015
    Booklet:
    4 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    4 von 5
    Künstlerische Qualität:
    4 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    Nur die Musik spricht – zum Vorteil der Werke

    Die vier Sterne hätten angesichts der herausragenden Einspielungen, die unter anderem in der Box stecken auch fünf sein können. Angesichts der wenigen „Ausreißer“ nach unten sind vier Sterne aber insgesamt gesehen durchaus passend.

    Bei Amazon Deutschland hat in dem halben Jahr seit der VÖ diese 21CD-Box mit Charles Rosen besprochen, wobei doch gerade Pianisten im Allgemeinen schnell Rezensionen herausfordern. Das scheint eine Nebensächlichkeit – und dennoch wirft sie ein Licht auf die Rezeption dieses Pianisten speziell und anderer Pianisten, welche Musik weniger „interpretieren“ denn „zeigen“ an sich.

    Jeremy Siepman nennt seinen lesenswerten Beitrag zu Charles Rosen (samt Ausflug zu Marcel Proust) im Textheft „Ein Denker für Denker“ (8 Seiten in Deutsch) – und damit hat er tatsächlich einen ganz wesentlichen Punkt dieser Aufnahmen getroffen. Zudem ist Rosen nicht nur Pianist, sondern auch ernstzunehmender Autor (Vielseitigkeit war eine von mehreren Parallelen zu Glenn Gould), was seine Universalität unterstreicht.
    Anders gesagt: Wer gefühlvolles romantisches Klavierspiel mit großen musikalischen Ansagen liebt, sollte auf jeden Fall die Finger von dieser Box lassen! Allerdings wird so jemand angesichts des gespielten Programms (immerhin bestehen streng genommen 8 der 21 CDs aus Musik des 20ten Jahrhunderts!) eh wohl kaum versucht sein …

    Immer wieder lässt mich Charles Rosen in seiner absoluten Konsequenz der musikalischen Ausführung an Glenn Gould denken.

    ALLE AUFNAHMEN IN DIESER BOX (samt persönlicher Anmerkungen und Sterne-Vergabe pro CD):

    DISC 1 *** bis ****

    • Ravel: Gaspard de la nuit - 3 poemes pour piano
    • Ravel: Le Tombeau de Couperin

    Leider macht Sony keine Angabe dazu, dass es sich hier bei der Einspielung von 1959 um eine Monoaufnahme (oder nur Mono-Veröffentlichung?) handelt. Das Klangbild ist für 1959 tatsächlich ein wenig mager. Schon in dieser frühesten Einspielung zeigt sich die (damalige) Modernität des Pianisten Rosen: eine stupende Technik und eine auffällig „nüchterne“ Sicht auf den sonst allgemein „sinnlich“ gespielten Ravel. Aber auch diese technische Schönheit ist auf ungewohnte Art sinnlich - eine kühle Schönheit, die durchaus nicht eines tiefen Verständnisses für diese Musik entbehrt. So ist Ravel ein Komponist des 20ten Jahrhunderts und nicht doch noch ein halbherziger Romantiker …

    DISC 2 **

    • Chopin: Ballade No. 4 in F minor, Op. 52
    • Chopin: Scherzo No. 3 in C-sharp minor, Op. 39
    • Chopin: Polonaise in A Flat major, Op. 53 No. 6
    • Chopin: Mazurka No. 2 in C-sharp minor, Op. 6 No. 2
    • Chopin: Mazurka No. 31 in A-flat major, Op. 50 No. 2
    • Chopin: Mazurka No. 32 in C-sharp minor, Op. 50 No. 3
    • Chopin: Nocturne No. 8 in D-flat Major, Op. 27 No. 2
    • Chopin: Nocturne No. 5 in F-sharp major, Op. 15 No. 2
    • Chopin: Nocturne No. 17 in B major, Op. 62 No. 1

    Bei Chopin geht das Konzept nicht so gut wie bei Ravel auf. Hier wirkt diese Selbstdisziplin (oder Einstellung zum Musizieren) phasenweise doch etwas arg steif und nimmt der Musik etwas von ihrem Wesen. Das metrisch sehr grade Spiel mit wenig Klangzauber entbehrt auch m.E. etwas einer geistigen Auseinandersetzung mit dieser romantischen Musik oder die deutliche Korrespondenz mit der Seele, welches beides von Chopin doch in die Stücke „mit hinein komponiert“ ist. Nicht dass es kaltherzig oder langweilig wäre, aber Chopin erscheint mir hier ohne visionäre Ekstase, Trauer und Träumen doch etwas „sinnentleert“.

    DISC 3 ****

    • Stravinsky: Serenade in A for Piano
    • Stravinsky: Sonata for Piano
    • Schoenberg: Klavierstück, Op. 33a
    • Schoenberg: Klavierstück, Op. 33b
    • Schoenberg: Suite for Piano, Op. 25
    • Stravinsky: Movements for Piano and Orchestra

    Das sind Komponisten, die dem Spiel Rosens mehr entgegenkommen. Der UK-Rezensent Scratcher hat angemahnt, dass Sony bei dieser VÖ wieder mal(!) die Chance verpasst hat, die Strawinsky-Sonate endlich mit der Wiederholung zu veröffentlichen. Ein Kommentar dazu erhellt noch Schlimmeres, auf das ich nicht näher eingehen möchte. Da sind extrem kluge und kompetente Menschen in England am Rezensieren. Das fällt gegenüber Amazon Deutschland immer wieder auf …

    Bei allen Stücken dieser CD fällt die überragende Fähigkeit Rosens auf, Strukturell zu hören und das auch in einer klaren klanglichen Form zu vermitteln. Wer mit der Klaviermusik von Schönberg und Strawinsky etwas anfangen kann (oder den Versuch wagen möchte), findet hier eine durch und durch erfüllte Einspielung. Die „Movements“ (knapp 9 Min) mit Strawinsky am Pult sind natürlich schon öfters andernorts veröffentlicht worden.

    DISC 4 ****

    • Carter: Double Concerto for Harpsichord and Piano with Two Chamber Orchestras
    • Kirchner: Concerto for Violin, Cello, Ten Winds and Percussion
    • Carter: Piano Sonata

    Carters Doppelkonzert (mit Ralph Kirkpatrick am Cembalo) liegt hier in einer exquisiten ersten Einspielung vor. Auch aufnahmetechnisch wurde hier gute Arbeit geleistet, ebenso bei dem mich nicht so ganz überzeugenden Stück Leo Kirchners. Die Sonate von Carter finde ich in der noblen Zurückhaltung und feinen Poesie sehr hörenswert. Rosen verzichtet auf allzu große Expressivität, was zwar etwas „Thrill“ nimmt, aber den Hörer das Stück leichter verstehen lässt.

    DISC 5 ****

    • Debussy: 12 Études pour le Piano

    Auch hier bleibt sich Rosen treu: Klarheit, Struktur, Verständlichkeit – daraus erwächst die Schönheit der Musik. Also kein raffinierter Klangzauber, aber ein faszinierender kühler Hauch des Fremden, welcher – so gespielt – immer noch um diese Werke weht. Es ist - wie öfters bei Bach festzustellen - eine Musik der „Ideen“, mehr für den Mit-Denker als ein „passives“ Auditorium geschrieben und vorzutragen. Die Aufnahmetechnik unterstützt hier und in allen Rosen-Aufnahmen der Columbia durch ein eher trockenes Klangbild ohne viel Raumklanganteile diese Sicht auf die Musik.

    DISC 6 ****

    • Schubert: Sonata in A Major for Piano, D. 959
    • Mozart: Rondo in A Minor, K. 511

    Es ist schon auf den erste Blick irgendwie überraschend, dass Rosen Schubert für eine Schallplatte ausgesucht hat. Aber es kommt bei aller Tendenz zum zeigen dessen, was Schubert hier auch dem PIANISTEN abverlangt und an Technik in die große A-Dur Sonate reinpackt, kein virtuoses Geklingel wie bei manchen rein spielfreudigen Klavierspielern heraus. Das verschränkte Laufwerk wird zu einer Aussage, wie sie sonst bei Schubert nicht zu hören ist. Ansonsten fällt meist nur extreme Virtuosität des Scherzos auf. Bei Rosen bekommt die ganze Sonate bezüglich einer Aussage im Rasanten von Figuren einen großen Zusammenhang. Das wird nicht jedem gefallen, aber ich finde es bereichernd auch in diese Richtung bei Schubert zu denken. Und es ist absolut überzeugend vorgetragen! Der langsame Satz mit seinem chaotischen Mittelteil fügt sind endlich in das Ganze, auch das Finale ist absolut überzeugend. Zudem ist die A-Dur Sonate kein Werk der Zerknirschung oder des Grübelns wie die B-Dur …
    Mozarts Rondo – man ahnt es schon – ist ebenfalls nicht zerdehnt und zergrübelt, aber dennoch von einer Schwermut und Morbidität durchzogen.

    DISC 7 **

    • Schumann: Davidsbündlertänze, Op. 6
    • Schumann: Carnaval, Op. 9

    Auch wenn sich wie bei der ersten Chopin-CD stichhaltige rationale Argumente(!) für diese ziemlich nüchterne Spielweise finden lassen mögen, so ist auch diese Platte eine der gefühlt(!) schwächeren dieser gesamten Columbia-Aufnahmen mit Charles Rosen. Hölzern wie der Klang des Klaviers ist auch die Empfindung, die dabei rüberkommt …
    Im Carnaval gibt es durchaus Momente die nicht nur mehr quirlig, sondern schon eher hudelig sind. Das retardierende und weltabgewandte Moment kommt generell etwas zu kurz. Das oftmals nur in Zeitlupe stilisiert Tänzerische - als quasi Echo aus der Ferne oder dem Unterbewusstsein - ist meist allzu derb und direkt ausgespielt.

    DISC 8 ****

    • Liszt: Don Juan Fantasy
    • Liszt: Sonetto No. 104 del Petrarca
    • Liszt: Hungarian Rhapsody No. 10
    • Bartók: Improvisations on Hungarian Peasant Songs, Op. 20 (Sz. 74)
    • Bartók: Etude, Op. 18, No. 1
    • Bartók: Etude, Op. 18, No. 2
    • Bartók: Etude, Op. 18, No. 3

    Liszts Don Juan Fantasie zählt für mich eher zu den effektvollen „Klingelstücken“ Liszts - aber vielleicht bin ich da einfach Banause … Rosens nervös virtuoses und etwas abruptes Spiel nimmt etwas von der Salonhaftigkeit, weshalb die Fantasie aber dennoch nicht zu meinen Lieblingsstücken von Liszt mutiert. Ganz anders verhält sich das mit der herberen Klangsprache des Petrarca Sonetts 104, das Rosen straff und kräftig zum Klingen bringt. Die Ungarische Rhapsodie ist wieder übersichtlich und federnd gelungen und lässt in der beachtlich umgesetzten Virtuosität (z.B. die Dynamik der Glissandi) ein wenig an den phantastischen Georges Cziffra denken. Das macht Spaß zu hören…
    Die „Rückseite“ der Platte ist dann eine ganz andere (ungarische) Welt – Bartok … absolut adäquat gespielt. Hauptsächlich dafür (und die Liszt Rhapsodie) vier Sterne.

    DISC 9 ***** plus zusätzlichen ***** für die Hammerklaviersonate … : - )

    • Beethoven: Sonata No. 31 in A-flat major, Op. 110
    • Beethoven: Sonata No. 29 in B-flat major, Op. 106 "Hammerklavier"

    Gleich der Anfang von op. 110 zeigt, wo es mit Rosen lang geht: Die umspielende Tonkette ab Takt 12 gerät nicht zu rauschender Klanglichkeit, sondern bleibt ganz klar und diszipliniert in der Struktur. Rosen bleibt sich und seiner Einstellung zum Musizieren immer und überall treu … Was für ein großartiges ausgeleuchtetes „Allegro molto“ des (extrem heiklen) zweiten Satzes, was für eine Klangrede des Rezitativs des „Adagio ma non troppo, dann ein herb unverzärtelter und flüchtiger Klagegesang. Daraus erwächst schon förmlich der Vorwärtsdrang des großen Schlusssatz mit der Fuge, welche ihre Klarheit auch aus der genauen Umsetzung der angegebenen Dynamik bezieht. Das „ermattet, klagend“ des eingeschobenen „Arioso“ ist genau getroffen, die Artikulation genau erreicht. Dann das Anschwellen der Akkorde vor der Fuge ohne eigenwillige Ritardando oder Accelerando. Die Umkehrung der Fuge entwickelt einen großen ekstatischen Sog bis zum letzten Ton – ein ganz großartige Interpretation. u.a. einfach durch die genaue Umsetzung der Angaben Beethovens!
    Die Hammerklaviersonate ist mit Wiederholung der Exposition zu hören. Wieder eine unglaubliche Klarheit der einzelnen Stimmen in dem polyphonen Geflecht, was bei anderen oft zum Gewirr gerät, nicht nur in der Fuge. Und alles immer mit einem konstanten Fluss und Stringenz. Rosen ist es jederzeit möglich, das eh schon rasante Tempo noch etwas anzuziehen und nach vorne zu gehen – aber nicht als billiger Effekt, sondern um die Spannung und Linie der Musik noch zu schärfen und ausgearbeitete Höhepunkte zu setzen. Dabei verliert nichts an Klarheit oder auch nur ein wenig der peinlich genau beachteten differenzierten Dynamik. Schon beim Kopfsatz kommt man als Hörer kaum aus dem Staunen heraus, im Scherzo wird’s fast noch „schlimmer“ …
    Das Adagio sostenuto glänzt wieder mit seiner sinnvollen Dynamik, die kaum wo so deutlich zu hören ist wie bei Rosen. Die Idee der Umsetzung des Espessivos in Takt 26. Das „con grand'espressione“ ab Takt 28 ist für Rosen kein „Schwimmen im Klang“ und kein Dauer-Forte. Beethoven schreibt ja auch ein Crescendo aus dem Piano heraus und nach ein paar Takten schon wieder Decrescendo. Andere Pianisten machen da mehr mit „internen Rubati“, z.B. eine gleichmäßige linke und eine freie rechte Hand, aber Rosen hat seine eigene Sicht. Der zweite Anlauf der „Klage“ ab Takt 87 gewinnt gegenüber dem ersten ab Takt 27 deutlich an Intensität. DAS ist die große Kunst, solch einen langen und komplexen Satz zu formen und die Spannung nicht aus der Hand zu geben. Das Grundtempo ist zügig, aber nie verhetzt. Das neuerliche „con gran'espressione“ bei Takt 118 zeigt, dass Ausdruck nichts mit Lautstärke oder Gewalt oder überhaupt Gewolltem zu tun hat.
    Dann die genaue Umsetzung der Tempi in der Einleitung zur Fuge: „un poco piu viviace“, dann ein einfaches „Allegro“, dann „accelerando“ zum „prestissimo“ – und die fuge in echtem „Allegro RISOLUTO“. In der äußerst flotten Fuge dann die Akzente, Dynamikveränderungen, die Farbgebung der Einzelstimmen. Nichts verschwimmt, nirgends eine Bewusstseins- oder Aufmerksamkeits-Trübung, sinnvolle erfüllte Gestaltung bis in den allerletzten Winkel des Riesenwerks. Und immer das Halten des Spannungsbogens bis zum letzten Ton, mal mit minimalen Tempo- oder Dynamikveränderungen. Die Kunst andauernd eine leichte Beschleunigung zu hören, die eigentlich gar nicht da ist … Es ist einfach UNGLAUBLICH!
    Das sind Beethoven-Aufnahmen, bei denen die Vergabe von fünf Sternen eigentlich viel zu wenig ist …

    DISC 10 ****

    • Chopin/Rosenthal: Minute Waltz in Thirds
    • Strauss/Godowski: Wine, Women and Song
    • Mendelssohn/Rachmaninoff: Scherzo from "A Midsummer Night's Dream"
    • Schubert/Liszt: Soirée de Vienne No. 6
    • Strauss/Tausig: You Only Live Once ("Man lebt nur einmal")
    • Kreisler/Rachmaninoff: Liebesleid
    • Bizet/Rachmaninoff: Minuet from "L'Arlésienne Suite No. 1"
    • Strauss/Rosenthal: Carnaval de Vienne

    Es ist schon speziell, dass ein hochstrukturiert spielender Pianist wie Rosen gerade solch ein hypervirtuoses Programm spielt, das sonst gerne „Fingerer“ pflegen. Aber anderseits - zumindest heute ist das mittlerweile normal: Ein Hamelin tut das ja auch …
    Rosen kann das auf jeden Fall, wenn auch Wahnwitz, Schmalz und Schmäh der Kompositionen vielleicht auch etwas mehr davon im Spiel erfordern. Rosen zeigt aber durchaus Sinn für diese Musik, eben auf seine etwas intellektuell distanzierte Art.

    DISC 11 Chopin *** Liszt ****

    • Chopin: Concerto No. 2 for Piano and Orchestra in F Minor, Op. 21
    • Liszt: Concerto No. 1 for Piano and Orchestra in E-Flat Major

    Das Chopinkonzert ist unaufgeregt, ohne Mätzchen und wohltuend „normal“, aber halt auch ohne das Besondere oder etwas romantisch Faszinierendes.
    Das Lisztkonzert empfinde ich als glücklicher gelungen, vielleicht auch, weil die Orchesterbegleitung abwechslungsreicher ist und mehr Effekte ermöglicht. Hier trauen sich Dirigent und Pianist mehr Expressivität zu zeigen. Ich bin dankbar für die gute Aufführung, denn allzu viele wirklich „seriöse“ Einspielungen gibt es nicht von diesem Konzert gar nicht.

    DISC 12 **** bis *****

    • Debussy: Images, Book I
    • Debussy: Images, Book II
    • Debussy: Estampes
    • Debussy: La Plus Que Lente - Valse
    • Debussy: Hommage à Haydn
    • Debussy: Berceuse Héroïque
    • Debussy: L'isle Joyeuse

    Bei der zweiten Debussy-Platte wagt sich Rosen an vielschichtigere Seiten des Komponisten als bei der ersten Einspielungen (Etudes). Wenn man auch hier das unromantische bzw. „un-impressionistische“ Spiel Rosens einfach akzeptiert, dann gewinnt man aus seinen Aufnahmen viel neue Eindrücke über diese Meisterwerke der Klavierliteratur 20ten Jahrhunderts. Möglicherweise mag dem einen oder anderen etwas fehlen, aber m.E. stört auch nichts bei dieser interessanten und aufschlussreichen Sichtweise von Debussys Musik. Ich persönlich schätze diese „Modernisierung“, die sich im Grunde sich nur genau an den Notentext hält, überaus!

    DISC 13 *****

    • Carter: Variations for Orchestra
    • Carter: Double Concerto for Harpsichord and Piano with Two Chamber Orchestras

    Nochmals Carters „Double concerto“, sieben Jahre nach Rosens erster Einspielung mit dem der breiten Öffentlichkeit ebenso kaum bekannten Dirigenten Prausnitz aufgenommen. Lässt sich die Entscheidung einer weiteren Einspielung übers Hören ergründen? Als erstes fällt gleich die farbigere und detailreichere Aufnahmetechnik und das virtuosere und sicherer aufspielende Orchester auf. Prausnitz war ein erfahrener Dirigent neuerer Musik, bei der EMI gibt es z.b. sehr gute Aufnahmen mit Schönberg und Busoni. Die neue Aufnahme von Carters Doppelkonzert von 1968 sticht die erste Einspielung von 1961 bei weitem aus.
    Die „Variations for Orchestra“ mit Prausnitz und dem New Philharmonia Orchestra sind eine ausgezeichnete Aufnahme und somit eine willkommene Alternative zu den zwei Einspielungen mit dem CSO mit Levine und Boulez.

    DISC 14-15 *****

    • Bach: Ricercare a 6 voci from A Musical Offering, BWV 1079
    • Bach: Ricercare a 3 voci from A Musical Offering, BWV 1079
    • Bach: Die Kunst der Fuge, BWV 1080

    Die Kombination Bach und Rosen - das weckt nach dem Hören von Beethoven, Bartok und anderen eine Menge Erwartungen. Charles Rosen ist Glenn Gould in seiner Fähigkeit der Wahrnehmung und der Umsetzung dessen ähnlich und durchaus ebenbürtig - und doch ist sein Interpretationsansatz und seine Klangvorstellung fundamental anders. Er ergründet auf dem Klavier Bachs kontrapunktische Meisterwerke ebenso mit einem glasklaren und virtuosen, aber dennoch nie kalten Spiel. Anders als Gould wahrt er auch immer die große Linie und vernachlässigt nie die Sinnlichen Aspekte der Musik. Der Contrapunctus II der „Kunst der Fuge“ ist übrigens seltsamerweise etwas höher im Pitch (Tonhöhe) als die anderen Contrapuncti – vielleicht wegen eine anderen zum Transfer verwendeten Quelle? Zwei großartige Platten!

    DISC 16 **** bis *****

    • Bach: Aria mit 30 Veränderungen, BWV 988 "Goldberg-Variationen"

    Nochmals eine ausgezeichnete Bach-Platte! Hier verschmilzt das konsequente Spiel Rosens auf wunderbare Weise mit dem Werk.

    DISC 17 ****

    • Haydn: Piano Sonata No. 36 C minor Hob. XVI:20
    • Haydn: Piano Sonata No. 31 A flat major, Hob. XVI, 46
    • Haydn: Piano Sonata No. 18 in G minor Hob XVI: 44

    Rosens freies und leichtes Spiel auf dieser Haydn Platte hat mich doch überrascht. Vielleicht liegt dieser Höreindruck auch an der angenehm räumlichen und etwas weniger direkten Aufnahmetechnik. Kleiner Nachteil dieser sehr modern klingenden Einspielung ist ein etwas abgedunkelter klang, der minimal etwas von den feinsten Details der Linien deckt.

    DISC 18 ****

    • Beethoven: Sonata No. 27 in E minor for Piano, Op. 90
    • Beethoven: Sonata No. 29 in B-flat major, Op. 106 "Hammerklavier"
    • Beethoven: Sonata No. 28 in A Major for Piano, Op. 101

    Es überrascht zuerst einmal, dass Rosen nach der phänomenalen Einspielung von 1964 diese Sonate (ebenso wie die op. 110) im Jahr 1970 nochmals aufgenommen hat. Vielleicht ja in dem Rahmen, dass die sechs letzten Sonaten technisch möglichst einheitlich klingen. Vielleicht auch wegen Rosens Interpretationsansatzes, der mittlerweile noch apollinischer geworden ist. Der Klang ist noch feiner und ausgefeilter, das Spiel leichter und quirliger, aber ich vermisse das Zwingende und Unbedingte der ersten Einspielung. Dennoch ist nochmals eine erstaunliche Aufnahme gelungen, ebenso mit den anderen beiden Sonaten.

    DISC 19 **** bis *****

    • Beethoven: Sonata No. 30 in E major, Op. 109
    • Beethoven: Sonata No. 31 in A-flat major, Op. 110
    • Beethoven: Sonata No. 32 in C minor, Op. 111

    Nochmal Beethoven - inklusive der alternativen Einspielung von op. 110 von 1970. Auch wenn sich bei den sechs letzten Sonaten das Einmalige der Aufnahmen von 1964 nicht wiederholt, so bin ich doch dankbar diese vier anderen Sonaten mit dem großartigen Pianisten hören zu können. Es sind ungemein stimmige und ausgefeilte Interpretationen, die keinerlei Vergleich zu scheuen brauchen. Besonders hervorstechend finde ich die gesangliche Qualität in den langsamen Sätzen. An lyrischer Qualität und „laissez-faire“ hat Rosen in den Jahren deutlich dazu gewonnen. Er lässt sich mehr Zeit zum Ein- und Ausschwingen der somit oft weicheren und manchmal zarten Klänge, was nachdenklichen Stücken, wie es eben streckenweise die letzten Beethoven Sonaten sind, gut ansteht. Der Aufnahmeklang dieser sechs Sonaten ist ausgezeichnet.

    DISC 20 *****

    • Boulez: Piano Sonata No. 1
    • Boulez: Piano Sonata No. 3

    Die zweite und dritte Sonaten von Boulez (die zweite Sonate gibt es mit Rosen auch auf CD) sind ganz die Domäne des intellektuellen und sehr in der neueren Musik versierten Pianisten. Wohl dem Komponisten, der solch einen Interpreten als Fürsprecher hat. Der Klang der Aufnahme ist hervorragend!

    DISC 21 *****

    • Webern: Fünf Lieder aus "Der siebente Ring", Op. 3
    • Webern: Fünf Lieder, Op. 4
    • Webern: Four Pieces for Violin and Piano, Op. 7 (1910)
    • Webern: Three Pieces for Cello and Piano, Op. 11 (1914)
    • Webern: Vier Lieder für Singstimme und Klavier, Op. 12
    • Webern: Quartet for Clarinet, Tenor Saxophone, Violin and Piano, Op. 22
    • Webern: Drei Gesänge aus "Viae inviae", Op. 23 von Hildegard Jone
    • Webern: Drei Lieder für Singstimme und Klavier, Op. 25 nach Gedichten von Hildegard Jone

    Wer Webern liebt und nicht die Einzelausgabe, sondern nur die große Sony CD-Box mit Boulez hat, der bekommt hier die wichtige Ergänzung der Gesamtaufnahme von Weberns Werk. Kammermusik mit Stern , Piatigorgsky, Harper und anderen als Partner von Charles Rosen. Eine nach wie vor wichtige Platte!

    CD-REMASTERING UND PRÄSENTATION

    Die CD-Remasterings sind wie fast immer die letzten Jahre bei Sony sehr gut. Die Aufnahmen haben wie schon geschrieben ein tendenziell trockenes Klangbild. Es gibt ein leichtes Bandhiss (also Rauschen) und bei den ersten Einspielungen ist das Alter der Produktionen nicht zu überhören. Das alles stört aber nicht wirklich.
    Den Text von Jeremy Siepman habe ich schon erwähnt, die CDs sind wie bei allen Sony-Boxen in Zusammenstellungen der originalen LPs in Textheft nochmals abgebildet und mit allen wichtigen Aufnahmedaten verstehen.
    Die CD-Box ist ausreichend stabil und optisch ansprechend aufgemacht.
    Die Aufnahmen klingen übrigens wie zumeist eher frühe Stereo-Aufnahmen über Anlage besser und natürlicher im Panorama als über Kopfhörer.

    FAZIT

    Wer nachspürenswerte Querverweise von älterer und neuerer Musik mag, Bach, Beethoven und Musik des 20ten Jahrhunderts liebt und wer ein Klavierspiel bevorzugt, welches nicht nur das Ohr befriedigt, sondern auch die Struktur von Werken hervorhebt und das Reflektieren über Musik fördert - dem sei diese 21CD-Box wärmstens empfohlen!
    Symphonie Nr.2 Symphonie Nr.2 (CD)
    16.06.2015
    Booklet:
    2 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    4 von 5
    Künstlerische Qualität:
    5 von 5
    Repertoirewert:
    3 von 5

    Mahler 2te mit Walter / NYP (stereo Columbia) (SONY JAPAN)

    Die Mahler Zweite, die "Auferstehungssinfonie", mit Bruno Walter und den New York Philharmonic ist völlig zu Recht eine berühmte und hoch geschätzte Einspielung. Wie alle seine New Yorker Platten (von den 40zigern bis Mitte der 50ziger entstanden) hat auch diese mehr Feuer und Stringenz als die Aufnahmen, die Walter mit dem Columbia S.O. der Westküste machte. Erstaunlich ist, dass der mit Mahler befreundete Dirigent hier in seiner Spätzeit dem philosophischen und auch religiösen Werk nochmal so viel Elan und Geschlossenheit geben konnte. Wie wichtig Walter die Auferstehungssinfonie Walter war, lässt sich schon anhand der Anzahl von vier Aufzeichnungen ersehen: live 21.1.1942 in NY, live 15.5.1948 in Wien, live 17.2.1957 in NY und in der Folge dieses Konzertes über einen langen Zeitraum (1957 und 1958) entstandene Schallplatte. Nur von der Ersten gibt es noch mehr Mitschnitte bzw. auch zwei offizielle Schallplatten.

    Bruno Walters Interpretation der Zweiten hat Kraft, Linie und lyrische Qualität. Die Sängerbesetzung ist sehr gut, ebenso der Chor, das Orchester sowieso. Da wird noch der eine oder andere Mitspielen, der noch unter Mahlers Aufführung in NY dabei war.
    Es ist eine im besten Sinne „klassische“ Einspielung, die ganz besonders die humanistische Seite Mahlers betont. Der letzte Satz gerät absolut überzeigend und erzählt eine Geschichte des jüngsten Gerichts, die man dem genauen Ablauf niederschreiben könnte. Wer das Glück hat, das Werk (am besten in jüngeren Lebensjahren) in dieser Einspielung kennenzulernen, der wird die Aussage nie wieder vergessen. Vielleicht wird die die dahinter stehende Lebens- und Glaubenseinstellung sein ganzes weiteres Leben prägen – vielleicht auch heilend wirken, wenn ein Mensch ein Trauma (religiös oder überhaupt) bezüglich Schuld und Erwartungsängsten hat.

    CD-REMASTERING

    Um es vorneweg zu machen: Die "Columbia Masterworks" CD-Ausgabe von 1985(!) (ASIN: B00000DS6L) aus der Zeit vor SBM ist immer noch die beste von allen bis jetzt erschienenen CD-Überspielungen - und das waren schon einige in verschiedenen Ländern! Diese Ausgabe hat nur das übliche unüberlegte vieler auf zwei CDs verteilter Ausgaben Manko, dass man nicht auf eine CD den Kopfsatz nimmt und auf die zweite CD die restlichen vier Sätze. DAS würde Mahlers Intentionen ideal entsprechen, der ja fünf Minuten (!) Pause nach dem ersten Satz fordert!
    Ich ahne, dass in dem Material der Masterbänder noch mehr drin steckt, wenn man mit viel Liebe und Geschickt die Probleme der Stereobalance angeht und besonders den linken Kanal bearbeitet.

    Die hier besprochene CD-Ausgabe aus Japan ist sehr gut und sie ziert auch das originale Cover der Erstausgabe auf LP. Der Klang ist definitiv besser als bei des SBM (Super Bit Mapping) Ausgaben, aber nicht ganz so knackig in den Streichern wie bei der 1985 Ausgabe. Vielleicht hat auch mittlerweile das Masterband doch etwas in den Höhen nachgelassen, was sehr schade wäre …
    Ein Vorteil dieser Ausgabe ist auch die VÖ auf einer einzelnen CD.

    Eine absolut wichtige Platte in dem besten Mastering, dass derzeit (gebrauchte CDs nicht mitgerechnet) auf dem Markt ist !
    Wanda Landowska - The Complete Piano Recordings Wanda Landowska - The Complete Piano Recordings (CD)
    16.06.2015
    Booklet:
    4 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    4 von 5
    Künstlerische Qualität:
    5 von 5
    Repertoirewert:
    4 von 5

    faszinierend!

    Wanda Landowska ist in erster Linie als Wiederentdeckerin des Cembalos bekannt und in Erinnerung. Sie hat in Europa und USA eine Anzahl "unsterblicher" Aufnahmen (Bach Händel Scarlatti Rameau Couperin u.a.) gemacht, Unschätzbares für die Verbreitung des Cembalos getan und nachfolgende Generationen auf diesem lange vergessenen Tasteninstrument herangebildet.

    Wanda Landowska war aber auch eine wunderbare Pianistin (was bei Cembalisten äußerst selten ist - und umgekehrt!) mit eben der gleichen Phantasie, Virtuosität und dem Klangfarbensinn wie auf dem Cembalo - und natürlich der Meisterschaft der Agogik und Phrasierung! Sowohl für Klavier als auch Cembalo spielt sie einige Werke Mozarts und Haydns ein. Von Letzterem fehlen auf dem CD-Markt immer noch die drei Sonaten, die sie auf dem Cembalo eingespielt hat.

    Aber zumindest liegt nun die hier besprochene 3CD-Box von APR mit allen Klaviereinspielungen vor! Zwei Sonaten von J.Haydn samt einer grandiosen Lesart (allein diese Kunst der Triller und Verzierungen!) von Andante und Variationen f-moll. Den Löwenanteil der Box machen aber die Mozart-Einspielungen aus: Das Klavierkonzert Nr. 26 D-Dur und 6 Klaviersonaten samt Fantasie d-moll und Rondo a-moll.

    Die erste CD ist den HMV-Aufnahmen gewidmet, die zweite und dritte CD den RCA-Aufnahmen.

    Die CD-Transfers sind sehr gut. Das Klavierkonzert KV 537 ist ausgezeichnet remastert, die 4 Mozart Sonaten und a-moll Rondo der RCA sind auch in Japan in einer konkurrenzlos guten Produktion herausgekommen. Bei den "europäischen" Sonaten KV 332 und KV 576 ist mir die Biddulph-Überspielung etwas lieber, weil sie weniger scharf im Klang ist. Die Unterschiede bewegen sich aber allesamt in einem feinen Bereich und fallen so richtig nur im Direktvergleich auf

    Insgesamt lässt sich sagen, dass die Box für den Liebhaber unverzichtbar ist - schon wegen der drei Haydn-Einspielungen! Die Masterings überzeugen und angesichts dessen, das die Bidduph-CD (ASIN: B000009JQ5) und die Mozart Doppel-CD der RCA Japan (ASIN: B000J10DT8) doch sehr kostspielig sind, ist diese günstige Ausgabe von APR durchweg zu empfehlen!
    Symphonie Nr.8 Symphonie Nr.8 (CD)
    16.06.2015
    Gesamteindruck:
    3 von 5
    Klang:
    3 von 5
    Künstlerische Qualität:
    4 von 5
    Repertoirewert:
    4 von 5

    Zwei Seiten einer Medaille

    Böhms Kunst der Orchesterleitung ist unbestritten (auch wenn die Musiker ihn teilweise gehasst haben) und sein Verständnis für Bruckner ist tief und umfassend. Er war der erste Dirigent, der schon in den 30igern die Haas-Fassungen der 4ten und 5ten auf Schallplatte eingespielt hat.

    Seine Lesart der Achten ist durch und durch dramatisch, sinnlich, kraftvoll, vielseitig - keine Spur von der in späten Jahren im eigenen Betulichkeit oder trägen Tempi. Aber diese Achte ist auch ein wenig zu „sicher“, weniger suchend, sehnsüchtig, erschauernd oder visionär ...

    Bruckner das Werk zwar im absoluten Rausch und Zuversicht in sein kompositorisches Können geschrieben, aber es ging ihm nur einmal um das dezidierte Zeigen seines Könnens: In der fünften Sinfonie - und auch dort ist es die Form und der Inhalt, welche sein Können ausmachen.

    DIE ACHTE

    Die Achte wird auch die „Apokalyptische“ genannt, was das Visionäre dieses Hauptwerks gut beschreibt. Das Textheft der CD backt da kleinere Brötchen und versucht halbherzig und inkonsequent – und damit letztlich auch unverständlich – nachzuweisen, dass Bruckners verbale oder schriftliche Äußerungen zu diesem Werk Bedeutung hätten. Aber wozu das Ganze?
    Die Musik sagt ganz doch etwas anderes als „Deutscher Michel“ oder „Kaisertreffen“. Die Krone der Sinfonik (Hugo Wolf) ist nicht deskriptiv. Allein dias Wort von der „Totenuhr“ trifft etwas vom Kern …
    Die schönste Bemerkung Bruckners zur Achten, die sein vielschichtiges Wesen und seinen ganz und gar hintergründigen Humor aufzeigt, hat der Autor des Textes dann doch nicht gewagt zu vermerken: nämlich, dass Bruckner das Hauptthema zum Adagio während einer Zugfahrt beim tiefen Blick in die Augen einer schönen jungen Frau gekommen sei …

    KARL BÖHMS INTERPRETATION

    Karl Böhms Achte ist in der Seelengestalt näher bei Bruckners weltlichem als seinem himmlischen Gott – nämlich bei Richard Wagner. Die Dramatik, die Steigerungen, das Kalkulierte, die Klangliche Verfeinerung, die ganz Sinnlichkeit sind im Grunde alles Dinge, die wunderschön und musikalisch überzeugend sind, aber nicht das Wesen, den Kern dieses existenziellen, schmerzlichen und zutiefst verunsichernden Werks trifft.
    Der Kopfsatz mit seinen Sehnsüchtigen, Gebeten, Schocks und Todesahnungen, das zwanghafte Scherzo, in dem das Manische und das Depressive gleichzeitig fröhliche Urstände feiern mit seinem friedlichen Trio, das weltabgewandte Adagio das und wahrlich apokalyptische Finale mit seiner zutiefst schlüssigen Konzeption. Natürlich kann man da verkleinernd auch „reitende Kaiser“ sehen – das ist zumindest nicht mein Ding …
    Der letzte Satz der Fünften und der Achten sind die genialsten Finalkonstruktionen Bruckners. Schade, dass wir nicht wissen, wie das Finale der Neunten letztlich fertiggestellt hätte.

    Böhm „verkleinert“ nicht (wie das Textheft) diese großartige Sinfonie, aber er gibt doch sehr der Versuchung nach, das Wichtigste der Achten in den „physischen Qualitäten“ zu finden. Wem das jetzt etwas zu „sophisticated“ ist, der beschäftige sich mal etwas mit den Interpretationen von Knappertsbusch, Schuricht, Horenstein - oder Joseph Keilberth, dessen Biografie ich grade rezensiere …

    REMASTERING

    Die Wiener spielen wirklich wunderbar für Böhm. Allerdings leider diese Aufnahme ein wenig unter dem Remastering der DG. Ein wenig künstliches hat sich eingeschlichen, wohl durch das Original Image Bit Processing. Im f und ff (je lauter desto mehr) bekommt die Aufnahme durch Betonung bestimmter höherer Frequenzen etwas Scharfes, "Weißes" im Klang, besonders durch die Streicher. Es ist nicht gravierend, aber etwas unschön. Wie diese Aufnahme wirklich liebevoll remastert wohl klänge? Es gibt nun ja nun eine nonhybride (also nur auf SACD-Spieler abspielbare) japanische Überspielung, die meinem Erfahrungswert nach wohl eine „Neuentdeckung“ der Aufnahme bedeuten könnte!

    FAZIT

    Eine „schöne“ Bruckner Achte, nicht ganz optimal remastered., ein wichtiges Dokument von Böhms Kunst, eine Nachdenkens werte Alternative zu den „konventionellen“ Lesarten.
    Symphonien Nr.1-3 Symphonien Nr.1-3 (CD)
    16.06.2015
    Booklet:
    3 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    5 von 5
    Künstlerische Qualität:
    4 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    Von pauschal bis sehr inspiriert – und eine neue Fassung!

    Mit der 4-CD-Box mit der 4ten, 7ten und 9ten (mit aktuellster Version des „Carragan-Finale“), den Einzel-CDs Sinfonie Nr. 5 und Nr. 6, der Doppel-CD Sinfonie Nr. 8 und einer weiteren Einspielung der Finfonie Nr. 4 (mit dem sogenannten „Volksfest-Finale“) und der hier besprochenen 3-CD-Box der Sinfonien Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3 liegt ein kompletter Zyklus der offiziell gezählten Sinfonien Bruckners vor – also ohne die „Annullierte“ und die „Studiensinfonie“. Dem Dirigenten steht mit dem temporären handverlesenen Münchner Orchester Namens „Philharmonie Festiva“ ein gutes Ensemble zur Verfügung - ebenso in der Abtei Ebersbach ein erstaunlich sehr geeigneter (hohe Transparenz trotz Kirche!) Raum, den Aufnahmetechnik des Labels Profil für ein optimales Klangergebnis genutzt hat.

    Hier die verwendeten bemerkenswerten Fassungen, die bis jetzt selten eingespielt wurden. Im Falle der Dritten handelt es sich um eine Ersteinspielung. Schon allein die Verwendung dieser Fassungen macht die Box zu einer wichtigen Veröffentlichung:

    Sinfonie Nr. 1 c-moll WAB 101 („Linzer“ Fassung, unüberarbeitet 1966, Einrichtung: W.Carragan 1998) (live Juli 2011)

    Sinfonie Nr. 2 c-moll WAB 102 (Urfassung 1872, Ed.: W.Carragan) (live Juli 2011)

    Sinfonie Nr. 3 d-moll WAB 103 (Fassung 1874, Ed.: W.Carragan <unveröffentlicht>) ( live Juli 2011)

    Nun in kürze die Sinfonien im Einzelnen (versehen mit differenzierter Sternchen-„Einzelschätzung“.

    DIE ERSTE *** (für die verwendete Fassung wie bei allen drei Sinfonien *****)

    Über die Verwendung der „Linzer Fassung“ von 1866 ohne Zutaten aus den späteren Jahren bin ich sehr glücklich. Diese sollte heute wirklich jeder Dirigent, der diese Sinfonie als das ursprüngliche „kecke Beserl“ aufführen möchte, verwenden! Die hochinteressante „Wiener Fassung“ von 1890 verändert den offiziellen Sinfonien-Erstling (besonders auch geistig) stark und alle kleinen Veränderungen, die Bruckner nach der Entstehung 1866 vorgenommen hat (schon ab 1869) und die stillschweigend immer noch als „Linzer Fassung“ gelten, gehen schon tendenziell - wenn auch noch nicht instrumentatorisch, so aber doch harmonisch - schon in die ganz andere Welt der späten Fassung.

    Gerd Schaller zeigt sich in der Ersten wie auch den anderen beiden Sinfonien als Dirigent eher gemäßigter bis sogar breiter Tempi, was auch an der (auf der Aufnahme kaum spürbaren oder gar störenden) Kirchenakustik liegen mag. Da diese aber nur dezent zu hören ist, wirken die Tempi m.E. etwas zu breit – eigentlich eher der späten Wiener Fassung angemessen. Im Scherzo ist der von Bruckner beabsichtigte Tempowandel schon für jedermann an den Hauptangaben ersichtlich: aus „schnell wird „lebhaft“, und im Trio wird aus „langsamer“ nur noch „langsam“. Auch im Notentext wird immer wieder z.B. aus einem „mit vollster Kraft. Verzögernd“ (Buchstabe C) nur ein „langsam“ (in der Wiener Fassung Buchstabe F) usw. Schallers Tempi tendieren per se zur Wiener Fassung, was angesichts der Verwendung der endlich gereinigten 1866-Fassung natürlich kontraproduktiv ist und das Besondere bzw. den „Sinn“ der Komposition wieder verschleiert. Schade …

    Es sind aber nicht nur die Tempi als solches. Das wahrlich sprunghaft phantastische des Kopfsatzes, das zarte des Adagios, der Biss des Scherzos und das komplexe Finale in all seinen Herausforderungen an Schattierungen, Farben und besonders gegen Ende auch an Visionen kommt einfach zu wenig plastisch, zu undifferenziert, woran auch eine nicht sorgfältig genug abgestufte Dynamik maßgeblich mit beteiligt ist. Wie gesagt: vielleicht ist manches ein Ergebnis der Akustik, aber dieses Wissen ist nicht hilfreich, um das Stück deshalb nun „frischer“ zu erleben. Denn besonders das Lebendige und Frische fehlt dieser Aufnahme. Schade …

    Trotz dieser Mankos hört man natürlich eine Unzahl von Kleinigkeiten und ein paar Auffälligkeiten, die diese Einspielung neben der leider noch breiter agierenden Aufnahme mit Tintner als wichtig erscheinen lassen. Die „jugendliche“ (naja – Bruckner war bereits 42 Jahre alt!) Erstfassung ist bei Venzago und Steinäcker mit mehr Akzenten, mehr Drang, mehr stürmischem Feuer, härteren Akzente, auch einer angemessen kleineren Besetzung und oftmals luftigeren Klänge besser getroffen. Schade, dass diese beiden Dirigenten nicht diese Carragan-Ausgabe für ihre Einspielungen verwendet haben.

    DIE ZWEITE *****

    Diese Zweite hier ist meiner Empfindung nach die interpretatorisch am besten gelungene Einspielung dieser Box und ebenfalls wichtig wegen der Verwendung der ersten Fassung in der Carragan-Ausgabe, die bis jetzt auch noch nicht allzu oft auf Tonträger festgehalten ist - nämlich lediglich von Tintner, Young und Blomstedt.

    Auch in der Zweiten (wie in allen drei Sinfonien hier) hält sich Schaller im Umgang mit den Tempi nicht wirklich an Bruckners Angaben. Bei der Ersten wie der Zweiten favorisiert Bruckner in der Erstfassung zügigere bis schnelle, in der zweiten Fassung eher gemäßigte bis langsame Tempi. Hier sind die Änderungen der hier eingespielten Erstfassung von 1872 zur zweiten Fassung von 1977:

    Kopfsatz: Aus „Allegro. Ziemlich schnell“ wird „Moderato“, also gemäßigt.

    Scherzo (mit langsamen Satz vertauscht): Aus „schnell“ wird „mäßig schnell“.

    Langsamer Satz (mit Scherzo vertauscht): Aus „Adagio. Feierlich, etwas bewegt“ wird „Andante. Feierlich etwas bewegt“

    Nur das „Finale. Mehr schnell“ des Finales bleibt bestehen.

    Das thematische Material und Konzept der Zweiten verträgt das breitere Zeitmaß allerdings deutlich besser als die Erstfassung der Ersten. So gesehen hat Schaller da „Glück“.
    Im ersten Satz überwiegt das melancholisch lyrische Element, der zweite Satz (aus einem Guss) gerät ganz großartig zu einem meditativen Gebet und das Finale fasziniert durch die durch die Rekonstruktion der Urfassung neu erschlossenen Kompositionsteile, die teilweise verstörend modern klingen. Da hört man schon Hans Rott und Gustav Mahler …

    Die Zweite (im Grunde Bruckners vierte Sinfonie!) ist ein weit unterschätztes Werk und liegt hier in einer absolut überzeugenden Einspielung vor. Das letzte Wort ist aber bezüglich der Tempi und somit der Gesamtaussage noch nicht gesprochen . . .

    DIE DRITTE ****

    Die Dritte in der Fassung von 1874 gibt es bis jetzt nur in dieser Einspielung zu hören. Diese unbekannte vierte Fassung ist niemals veröffentlicht worden, denn sie ist im Grunde eine Zwischenstation Bruckners und somit ein Konstrukt. Die Dritte war die erste der Sinfonien Bruckners, anhand der ein Musikliebhaber schon in den 60ziger Jahren im Konzert hören konnte, was das Wort „Fassung“ bei diesem Komponisten bedeutet. Von der Dritten gab es (bis jetzt) drei bekannte Fassungen plus ein in den 70zigern entdecktes Adagio.

    DE VIERTE FASSUNG und ein absolut INNOVATIVES HÖREN

    Jetzt also eine vierte Fassung, die ebenso wie das zusätzliche Adagio aus vorhandenem Notenmaterial rekonstruiert wurde. Der „normale“ Hörer, der die im Konzert gespielten Werke genau kennt, wird nun noch mehr verwirrt. Das wäre eine negative Formulierung. Man kann es aber auch ganz anders sehen:

    Wer die verschiedenen Fassungen dieser Sinfonie immer wieder „durcheinander“ hört, bekommt beim „Fernhören“ (also ohne akustische Quelle) eine Unzahl von Wahlmöglichkeiten, an Schnittstellen anders „abzubiegen“. Die Erinnerungen im Kopf bekommen keine feste Struktur, sondern es entsteht dort so etwas wie ein spezielles „Kompositionsstadium“.

    Denn die verschiedenen Fassungen variieren neben Taktzahlen und neuen Ideen bzw. anderer Verarbeitung der alten Einfälle in der Instrumentation, Struktur, Gegenstimmen, Phrasen, Perioden und die Gesamtaussage des Werks. Somit hat Bruckner - wohl unbeabsichtigt - dem Werk und dem Hörer die Möglichkeit gegeben, dass lange noch nach seinem Tod durch das changieren der Fassungen ein Prozess stattfindet, sich selbstständig zu entwickeln. Das hat es bis jetzt noch nicht gegeben und somit hat Bruckner etwas „erfunden“, das einzigartig und innovativer als viele Bestrebungen von ganzheitlich und großdimensioniert denkender moderner Komponisten ist.

    Konkret sind die Abänderungen gegenüber der dritten Fassung von 1873 besondere im ersten, zweiten und vierten Satz zu hören – oft im Aufbau der Perioden und der Länge der Phrasen.

    Die Interpretation ist solide, aufmerksam und schafft auch ein klares Profil der Themen und Blöcke. Mit persönlich fehlt es etwas an Atmosphäre, aber die herzustellen und innerlich logisch zusammenzufügen, ist in der Dritten anscheinend ganz besonders schwer. Hilfreich wären da vielleicht etwas flexiblere Tempi gewesen (so wie eigentlich gefordert) und eine noch konsequentere Abstufung der Dynamik.

    Eine Stelle möchte ich ganz besonders hervorheben, weil es einfach sehr gut gelungen ist:
    Der gleichzeitig mit einer Polka gespielte Choral im Seitenthema ist optimal herausgestellt, so gut konnte ich das noch nie hören. Norrington und andere meinen, dass sich diese Durchsichtigkeit an der Notwendigkeit, diesen Abschnitt wesentlich schneller zu spielen, festmachen würde - was hier Schaller aber überzeugend widerlegt!

    FAZIT

    Diese CD-Box ist den Kauf schon allein wegen der Verwendung der kritischen Ausgaben und der Fassungen wert. Interpretatorisch bewegen sich die Einspielungen auf hohem Niveau: in der Ersten nicht ganz werkimmanent, in der Zweiten absolut überzeugend.
    Wer sich mit Bruckner ernsthaft beschäftigt und wen besonders die Frage der Fassungen bewegt, der sollte unbedingt zugreifen. Einer der von mir vergebenen vier Sterne ist eindeutig den verwendeten Fassungen geschuldet.
    Symphonie Nr.4 Symphonie Nr.4 (SACD)
    29.05.2015
    Booklet:
    5 von 5
    Gesamteindruck:
    5 von 5
    Klang:
    5 von 5
    Künstlerische Qualität:
    5 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    faszinierend und nachdenkenswert . . .

    Es gibt bei den deutlich überarbeiteten Bruckner Sinfonien 1, 2, 3, 4 und 8 auch immer zusätzlich einen "Wandel des Konzepts" (Manfred Wagner) - wodurch die Werke zwar thematisch und in der Wiedererkennung, aber kaum mehr im Gesamten miteinander vergleichbar sind.

    Ob die 1888er Fassung der Vierten "reiner" Bruckner ist, kann (könnte!) die Musikwissenschaft noch eindeutiger klären - wenn man sich die Mühe machte und mal Jahrzehnte alte Vorurteile fallen ließe ... Zu der Entstehung dieser Fassung steht im Textheft viel Interessantes und auch prinzipiell Nachdenkeswertes - das allein ist schon wertvoll für den an Bruckner ernsthaft interessierte Hörer!

    Das für den Kenner Ungewohnte an der 1888er Fassung ist nicht in der Art der mehr als offensichtlichen mutwilligen und grob entstellenden Eingriffe Schalks und anderer in der z.B. 4ten, 5ten und 9ten (zu hören Sinfonien auf CD bei einigen Aufführungen z.B. mit Knappertsbusch). Die Absicht einer Veränderung, Verharmlosung oder "Wagnerisierung" kann ich nicht feststellen.

    Die Aufführung selbst ist äußerst gelungen und sehr gut aufgenommen: Ein ausgezeichnetes Orchester und ein Dirigent, der Bruckner "kann" (ebenso wie bei der CD mit der 3ten Bruckner) und weiß was er tut! Eine unbedingt hörenswerte CD - und wichtig für die Bruckner Rezeption!
    Symphonie Nr.7 Symphonie Nr.7 (CD)
    29.05.2015
    Booklet:
    3 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    4 von 5
    Künstlerische Qualität:
    5 von 5
    Repertoirewert:
    4 von 5

    eine ganz große Aufnahme

    Vor ca. 38 Jahren hatte ich die Aufnahme der Siebten von Bruckner mit Oswald Kabasta im Radio gehört und so fand ich meinen Zugang zu diesem Werk. Auch heute noch ergreift mich diese Aufzeichnung von 1942 aus dem Saal des Deutschen Museums in München zutiefst... Zudem haben die Tontechniker ein kleines Wunder an perfekter Orchesterbalance vollbracht.

    Natürlich gibt es viele Möglichkeiten der Interpretation und unter meinen ca. 30 Einspielungen der Siebten sind ein paar, die in bestimmten Aspekten unübertrefflich sind. Kabasta gelingt aber etwas, das ich in der Summe der Teile so nie mehr gehört habe: ein untrügliches Gefühl für Aufbau und Proportionen, ein nie abreißender musikalischer Strom, klangliche Sinnlichkeit, ein traumhaftes Ensemblespiel mit tiefem Verständnis für die Musik und mit berührenden Einzelleistungen (Flöte im Adagio), nichts Aufgesetztes im Ausdruck, aber immer Intensität (was ja nicht immer Brio bedeuten muss!), zielgrichtete Stringenz, die nie absichtsvoll wirkt, ein starkes rhythmisches Element - an manchen Stellen elementar wie bei Furtwängler, ohne das "Körperliche" je als Selbstzweck dient.
    Das Beachtlichste ist für mich aber die Gesamtanlage: Die Siebte ist hier ganz und gar "menschlich" - womit ich meine, dass es keine "Lastigkeit" in irgendweine Richtung gibt. So ist das Werk frei von bedrückend Katholischem, hat auch mal Humor, unbändige Beschwingtheit im Scherzo und nicht Steifes in dem so schwer zu gestaltendes Finale. Diese Siebte ermüdet in keinem Augenblick.
    Und ich habe die Münchner Philharmoniker niemals überzeugender Bruckner spielten gehört (und gleichwertig nur noch in der Aufnahme der Neunten mit Sigmund von Hausegger von 1938), was ich besonders in musikalisch erfüllter und hingebungsvoller Hinsicht meine.

    Eine ganz starke Empfehlung für Hörer, welche noch nicht ganz warm mit der Siebte geworden sind und / oder diese "neu" entdecken möchten. Das (natürlich historische) monaurale Klangbild ist sehr respektabel und die Durchsichtigkeit der Stimmen erstaunlich.
    Symphonie Nr.1 Symphonie Nr.1 (CD)
    01.05.2015
    Booklet:
    3 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    4 von 5
    Künstlerische Qualität:
    4 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    TONDICHTUNG versus SYMPHONIE

    Vorneweg: Wenn es (abgesehen von der vergriffenen großartigen Aufnahme mit Wyn Morris) ernsthafte Konkurrenz an Einspielungen des "Titan" von 1893 zu Hengelbrock gäbe, hätte diese Einspielung von mir „nur“ 4 Sterne erhalten. Viel Erfreuliches und Hoffnungsvolles stehen neben Unerfülltem und leider zu wenig textlich exakter Informationen angesichts der Erstaufnahme der „Neuen kritischen Gesamtausgabe“.

    KEINE SINFONIE, SONDERN TONDICHTUNG

    Wenn man die CD in den Händen hält, fällt als erstes gleich ein Ungereimt auf. Da steht geschrieben:

    - Mahler Sinfonie No.1 "Titan" Version Hamburg 1893 -

    Das stimmt so keineswegs. Das erste große rein sinfonische Werk Mahlers heißt in der Version von 1893 im Untertitel "Eine Tondichtung in Symphonieform". Es ist hier NICHT die erste Sinfonie eingespielt, auch wenn RÜCKWIRKEND gesehen das Notenmaterial zum großen Teil identisch ist. Viele Details und Konzeptionelles der Tondichtung hat Mahler in der „Weiterbildung“ zur ersten Sinfonie verändert: Instrumentierung, Besetzung, Artikulation, Dynamik, Tempi, Einfügen von Wiederholungen (was im Kopfsatz das Vorhandensein einer hauptsonatensatzmäßigen Exposition verdeutlichen sollte), einfügen neuer Nebenstimmen usw., aber auch das Streichen eine ganzen Satzes, was das Werk prinzipiell verändert.

    VERGLEICHSEINSPIELUNGEN

    Ich ziehe zum Schreiben dieser Rezension vier weitere Einspielungen der Fassung von 1893 heran, die ich hier im Wesentlichen kurz kommentieren möchte:

    Wyn Morris / New Philharmonia Orchestra (ASIN: B00008ETZK)
    Eine großartige Einspielung, der unbedingt eine ordentliche wertschätzende Wiederveröffentlichung zu wünschen wäre! In Sachen Feuer und Vision unerreicht!

    Antony Hermus / Philharmonisches Orchester Hagen (ASIN: B007LLIAIU)
    Eine Aufnahme mit ganz eigenem Reiz, natürlich in erster Linie eher wegen Hans Rotts „Suite für Orchester E-Dur“ ein Muss.

    Szolt Hamar / Pannon Philharmonic Orchestra (da ist „1893 Weimar“ angegeben) (ASIN: B0009292FI)
    Sehr trockenes klares Klangbild, ein hoffnungsvoller differenzierter Anfang, aber letztlich m.E. doch blass im Dirigat und Orchesterspiel (z.B. kreuzbraven Trompeten).

    Jan Willem de Vriend / The Netherlands Symphony Orchestra (ASIN: B00303WQE2)
    Sehr weit entferntes Klangbild, daher die Streicher teilweise etwas schwach. Eine Aufnahmen mit Meriten, auch durch das Orchesterspiel, aber auch mit

    Die Einspielung mit Ruud habe ich aus klanglichen Gründen nicht berücksichtigt, Neuhold kenne ich nicht und Förster verwendet zumindest nicht die Fassung von 1893. Die „hybriden“ Einspielungen der 1. Sinfonie mit hinzugefügtem „Blumine“-Satz (Ormandy, Mehta, Norington u.a.) sind nicht berücksichtigt.

    EIN PAAR UNTERSCHIEDE DER TONDICHTUNG UND DER SINFONIE

    Ich spreche jetzt hier weiter im Text von TONDICHTUNG und SINFONIE, um die beiden Fassungen zu unterscheiden.

    Es geht schon mit dem allerersten Ton los: Die Fassung von 1893 beginnt mit dem frühlingszarten morgendlichen „ewigen a“ noch nicht ausschließlich im Flageolett. Dann erscheint ein überzeugendes Blechbläser-Fernorchester (welches eine komplett neue zusätzliche Klangebene öffnet), das Hauptthema (das Lied „ging heut Morgen übers Feld“ ist darin verarbeitet) wird nicht wiederholt, was ich als die weitreichendste Abweichung von der Sinfonie finde: So fügt sich dieses Thema in den Reigen der Klangereignisse und Themen ein und wird nicht übermäßig betont, was in der Sinfonie für Mahler ungewöhnlich wie mit dem Zeigefinger wirkt und in der Sinfonie retardierend wirkt. In der Tondichtung hat der Satz einen ganz natürlichen erzählerischen Fluss.
    Ansonsten gibt es in Mahlers Sinfonien nur im Kopfsatz der Sechsten eine Wiederholung der Exposition, was dort wesentlich besser passt, denn dort gibt es einen ganz klar gegliederten „klassischen“ Sonatenhauptsatz und die Sonatenform ist u.a. auch Gegenstand der Aussage des Werks.

    Apropos retardierend: Als Grund der Eliminierung des zweiten Satzes „Blumine“ durch Mahler wird meist angegeben, dass der Komponist diesen Satz als „zu leichtgewichtig“ für die Sinfonie empfunden hätte. Das „Schwärmerische“ des Satzes mag ein Grund sein, aber wenn es für Mahler so klar gewesen wäre, dann hätte er sich nur EINMAL und nicht zweimal hin und her entscheiden zu brauchen. Denn auf der anderen Seite besteht ein starker Bezug dieses Satzes zum Gesangsthema des Finales. Dort erscheint in gereifter Form, quasi dem kindlichen Frühling entwachsen und durch Leid verwandelt ein Teil daraus.
    Vielleicht ist die letztliche Streichung der „Blumine“ in der Sinfonie auch aus dramaturgischen Gründen erfolgt: Der erste Satz beginnt ja äußerst verhalten aus dem Nichts und endet (in der Tat dort schon „unter vollen Segeln“) mit einem stürmischen Ausbruch, der eine äußerst stimmige Fortführung der beschwingten Stimmung im „Ländler-Scherzo“ findet. Diesen Bogen bremst der „Blumine“-Satz tatsächlich komplett aus: Bei einer Tondichtung ins epische Format passend, bei einer Sinfonie doch eher störend. Die Entscheidung fiel Mahler bestimmt nicht leicht, auch weil durch die Eliminierung der „Blumine“ das Gegengewicht der ersten (1.2.3.Satz) zur zweiten (4.5.Satz) Abtheilung und somit die grundsätzliche Zweiteilung (Grundstimmung, Aussage) des Werks empfindlich gestört wurde.

    Im Ländler-Scherzo gibt es noch keine Wiederholung der ersten 43 Takte wie in der Sinfonie.

    Beim ersten Satz der zweiten Abtheilung („Todtenmarsch in Callots Manier“) sind die Abweichungen von der Sinfonie zur Tondichtung vielleicht am unscheinbarsten.

    Das Finale „Dall'Inferno“ weist wieder mehr Unterscheide auf: Stimmverläufe, Nebenstimmen, Dynamik. Es gibt ein zwei Stellen, die in der Sinfonie geschickter und mit dichterer Textur gelöst wurden, aber ebenso umgekehrt übezeugende andere Lösungen. Die Schlusssteigerung ist etwas „heroischer“ als in der Sinfonie, in der mehr leerlaufende Hohlheit oder Hysterie zu spüren ist.

    Insgesamt kann man über Mahler in mehrerer Hinsicht staunen. Die TONDICHTUNG hat an manchen Stellen noch etwas von der Welt der Kantate „Das klagende Lied“. So sind viele Besonderheiten des Werks, welche in der Sinfonie nicht ganz plausibel sind (eben z.B. woher das so sehr „erinnernde“ Gesangsthema stammt) nun völlig klar. Die Proportionen sind für eine mehrsätzige Tondichtung perfekt, die Gesamtaussage m.E. noch beeindruckender und überzeugender als in der Sinfonie. Die SINFONIE wiederum bietet noch mehr Raffinesse und ist „klassischer“ – eben tatsächlich in eine Sinfonie gewandelt. Die Souveränität des mittlerweile erworbenen Handwerkzeugs ist einmalig. Aber es ist auch unglaublich, wie sehr sich Mahler in seinen späten Jahren (die letzte Überarbeitung stammt von 1910 – ein Jahr vor dem Tod des Komponisten) bei den mehrmaligen Veränderungen in das jugendliche Werk hinein gefühlt hat.

    Insgesamt möchte ich bei aller Liebe zur SINFONIE (so habe ich Mahler überhaupt kennen und lieben gelernt – als Decca Eclipse LP mit Kubelik und dem WPO von 1954) sagen, dass die TONDICHTUNG letztlich vielleicht noch einen Tick überzeugender und schlüssiger angelegt ist. Nun – ich möchte beide nicht missen …

    DIE AUFNAHME - DIRIGAT UND ORCHESTER

    Dirigat und Orchesterspiel scheinen gut zu harmonieren: Sehr sorgsam im Detail, alle Extreme meidend. Shcon im Kopfsatz kommt die Klanglichkeit des NDR S.O. gut zum Tragen: Farbig, durchsichtig, ein wenig spröde mit nicht allzu großen Möglichkeiten in der Dynamik. Das Orchester befolgt aber äußerst genau die wohl seriös erprobte Artikulation und Agogik. Was die Streicher und auch Bläser im Ländler-Scherzo da gemeinsam an Raffinesse und Schwung erzeugen macht Laune. Das Gesangsthema im Finale ist ungemein sprechend, fast schon wie eine orchestrale Arie. Da spüre ich das besondere Gespür des Dirigenten, der Musik als Klangrede sieht.

    Überhaupt: die leichte Sprödigkeit, das Zügige und dennoch sehr Genaue der Einspielung passt absolut zusammen. Manchmal gibt es auch ganz glückhafte Ausbrüche, die fast spontan wirken *g*

    Die Trompete in „Blumine“ spielt mit reichem Ton, aber sehr deutsch verhalten. Insgesamt hätte ich mir etwas mehr (Klang)Zauber (auch im Pianissimo) in diesem sehr vielseitigen Satz gewünscht. Doch Hengelbrock richtet (mit zügigem Tempo) das Hauptaugenmerk stark auf die Struktur und Thematik, was auch überzeugend gelingt. Wieder gibt es ein „Fragezeichen“ im letzten Takt: Gehört das sonst zu hörende Harfen-Arpeggio nun dorthin oder nicht? Bei Hengelbrock ist es nicht zu hören … Schade, dass die Partitur der neuen kritischen Ausgabe noch nicht zu kaufen ist.

    Der dritte Satz der Tondichtung (in der Sinfonie der zweite) ist das Ländler-Scherzo. In der Aufnahme von mit de Vriend beginnen die Celli und Bässe MIT PAUKEN (was ich so noch nicht kannte), bei Hengelbrock ohne diese. Eine der Stellen, an denen im Text mal ein konkreter Hinweis angebracht gewesen wäre.

    Erfreulich ist, dass die erste und zweite „Abtheilung“ durch eine kleine Pause getrennt ist. Immerhin liegen zwischen beiden gefühlt vergangene Jahre oder gar Jahrzehnte!

    Der vierte (in der Sinfonie dritte) Satz – hier bezeichnet mit „Gestrandet! Todtenmarsch in Callots Manier“ ist in sehr zügigem, aber nicht verhetztem Tempo gehalten. Vielleicht ein wenig hanseatisch unterkühlt, aber dafür sehr deutlich und klar … Und diese Klarheit, welche die gesamte Aufnahme durchzieht, ist auch der große Vorteil der Einspielung!

    Das Finale „Dall'Inferno“ lässt dann aber doch (wie auch bei den meisten neueren Einspielungen der Sinfonie) die letzte Entäußerung vermissen. Da wird bei Walter / NYP, Horenstein / LSO, Ancerl und einigen anderen Altmeistern schlicht um das Leben gespielt.

    ABER: Endlich gibt es eine Aufnahme der Fassung von 1893 in der 1) neuen kritischen Ausgabe, bei der man wenn die Partitur erhältlich ist, 2) so gut wie alles klar mit verfolgen und hören kann. Nichts ist unpassend, unüberlegt, auch klanglich ist Mahler getroffen (das Wort „Mahler-Sound“ mag ich gar nicht), nur der letzte Funke fehlt mir persönlich im Finale. Aber den kann man ja – wenn die 1893ziger-Fassung mal ganz im Kopf ist - dann selbst hinzufügen.

    VERWENDUNG DER NEUEN KRITISCHEN GESAMTAUSGABE

    Schön, dass Hengelbrock die neue kritische Ausgabe des „Titan“ für seine Einspielung verwendet. Schade ist (da die Partitur ja noch nicht zum Verkauf angeboten ist), dass das Textheft so vage bleibt in den Besonderheiten. Ich denke, dass viele der Käufer dieser CD schon in die Materie eingetaucht sind und zumindest an den auffälligen Stellen, die von anderen Einspielungen der 1893er-Fassung (es gibt mindestens schon sieben!) abweichen, informiert sein möchten.

    KLANG DER AUFNAHME

    Der Klang der Aufnahme ist sehr ordentlich, nicht zu weit entfernt wie bei de Vriend oder dumpf undifferenziert wie bei Ole Kristian Ruud oder strohtrocken wie bei Szolt Hamar. Die Balance der Stimmen ist gut eingefangen. Nur wenig Nebenstimmen oder Klangereignisse sind unterbelichtet..

    FAZIT

    Für den an Mahlers Entwicklung Interessierten und den, der bei der Ersten schon immer das Phantastische und Epische geschätzt hat, unverzichtbar! Auch für den Glücklichen, der die Wyn Morris Einspielung sein eigen nennt, würde ich Hengelbrock zusätzlich empfehlen. Allein schon wegen des Klangs der Aufnahme und der so gewissenhaft umgesetzten Umsetzung der „Neuen kritischen Gesamtausgabe“.
    Georg Solti - Soltissimo 4 Georg Solti - Soltissimo 4 (CD)
    01.05.2015
    Booklet:
    3 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    4 von 5
    Künstlerische Qualität:
    4 von 5
    Repertoirewert:
    4 von 5

    klangliche Verbesserung der digitalen Solti Aufnahmen

    Georg Solti und das Chicago Symphony Orchestra – das ist eine ca. 30 Jahre währende Erfolgsgeschichte, die in vielen Schallplatten-Einspielungen dokumentiert ist. Bis auf das Verdi-Requiem (RCA) sind alle diese Platten beim Label Decca entstanden, dem Solti Zeit seines Lebens treu blieb.
    Solti ist als Dirigent nicht unumstritten.. UN-bestreitbaren Vorzügen wie Stringenz, Kraft, Strukturbewusstsein und Klarheit (viele davon erreichen aber per se seine hervorragenden Orchester in London und besonders das CSO) stehen einer gewissen Fahrigkeit, Grobheit und manchmal auch wenig Poesie und Klangsinn (Streicher!) gegenüber.
    Decca unterstreicht in seiner Klangphilosophie einer eher direkten Tonabnahme mit viel Mikrophonen noch zusätzlich das tendenziell Harte und Spitze seines Dirigats. Natürlich gibt es besonders bei „Soltissimo 2“ aber auch den beiden Folge-Boxen durchaus einige Aufnahmen, die – Gott sei Dank – nichts oder kaum etwas von den unschöneren Seiten zeigen. An manches muss man sich bestimmt auch ganz individuell erst mal gewöhnen. So hat es bei mir z.B. lange gedauert, bis ich dem späteren digitalen Beethovenzyklus (den frühen habe ich schon vor 30 Jahren kennengelernt) etwas abgewinnen konnte.

    ÜBERBLICK ÜBER DIE DREI BEREITS ERSCHIENENEN BOXEN

    Die Box „Soltissimo 2“ ist den analogen Aufnahmen 1970 bis 1979 gewidmet, „Soltissimo 3“ den digitalen Einspielungen von 1980 bis 1989 und „Soltissimo 4“ den restlichen von 1990 bis 1997.

    Alle drei bisher erschienenen Boxen enthalten ca. zwei Drittel CSO-Aufnahmen und ein Drittel andere, zumeist Londoner Produktionen (z.B. viel Haydn und Elgar). Jetzt stehen noch die Opern als Box aus (wenn das überhaupt geplant ist), auf jeden Fall wohl eine Zusammenfassung aller frühen Einspielungen bis 1969, die meisten davon aus London (und nichts aus Chicago, weil Solti dort noch nicht für Platte dirigierte)

    „Soltissimo 2“ ist meine Erachtens ein unbedingtes Muss für Menschen, die auf das ganz Besondere der Orchesterqualität des CSO hören. 98% der Analog-Digital-Transfers sind deutlich besser als das, was wir hier von Decca und Europa und USA zu hören bekamen. Zudem sind die Aufführungen die Spannendsten, das kann man im Groben so durchaus sagen.

    DAS BESONDERE DER NEUEN DIGITAL-DIGITAL-TRANSFERS der Boxen „Soltissimo 3“ und „Soltissimo 4“

    Was ich in dieser Deutlichkeit nicht für möglich gehalten hätte: Auch wenn die Originale ja allesamt schon digital sind, so unterscheiden sich die Hörergebnisse der hier besprochenen koreanischen Transfers zumeist deutlich von allen anderen erhältlichen Ausgaben in Europa und USA.
    Ich habe ja eben die Aufnahmetechnik / Philosophie von Decca angesprochen, welche tendenziell eher isolierte Schall-Ereignisse zeigt und weniger ein homogenes Ganzes. Dies ist bei den koreanischen Transfers oftmals angenehm abgemildert. Es ist auffällig mehr Raumtiefe zu hören, welche schon per se einen homogeneren Klang erzeugt. Der Klangeindruck ist dunkler (Decca-Aufnahmen klingen ja im Mitten- und Höhenbereich sehr hell) und die hohen Streichen klingen runder und mehr als Klangkörper, nicht als wenige einzelne Geigen. Das halte ich für eine große Verbesserung der Aufnahmen - erreicht durch bessere Auflösung oder was auch immer… Übrigens sind auch die Bässe klarer und stabiler.
    Das kann natürlich nicht verhindern, dass an sich schon schlecht klingende Aufnahmen auch hier schlecht klingen - z.B. die Bruckner Dritte.

    AUSSTATTUNG UND AUFMACHUNG

    Die Boxen 3 und 4 haben die gleiche Ausstattung wie „Soltissimo 2“. Ein großen Textheft mit viel koreanisch, aber allen wichtigen Produktionsangaben wie Spielzeiten, Datum, Ort und Techniker. Eine kleine englische Einführung zu Solti, und am Ende des Hefts wieder eine Auflistung nach Komponisten zum Auffinden und zusätzlich eine Liste der Opern-Produktionen Soltis dieser Jahre. Die Komponisten-Liste ist nicht unwichtig, da die CDs chronologisch nach der Produktion bzw. VÖ geordnet sind. Die originalen Cover sind „asiatisch kräftig“ in den Farben geraten (aber OK), die Hüllen-Kartons genügend stabil und die CDs befinden sich in extra Cellophan-Folien wie ehedem bei japanischen LP-Pressungen.

    Da ich alle drei Boxen habe, habe ich mir eine andere Ordnung erstellt: die CDO-Aufnahmen in den Boxen „2“ (Bach-Haydn) und „3“ (Liszt-Wagner + die wenigen gemischten CDs) und die anderen Orchester in der Box „4“ ebenfalls Alphabetisch plus die Gemischten. So finde ich wesentlich schneller, was ich suche.
    Die Kartons der Boxen sind allesamt äußerst stabil.

    Einzige Überlegung ist die Sache mit Texten bzw. Textheften, wenn die Aufnahmen in der persönlichen Sammlung schon vorhanden sind. Da fehlt hier natürlich bis auf den originalen Abdruck der Rückseiten natürlich wieder mal alles… Ansonsten kann man bei den Boxen „3“ und „4“ alle (!) bisherigen Transfers unter klanglichen Gesichtspunkten getrost ausmustern. Bei der Box „2“ gab es ja ein paar alternative CDs, die es zu behalten gilt.

    Übrigens scheint alles vollständig zu sein bis auf die Aufnahme des Musicals (oder wie man das immer nennen mag) „Final Alice“ von David del Tredici. Das gibt es als Einzel-CD bei Eloquence Australia.

    - - - - - -

    SOLTISSIMO 3

    „Soltissimo 3“

    Hier die Zusammenstellung der einzelnen Titel der 57 CDs, die ja noch nirgends bei Amazon aufgeführt sind (von Tower-Records unbearbeitet übernommen). Ich versehe in einer ganz persönlichen spontanen Wertung einige der mir gut bekannten Aufnahmen mit Sternen:

    *** CD 01 BRUCKNER: Symphony No.5 in B-flat major

    ** CD 02~03 MAHLER: Symphony No.2 in C minor 》Auferstehung《

    *** CD 04 MUSSORGSKY: Pictures at an Exhibition/RAVEL: Le Tombeau De Couperin

    **** CD 05 BARTOK: Concerto For Orchestra Sz.116, Dance Suite Sz.77

    **** CD 06 BRUCKNER: Symphony No.4 in E-flat major 》Die Romantische《

    CD 07 HAYDN: Symphony No.96 in D major 》The Miracle《, No.101 in D major 》Die Uhr《

    CD 08 TIPPETT: Symphony No.4, Suite for the Birthday of Prince Charles

    CD 09 SCHUBERT: Symphony No.9 in C major D.944 》Die Grosse《

    CD 10 HAYDN: Symphony No.102 in B-flat major, No.103 in E-flat major 》Mit dem Paukenwirbel《

    *** CD 11~12 BERLIOZ: La Damnation de Faust op.24

    *** CD 13~14 HAYDN: Die Schopfung Hob.XXI:2

    **** CD 15 PROKOFIEV: Romeo and Juliet op.64 - Excerpts, Symphony No.1 op.25 》Classical《

    *** CD 16 MOZART: Symphony No.38 in D major K.504 》Prague《, No.39 in E-flat major K.543

    **** CD 17~18 MAHLER: Symphony No.9 in D major

    CD 19 WAGNER: Der Ring Des Nibelungen - Orchestral Excerpts

    *** CD 20~21 MAHLER: Symphony No.3 in D minor

    CD 22 BARTOK: Sonata For Two Pianos And Percussion Sz.110, Piano Concerto No.1 Sz.83

    **** CD 23 DVO?AK: Symphony No.9 in E minor op.95 》Aus der neuen Welt《

    **** CD 24 MAHLER: Symphony No.4 in G major

    **** CD 25 MAHLER: Symphony No.1 in D major

    CD 26 BERG: Violin Concerto/BARTOK: Violin Concerto No.1 (op.posth) Sz.36

    CD 27 HAYDN: Symphony No.94 in G major 》Mit dem Paukenschlag《, No.100 in G major 》Militar《

    *** CD 28 TCHAIKOVSKY: Symphony No.4 in F minor op.36

    CD 29 MOZART: Symphony No.40 in G minor K.550, No.41 in C major K.551 》Jupiter《

    CD 30 SCHUBERT: Symphony No.8 in B minor D.759 》Unvollendete《, No.5 in B-flat major D.485

    *** CD 31~32 HANDEL: Messiah HWV.56

    CD 33 MOZART: Piano Concerto No.24 in C minor K.491, No.26 in D major K.537 》Kronung《

    *** CD 34 MENDELSSOHN: Symphony No.3 in A minor op.56 》Schottisch《, No.4 in A major op.90 》Italienisch《

    CD 35 MOZART: Piano Quartet No.1 in G minor K.478, No.2 in E-flat major K.493

    **** (wegen des Dohnanyi) CD 36 TCHAIKOVSKY: Piano Concerto No.1 in B-flat minor op. 23/DOHNANYI: Variations on a Nursey Song op.25

    **** CD 37 BRUCKNER: Symphony No.9 in D minor

    CD 38 HAYDN: Symphony No.104 in D major Hob.I:104 》London《, No.95 in C minor Hob.I:95

    CD 39 Bear Down, Chicago Bears

    *** CD 40 LISZT: A Faust Symphony S.108

    CD 41 TCHAIKOVSKY: Ouverture solennelle 》1812《 op.49, Romeo and Juliet, Fantasy Overture, Nutcracker Suite op.71a

    CD 42 HAYDN: Symphony No.93 in D major, No.99 in E-flat major

    **** CD 43 BRUCKNER: Symphony No.7 in E major

    CD 44 BEETHOVEN: Symphony No.9 in D minor op.125 》Chorale《

    **** CD 45~47 BACH: Matthaus-Passion BWV.244

    CD 48 BRAHMS: Piano Concerto No.1 in D minor op.15, Variations on a Theme Of Schumann op.23

    **** CD 49 BEETHOVEN: Symphony No.5 in C minor op.67, No.4 in B-flat major op.60

    *** CD 50 BEETHOVEN: Symphony No.6 in F major op.68 》Pastorale《, Leonore Overture No.3 op.72b

    *** CD 51 TCHAIKOVSKY: Symphony No.5 in E minor op.64, Swan Lake op.20 Suite

    **** CD 52 BEETHOVEN: Symphony No.7 in A major op.92, No.8 in F major op.93

    **** CD 53 SHOSTAKOVICH: Symphony No.8 in C minor op.65

    CD 54 LISZT: Wanderer, Fantasy for Piano & Orchestra

    **** CD 55 BEETHOVEN: Symphony No.3 in E-flat major op.55 》Eroica《, Egmont Overture op.84

    **** CD 56 VERDI Opera Choruses

    CD 57 MOZART: Concerto for 2 Pianos and Orchestra (No.10) in E-flat major K.365, Concerto for 3 Pianos and Orchestra (No.7) in F major K.242 》Lodron《, Piano Concerto No.20 in D minor K.466

    Die Gesamtwertung von vier Sternen ist schon mal einem Stern für die hervorragenden CD-Transfers geleistet, zudem natürlich oft auch für die Leistung des CSO einen weiteren Stern. Solti als Dirigent bekäme bei mir ganz gemischte Stern-Bewertungen – von zwei bis vier Sternen.

    - - - - - -

    FAZIT

    Alles in allem sind die Boxen „Soltissimo 3“ und „Soltissimo 4“ sind nicht so stark ein „Muss“ wie „Soltissimo 2“. Wer aber Soltis Art des Musizieren und seinen Ansatz der Werkbetrachtung mag und zudem die Qualität der guten Londoner Orchester und besonders des CSO zu schätzen weiß, der findet hier wohl die ultimativen CDs des digitalen Solti.
    Georg Solti - Soltissimo 3 Georg Solti - Soltissimo 3 (CD)
    01.05.2015
    Booklet:
    3 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    4 von 5
    Künstlerische Qualität:
    4 von 5

    klangliche Verbesserung der digitalen Solti Aufnahmen

    Georg Solti und das Chicago Symphony Orchestra – das ist eine ca. 30 Jahre währende Erfolgsgeschichte, die in vielen Schallplatten-Einspielungen dokumentiert ist. Bis auf das Verdi-Requiem (RCA) sind alle diese Platten beim Label Decca entstanden, dem Solti Zeit seines Lebens treu blieb.
    Solti ist als Dirigent nicht unumstritten.. UN-bestreitbaren Vorzügen wie Stringenz, Kraft, Strukturbewusstsein und Klarheit (viele davon erreichen aber per se seine hervorragenden Orchester in London und besonders das CSO) stehen einer gewissen Fahrigkeit, Grobheit und manchmal auch wenig Poesie und Klangsinn (Streicher!) gegenüber.
    Decca unterstreicht in seiner Klangphilosophie einer eher direkten Tonabnahme mit viel Mikrophonen noch zusätzlich das tendenziell Harte und Spitze seines Dirigats. Natürlich gibt es besonders bei „Soltissimo 2“ aber auch den beiden Folge-Boxen durchaus einige Aufnahmen, die – Gott sei Dank – nichts oder kaum etwas von den unschöneren Seiten zeigen. An manches muss man sich bestimmt auch ganz individuell erst mal gewöhnen. So hat es bei mir z.B. lange gedauert, bis ich dem späteren digitalen Beethovenzyklus (den frühen habe ich schon vor 30 Jahren kennengelernt) etwas abgewinnen konnte.

    ÜBERBLICK ÜBER DIE DREI BEREITS ERSCHIENENEN BOXEN

    Die Box „Soltissimo 2“ ist den analogen Aufnahmen 1970 bis 1979 gewidmet, „Soltissimo 3“ den digitalen Einspielungen von 1980 bis 1989 und „Soltissimo 4“ den restlichen von 1990 bis 1997.

    Alle drei bisher erschienenen Boxen enthalten ca. zwei Drittel CSO-Aufnahmen und ein Drittel andere, zumeist Londoner Produktionen (z.B. viel Haydn und Elgar). Jetzt stehen noch die Opern als Box aus (wenn das überhaupt geplant ist), auf jeden Fall wohl eine Zusammenfassung aller frühen Einspielungen bis 1969, die meisten davon aus London (und nichts aus Chicago, weil Solti dort noch nicht für Platte dirigierte)

    „Soltissimo 2“ ist meine Erachtens ein unbedingtes Muss für Menschen, die auf das ganz Besondere der Orchesterqualität des CSO hören. 98% der Analog-Digital-Transfers sind deutlich besser als das, was wir hier von Decca und Europa und USA zu hören bekamen. Zudem sind die Aufführungen die Spannendsten, das kann man im Groben so durchaus sagen.

    DAS BESONDERE DER NEUEN DIGITAL-DIGITAL-TRANSFERS der Boxen „Soltissimo 3“ und „Soltissimo 4“

    Was ich in dieser Deutlichkeit nicht für möglich gehalten hätte: Auch wenn die Originale ja allesamt schon digital sind, so unterscheiden sich die Hörergebnisse der hier besprochenen koreanischen Transfers zumeist deutlich von allen anderen erhältlichen Ausgaben in Europa und USA.
    Ich habe ja eben die Aufnahmetechnik / Philosophie von Decca angesprochen, welche tendenziell eher isolierte Schall-Ereignisse zeigt und weniger ein homogenes Ganzes. Dies ist bei den koreanischen Transfers oftmals angenehm abgemildert. Es ist auffällig mehr Raumtiefe zu hören, welche schon per se einen homogeneren Klang erzeugt. Der Klangeindruck ist dunkler (Decca-Aufnahmen klingen ja im Mitten- und Höhenbereich sehr hell) und die hohen Streichen klingen runder und mehr als Klangkörper, nicht als wenige einzelne Geigen. Das halte ich für eine große Verbesserung der Aufnahmen - erreicht durch bessere Auflösung oder was auch immer… Übrigens sind auch die Bässe klarer und stabiler.
    Das kann natürlich nicht verhindern, dass an sich schon schlecht klingende Aufnahmen auch hier schlecht klingen - z.B. die Bruckner Dritte.

    AUSSTATTUNG UND AUFMACHUNG

    Die Boxen 3 und 4 haben die gleiche Ausstattung wie „Soltissimo 2“. Ein großen Textheft mit viel koreanisch, aber allen wichtigen Produktionsangaben wie Spielzeiten, Datum, Ort und Techniker. Eine kleine englische Einführung zu Solti, und am Ende des Hefts wieder eine Auflistung nach Komponisten zum Auffinden und zusätzlich eine Liste der Opern-Produktionen Soltis dieser Jahre. Die Komponisten-Liste ist nicht unwichtig, da die CDs chronologisch nach der Produktion bzw. VÖ geordnet sind. Die originalen Cover sind „asiatisch kräftig“ in den Farben geraten (aber OK), die Hüllen-Kartons genügend stabil und die CDs befinden sich in extra Cellophan-Folien wie ehedem bei japanischen LP-Pressungen.

    Da ich alle drei Boxen habe, habe ich mir eine andere Ordnung erstellt: die CDO-Aufnahmen in den Boxen „2“ (Bach-Haydn) und „3“ (Liszt-Wagner + die wenigen gemischten CDs) und die anderen Orchester in der Box „4“ ebenfalls Alphabetisch plus die Gemischten. So finde ich wesentlich schneller, was ich suche.
    Die Kartons der Boxen sind allesamt äußerst stabil.

    Einzige Überlegung ist die Sache mit Texten bzw. Textheften, wenn die Aufnahmen in der persönlichen Sammlung schon vorhanden sind. Da fehlt hier natürlich bis auf den originalen Abdruck der Rückseiten natürlich wieder mal alles… Ansonsten kann man bei den Boxen „3“ und „4“ alle (!) bisherigen Transfers unter klanglichen Gesichtspunkten getrost ausmustern. Bei der Box „2“ gab es ja ein paar alternative CDs, die es zu behalten gilt.

    Übrigens scheint alles vollständig zu sein bis auf die Aufnahme des Musicals (oder wie man das immer nennen mag) „Final Alice“ von David del Tredici. Das gibt es als Einzel-CD bei Eloquence Australia.

    - - - - - -

    SOLTISSIMO 3

    „Soltissimo 3“

    Hier die Zusammenstellung der einzelnen Titel der 57 CDs, die ja noch nirgends bei Amazon aufgeführt sind (von Tower-Records unbearbeitet übernommen). Ich versehe in einer ganz persönlichen spontanen Wertung einige der mir gut bekannten Aufnahmen mit Sternen:

    *** CD 01 BRUCKNER: Symphony No.5 in B-flat major

    ** CD 02~03 MAHLER: Symphony No.2 in C minor 》Auferstehung《

    *** CD 04 MUSSORGSKY: Pictures at an Exhibition/RAVEL: Le Tombeau De Couperin

    **** CD 05 BARTOK: Concerto For Orchestra Sz.116, Dance Suite Sz.77

    **** CD 06 BRUCKNER: Symphony No.4 in E-flat major 》Die Romantische《

    CD 07 HAYDN: Symphony No.96 in D major 》The Miracle《, No.101 in D major 》Die Uhr《

    CD 08 TIPPETT: Symphony No.4, Suite for the Birthday of Prince Charles

    CD 09 SCHUBERT: Symphony No.9 in C major D.944 》Die Grosse《

    CD 10 HAYDN: Symphony No.102 in B-flat major, No.103 in E-flat major 》Mit dem Paukenwirbel《

    *** CD 11~12 BERLIOZ: La Damnation de Faust op.24

    *** CD 13~14 HAYDN: Die Schopfung Hob.XXI:2

    **** CD 15 PROKOFIEV: Romeo and Juliet op.64 - Excerpts, Symphony No.1 op.25 》Classical《

    *** CD 16 MOZART: Symphony No.38 in D major K.504 》Prague《, No.39 in E-flat major K.543

    **** CD 17~18 MAHLER: Symphony No.9 in D major

    CD 19 WAGNER: Der Ring Des Nibelungen - Orchestral Excerpts

    *** CD 20~21 MAHLER: Symphony No.3 in D minor

    CD 22 BARTOK: Sonata For Two Pianos And Percussion Sz.110, Piano Concerto No.1 Sz.83

    **** CD 23 DVO?AK: Symphony No.9 in E minor op.95 》Aus der neuen Welt《

    **** CD 24 MAHLER: Symphony No.4 in G major

    **** CD 25 MAHLER: Symphony No.1 in D major

    CD 26 BERG: Violin Concerto/BARTOK: Violin Concerto No.1 (op.posth) Sz.36

    CD 27 HAYDN: Symphony No.94 in G major 》Mit dem Paukenschlag《, No.100 in G major 》Militar《

    *** CD 28 TCHAIKOVSKY: Symphony No.4 in F minor op.36

    CD 29 MOZART: Symphony No.40 in G minor K.550, No.41 in C major K.551 》Jupiter《

    CD 30 SCHUBERT: Symphony No.8 in B minor D.759 》Unvollendete《, No.5 in B-flat major D.485

    *** CD 31~32 HANDEL: Messiah HWV.56

    CD 33 MOZART: Piano Concerto No.24 in C minor K.491, No.26 in D major K.537 》Kronung《

    *** CD 34 MENDELSSOHN: Symphony No.3 in A minor op.56 》Schottisch《, No.4 in A major op.90 》Italienisch《

    CD 35 MOZART: Piano Quartet No.1 in G minor K.478, No.2 in E-flat major K.493

    **** (wegen des Dohnanyi) CD 36 TCHAIKOVSKY: Piano Concerto No.1 in B-flat minor op. 23/DOHNANYI: Variations on a Nursey Song op.25

    **** CD 37 BRUCKNER: Symphony No.9 in D minor

    CD 38 HAYDN: Symphony No.104 in D major Hob.I:104 》London《, No.95 in C minor Hob.I:95

    CD 39 Bear Down, Chicago Bears

    *** CD 40 LISZT: A Faust Symphony S.108

    CD 41 TCHAIKOVSKY: Ouverture solennelle 》1812《 op.49, Romeo and Juliet, Fantasy Overture, Nutcracker Suite op.71a

    CD 42 HAYDN: Symphony No.93 in D major, No.99 in E-flat major

    **** CD 43 BRUCKNER: Symphony No.7 in E major

    CD 44 BEETHOVEN: Symphony No.9 in D minor op.125 》Chorale《

    **** CD 45~47 BACH: Matthaus-Passion BWV.244

    CD 48 BRAHMS: Piano Concerto No.1 in D minor op.15, Variations on a Theme Of Schumann op.23

    **** CD 49 BEETHOVEN: Symphony No.5 in C minor op.67, No.4 in B-flat major op.60

    *** CD 50 BEETHOVEN: Symphony No.6 in F major op.68 》Pastorale《, Leonore Overture No.3 op.72b

    *** CD 51 TCHAIKOVSKY: Symphony No.5 in E minor op.64, Swan Lake op.20 Suite

    **** CD 52 BEETHOVEN: Symphony No.7 in A major op.92, No.8 in F major op.93

    **** CD 53 SHOSTAKOVICH: Symphony No.8 in C minor op.65

    CD 54 LISZT: Wanderer, Fantasy for Piano & Orchestra

    **** CD 55 BEETHOVEN: Symphony No.3 in E-flat major op.55 》Eroica《, Egmont Overture op.84

    **** CD 56 VERDI Opera Choruses

    CD 57 MOZART: Concerto for 2 Pianos and Orchestra (No.10) in E-flat major K.365, Concerto for 3 Pianos and Orchestra (No.7) in F major K.242 》Lodron《, Piano Concerto No.20 in D minor K.466

    Die Gesamtwertung von vier Sternen ist schon mal einem Stern für die hervorragenden CD-Transfers geleistet, zudem natürlich oft auch für die Leistung des CSO einen weiteren Stern. Solti als Dirigent bekäme bei mir ganz gemischte Stern-Bewertungen – von zwei bis vier Sternen.

    - - - - - -

    FAZIT

    Alles in allem sind die Boxen „Soltissimo 3“ und „Soltissimo 4“ sind nicht so stark ein „Muss“ wie „Soltissimo 2“. Wer aber Soltis Art des Musizieren und seinen Ansatz der Werkbetrachtung mag und zudem die Qualität der guten Londoner Orchester und besonders des CSO zu schätzen weiß, der findet hier wohl die ultimativen CDs des digitalen Solti.
    Die Sieben Todsünden (Songs) Die Sieben Todsünden (Songs) (CD)
    20.04.2015
    Booklet:
    3 von 5
    Gesamteindruck:
    5 von 5
    Klang:
    5 von 5
    Künstlerische Qualität:
    5 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    eine unerreichte Einspielung!

    wie kann man dieser Aufnahme von Weills "Die sieben Todsünden" nur einen Stern geben (wie hier bei JPC geschehen), das ist mir völlig unverständlich!

    Zwei Aufnahmen dieses wichtigen Werks gelten als maßstabsetzend:
    Die mit Lotte Lenya und die hier besprochene mit Gisela May und dem Dirigenten Herbert Kegel.

    Lotte Lenya ist natürlich großartig, aber das trifft unvermindert auch auf Gisela May zu - gar nicht so unähnlich im musikalischen Ansatz und zu dem mit mehr Stimme.
    Die Vorteile in Bezug auf der Rest (das Dirigat, das Orchester, das Männer-Quartett und die Aufnahmetechnik) liegen eindeutig bei der Aufnahme mit May und Kegel.
    Es geht in keinem Punkt der Aufnahme besser zu machen - mehr gibt es eigentlich nicht zu sagen. Besonders auch die spirituelle Dimension, das Große des Werks, die geschlossene Einheit der Texte und der Musik ist traumhaft gelungen.
    Auch die anderen Songs überzeugen in diesen Einspielungen hier.
    In allem bezüglich "Die sieben Todsünden" volle Punktzahl - außer dass die Texte nicht abgedruckt sind. So eine hohe Bewertung gebe ich äußerst selten ab.

    Eins vielleicht noch: "Die sieben Todsünden" geht jeden Menschen ganz persönlich an - und je mehr man sich mit Traumata (besonders dem Autor Franz Ruppert), Familienverstrickungen (besonders der Autorin Alice Miller) und der eigenen Psyche beschäftigt, umso mehr gewinnt dieses zeitlose Werk persönlich an Bedeutung und wertvoller Auseinandersetzung.
    101 bis 125 von 271 Rezensionen
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