Aus den Augen eines Pierrot
Es ist unter Kennern von Braunfels völlig klar, dass er ein Kasper war. Es ist aber immer wieder wunderbar zu sehen, dass man ihn immer noch für einen "der großen ernsten Romantiker" der deutschen Musik hält. Wollen wir so einen Braunfels? Letztendlich machte es ihm sicher Spaß, dass man ihn mit Wagner oder Pfitzner verwechselte, denn so ein, altmodisch gesprochen, musizierender "Schalk" war er allemal, sich unter Größen wie Beethoven und Mahler zu mischen, um mit viel Sinn für düsteren Humor aus der Trickkiste der dunkel-magischen Zauberkomödie die Ordnungsversuche einer Welt im vertrauten alten mittelalterlichen Geist ständig durcheinander zu wirbeln. Das macht Spaß! Denn eigentlich war er keiner der originären religiösen Komponisten, Verkündigung war eine rühmliche Ausnahme, spätere Werke wie "Johanna" oder "Gott minnende Seele", "das Spiel von der Auferstehung" und die Kantaten mißlangen ihm gänzlich.
Wirklich von Anfang an auf Hochtouren liefen seine Magie-Zauberkömodien wie "Prinzessin Brambilla", "Ulenspiegel", "Galatea", "Die Vögel", "Phantastische Erscheinungen" op. 25, "Don Juan" usw.. Das sind eigentlich die Werke, für die Braunfels berühmt sein müsste. Sex-Magie, telepathischer Zauber, Drogen, unheimliche Mächte als ein Reigen einer Komödie des Lebens waren schon am Beginn seiner Karriere sein Einstand. Der berühnte Meister dieses Genres Ferruccio Busoni lobte ihn für seine Prinzessin Brambilla, fand ihn genial, gleichzeitig als Busoni selbst mit seiner "Brautwahl" begann.
Damit dürfte Braunfels zweifellos ein "Meister der dunklen Magie" genannt werden, zumal es ihm gelang, genau diese in die deutsche, wie sagte jemand, in die "deutsche Herzromantik" eindringen zu lassen.
Was als Original ihm nie gelang, war aber als magische Symbiose einzigartig "genial".
Die hier vorliegende Aufnahme präsentiert technisch kongenial und interpretatorisch inspiriert mit den bislang unbekannten Hebridentänzen op. 70 eine von Braunfels besten Orchesterkompositionen überhaupt. Klar, es ist hier nicht der große Ton, der weite Bogen, die edle Geste echter Größe, aber es ist eben der zauberhaft komödiantische deutsche Volkston, der germainsierte "Hans-Wurst" aus der deutschen "Faust-Komödie" (etwa zu sehen in Hermann Reutter genialer "Doktor Johannes Faust"-Oper), der hier neu beseelt Urstände feiert. Klasse, man fühlt sich ins Mittelalter zurück versetzt.
Man glaubt vielerorts, es sei edel gemeint, doch es bleibt stets ein angenhem flüssig-leichter Witz. Hier findet Braunfels zu seinem späten tragik-komischen Altershumor inmitten der Ruinen des zweiten Weltkriegs, wie damals im "Flohballet" "Pahntastische Erscheinungen" op. 25, wo er immer eigentlich seine wahren Stärken zeigt. Sein kurz danach enstandenes "Spiel (!) von der Auferstehung unseres Herrn" wird das nicht mehr schaffen, sein Pathos ist leider uninspiriert und blass, und auch seine beiden Sinfonien op. 68+69 lassen die deutsche Romantik eigentlich nur noch in Rauch aufgehen. Aber dies hier ist ein Fest des Bacchus eines neuen Fress-und Wohlstandzeitalters der ganz neuen Art. Für mich ein Beweis, dass Braunfels eigentlich der berufene Welt-Komödien-Komiker war,und nicht der Dramatiker.
Genau in dem Sinne halte ich auch die hier vorgelegten Einspielungen für sehr geistvoll und glücklich. Ich kenne noch eine uralte Stereo-Aufnahme der Hebridentänze, die damals sehr matt und fahl klang. Was einem heutzutage geboten wird, ist wirklich endlich wesentlich besser. Passend daß man sich an die Gesamtausgabe der Klavierkonzerte herangewagt hat, und schön, dass der lange als verschollen geglaubte "Hexensabbat" op. 8 doch auffindlich war.
Eine CD - ich will nicht naiv sein - die für Freunde großer Romantik eigentlich rein gar nichts bedeutet, aber für Fans der mephistophelischen Magie so ziemlich alles. Es sind Stücke, die einem etwas bieten, worin - um es mit Busonis Doktor Faust zu sagen - der "Teufel" auch ganz mächtig viel zu sagen hat.