Von der Stange
Hier liegt nun Rademann Vol. 07 seiner "Vison.Bach" vor,
eine weiter Folge seiner Einspielung des bachschen Choralkantenjahrgans.
Wie die Folgen zuvor aber wieder ohne Vision, gleiches gilt aber für die folgenden Vol.08 und Vol. 09. Den Kern meiner Kritik kann im wesentlichen auf alle bislang erschiene Volumen sinngemäß übertragen werden.
Details haben sich verbessert, alles ist akkurater, etwas genauer und wie Herby Neubacher bzgl. Vol. 8 treffend feststellt
".. Natürlich muß man einschränken mitreißend geht anders. Dafür ist alles noch zu akademisch. Und manchmal etwas schwer füßig..."
Ich nenne es deutschen Kantorenstil, handwerklich saubere Ware von der Stange nicht mehr, nicht weniger.
In der Stuttgarter Region gibt es eine Reihe von Kirchenchören und Kantoreien die mit hervorragend geschulten Laien solche Leistungen hin und wieder durchaus auch aufbringen.
Leider hat sich mit Rademann bei der Internationalen Bachakademie in Stuttgart kein wirklicher Aufbruch zur historisch informierten Aufführungspraxis ergeben.
Man verwendet halt nun historisches Instrumentarium und berücksichtigt die historische Spielpraxis, interpretatorisch alles einheitlich aber ohne Feuer.
Der Chor ist viel zu groß besetzt, obwohl die historischen Quellen eine andere Besetzung nahelegen.
Hin und wieder hat man auch mal Solisten der ersten Reihe, wie z. Bsp. in diesem Vol. 07 Alex Potter, Miriam Feuersinger, ansonsten gute Solisten, aber eben nicht Topleute.
Rademann ist eben nur die historisch informierte Variante von Rilling bzw. die deutsche Varianten des Schweizers Rudolf Lutz, im Grunde sind diese austauschbar
Leider begeht er interpretatorisch die folgenschwere Fehler wie Lutz, die sich im Moment bei vielen Interpreten einschleicht.
Da ist erstens das ewige arpeggieren von Akkorden im Basso continuo, insbesondere bei Rezitativanfängen, das "präludieren" zu beginn eines Rezitativs.
Es nervt und ist durch Quellenbefunde nicht zu belegen. Viel schlimmer aber ist, daß man bei den vierstimmigen Chorälen glaubt Zwischenspiele einfügen zu müssen.
Manchmal nur zwei- drei Akkorde, was soll das?
Dies läßt sich bei Bach nirgends belegen und wenn Bach Zwischenspiele einfügt, dann sind es komplex ausgeführte bedeutsame Kompositionen für das ganze Instrumentarium und dient der Choralausdeutung.
Zwischenspiel dieser Art gab es, wenn überhaupt, beim einstimmigen Gemeindechoral, aber nicht beim vierstimmig gesetzten Choralsatz.
Mit so etwas zerstört man die komplexe Struktur eines Bachchorales, sei es bzgl. der Semantik, des harmonischen Verlaufs/Gefüge oder auch zahlensymbolischer Bedeutungen. Man torpediert die bachsche Sinnstiftung.
Aufnahmetechnisch ist die Einspielung ok, aber auch merkwürdig, alles angeblich Livemitschnitte.
Die Aufnahmen klingen meist aber so glatt, homogen, gleichförmig, daß man sich wundert.
Insbesondere wenn man bedenkt, daß die Kantaten an verschieden Orten aufgenommen wurde.
Für mich gute Dutzendware, mit klaren Mängel.
Wie man es besser macht und spannender, interpretatorisch interessanter, ohne solchen Schnickschnack, kann man in der Einspielung des gesamten Choralkantatenjahrganges unter Stehpen MacLeod und den Gli Angeli Geneve beim Label Apree hören, hier stimmt einfach alles.
Dazu noch ein sehr sinnvolles Konzept in der Gegenüberstellung einer Choralbearbeitung für Orgel, des reinen einstimmigen Chorals und der betreffenden Choralkantate.
Da gönne ich mir doch lieber Stephen MacLeod und Gli Angeli Genev oder als
weitere sehr gute Alternative die Einspielungen des Chorus Musicus Köln
und dem Neue Orchester unter Christoph Spering bei dhm bzw. Accent.