Cavaillé-Coll Phänomen mit Bruckner kombiniert
Orgel ist nicht gleich Orgel. Wer sich einmal mit dem Klangbild der romantischen Orgeln des Franzosen Aristide Cavaillé-Coll beschäftigt hat, wird wohl immer in den Bann dieses Klanges gezogen. Runder Klang, satte warme Fundierung, keine schrillen spitzen Register, elegante überblasene Pfeifen in den hochen Registern, individueller charaktischer wiedererkennbarer Klang, ausgesprochene Balance über die ganze Klangbreite und vor allem eines: orchestrale Klangfülle. Das war das Idealklangbild in der Spätromantik, in der Zeit, in der auch Bruckner komponierte. Gerd Schaller kombiniert mit der Wahl dieses Instruments genau auch das Klangindeal dieser Zeit. Eine geniale Kombination, da es den Charakter der Zeit trifft, in dem Bruckner schrieb und lebte. Anton Bruckner, der selbst ein großer Orgelvirtuose war, hinterließ uns hingegen kaum Orgelwerke. Die wenigen Stückchen, kaum mehr als 30 Minuten alle zusammen, lassen die Frage offen, warum er nur symphonisch schrieb? Ob Transkriptionen von Sinfonien auf Orgeln angemessen sind, wenn sie doch eine Reduktion eines viel Größeren sind, mag man dahinstehen lassen. Eines kann ich hier aber feststellen: Es funktioniert, denn durch die Konzentration erlebt man noch mehr den Kern des Werkes. Buckners Modernität und Radikalität in seiner Musik tritt noch stärker hervor, wenn es vom rundenden Mantel der Orchestrierung befreit ist. Gerade in der 5. Sinfonie merkt man, wie modern das alles ist und weit ins 20. Jahrundert vorgreift. Das ist sicherlich einer der Gründe, warum Bruckner in seiner Zeit teilweise so schlecht verstanden wurde. Schaller schreibt, sich bei der Transkription am Stil der Widor-Sinfonien zu orientieren, also den in Frankreich aufkommenden großen Orchelsinfonien, die nur möglich wurden durch das Werk des Orgelbauers Cavaillé-Coll. Schaller reiht sich hier also in diese alte Tradition ein, was der gesamten Aufnahe guttut. Musikalisch merkt man, daß hier ein erfahrener Dirigent spielt, der die Musik von Anfang bis Ende im richtigen Pulse und dramaturgisch führt, völlig frei von typischen Organistenallüren, Tempo und Puls oft nach Belieben zu brechen. Nein, nicht hier, denn den Fluß der Musik hält Schaller genau so wie er es auch in seinen sinfonischen Aufnahmen mit Orchester macht. Das macht Spaß und Freude beim Zuhören. Das Klangbild ist intensiv am Klang der Orgel dran orientiert und wer einen Subwoofer hat oder eine entsprechende Anlage, wird auch die Mächtigkeit dieser Cavaillé-Coll Orgel voll erleben können, die viel Gänsehaut produziert. Eine gelungene Aufnahme, absolut hörenswert.