Inhalt Einstellungen Privatsphäre
jpc.de – Leidenschaft für Musik Startseite jpc.de – Leidenschaft für Musik Startseite
  • Portofrei ab 20 Euro
  • Portofrei bestellen ab 20 Euro
  • Portofrei innerhalb Deutschlands Vinyl und Bücher und alles ab 20 Euro
0
EUR
00,00*
Warenkorb EUR 00,00 *
Anmelden
Konto anlegen
    Erweiterte Suche
    Anmelden Konto anlegen
    1. Startseite
    2. Alle Rezensionen von Magnolia bei jpc.de

    Magnolia

    Aktiv seit: 05. November 2023
    "Hilfreich"-Bewertungen: 10
    198 Rezensionen
    Tage wie Salzwasser Sita Maria Frey
    Tage wie Salzwasser (Buch)
    02.05.2025

    Der Weg ist das Ziel

    Das erste Zusammentreffen war ein Unfall, auch danach geht es eher holprig weiter, irgendwann jedoch wissen sie, was sie voneinander haben. Atlanta und Enza – zwei ganz und gar unterschiedliche Frauen, deren vordergründiges Ziel Noto ist, eine Stadt auf Sizilien. Aber von Anfang an:
    Atlanta, die Mathematikerin durch und durch, lebt in Frankfurt, ihr langjähriger Freund hat seinen Lebensmittelpunkt in München, sie führen eine Wochenendbeziehung, was eigentlich ganz gut klappt. Bis zu dem Zeitpunkt, als Atlanta ungewollt schwanger wird und sie genau jetzt eine starke Schulter zum Anlehnen bräuchte. Eigentlich – denn er verlässt sie stillschweigend.
    Enza ist eine zupackende, taffe Frau, die in Bad Vilbel einen Fahrradladen betreibt. Sie ist gewollt alleinstehend, zu ihrer Mutter hat sie eine enge Bindung und als diese ihr von ihrer schweren Krankheit erzählt, will sie direkt bei ihr einziehen. Mutter allerdings will, dass sie zunächst zu ihrer Tante nach Sizilien fährt, um ihre sizilianische Familie endlich kennenzulernen.
    Da Atlanta und Enza das gleiche Ziel haben (wenngleich aus unterschiedlichen Gründen), machen sich die zwei gen Süden auf, jedoch wählen sie nicht die kürzeste Strecke, sie fahren über Freiburg nach Marseille und Barcelona, um irgendwann dann in Noto anzukommen. Der Weg ist das Ziel – so könnte man ihre Reiseroute umschreiben.
    Das Schicksal treibt manchmal seltsame Blüten und vor allen Dingen ist es nie berechenbar. Gleich mal werde ich ins kalte Wasser geschmissen – zwei Frauen auf einem Motorrad, dazu ein Baby, das unbedingt auf diese Welt will und genau dieses kleine Wesen scheint mir dies zu erzählen. Noch bin ich etwas irritiert, was sich aber ganz schnell legt, denn diese „Tage wie Salzwasser“ sind so einfühlsam erzählt, trotzdem das Leben der beiden Protagonistinnen voller Turbulenzen und unvorhersehbarer Zwischenfälle ist. Die Ausgangssituation beider Frauen ist alles, aber schön ist sie ganz gewiss nicht und doch finden sie einen Weg, der beileibe nicht immer geradlinig verläuft. Eigentlich nie, es sind krumme Wege, die sie beschreiten müssen. Beide wollten das nicht, beide werden sie dazu gezwungen. Und – letztendlich ist es gut so, wie es ist.
    Sita Maria Freys „Tage wie Salzwasser“ ist leicht und beschwingt erzählt und doch ist es eine Geschichte mit Tiefgang. Ein ergreifendes Debüt über Abschiede, über Neuanfänge und Freundschaft. Emotional, traurig und bittersüß, ein ganz besonderer Roadtrip, den ich gerne gelesen habe.
    Die Erbin Claire Winter
    Die Erbin (Buch)
    25.04.2025

    Spannend, emotional, erschütternd - ein absoluter Lesegenuss

    Cosima Liefenstein ist „Die Erbin“. Eine junge Frau, die in eine Unternehmerfamilie hineingeboren wurde. Die Industriellenfamilie Liefenstein ist fiktiv, deren Verstrickungen in die Machenschaften des Nationalsozialismus dagegen bittere Realität. Sie waren Profiteure der Arisierung, sie beschäftigten Zwangsarbeiter, sie kungelten mit den Nazigrößen.
    Claire Winter erzählt ihren neuen historischen Roman in zwei sich abwechselnden Zeitebenen. Durch Namen-, Orts- und Zeitangaben sind die Kapitel übersichtlich gestaltet, sodass der Überblick nie verloren geht und auch das vorangestellte Personenverzeichnis ist gerade anfangs hilfreich, bald aber sind mir die einzelnen Familienmitglieder und auch andere, wichtige Figuren, sehr vertraut.
    Cosima will eine Stiftung für bedürftige Frauen und Mütter ins Leben rufen, ihr Onkel Theodor unterstütz t sie dabei und wie er sagt, ist es Tradition bei den Liefensteins, sich für die Schwächeren und Ärmsten der Gesellschaft einzusetzen. Nicht jeder findet ihr Engagement gut, letztendlich aber lässt sich Cosima nicht von ihrem Vorhaben abbringen. Als sie dann den Journalisten Leo Marktgraf kennenlernt, ist auch er von ihrer Idee überzeugt und trotzdem sein journalistischer Schwerpunkt anders gelagert ist, möchte er gerne über ihre Stiftung berichten. Wir scheiben das Jahr 1957…
    …und gehen zurück ins Berlin der 1929er Jahre. Hier treffen wir auf Elisa, die bei der Familie Liefenstein als Hausmädchen angestellt ist. Wilhelm ist der unangefochtene Patriarch, seine Söhne Theodor und Albert werden eines Tages seine Nachfolge antreten, der jüngste Sohn Edmund ist nach Wilhelms Ansicht dazu nicht geeignet. Als sehr begabter Maler sieht ihn sein Vater eher kritisch, um nicht zu sagen, er verachtet alles, was nicht seiner Norm entspricht. Doch eine standesgemäße Heirat ist auch für Edmund unabdingbar. In der mondänen Rita findet er seine Ehefrau, die ihm ein bezauberndes Mädchen schenkt – Cosima. Bald ist Elisa ihr Kindermädchen und auch wenn Rita sich eher auf dem gesellschaftlichen Parkett tummelt, so kümmert sich ihr Vater liebevoll um die Kleine.
    Um diese beiden Protagonistinnen rankt sich der historische Roman, der so viel mehr ist als eine Familiengeschichte. Als Cosimas Stifung eine große Summe von einem Freund von Theodor zugesagt bekommt, ist es Theo, der die Spende ablehnt. „Diesem Mann will man nichts schulden“ ist seine lapidare Erklärung, was Cosima stutzig macht und sie daraufhin mehr wissen will. Sie stößt auf eine Mauer des Schweigens und doch lässt sie nicht locker.
    Die Geschichte dieser Familie ist turbulent und steckt voller Geheimnisse. Es geht um Liebe in all ihren Facetten, ein Mord wirft viele Fragen auf und auch ein Suizid hängt irgendwie damit zusammen sowie mehrere Einbrüche in Privatwohnungen und Kanzleien. Daneben ist es die beklemmende Zeit des Nationalsozialismus, dessen Profiteure auch Unternehmerfamilien wie die Liefensteins waren, die in ihren Fabriken Zwangsarbeiter beschäftigten, angetrieben von SA und SS. Durch Arisierungen vergrößerten sie ihr Firmenimperium immens, die Schicksale dahinter waren nicht mal zweitrangig, sie waren ihnen schlichtweg egal.
    Claire Winter gibt darüber einen erschreckend realistischen Einblick. Und auch, wenn dieses Thema bekannt ist, so ist es nochmals etwas ganz anderes, hinter die Kulissen zu blicken. Da ist David, ein sehr guter Freund von Edmund, der als Jude sich nach Polen rettet. Sie schreiben sich, bis kein Brief mehr kommt. Edmund hofft, dass David es schafft, sich in Sicherheit zu bringen, aber einige Zeit danach sieht er ihn, schwach und abgemagert, als Zwangsarbeiter, mit blutigen Striemen. Er will ihn retten, ihm zur Flucht verhelfen, was die Aufseher brutalst zu verhindern wissen. Dies ist nur ein kleiner Abriss all der Grausamkeiten, denen die einen ausgesetzt waren und andere sich dadurch bereichert haben. Auch die Liefensteins haben sich den Nazis angebiedert und danach, als all die Verbrechen aufgeklärt werden sollten, wurden ganz schnell sämtliche Beweise vernichtet. In so manchen Unternehmen haben die mit verräterischen Akten gefütterten Feuer lange gebrannt.
    „Die Erbin“ ist ein bestens recherchierter historischer Roman, der mir einen tiefen Blick in unsere gar nicht so lange zurückliegende Vergangenheit gewährt. Eine finstere Zeit, die man nie vergessen darf, die noch lange in die Nachkriegszeit hineinwirkt. Dies alles eingebettet in die Geschichte der fiktiven Familie Liefenstein und deren so unterschiedlichen Mitglieder. Es war eine intensive Reise zurück in die Jahre 1929 bis 1957. Ein unterhaltsamer Roman, spannend, emotional und absolut lesenswert. Mein Tipp: Lesen, einfach lesen. Es lohnt sich. Wer Claire Winters Bücher kennt, wird sowieso unbesehen danach greifen.
    Das Echo der Sommer Elin Anna Labba
    Das Echo der Sommer (Buch)
    23.04.2025

    Das Schicksal dreier sámischer Frauen und deren Zwangsumsiedelung

    Die schwedisch-sámische Journalistin und Autorin Elin Anna Labba greift in ihrem Roman „Das Echo der Sommer“ das Schicksal der Samen auf, deren Dörfer zugunsten der Energieversorgung der Städte geflutet wurden. Dabei bezieht sie sich auf die Erzählungen der Überflutung schwedischer Dörfer, die an den Quellseen des Stora Luleälvs liegen und anderer gefluteter Gegenden in den Jahren 1923, 1939, 1940-1944 und 1972.
    „Wir sind am schönsten und schrecklichsten Ort der Welt gelandet“ sagt Rávdná zu ihrer dreizehnjährigen Tochter Iŋgá , als sie nach dem Winter in ihr Sommerland zurückkehren in ihre Kote hoch oben über dem Stausee, an dessen Hügeln sich sámische Dörfer angesiedelt haben. Dieser Stausee wird über Jahrzehnte hinweg in Etappen geflutet. Dabei ist es den Betreibern des Kraftwerks und letztendlich dem Staat nicht wichtig, dass die Sámi dabei ihr gesamtes Hab und Gut verlieren. Mehr noch, für sie gilt, dass sie als Nomaden kein Land besitzen dürfen und ihre Koten lediglich geduldet sind mit der Auflage, diese ausschließlich räumlich begrenzt in runder Form mit höchstens zwei Fensterluken zu bauen, zudem werden sie nicht an das nahe Elektrizitätswerk angeschlossen. Sie werden permanent ihrer Rechte beraubt.
    Drei Frauen sind es, die dem indigenen Volk der Samen angehören, über deren Lebenswelten und deren Zwangsumsiedelung ich lese. Rávdná, Iŋgá und ihre Tante Anne. Sie sind fest verhaftet in ihrer traditionellen Lebensweise, sie sind kunsthandwerklich geschickt, sie verkaufen ihre Fellschuhe, ihre Brieföffner, Kaffeefilter und noch so einiges mehr an Touristen. Dagegen hapert es mit dem Lesen und Schreiben, lediglich Iŋgá beherrscht dies einigermaßen, was schon auch wichtig ist, auch wenn ein Beschwerdebrief an die zuständige Behörde nichts nützt. Nicht nur hier ist die Diskriminierung der Sámi deutlich zu spüren.
    Obwohl das ganze Dorf mitsamt ihrer Kote im Wasser versinkt, wollen sie sich unter keinen Umständen vertreiben lassen. Es ist nicht das erste Mal, dass der See geflutet wird. Sie wissen es aus Erzählungen der Älteren, als die erste Erhöhung des Staudamms gerade mal so hoch wie ein Haus war und nun erleben Rávdná, Iŋgá und Anne, Rávdnás Schwester, die neuerliche Flutung hautnah. Es wird auch nicht das letzte Mal sein, dass sie ihre Kote dem Wasser opfern müssen. Dabei kommt es mir so vor, als ob sie sich schon lange damit abgefunden haben, dass sie wieder und wieder aufs Neue ihre Behausung ein Stück weit höher den Berg hinauf errichten müssen. Sie leben ganz selbstverständlich im Einklag mit der Natur, sie folgen den Jahreszeiten und wollen es auch weiterhin so halten und nicht zuletzt auch darum kämpfen sie um ihren Lebensraum.
    Elin Anna Labba hat mir eine Welt gezeigt, die mir vollkommen fremd ist. Sie lässt die sámische Sprache immer wieder kurz mit einfließen, was den Lesefluss lediglich anfangs etwas beeinträchtigt, da die Erklärung dazu dann wie nebenbei durchklingt. Das Buch lässt sich nicht einfach mal so weglesen, es fordert für sich ein gewisses Maß an Zeit ein. Die Diskriminierung indigener Völker – hier der Samen – ist hier anschaulich thematisiert, es ist ein lesenswertes Buch, das mich nachdenklich zurücklässt.
    Montmartre - Licht und Schatten Marie Lacrosse
    Montmartre - Licht und Schatten (Buch)
    23.04.2025

    Elise und Valérié – gelungener Auftakt der Montmartre-Dilogie

    Elise Lambert wird als Tochter einer einfachen Wäscherin am 28. Juni 1866 geboren. Sie wächst in Armut auf den Hügeln von Montmartre auf. Am gleichen Tag, wenig später, erblickt Valérie Dumas das Licht der Welt. Sie ist die Tochter eines wohlhabenden Kunsthändlers am Boulevard de Clichy, dementsprechend behütet ist ihre Kindheit. Der Lebensweg der beiden scheint vorgezeichnet, denn im ausgehenden 19. Jahrhundert hat eine Frau zu heiraten und ihrem Manne zu dienen - was weder für Elise noch für Valérie erstrebenswert ist.
    Eine frühreife Freundin nimmt Elise heimlich mit, um sich in einem Variété unter die Tanzenden zu mischen. Sie ist begeistert vom Cancan, Jacques Offenbachs Galop infernal, der Höllen-Cancan, hat es ihr besonders angetan und spätestens da reift in ihr der Wunsch, diesen schnellen Tanz zu erlernen und zu vervollkommnen.
    Valérie ist zeichnerisch überaus begabt, viele Stunden verbringt sie malend in Vaters Galerie. Über ihr Ansinnen jedoch, eine Malakademie, die ausschließlich männlichen Schüler offen steht, zu besuchen, ist er nicht erfreut. Dennoch macht er es ihr möglich, als einzige Frau dort aufgenommen zu werden, allerdings muss sie so einige Einschränkungen in Kauf nehmen.
    Das Buch ist in fünf Teile gegliedert, angefangen von der späten Kindheit der beiden im Jahre 1878 über ihre mehr oder weniger wilde Jugend bis hin zu den darauf folgenden stürmischen Jahren. Weiter geht es dann auf den Weg zum Erfolg, Licht und Schatten endet mit ihren nunmehr dreiundzwanzig Jahren 1889.
    Dabei begegnen ihnen viele heute weltberühmte Künstler. Henri Toulouse-Lautrec spielt eine große Rolle, auch Suzanne Valadon, Vincent van Gogh, Camille Pissarro, Edouard Manet und Claude Monet, um nur einige wenige zu nennen. Louise Weber, die als La Goulue als laszive Tänzerin Berühmtheit erlangte, ist in Elises Geschichte eingewoben. Eine schillernde Persönlichkeit, die mir bis dato unbekannt war. Ihr Charakter passt sich perfekt der anzüglichen, ja unzüchtigen, der frivolen Atmosphäre einschlägiger Nachtlokale – in ihrem Fall Tanzlokale - an. Die Autorin klärt zum Schluss über Wahrheit und Fiktion auf. Dabei wird klar, dass sie sich zwar künstlerische Freiheiten gegönnt, aber doch sehr viel an Wahrem wiedergegeben hat, wenngleich so einiges im fiktiven Bereich angesiedelt ist.
    Der erste Teil der Montmartre-Dilogie hat mich sofort ins Buch gezogen. Die gegensätzlichen Lebenswege der beiden Frauen, die sich irgendwann begegnen, sind interessant und spannend erzählt, auch das Who’s Who der Kunstszene gibt sich die Ehre, was mir besonders gut gefällt. Beide Erzählstränge sind reizvoll, wobei mich Elises erste Lebensjahre noch mehr bewegt haben, was sich aber dann im Laufe der Geschichte ausgleicht. Vom Dorf Montmartre, in dem die armen Leute ihr Dasein fristeten bis hin zur Eröffnung des Moulin Rouge und der Pariser Weltausstellung und vielem mehr erstreckt sich der Roman, der von viel Licht, aber auch von noch mehr Schatten erzählt. Viel ist die Rede von den Stilrichtungen der damals aktuellen Malerei – eine kurze Erklärung dazu findet man am Ende des Buches, ebenso eine Liste der erwähnten Kunstwerke. Marie Lacrosse vermittelt Interessantes über eine Zeit, in der Frauen nicht viel zu melden hatten, einzelne es aber dennoch mit viel Durchhaltevermögen nach oben geschafft haben.
    Die Summe unserer Teile Paola Lopez
    Die Summe unserer Teile (Buch)
    19.04.2025

    Sie reden nicht dieselbe Sprache

    „Wir sind mehr als die Summe unserer Teile“ hat einst Lyudmila zu ihrer kleinen Tochter Daria gesagt. Als Kind konnte sie damit nichts anfangen. Ihre Mutter war nie nur eine Person, sie war schon immer mehrere gewesen – so denkt Daria im Nachhinein über sie.
    Mit „Die Summe unserer Teile“ hat die Österreicherin Paola Lopez, die in Berlin lebt, ihren Debütroman vorgelegt. Es ist ein Roman über Mütter und Töchter und deren mehr als konfliktbeladenes Verhältnis zueinander.
    Die 23jährige Lucy ist Informatikstudentin. Sie lebt seit drei Jahren in Berlin und nun wird sie direkt mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. In ihrem WG-Zimmer steht der Steinway ihrer Kindheit, ihr WG-Mitbewohner hat ihn für sie angenommen und nun schäumt sie vor Wut über ihre Mutter, die ihr dieses Ding nachgeschickt hat, nachdem sie endlich ihre Adresse herausgefunden hat. Nach drei Jahren Funkstille. Denn Lucy ist ohne ein Wort einfach weg, keiner wusste, wo sie war.
    Nach diesem geschickt gemachten Anfang möchte ich schon wissen, was es mit diesem Steinway auf sich hat, allerdings muss ich mich gedulden, denn nun schwenkt die Erzählung ins Jahr 1976 zurück zur Medizinstudentin Daria, die später dann eine Kinderarztpraxis eröffnet. Sie ist Lucys Mutter und möchte alles besser machen. Besser als ihre Mutter Lyudmila, die im Alter von achtzehn Jahren ihre Familie in Polen verließ. Eigentlich aber floh sie vor den Nazis und sie landete schließlich in Beirut, wo sie Chemie studierte und ihren Professor Haddad ehelichte. Sie war mit Leib und Seele Chemikerin, sie eiferte ihrem großen Vorbild Marie Curie nach, für ihre Tochter Daria blieb da nicht viel Zeit. Eine Nanny war ihr Mutterersatz, was für Daria später dann, als sie selber Mutter war, nie infrage kam.
    Von 1942 bis 2014 wird von den drei Frauen und deren Leben erzählt. Nicht chronologisch, aber doch übersichtlich dank der den Kapiteln vorangestellten Orts- und Zeitangaben. Lucy steht im Zentrum. Sie sucht nach ihren Wurzeln. Sie ist der Auslöser dieser Erzählung, die die Geheimnisse zwischen den Frauen zutage fördert.
    Sie reden nicht dieselbe Sprache, sowohl im wörtlichen und auch im übertragenen Sinne. Und genau dieses Nicht-Gesagte und Falsch-Verstandene schwebt über ihnen, es nimmt immer mehr Raum ein. Lucy, Daria, Lyudmila – es sind drei ganz eigenwillige Persönlichkeiten, die mir im Laufe der Erzählung nicht nahe kommen. Es gibt schockierende Szenen wie etwa jene, als Lyudmila nach Lucys Geburt nach München kommt und ganz anders reagiert, als man es erwarten würde. Gut, Lyudmilas Schicksal wird mehr durchleuchtet – ist sie deshalb so hart geworden? Irgendwann dann wandelt Lucy auf Lyudmilas Spuren, sie fährt nach Sopot, was ihr allerdings in punkto Großmutter nicht recht weiterhilft. Überhaupt ist es die Figur Lucy, die sehr eigennützig handelt. Nicht nur ihrer Mutter gegenüber ist sie anklagend, obwohl sie es war, die schon in ganz jungen Jahren ihr ureigenstes Ding durchgezogen und den Kontakt zu ihren Eltern rigoros gekappt hat. Sie benimmt sich auch ihren Freunden gegenüber ziemlich übergriffig, was diese jedoch ganz entspannt übersehen.
    Die 250 Seiten lassen sich gut lesen. Die sehr unterschiedlichen Lebensweisen sind spürbar, ebenso die generationenübergreifende Sprachlosigkeit. Und auch wenn mich das Buch etwas verloren zurücklässt, so wird es den doch sehr nüchternen, vernunftorientierten Frauen durchaus gerecht, was zumindest die beiden Mütter beschreibt.
    Night Road - Der Sommer unseres Lebens Kristin Hannah
    Night Road - Der Sommer unseres Lebens (Buch)
    17.04.2025

    Das Leben ist nicht fair

    Kristin Hannah hat mir schon viele intensive Lesestunden beschert. Sie ist eine erstklassige Erzählerin, was sie mit „Night Road. Der Sommer unseres Lebens“ wiederum beweist.
    Lexi Baill wurde seit jeher von einer Pflegefamilie in die nächste gegeben, nachdem ihre Mutter wieder mal im Gefängnis gelandet ist. Nach deren Tod nimmt sich eine Tante ihrer an und auch wenn das Geld knapp ist, so spürt Lexi das erste Mal in ihrem Leben, wie viel Geborgenheit und Liebe wert sind.
    In der neuen Schule geht Lexi auf die schüchterne Mia zu, beide Mädchen sind bald unzertrennlich, auch Mias Zwillingsbruder Zach ist von Lexi sehr angetan und auch ist sie in der Familie der Zwillinge stets willkommen. Die drei verbringen einen herrlichen letzten Sommer, denn bald werden Mia und Zach auf ein College wechseln, das nur die Besten der Besten annimmt und zudem nur für die Kinder vermögender Familien erschwinglich ist. Die drei kosten jeden Moment aus, sie sind jung, sie feiern das Leben.
    Bis dann das Unfassbare geschieht und die Nacht auf der Night Road ihr bis dahin unbeschwertes Leben auf den Kopf stellt. Es ist eine falsche Entscheidung, die ihren Schwur, für immer zusammenzustehen, sich nie aus den Augen zu verlieren, zunichte macht.
    Dieser Sommer wird mir großteils aus Lexis Perspektive nähergebracht und dann ist es noch Jude Farraday, deren Fürsorge ihren Kindern gegenüber ich mit eher gemischten Gefühlen sehe. Alles ist leicht und unbeschwert, Kristin Hannah fängt diese so lebensbejahenden Teenager gut ein, auch Jude als überfürsorgliche Mutter kann ich mir bestens vorstellen. Und dann ist es diese eine Fehlentscheidung, die zur Katastrophe führt. Es folgen Schuldzuweisungen und Schuldgefühle, jeder ist betroffen und jeder geht anders mit dieser Tragödie um. Und wenn man meint, alles ist schlimm genug, dann wird es noch härter, so manch Reaktion macht mich fassungslos. Gibt es Gerechtigkeit? Und wenn ja – für wen? Gelingt es, zu vergeben?
    Night Road macht mich unendlich traurig, aber doch weiß ich, dass diese Schicksalsschläge zum Leben gehören. Kristin Hannah greift ein Thema auf, das man am liebsten verdrängen würde. Alles beginnt in dieser einen Nacht, ein Verlust wiegt schwer. Und doch ist es damit nicht getan, denn nachfolgende Entscheidungen führen noch tiefer ins Verderben.
    Es sind aufwühlende Themen, derer sich die Autorin annimmt. Man spürt in jeder Figur ihr ureigenes Empfinden, die einen sind geprägt von Hass und Rachegedanken, andere wiederum zerfrisst ihre tief empfundene Schuld, die direkt in Selbstaufgabe ausartet. Dieses und noch vieles mehr ist emotional, aber nie geschmacklos wiedergegeben. Auch hier zeigt sich der meisterhafte und so ergreifende Erzählstil der brillanten Autorin, deren Bücher ist allesamt verschlungen habe und auch in Zukunft will ich mir keines entgehen lassen.
    Wer auch nur eines von Kristin Hannahs Büchern kennt, weiß um ihren charakteristischen Schreibstil. Es ist ein absolut lesenswertes, ein so ergreifendes Buch, das ich unbedingt weiterempfehlen will.
    Stars Katja Kullmann
    Stars (Buch)
    15.04.2025

    Astro-Business

    Am Anfang war ein Stein. Ein Pflasterstein, der durch Carlas Fenster flog. Und viele Dollars, in einem müffeligen Karton. Sowohl Stein als auch Geld geben Rätsel auf, beides verwahrt sie erst mal sicher.
    Katja Kullmann, die Autorin von „Stars“, glaubt nicht an die Sterne, wie sie verrät - und ihre Heldin glaubt auch nicht daran. Carla Mittmann, eine ehemalige Philosophiestudentin, verdient ihre Brötchen als Sachbearbeiterin in einer Möbelfirma. Von ihren einstigen Plänen und ihrem Forschungsprojekt „Der Aberglaube im Spätkapitalismus“ ist nichts geblieben, zumindest hat explizit sie davon nicht profitiert und das, obwohl das Geschäft mit der Astrologie boomt. Man wird täglich damit konfrontiert und wie es das Schicksal so will – oder sind es die Sterne, die ihren weiteren Weg befördern?- ist Carla plötzlich mittendrin in diesem Metier. Ihre Horoskop-Website ist der Anfang ihrer Erfolgsgeschichte, sie steigt groß ein ins Astro-Business.
    Obwohl auch ich nicht an die Sterne glaube, ich früher mal diese Zeitungshoroskope gelesen und dann gleich wieder vergessen habe, war ich auf diese „Stars“ dann doch neugierig, „der ultimative Hochstaplerinnenroman“ hat mich direkt angezogen.
    In den 1970er Jahren war es Madame Teissier und ihre Astro-Show, die die Astrologie in die Wohnzimmer brachte und nun ist dies Carla Mittmann, die sich vor Aufträgen kaum retten kann.
    Carlas Geschichte lese ich mit einem Augenzwinkern, ihr schier kometenhafter Aufstieg wird launig erzählt, so manch Konkurrenz entlarvt sich durch plumpe Plagiate selber, Zeitschriften, VHS-Kurse, Funk und Fernsehen springen auf den lukrativen Zug der Astrologie auf, Zulauf bekommen sie aus allen gesellschaftlichen Schichten und dafür wird so manch erkleckliches Sümmchen hingelegt. Wollen wir nicht alle dem Schicksal ein wenig in die Karten schauen und von dem vermeintlich schicksalhaften Einfluss der Gestirne auf uns Menschen nur das Positive glauben? Und sind diese Voraussagen auch und gerade in Lebenskrisen ein Stück weit tröstlich?
    Alles steht in den Sternen – diese Aussage lässt sich beliebig interpretieren. Ich lass das mal, Carla, die Astrophilosophin, kann das viel besser. In diesem Sinne wünsche ich viel Freude mit diesem unterhaltsamen Roman.
    CHER. Die Autobiografie, Teil eins Cher
    CHER. Die Autobiografie, Teil eins (Buch)
    13.04.2025

    CHER – außergewöhnlich, in jeder Beziehung

    CHER - was für ein außergewöhnliches Buch, was für eine außergewöhnliche Persönlichkeit. Schon immer hat sie mich mit ihrer charakteristischen Alt-Stimme fasziniert. In Teil eins ihrer Autobiographie erzählt sie von ihrer Kindheit, von ihrer Familie und später dann von Sonny, von ihrem Weg hin zur Weltkarriere. Dieser erste Band reicht bis ins Jahr 1981.
    Mit ihrer Großmutter Lynda, 1926 geboren, die schon mit dreizehn Jahren Mutter wurde, beginnt sie ihre Erzählung, es war die Zeit der Großen Depression. „Sucht ist ein großes Thema in meiner Familie und hat immer wieder Leid gebracht.“ Von Großvaters Trunksucht und seinem unsoliden Lebenswandel ist zu lesen. Sie nimmt kein Blatt vor den Mund, ist erschreckend offen. Und das nicht nur bei ihren Vorfahren, auch bei sich selber ist sie schonungslos ehrlich.
    Ihre Mutter Georgia war Sängerin und Schauspielerin. Sie sah umwerfend aus, was Fotos, die im Buch zu finden sind, hinlänglich beweisen. Sie war mehrmals verheiratet, für sie gab es „nur Extreme. Sekt oder Selters.“ Ihr ganzes Leben war ein Auf und Ab, sie umgab sich mit schillernden Künstlern und ihre Kinder waren mittendrin, wechselnde „Väter“ waren für Cher nichts Ungewöhnliches. So lernte sie schon früh, sich in dieser Welt zu bewegen.
    Und dann kam Sonny. Zunächst war sie Backgroundsängerin, sie beschreibt den Weg hin zu Sonny & Cher mit vielen Hochs und nicht gerade wenigen Tiefs. Ganz abgesehen von ihrer signifikanten Stimme ist es ihr unverwechselbarer Stil, der sich auch in ihrer Kleidung zeigt.
    Das Buch lebt von den vielen Anekdoten, an die sie sich erinnert, die sie sehr unterhaltsam, mit Witz und Charme und einer Prise Selbstironie zu Besten gibt. Sie kennt sie alle, die Größen ihrer Zeit, seien es die Rolling Stones in ihren Anfängen, Tina Turner, Elton John und wie sie alle heißen. Sie bewegt sich in dieser glamourösen Glitzerwelt, aber immer gibt Sonny die Richtung vor. Er ist es, der ihre Finanzen verwaltet, der sie nicht nur einmal an den finanziellen Abgrund bringt und später dann, als die Ehe zerbricht, muss Cher feststellen, dass er sehr eigennützig agiert hat. Mit sechzehn hat sie ihn getroffen, sie gibt einen ungeschönten Einblick in ihre Beziehung, die leicht und wunderbar war, die aber auch ihre dunklen Seiten offenbart.
    Cher ist ein Mulittalent, eine faszinierende Frau, deren facettenreicher Blick zurück bestens unterhält. Sie war dafür bekannt, sich und ihre Musik kontinuierlich neu zu erfinden - the Goodess of Pop, die Göttin der Popmusik.
    The Surf House Lucy Clarke
    The Surf House (Buch)
    04.04.2025

    So gar nicht paradiesisch

    Bea als Aussteigerin zu bezeichnen, trifft es nicht. Sie hat spontan, im wahrsten Sinne des Wortes von jetzt auf gleich, ihre Modelkarriere beendet. In Marokko steht sie vor der Kamera und trotzdem sie so gut wie nichts zu sich nimmt, ist das sündteure Kleid so eng, dass sie damit nicht sitzen kann. Sie hat dieses Leben so satt, sie steigt aus und findet sich in den Gassen Marrakeschs wieder. Das Verhängnis nimmt seinen Lauf, sie wird überfallen, Rucksack und Papiere sind weg.
    Eine schicksalhafte Begegnung führt sie direkt hinein in ein Surfparadies. War es Zufall? War es Schicksal? Bea lernt die Besitzer des Surf House kennen, sie findet hier Arbeit, sie lernt surfen – hat das Leben genau diesen magischen Ort für sie vorgesehen? Das Leben kann so leicht sein, es hat ihr viel zu bieten, wäre da nicht der Überfall zuvor, denn sie wird erpresst.
    Der Thriller beginnt direkt gemächlich, je weiter ich dann lese, desto mehr offenbart sich mir. Die anfangs eher oberflächlich wirkende, austauschbare Story, die ich so immer wieder lese, wird intensiver, es wird beklemmend, es wird zunehmend gefährlich. Ich lese von Savannah, deren Bruder Seth sich im Surf House einmietet. Er sucht seit geraumer Zeit nach ihr, ihre Spur verliert sich in dieser Gegend. Da sind Marnie und Ped, die sich hier ihren Lebenstraum erfüllt haben. Aiden scheint hier auch fest verwurzelt zu sein und da ist noch Momo, ein Polizist, der so gar nicht durchschaubar ist. Die so vielschichtigen Charaktere lernt Bea besser kennen, nicht zu jedem findet sie Zugang. Mehr noch, sie ist dem ein oder anderen regelrecht ein Dorn im Auge, andere dagegen vermitteln ihr das Gefühl der Zugehörigkeit.
    Lucy Clarke versteht es, die Spannung kontinuierlich zu steigern, sie vermittelt von allen hier, die sich in und um dieses Surf House bewegen, ein durchaus schlüssiges Bild, das sich mir einprägt. So bin ich schon mal voreingenommen gewissen Personen gegenüber, andere sehe ich sehr wohlwollend. Mit Seths Auftauchen dann spürt man eine Bedrohung, die sich nicht mehr aufhalten lässt, die Stimmung kippt. Nicht nur am Haus sind Risse zu sehen, auch die Idylle scheint am Bröckeln zu sein. Die Story entwickelt sich mehr und mehr zu einem Sog, den ich mich nicht entziehen konnte und es auch nicht wollte. Geheimnisse, Lügen, falsche Entscheidungen sind es, die letztendlich die ganze Dramatik offenbaren, das drastische Ende dann habe so nicht vermutet. Ein Thriller, der es in sich hat, den ich gerne gelesen habe.
    Die tausend Farben von Paris Catherine Durand
    Die tausend Farben von Paris (Buch)
    30.03.2025

    Das Paris der 1950er Jahre in all seiner Vielfalt

    Catherine Durand entführt mich ins Frankreich der 1950er Jahre, direkt hinein ins Künstlerviertel von Paris. Hier begegne ich dem ehemaligen US-Soldaten Jack, der für seine Bilder lebt, auch wenn er mehr schlecht als recht davon leben kann - er ist Maler aus Leidenschaft. Frank ist ebenfalls US-Amerikaner, wenngleich er nie gedient hat. Er ist ein großartiger Sänger, Karten zu seinen Shows im Lido sind heißbegehrt. Der Zufall führt ihn zu der bezaubernden Amelie in ihr Blumengeschäft, er ist sofort von ihr angetan, sie jedoch zeigt ihm eher die kühle Schulter. Wäre noch Rose, die stets mit ihrem Fotoapparat unterwegs ist, um genau die Momente einzufangen, die ihre Bilder so besonders machen. Gerade hat sie Jack im Visier – ihre Blicke treffen sich, es ist der Beginn von etwas Wunderbarem. Die Autorin erzählt von einem Paris, wie man es sich vorstellt, ihre Protagonisten haben sich, jeder auf seine ureigene Weise, der Kunst verschrieben, aber ihre „tausend Farben von Paris“ sind noch sehr viel mehr als Liebe, Kunst und Leidenschaft.
    Bis hierher spürt man die Leichtigkeit des Seins. Vier junge Leute in der Stadt der Liebe, die jeden Moment genießen. Sie verlieben sich – was braucht man mehr? Nun, diese Nachkriegsjahre sind nicht nur unbeschwert, man spürt schon auch, dass hier noch mehr im Gange ist.
    Gleich mal wird es mysteriös. Ein Toter wird aus dem Wasser gezogen, er liegt nun am Ufer der Seine. Der herbeigerufene Polizist scheint etwas gefunden zu haben, er führt ein Telefonat…
    Dunkle Kräfte treiben im Verborgenen ihr anrüchiges Handwerk. Von Spionage ist die Rede und wenn es sein muss, schrecken finstere Gestalten auch vor Mord nicht zurück. Jack kommt durch das G.I.-Bill-Programm für ein Jahr nach Paris, will jedoch verständlicherweise hier nicht mehr weg. Von diesem Programm, das den US-Soldaten den Start in ihr neues Leben erleichtern soll, habe ich noch nie gehört. Auch vieles andere, das die Autorin gekonnt in ihre …tausend Farben… verwoben hat, war mir unbekannt, obwohl es den Tatsachen entspricht. Sie hat ihre Figuren gut getroffen, Jack etwa ist der Inbegriff des armen Malers, der jeden Moment voll auskostet und auch wenn der Erfolg ausbleibt, so schlängelt er sich gut gelaunt sich durch seine Tage.
    Die politischen Verhältnisse von damals sind mit dem kulturellen Leben bestens verflochten, Orte werden beschrieben, alles ist historisch verbürgt und gut recherchiert, das Buch ist so viel mehr als „nur“ ein Roman, in dem die Liebe eine Rolle spielt, das Buch vermittelt viel Wissen – und das auf sehr unterhaltsame Weise.
    Das Nachwort dann klärt nochmal über die Fakten auf, Kriegsverbrecher und Geheimdienste, die sich durch unsere Geschichte ziehen, werden hier beim Namen genannt, die letzten Seiten bilden den informativen Abschluss zu diesem so lesenswerten Buch, das in den „…tausend Farben von Paris“ erstrahlt.
    Elbnächte. Die Lichter über St. Pauli Henrike Engel
    Elbnächte. Die Lichter über St. Pauli (Buch)
    30.03.2025

    Spannend, nervenaufreibend, lesenswert

    Der erste Band der „Elbnächte“ erzählt von drei Menschen, deren Leben komplett unterschiedlich verlaufen ist und wenn da nicht für sie alle ein entscheidendes Momentum gewesen wäre, hätten sie sich nie getroffen. So aber hat das Schicksal sie auf verschlungenen Pfaden zusammengeführt.
    Louise, die mit ihrem Ehemann ein luxuriöses Leben führt, steht von jetzt auf gleich vor den Scherben ihrer Ehe. Ihr Mann ist verschwunden, Geld scheint keines mehr da zu sein und Louise wird aus der Suite, in der sie bis soeben feudal residiert hat, hinauskomplimentiert.
    Ella entstammt einer kinderreichen Familie, sie wurde vor nunmehr sieben Jahren regelrecht verkauft und fristet seitdem ihr deprimierendes Leben als Prostituierte. Heimlich hat sie etwas Geld beiseite gelegt und nun will sie nur noch weg.
    Wäre da noch Paul. Er war Polizist, er war gut in seinem Job, aber seit er während eines Einsatzes einen Arm verloren hat, ist er zum Innendienst verdammt, was ihm so gar nicht behagt. Er quittiert den Polizeidienst und hält sich mit Arbeiten auf dem Schlachthof über Wasser.
    Es ist Sommer auf St. Pauli, wir schreiben das Jahr 1913. Ein Juwelier wird ermordet aufgefunden, ein Straßenjunge wird als sein Mörder gejagt, ein zufällig gefundenes Papier lenkt ihre Schritte in eine heruntergekommene Bar, eine Kinderbande treibt ihr Unwesen, es ist was los auf St. Pauli.
    „Elbnächte“ ist eines dieser Bücher, die mich eher zufällig gefunden, die mich aber dann nicht mehr losgelassen haben. Kaum hatte ich die ersten Seiten gelesen, war ich von den umtriebigen Protagonisten und deren Leben gefangen. Ella etwa, die Protagonistin mit Herz, wie sie beschrieben wird, hat mich gleich für sich eingenommen. Sie nimmt kurzerhand den Mops mit, der im Hurenhaus ein eintöniges Dasein fristet und auf den so schönen Namen Pincipessa hört. Er ist von nun an Ellas ständiger Begleiter und erobert mit seinen kurzen Stummelbeinchen jedes Herz im Sturm. Auch Louise konnte ich viel abgewinnen, ihr mondänes Leben ist vorbei, sie lässt sich jedoch nicht unterkriegen und krempelt die Ärmel hoch. Die Barbesitzerin wider Willen hat einen gefährlichen Weg vor sich, bevor sie hinter dem Tresen stehen kann. Und Paul, der bei dem Unfall beinahe draufgegangen wäre, jagt seitdem den Kopf hinter der Kinderbande.
    Bald werden sie mit Hamburgs Unterwelt konfrontiert, in der es auch mal etwas mehr an krimineller Energie bedarf. Sie kämpfen für Gerechtigkeit auch mal mit nicht ganz sauberen Methoden, sie werden mit nicht nur einem Mord konfrontiert, auch Erpressung, Vertuschung und Beschattung ist Thema, es geht ganz schön zur Sache. Die Story ist durchweg spannend, ja nervenaufreibend. Ich fiebere mit, jede einzelne Figur hat ihre Stärken und auch so manche Schwäche, allesamt sind sie glaubhaft angelegt.
    Der Auftaktband der „Elbnächte“ war ein großes, ein spannendes und sehr kurzweiliges Lesevergnügen und natürlich möchte ich wissen, wie es mit Louise, Ella und Paul weitergeht, ich freu mich schon auf Band zwei.
    Vor hundert Sommern Katharina Fuchs
    Vor hundert Sommern (Buch)
    26.03.2025

    Claras Geschichte

    Ihre Großtante Clara hat Katharina Fuchs zu ihrem Generationenroman „Vor hundert Sommern“ inspiriert. Dies verrät die Autorin zum Schluss dieses lesenswerten Buches ihren Lesern. Clara war die Schwägerin ihrer Großmutter Anna, beide sind sie reale Personen, andere Figuren dagegen sind fiktiv.
    Wir sind im Berlin der 1920er Jahre, die vielzitierten Goldenen Zwanziger Jahre gingen an Clara und den ihren eher spurlos vorüber. Sie lebt beengt mit ihren Eltern und Geschwistern, sie trägt mit Flaschenspülen für eine Brauerei zum Lebensunterhalt der Familie bei. Eine Arbeit, die schlecht bezahlt wird und wenn die Frauen, die diesen Knochenjob tagein, tagaus erledigen, nicht spuren, werden sie kurzerhand entlassen, die nächsten Arbeiterinnen warten schon.
    Hundert Jahre später sind es Lena und ihre Mutter Anja, die die Wohnung von Elisabeth, Anjas Mutter, in Berlin Charlottenburg ausräumen. Elisabeth hat sich entschlossen, die Wohnung aufzugeben, da sie mit ihren 94 Jahren zwar geistig fit, körperlich aber doch angeschlagen ist. Sie lebt nun in Hamburg in einem Pflegeheim in Anjas Nähe. Bei der Wohnungsauflösung entdecken sie alte Briefe und Fotos, auch eine Schusswaffe fischen sie aus ihrem Versteck. Weiß Elisabeth etwas darüber? Es muss wohl zu Claras Nachlass gehören, denn diese Wohnung war einst ihre.
    Elisabeth erinnert sich, erzählt von Clara, um dann im nächsten Kapitel nahtlos in ihre Zeit überzugehen. Die beiden Zeitebenen verbinden sich hier aufs Beste. Das Buch ist spannend erzählt, es ist unterhaltsam, die kurzen Kapitel sind mit Orts- und Zeitangabe und mit Namen übertitelt. So hat man stets den Überblick. Vom Gestern zum Heute wechseln sich die Erzählstränge ab, jeder für sich ist interessant. Tief tauche ich ein in die Geschichte, durchlebe die gesellschaftlichen, die wirtschaftlichen und die politischen Verhältnisse sowohl in unserer als auch zu Claras Zeit. Bald haben die Nationalsozialisten das Sagen, ihre Schreckensherrschaft macht vor keiner Familie halt. Der Antisemitismus greift auch heute wieder um sich, Katharina Fuchs thematisiert dies neben der Familiengeschichte wie viele andere Themen, die uns auf den Nägeln brennen wie etwa den Nahost-Konflikt, die Erstarkung Rechter Parteien, Mobbing und den Klimawandel, Social Media und veganes Leben, um nur einiges zu benennen. Es sind Themen, die uns beschäftigen, die gut in die Geschichte eingebunden sind, jedoch überfrachten sie die Erzählung doch sehr. Hier wäre weniger mehr gewesen.
    Nun, Elisabeth ist es, die ihr Schweigen bricht, die von der Vergangenheit erzählt. Man merkt, wie schwer es ihr fällt, sich nochmal alles zu vergegenwärtigen, die Erinnerungen sind zu schmerzlich. Lena fordert von ihrer Oma alles ein, nachdem sie Briefe gefunden und gelesen hat. Sie drängt sie regelrecht, meint an Anrecht auf ihre Vergangenheit zu haben. Und assoziiert dabei ihre Ängste mit ihrer Unkenntnis über ihre jüdischen Vorfahren. Gerade diese Sequenzen sind es, die das Anspruchsdenken der jungen Generation – auch wenn es einige wenige sind - widerspiegeln. Hier musste ich mit dem Lesen pausieren, um ein wenig Abstand zu der ansonsten lesenswerten Geschichte zu bekommen.
    Claras Geschichte hat mich komplett abgeholt, auch zolle ich Elisabeth Respekt, dass sie trotz qualvoller Rückblicke dem Wunsch ihrer Familie entsprochen hat. Schlussendlich bewerte ich mit 3 ½ Sternen, die ich aufrunden werde.
    Stromlinien Rebekka Frank
    Stromlinien (Buch)
    26.03.2025

    Vergangenheitsbewältigungen

    Das erste Mal, als Enna und Jale mit ihrer Oma Ehmi auf die Gefängnisinsel Hahnöfersand gekommen sind, waren sie fünf Jahre alt. Zwölf Jahre sind seitdem vergangen und nun zählen sie die Tage, die Stunden und auch die Minuten, denn bald ist es so weit. Ihre Mutter Alea wird aus der Haft entlassen. Enna wartet auf sie, aber niemand kommt. Und als ob dies nicht schon schlimm genug wäre, ist Jale schon in der Nacht aus dem Haus gegangen, auch sie ist nirgendwo zu sehen. Ihr Handy ist aus, Ennas Nachrichten an sie gehen ins Leere.
    Enna und Jale, die beiden so unterschiedlichen Zwillingsmädchen, leben im Einklang mit der Natur. „Schon früh waren wir wie Ebbe und Flut. Jale wusste immer, wann wir uns zurückziehen, wann wir leise, still und ruhig sein sollten. Ich hingegen konnte gut vorpreschen…“ denkt Enna. Und genau diese Eigenschaft hilft ihr, nicht locker zu lassen. Sie ist mit der Sturmhöhe, dem alten Boot der Familie, unterwegs auf der Suche nach Mutter und Schwester, streift durch das Alte Land, die Gegend hier mit ihren Apfelbäumen, das Obstanbaugebiet, das anschaulich beschrieben ist.
    Rebekka Frank erzählt auf drei Zeitebenen eine Familiengeschichte, von 1923 über 1984 bis heute, bis zu Jahr 2023. Für die jetzt 17jährigen Zwillinge Enna und Jale wäre es wichtig gewesen zu wissen, was damals geschah, warum ihre Mutter seit 38 Jahren im Gefängnis sitzt. Ihre Oma Ehmi schweigt beharrlich, sie ist überhaupt sehr wortkarg. Als dann Alea und Jale an dem Tag, der eigentlich ein freudiger sein sollte, spurlos verschwinden, stößt Enna bei ihren Nachforschungen auf Geheimnisse, die über Generationen schlummern, die all die Jahre verschwiegen wurden und deren Ausmaße sich erst nach und nach offenbaren.
    Das Nachwort gibt Aufschluss auf die Fakten und die fiktiven Anteile dieses sehr lesenswerten Buches. Enna und Jale sind fiktiv wie auch Alea, Oma Ehmi und deren Zwillingsschwester Greetje. Sie sind sie gut getroffen und auch den Nebenfiguren nehme ich ihre Charaktereigenschaften ab. Schiffsunglücke aus vergangenen Zeiten werden in das Geschehen gut eingebunden, was das Drama um die Familie, das bis heute nachwirkt, nochmal versinnbildlichen.
    „Stromlinien“ hat mich innehalten lassen, sowohl die Handlung und der so intensive Erzählstil als auch die hier agierenden Personen, allen voran Enna, haben mich ans Buch gefesselt. Die einzelnen Erzählstränge bewegen sich aufeinander zu, bis alles klar wird, bis alles sichtbar ist. Ein starkes Buch, ein lesenswertes Buch.
    Die Hausboot-Detektei - Tödliche Blüten Amy Achterop
    Die Hausboot-Detektei - Tödliche Blüten (Buch)
    26.03.2025

    Die Fahndung nach den Tulpenmördern

    Miss Universe ist tot. Und nicht nur sie, mindestens sechshundert weitere ihrer Art hat es erwischt. Sie liegen leblos am Boden - eine Katastrophe! Dieses Schlachtfeld hat nur eine einzige überlebt. Der kleine Mann mit dem kugeligen Bäuchlein – Zacharias Muis – ist am Boden zerstört. Zwanzig Jahre hat es gedauert, bis er Miss Universe offiziell vorstellen konnte. Tiefschwarz ist sie, eine Schönheit mit goldenen Streifen. Dieses tiefe Schwarz ist zuvor noch keinem Züchter gelungen und nun ruft er nach der Polizei. Sehr ärgerlich, dass der Polizist, dem er diese Metzelei gerade meldet, nur mühsam einen Lachanfall zurückhalten kann.
    Zum nunmehr fünften Mal bin ich sozusagen Zaungast, als die Detektive der Hausboot-Detektei wiederum ermitteln. Da die Polizei nichts tun will, bleibt Zacharias gar nichts anderes übrig, als die Aufklärung des Massakers in private Hände zu geben. Was liegt da näher, als die vier mittlerweile etablierten Privatdetektive mit dem Fall zu beauftragen, die ihren Sitz auf der Lakshmi, ihrem Hausboot, haben.
    Viel ist los auf dem Keukenhof, in dessen Beeten sich das Drama um die zerstörten Tulpen abgespielt hat. Waren es mutwillig ausgesetzte Wühlmäuse, war es ein Anschlag eines Konkurrenten oder spielt ein verlorener Ehering eine Rolle? Lange tappen sie im Dunkeln, auch wird ein weißer Kastenwagen und zu allem Überfluss auch noch ein buntbemalter Bus gesichtet. Als dann auch noch eine Gärtnerin verschwindet, muss dringend Undercover ermittelt werden. Kommissar Zufall dann ist es, der irgendwann in diesem verzwickten Fall Licht ins Dunkle bringt.
    Auch dieser fünfte Fall sorgt für viel Aufregung, dazwischen hat natürlich der Neufundländer, der schlichtweg „Hund“ gerufen wird und zum Hausboot einfach dazugehört, seinen Auftritt. Auch die Sorge um Fru Gunilla, Jans Eichhörnchen, setzt den Detektiven gewaltig zu. Nur gut, dass sie seit neustem im Besitz der Kusche sind – ein leicht verbeulter Multivan, den sie von einem Nachbarn als Honorar erhalten haben. Die „Tödlichen Blüten“ sind – wie schon die Vorgängerbände – ein wiederum witzig-spritziges Lesevergnügen. Ein Wohlfühl-Krimi, der so dann und wann zum Schmunzeln einlädt.
    Peggy Rebecca Godfrey
    Peggy (Buch)
    26.03.2025

    Roman-Biographie mit Höhen und Tiefen

    „Ich bin dir Tochter zweier Dynastien, ich gelte als reicher als der Rest der Stadt, übertroffen nur von unserem Nachbarn Rockefeller.“ Schon die ersten Zeilen offenbaren die Welt, in der sie hineingeboren wurde. Peggy Guggenheim. Ihr Name steht für Glamour. Die Kunstsammlerin entstammt einer der wohlhabendsten Industriellenfamilie Amerikas, ihr Vater kam beim Untergang der Titanic ums Leben, zu ihren beiden Schwestern hatte sie immer Kontakt. Bei ihrer Volljährigkeit im Jahre 1919 erhielt sie eine für damalige Verhältnisse stattliche Summe, die sie unabhängig machte. Schon zwei Jahre später ging sie nach Paris, sie bewegte sich in Künstlerkreisen, heiratete Laurence Vail, bekam mit ihm zwei Kinder, ließ sich scheiden, heiratete ein zweites Mal.
    Die Roman-Biographie wird aus Peggys Perspektive präsentiert. Sie muss viele Schicksalsschläge verkraften, schon der Tod ihres Vaters setzt ihr schwer zu. Als Jugendliche ist sie eine Rebellin, viel Raum wird der Ehe mit dem gewalttätigen Laurence eingeräumt, ihre Begegnungen mit den Berühmtheiten ihrer Zeit sind eher wie nebenbei erwähnt, hier hätte ich mir mehr Einblick und mehr Tiefe gewünscht. Sie gilt als Sammlerin und Mäzenin der Kunstwelt, ihre schillernde Persönlichkeit habe ich weitgehend vermisst.
    Unterteilt ist das Buch in Alte Meister, Surrealismus und Modernismus, die Nachbemerkung von Leslie Jamison klärt darüber auf, dass Rebecca Godfrey ihre „Peggy“ nicht mehr vollenden konnte, sie mit ihrer Freundin Leslie viele Gespräche geführt und viel Material hinterlassen hat, um das Buch beenden zu können.
    Ich bin etwas zwiegespalten, habe Peggy dank des einnehmenden Schreibstils gerne gelesen, bin aber dennoch der Person Peggy Guggenheim nicht nahe gekommen. Vaters Untergang mit der Titanic und das Familienleben sind gut eingefangen, der Ehe mit Laurence konnte ich zwar nichts abgewinnen, sie war dennoch lebendig und fassbar geschildert, wenngleich diese acht Jahre kürzer hätten erzählt werden können. Die Kunstsammlerin dagegen war eher oberflächlich gehalten, was ich sehr schade finde. Denn neben der privaten Peggy hätte ich von der Kunstmäzenin und ihrem schillerndem Umfeld mehr wissen wollen. Zunächst hat mich das Buch direkt eingesaugt, ich war fasziniert von der ganz jungen Peggy, auch war ich auf ihre Jahre in Paris neugierig. Es war dann zu viel Nebensächliches, die große weite Kunstwelt mit all ihren heute noch bekannten Persönlichkeiten war eher eine uninspirierte Aneinanderreihung dessen.
    Der Wolf im dunklen Wald Sia Piontek
    Der Wolf im dunklen Wald (Buch)
    19.03.2025

    Fesselnde Story

    Der zweite Carla-Seidel-Krimi ist für mich der erste, was aber nicht weiter schlimm ist, denn auch ohne Vorkenntnisse bin ich gut in die Story gestartet. Dieser Kriminalroman enthält sehr viel Privates von Carla und ihrer Tochter Lana, es sind sozusagen zwei Geschichten, die sich ineinander vermengen.
    Um gleich mal beim privaten Teil zu bleiben: Lanas achtzehnter Geburtstag steht an, was zur Folge hat, dass sie nun entscheiden kann, ob sie ihren Vater wieder in ihr Leben lässt. Denn seit geraumer Zeit hat Carla ein Kontaktverbot für sie und Lana erwirkt. Die Vorgeschichte möchte ich nicht vorwegnehmen, sie wird im Buch sichtbar.
    Und nun zum Mordfall. Am Rande einer Jagdgesellschaft wird ein mit mehreren Messerstichen ermordeter Mann aufgefunden. Wie sich herausstellt, muss da jemand mit sehr viel Aggressivität vorgegangen sein, denn schon der erste Stich war tödlich.
    Ausgerechnet die Nacht zuvor haben Lana und Fabian von Boenning auf einem Hochsitz verbracht. War es Zufall, dass danach die männliche Leiche gefunden wurde? Weiß Fabian, für den Lana schwärmt, mehr? Carla nimmt die Ermittlungen auf, ihrer Tochter bleibt dies natürlich nicht verborgen. Ein zweiter Mord geschieht und wie es aussieht, haben diese beiden Fälle miteinander zu tun.
    Das Buch lebt von den beiden Hauptfiguren Carla und Lana, ihre privaten Momente sind durchwirkt von Carlas Arbeit. Nun, beide sind sie in die Ermittlungen involviert, Carla sowieso und Lana schon allein wegen Fabian, um den sie sich sorgt. Die kriminalistischen Anteile überwiegen schon, wenngleich sehr viel Privates mit hineinschwingt.
    Carla ist eine exzellente Ermittlerin mit Weitblick, die gelernt hat, auf ihr Bauchgefühl zu hören und die zuweilen haarscharf am üblichen polizeilichen Prozedere vorbeischrammt. Sie ist eine starke Frau mit durchaus schwachen Momenten, die oftmals mit sich selber hadert, die auch mal über die Stränge schlägt, dabei aber nie ihre Tochter vernachlässigt, auch wenn dies die hochsensible Lana es gelegentlich anders sieht.
    Die so unterschiedlichen Charaktere sind gut herausgearbeitet, das ganze Szenario, die Stimmung und die Örtlichkeiten sind schlüssig, das Motiv für all die Taten habe ich lange nicht gesehen und war mir dann doch ein Stück weit zu abgefahren. Die Ereignisse überschlagen sich zum Schluss regelrecht, die Story davor mitsamt der Aufklärungsarbeit wird im Vergleich dazu direkt gemächlich aufgebaut, wobei die Spannung und der Unterhaltungswert schon da waren. Kurzum - ich habe den „Wolf im dunklen Wald“ gerne und innerhalb kürzester Zeit gelesen, bin auch soweit zufrieden, das Ende dann war Action pur.
    Haus Waldesruh David Krems
    Haus Waldesruh (Buch)
    12.03.2025

    Geheimnisumwittert

    Ins Haus seines Onkels – es ist ein abgelegenes Landhaus in der Steiermark - hat Marco seine ehemaligen Klassenkameraden Anna, Ferdinand und Lea eingeladen. Fünfzehn Jahre sind seit ihrer Matura vergangen und nun trudeln sie nach und nach ein, auch gesellt sich Frank zu ihnen, den Lea im Zug hierher kennengelernt hat. Das Wochenende soll einigermaßen strukturiert ablaufen, sie stellen Regeln auf. Eine davon besagt, dass jeder und jede etwas von sich preisgeben wird, alle müssen ein Geheimnis verraten. Einer jedoch fehlt – Max. Er hat sich vor fünfzehn Jahren das Leben genommen.
    Nicht nur die vier Freunde haben Geheimnisse, auch das Haus scheint ein solches zu haben. Als sie ankommen, ist es eiskalt, es wirkt düster und nicht gerade einladend und heimelig. Diese Aura ist deutlich spürbar, sie überträgt sich auch auf das Miteinander. Sie waren einmal gute Freunde und auch mehr, so dann und wann sind sie sich schon mal über den Weg gelaufen, aber eher zufällig und unverbindlich. Fassaden bröckeln, die Stimmung kippt. Als dann ein Gast plötzlich vor ihnen steht, mit dem keiner gerechnet hat, droht alles in einem nicht beherrschbaren Desaster zu enden.
    Es ist ein leiser Roman, sehr atmosphärisch, mit starken, gut gezeichneten, individuellen Charakteren. Diese so unterschiedlichen Persönlichkeiten sind es, die die Handlung vorwärts treiben. Es gleicht einem Kammerspiel, wie „Haus Waldesruh“ beschrieben wird und ja, es ist ein Bühnenstück mit dem Haus als Bühne und von der Anzahl her überschaubaren Akteuren. Das Stück treibt unweigerlich in die Katastrophe, die erst allmählich sichtbar wird, um dann umso gewaltiger einzuschlagen.
    Von Anfang an hatte ich eine Erwartungshaltung schon allein aufgrund der Regeln und deren Umsetzung, was an sich schon genug Sprengstoff enthält. Die packende Story ist gut nachvollziehbar, sie war dem Ende zu für meine Begriffe ein klein wenig zu illusorisch, was aber angesichts der durchweg fesselnden und spannungsgeladenen Handlung vernachlässigbar ist. Es ist ein Roman, der mich nachdenklich zurücklässt, der mir noch lange im Gedächtnis bleiben wird.
    Im Auftrag der Fugger - Der Burgunderschatz Peter Dempf
    Im Auftrag der Fugger - Der Burgunderschatz (Buch)
    10.03.2025

    Auf gefährlicher Mission

    Augsburg im Jahre 1502. Afra und ihre Mutter sind in einer engen Gasse unterwegs, hinter ihnen ein Reiter, ein Karren – Afra kann sich gerade noch in eine Mauernische retten, für ihre Mutter reicht dazu die Zeit nicht mehr. Der weiße Teufelsreiter scheint Gefallen an dieser Hatz zu finden, er spornt seinen Gaul noch mehr an…
    Einige Zeit später ist Afra mit knurrendem Magen auf dem Markt unterwegs, sie lebt auf der Straße, als Bettlerin ist sie für die meisten unsichtbar. Als sie dann einen Beutel erwischt, ist ihre Enttäuschung zunächst groß, denn außer Zeichnungen findet sich nichts darin. Und doch erkennt sie, dass diese Blätter wertvoll sind, also versucht sie, diese an die höhergestellten Persönlichkeiten Augsburgs zu verkaufen.
    Gleich mal erlebe ich Afra als geschickte Diebin, die mir bald vertraut ist, die ich sehr mag. Sie hat zu Ihresgleichen ein gut funktionierendes Netzwerk gespannt, denn nur so ist ein Überleben einigermaßen gesichert. Afra ist eine der Hauptfiguren, die mit Herwart, dem jungen Meldereiter von Jakob Fugger, den sagenumwobenen Burgunderschatz von Basel nach Augsburg bringen soll - ein von vielen Unwägbarkeiten begleitetes Unterfangen.
    Herwart ist ein erfahrener Bote, der ständig im Auftrag der Fugger unterwegs ist. Afra jedoch ist in dieser Hinsicht eher unerfahren, wenngleich sie sich täglich mit gefährlichen Situationen konfrontiert sieht und sich sehr wohl durchzusetzen weiß. Sie sind ein ziemlich ungleiches Duo, das sich aber zusammenraufen muss, denn Fugger hat es so bestimmt. Die beiden geraten von einer Gefahr in die gefühlt nächste. Auch haben sie es mit einem durchtriebenen Widersacher zu tun, den es gilt, abzuschütteln. Nicht nur einmal habe ich um sie gebangt und doch sind sie – wenn auch so manches Mal schwer lädiert – mehr oder weniger leidlich davon gekommen. Es sind (auch) diese actionreichen Szenen, die dem Roman vorantreiben. Aber nicht nur…
    …denn der Autor gibt Einblick in die damalige Zeit, auch beschreibt er den Burgunderschatz, um den sich die Geschichte rankt, näher. Im informativen Nachwort geht er nochmal detailliert darauf ein und lässt nicht unerwähnt, dass sich die wertvollen Stücke lange im Besitz der Stadt Basel befunden haben. Der Fugger-Faktor Hans Kohler, den wir im Buch begegnen, war real wie so manch andere Personen, die Figuren Afra und Herwart dagegen sind fiktiv, obwohl der Transportes des Burgunderschatzes an sich Jakob Fuggers Idee war.
    Der abenteuerliche historische Roman ist ein kurzweiliges Lesevergnügen, in dem unsere beiden Protagonisten in so manch gefährliche Situation geraten. Und wie nebenbei serviert uns der Autor eine gute Dosis geschichtliches Wissen auf unterhaltsame Weise, die er geschickt in diese unterhaltsame Geschichte verpackt hat.
    Achtzehnter Stock Sara Gmuer
    Achtzehnter Stock (Buch)
    06.03.2025

    Träume...

    Das Leben im 18. Stock, noch dazu in einem Berliner Plattenbau kenne ich überhaupt nicht, umso mehr war ich gespannt auf diesen Roman.
    Wanda lebt mit ihrer 5jährigen Tochter Karlie in einem Hochhaus, in einer Zweizimmerwohnung, die eigentlich renovierungsbedürftig wäre. Ihr Vermieter ist ihr Onkel, der ihre Mietschulden für dieses „Kronjuwel“ nicht mehr allzu lange dulden will. Wanda ist Schauspielerin, gerade aber nicht beschäftigt. Als Alleinerziehende ist es gar nicht so einfach, Kind und Arbeit unter einen Hut zu bekommen. Nur gut, dass die Mutter von Karlies Freundin Aylin so dann und wann auf beide Mädchen aufpasst.
    Auch in so einem Haus richtet man sich ein oder besser gesagt man akzeptiert, dass der Lift oft kaputt ist und dass schon mal eine schon auf den ersten Blick eklige Matratze in der Liftkabine auf einen neuen Besitzer wartet. Man nimmt es nicht so genau, auch nimmt man hin, dass der Betonbau ein einziges Funkloch ist.
    Doch wie anders sieht die Glitzerwelt des Films aus, denn Wanda kennt auch diese Seite. Nur müsste sie viel Zeit mitbringen und komplett unabhängig sein, was sie nun mal mit Kind nicht ist.
    Sara Gmuer nimmt ihre Leser mit auf beide Seiten. Die Autorin vermittelt beides, ohne ins Klischeehafte abzudriften. Es sind intensive Blicke auf Mutter und Kind mitsamt den Nachbarn. Die Wirklichkeit ist hier herzlich und auch rau, man hilft sich gegenseitig, ist zuweilen auch ganz schön schräg drauf und dann wieder schlägt die Realität hart zu, überlagert von ständiger Geldnot. Ganz anders präsentiert sich die Welt des Films, in der Geld keine Rolle zu spielen scheint. Wanda geht durch Höhen und durch Tiefen und natürlich ist es verlockend, wenn einen plötzlich die Welt offen steht. Sie ist eine junge Frau, die zwar in erster Linie Mutter ist, die aber dennoch den Hunger nach Leben, nach Selbstverwirklichung spürt, nach Liebe und Zweisamkeit. Und da ist die Sorge um das Kind, das krank ist. Kann Wandas ständiger Spagat gelingen?
    Das Ende dann zeigt auf, was im Leben wichtig ist. Wer Wanda wichtig ist. Für mich ein versöhnliches, ein stimmiges, ein fürsorgliches und ja – ein glückliches Ende. Zusammen ist man nie allein, das Glück findet man in den kleinen, in den alltäglichen Dingen.
    Sommervogelflug Eva Floris
    Sommervogelflug (Buch)
    04.03.2025

    Über den Neuanfang und über das Leben überhaupt

    Schmetterlinge sind so vielfältig, so zart, so wunderschön anzuschauen, wenn sie die Blüten umschwirren. Schon immer genieße ich es, sie ein Weilchen zu beobachten und dabei ein Stück Unbeschwertheit, ja Lebensfreude zu tanken. Ich habe das Glück, dass es sie in meiner Nähe noch zahlreich gibt.
    Eva Floris hat mich mit ihrem „Sommervogelflug“ in eine Welt entführt, die mir nicht ganz fremd ist und doch sehe ich nun diese feingliedrigen Wesen mit ganz anderen Augen, mein Blick auf sie wird sehr viel intensiver sein. Gestaunt habe ich über die Beschreibung dieser grazilen Tiere, von den Puppen und den Raupen bis hin zu ihrer vollen Entfaltung. Schon dieser erste Kontakt und die Vielfalt haben mich für dieses wundervolle Buch eingenommen.
    Aber nicht genug damit. Mit Lilly reise ich nach Elba, in deren Leben nach einer schweren Krankheit nichts mehr so ist, wie es war. Dass sie nicht das Kind ihrer geliebten Eltern ist, macht ihr schwer zu schaffen, denn sie wusste all die Jahre nichts davon, dass sie adoptiert wurde. Eine Spur zu ihrer leiblichen Mutter führt auf die Insel Elba, also macht sie von Hamburg aus auf, sie zu suchen. Dabei stellt sie ihr bisheriges Leben infrage, auch gibt sie ihren Verlobten frei, sie blockiert auch weitgehend den Kontakt zu ihrem Umfeld.
    Auf Elba leitet Valentina einen Schmetterlingspark und da eine Stelle unbesetzt ist, findet Lilly dort Arbeit. Lilly meint, hier ihre Mutter gefunden zu haben – ob sie richtig liegt? Valentinas spröde Art, ihre Distanziertheit nicht nur Lilly gegenüber macht eine Annäherung nicht gerade einfach.
    Es steckt so viel Lebensweisheit in diesem schon auf den ersten Blick so heiter daherkommenden Buch, das Cover lädt direkt ein, für einige Stunden alles andere zu vergessen. Wie das Leben manchmal so spielt, war für Lilly ihre Krankheit ausschlaggebend, dass sie von der Adoption erfahren musste. Schwer enttäuscht von denen, die ihr am nächsten waren, sucht sie einen Neuanfang, den sie auf Elba zu finden glaubt. Dabei führt so mancher Umweg zu Menschen, denen sie sich sehr verbunden fühlt, anderen gegenüber ist sie eher reserviert, Nähe kann sich nicht bei jedem einstellen.
    Der Roman weckt Sehnsucht nach dem sonnigen Süden, Eva Floris beschreibt die Insel so eindrucksstark, dass ich am liebsten sofort gen Italien düsen würde. Die italienische Lebensart, der so herzliche Menschenschlag und auch die Schönheit der Schmetterlinge – all das macht Lust auf einen baldigen Trip. Die Charaktere, allen voran Lilly und Valentina, sind mit viel Leben gefüllt. Sie sind absolut glaubhaft angelegt, sie sind stark und auch schwach, haben Ängste und Sehnsüchte, sind eher leichtlebig, andere wiederum nehmen jede Aussage schwer, sie beziehen vieles auf sich, was der Nächste einfach an sich abprallen lässt. Verlustängste und ein tief empfundener Vertrauensbruch, aber auch Freundschaft und Liebe in allen Facetten sind Thema, um nur einiges herauszugreifen. Ich habe mich wohl gefühlt auf Elba, habe mit ihnen gelitten, gebangt, habe so manches Mal geschmunzelt und mich mit ihnen gefreut. „Ach, das Leben“ schreibt Valentina an Lilly. Ein schöner Halbsatz zum Schluss, der alles umschreibt.
    Für Polina Takis Würger
    Für Polina (Buch)
    26.02.2025

    Eine wundervolle Geschichte voller Musik und Poesie

    „Eine Liebe durchrollte Fritzi, schön und erschütternd, und sie begriff, dass dieser stille Gnom, der sich auf ihrer Brust zu einer kleinen Kugel zusammenigelte, das wunderbarste Missgeschick war, das ihr hatte passieren können.“
    Takis Würger erzählt von Hannes, er erzählt auch von Polina und beginnt mit Fritzi, Hannes Mutter. Seine Worte sind wie Poesie, seine Geschichte berührt, sie geht nahe, sie wühlt auf. Von der Wiege - eigentlich schon ab der Zeugung - bis sehr viele Jahre danach sind die Leser sowas wie Zaungäste im Leben des Hannes Prager.
    Fritzi gibt ihrem Sohn alles, was er braucht, was nicht unbedingt mit Materiellem zu tun haben muss. Auch hat sie es geschafft, sich und Hannes ins Herz des alten Hildebrand zu schleichen - die alte Villa im Moor ist von nun an auch ihr Zuhause. Und die kleine Polina und ihre Mutter, die Fritzi seit der Geburt ihrer Kinder eine Freundin ist, sind oft und gerne da.
    Hannes Leben ist voller Musik, er kann sich am Klavier sehr viel besser ausdrücken als mit Worten. Er ist eine Naturbegabung, der Junge im Moor spürt die Töne, er erweckt Melodien zum Leben. Hannes ist glücklich, seine Kindheit ist geprägt von unbändigem Lebenswillen – bis sein Leben aus dem Takt kommt. Er spielt nicht mehr, er arbeitet von nun an als Klavierträger. Und wie es so ist, bekommt auch Hannes Leben irgendwann wieder eine neue Wendung. Alles fließt, nichts bleibt stehen.
    Es ist eine Liebesgeschichte, die beim Lesen eher durchschimmert. Das Band, das sie schon immer miteinander verbindet, ist sehr dehnbar, es scheint irgendwann zu reißen. Es ist eine Familiengeschichte, die keiner großen Worte bedarf. Das Buch erzählt auch von Freundschaft, von echten Freunden. Denn was wären wir ohne diese wahren Freunde. Hannes, Fritzi, Polina, Hildebrand und noch so einige andere Figuren prägen Hannes Leben, sie sind jeder für sich ziemlich eigen und doch bilden sie eine Einheit - nicht immer ist das Leben fair, jeder bekommt das mehr oder weniger zu spüren.
    „Für Polina“ ist ein wundervoll erzähltes Buch, es ist eine Geschichte der leisen Töne, die doch sehr gewaltig daherkommt.
    Dunkle Momente Elisa Hoven
    Dunkle Momente (Buch)
    26.02.2025

    Gut und Böse – es gibt viele Grautöne dazwischen

    Elisa Hoven ist Professorin für Strafrecht, sie ist ganz nah dran an den Opfern und den Tätern, sie macht sich in ihrem Buch „Dunkle Momente“ Gedanken über Schuld und Unschuld, über Recht und Gerechtigkeit.
    Neun Fälle sind es, die Elisa Hoven ihre Protagonistin Eva Herbergen erzählen lässt. Herbergen ist Strafverteidigerin, ihr Beruf ist ihr Berufung. Viele der hier aufgezeigten Geschichten sind echten Fällen nachempfunden, bei denen die Autorin sich gefragt hat, wie es zu diesen Verbrechen kam, was im Leben der Menschen geschehen war und was die Tat mit allen daran Beteiligten letztendlich gemacht hat. „Ein Mensch kann jahrelang das Richtige tun und dann eine falsche Entscheidung treffen, die alles verändert.“
    Gleich der erste Fall eines rumänischen Brüderpaares, der mit „Notwehr“ übertitelt ist, zeigt die Diskrepanz von Gut und Böse deutlich auf. Es geht um Einbruch, um Diebstahl und um die von dem Geschädigten geschilderte Notwehr und die Folgen dessen. Von der Vorbereitung einer Straftat bis hin zum Urteil und darüber hinaus werden die Fälle aufgegliedert und so manches Mal stellt sich im Nachhinein einiges ganz anders dar.
    Eva Herbergen überschreitet auch Grenzen, solange sich diese mit ihrem Gewissen vereinbaren lassen. Sie setzt sich für ihre Mandanten ein, sie unterstützt diese in Ausnahmesituationen, denn jede Tat ist jenseits des normalen Lebens und bedarf Unterstützung. Fall zwei befasst sich mit einer erfolgreichen Schriftstellerin, es folgt die ganze Dramatik eines Kindersoldaten, auch die nachfolgenden Fälle werfen Fragen nach der Moral auf, nach der Fehlbarkeit auch einer Juristin – jede Geschichte, in die ich tiefer eintauche, hat mich mitgenommen, mich aufgewühlt oder mich auch abgestoßen. Kalt gelassen hat mich keine davon, jede einzelne erzählt von einer Tragödie. Nie hätte ich gedacht, wie glaubhaft Lügen sein können, denn nicht alles ist so, wie es zunächst den Anschein hat.
    Ein Fall in der Zeitung, im Urlaub gelesen, hat die Autorin nicht losgelassen. Die Menschen in dieser Geschichte und das Dahinter wollten aufs Papier, so hat alles angefangen. „Dunkle Momente“ erzählt von Menschen in ihren düstersten Stunden. Von menschlichen Abgründen, von Vergewaltigung und Scheingeschäften und von noch so einigem, auch von einer Nachlassgeschichte, die – so hoffe ich – nicht alltäglich ist.
    Das perfekte Verbrechen – gibt es das? Nach der spannenden, sehr kurzweiligen Lektüre und den mitunter durchaus grausamen Momenten stellt sich mir diese Frage schon.
    „Jede Tat hat seine Geschichte.“ Und diese Geschichte dahinter, diese Geschichten der hier beschriebenen neun Straftaten hat Elisa Hoven gut lesbar ins Buch gepackt, das mich derart gefesselt hat, dass ich es bis zum Schluss nicht weglegen konnte und das mich trotz oder gerade wegen all der Gewalttaten nachdenklich zurücklässt.
    Den Bach rauf Robert Habeck
    Den Bach rauf (Buch)
    24.02.2025

    Demokratie leben

    Robert Habeck schreibt so, wie er spricht. Nicht so, wie ein typischer Politiker sich darstellt, nein. Eher so, wie es der Nachbar von nebenan oder ein guter Freund tun würde – offen und auch mal selbstkritisch mit einer gehörigen Portion gesundem Menschenverstand.
    Nun, ich kenne diese Hassbotschaften, denen die Grünen ausgesetzt sind. Warum? Weil diese Hater in ihrer eigenen Blase leben, sie nicht über den Tellerrand hinausschauen wollen oder es vielleicht auch gar nicht können. Haben Teile unserer Gesellschaft verlernt, selbständig zu denken? Sich zu informieren? Haben sie es sich in unserer Demokratie, in der sie angeblich nicht leben, zu bequem gemacht?
    Das Buch enthält nicht wirklich Neues und doch sind es so einige Gedanken, so einige Passagen, die Mut machen, denen ich viel abgewinnen kann. Wer sich für Politik, für Wirtschaft, für die Gesellschaft nicht nur in unserem Land, auch weltweit, interessiert und sich mit – wohlgemerkt seriösen - Informationen versorgt, der kennt vieles von dem, was Habeck anspricht. Ein Buch, das verständlich geschrieben ist und das sich flüssig liest. Er spricht etwa die vergangenen drei Jahre an, das umstrittene Gebäudeenergiegesetz, die überbordende Bürokratie, durchaus selbstkritisch, wie bereits erwähnt. Die Gaspreisbremse und wie alles anfing – ich habe die Nachrichten dazu stets verfolgt und weiß, dass er recht hat mit dem, was er jetzt, im Nachhinein, dazu schreibt. Deutschland ist sicher durch den Winter gekommen, wir wissen es. Alle haben an einem Strang gezogen.
    Viele Themen brennen uns unter den Nägeln, seien es der Klimawandel oder auch die Skrupellosigkeit mancher Politiker, die der Stimmen wegen auch mit einer in Teilen gesichert rechtsextremistischen Partei kungelt und dann alles kleinredet, ja von sich weist und mit dem Finger auf andere zeigt, die er dann auch noch zu erpressen versucht. Der schon viel zu lange dauernde Angriffskrieg und die Autokraten, die Fremdenfeindlichkeit und… und … und… sind eines der vielen Themen, die er anspricht.
    Er nennt sein Buch „Den Bach rauf“, dieses Buch soll den Weg dazu zeigen. Zunächst lässt er Margot Friedländer zu Wort kommen: „Schaut nicht auf das, was euch trennt. Schaut auf das, was euch verbindet.“ Ein schöner Einstieg ins Buch, aber auch ein schönes Schlusswort, wie ich finde.
    Ein Kommentar
    Anonym
    13.07.2025

    meine Worte

    diese Rezension kann ich zu 100 Prozent unterschreiben. quasi,
    "Meine Worte"
    Der große Riss Cristina Henríquez
    Der große Riss (Buch)
    18.02.2025

    Eindrucksvoll

    Der Panamakanal ist eine der wichtigsten Schifffahrtsstraßen weltweit. Die etwa 82 km lange, künstliche Wasserstraße mit Schleusen und einer Scheitelhaltung von 26 m Höhe verbindet den Atlantik mit dem Pazifik. Schon Kaiser Karl V. hatte die Idee, die beiden Ozeane miteinander zu verbinden, um 1900 dann wurden die Arbeiten vorangetrieben, Cristina Henriquez erzählt in ihrem großartigen Roman „Der große Riss“ davon. Schon der erste Blick auf das BuchCover zeigt, mit welch gewaltigem Bau wir es hiermit zu tun haben.
    Sie kommen aus allen Ecken der Welt, aus Barbados, Jamaika, Peru, Argentinien… es sind zu viele Herkunftsländer, um sie alle aufzuzählen. Es sind tausende von Männern, die sich Tag für Tag durch den Matsch schaufeln, durchnässt vom Regen.
    „Sie strömten in Arbeitszügen herbei und kletterten hinunter in den Riss, und wenn die Pfeife ertönte, arbeiteten sie. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang öffneten sie die Erde. Sie standen bis zu den Knien im Schlamm. Sie atmeten den Kohlequalm der Lokomotiven ein, die unentwegt an ihnen vorbeizogen. Ihnen dröhnten die Ohren von den Hämmern der Felsbohrer…“
    La Boca wird der Kanal von ihnen genannt. Ein klaffendes Loch, das alles verschlingt, was sich ihm in den Weg stellt. Es gibt gewaltige Erdrutsche, es gibt viele Opfer. Ganze Ortschaften werden verlegt, Seuchen und Krankheiten bekämpft, sie arbeiten bis zum Umfallen und doch bleibt ihnen nicht viel.
    Anhand von Einzelschicksalen wird der Bau dieses gewaltigen Projekts deutlich. John etwa, der die Malaria ausrotten will, stellt Ada ein, die sich um seine kranke Frau Marian kümmert. Ada wiederum will für ihre schwerkranke Schwester Millicent Geld verdienen, um die Arztkosten bezahlen zu können. Mit Omar, dem Sohn des Fischers Franciscos, stecken wir direkt im Schlamm. Es ist ein Knochenjob, der durch die Willkür des Aufsehers zusätzlich erschwert wird. Auch wird die Umsiedlung Gatúns thematisiert, ein Riss geht nicht nur durch Panama, er geht durch ihrer aller Leben. Und diese Leben bindet Cristina Henriquez in die Arbeiten um den Panamakanal ein. Ihre so unterschiedlichen Leben haben Berührungspunkte, ihre Lebenswege entlang des Kanals kreuzen sich. Die Autorin zeigt auf, was der Riss aus ihnen allen macht. Ein Riss, der sich durch alle Schichten der Gesellschaft zieht, der Arm gegen Reich, Schwarz gegen Weiß anspricht, ohne zu werten. Der auch heute, mehr als ein Jahrhundert später, nachdenklich macht.
    Ganz viel habe ich rund um die Entstehung des Panamakanals mitgenommen. Wer sich eher für die technischen Daten interessiert, wird sie alle im Netz finden. Es ist ein Roman, kein Sachbuch. Das Historische wird mit den interessanten, durchweg authentischen Charakteren gut verständlich aufbereitet, es ist ein lebendiges, sehr lesenswertes Buch, das wie nebenbei viel Wissenswertes vermittelt.
    Frau Hempels Tochter. Roman Alice Berend
    Frau Hempels Tochter. Roman (Buch)
    16.02.2025

    Eine Milieustudie

    Über die vielzitierten „kleinen Leute“ hat die jüdische Schriftstellerin Alice Berend geschrieben, sie selbst kam aus großbürgerlichem Hause, sie hatte schon immer den Drang, zu schreiben. Ihr Roman „Frau Hempels Tochter“ erschien 1913, schon ihre vorherigen Bücher waren erfolgreich, weitere erschienen, sie wurde die meistgelesene Schriftstellerin ihrer Zeit in Deutschland. Ihre Werke wurden von den Nationalsozialisten verboten, sie ging in die Schweiz und später dann nach Italien.
    Nun zum Buch, dem ich hier noch ein wenig nachspüren will: Frau Hempel lebt mit ihrem Mann, einem Schuster, und ihrer Tochter als Portiersfrau in einem Berliner Mietshaus. Laura heiß Frau Hempels Tochter. Sie ist jung, bildschön und will hinaus aus der Kellerwohnung der Eltern, hinaus ins Leben. Zunächst schafft sie es einige Stockwerke höher zu den Brombachs, dort ist sie als Kindermädchen angestellt. Nun, Laura sieht dann und wann von Brombachs Wohnung aus dem Fenster und was oder besser gesagt wen sie sieht, erfüllt sie mit Freude. Es ist Eugen, der junge Graf von Prillberg, der ihr ausgesprochen gut gefällt.
    Frau Hempel ist fleißig und rechtschaffen, ihr großes Ziel ist es, eines Tages im eigenen Häuschen zu wohnen, dafür legt sie jeden entbehrbaren Groschen zur Seite. Sie ist zufrieden mit dem, was sie hat. Ganz anders die Gräfin von Prillberg, deren Gatte als Sektagent von Haus zu Haus tingelt und sie nun verarmt im Hinterhaus wohnen müssen. „Denn die Gräfin war sehr unglücklich, und ihr einziges Vergnügen war, sich über ihr Schicksal beklagen zu dürfen.“
    Auch wenn der Schreibstil gerade anfangs etwas sperrig anmutet, so gewöhnt man sich schnell daran und geht über, die Geschichte im Kleinbürgermilieu zu genießen. Schuster, bleib bei deinem Leisten heißt es so schön, in unserem Falle wäre die Tochter eines Schuhmachers und einer Dienstbotin bei Ihresgleichen gut aufgehoben, sie aber folgt ihrem Herzen, unterstützt von ihrer lebensklugen Mutter. Wir sind in Berlin zur Jahrhundertwende, die Grenzen zwischen der feinen Gesellschaft und den gewöhnlichen, den kleinen Leuten, sind stets spürbar, das Klassendenken nicht zu leugnen. Und natürlich ist es der Frau Gräfin nicht recht, dass sich ihr Grafen-Sohn mit einer Schusterstochter einlässt, geschweige denn, sie ehelicht.
    Alice Berend erzählt klug und gewitzt von „Frau Hempels Tochter“, die Neuauflage wurde moderat dem heutigen Standard angepasst. Unbedingt lesenswert ist auch das von Margret Greiner verfasste Nachwort, das dem soeben Gelesenen nochmal nachspürt und auch den Lebensweg von Alice Berend skizziert. Ein wiederentdeckter Roman, der mir kurzweilige und gar vergnügliche Lesestunden bereitet hat.
    26 bis 50 von 198 Rezensionen
    1
    2
    3 4 5 6 7 8
    Newsletter abonnieren
    FAQ- und Hilfethemen
    • Über jpc

    • Das Unternehmen
    • Unser Blog
    • Großhandel und Partnerprogramm
    MasterCard VISA Amex PayPal
    DHL
    • AGB
    • Versandkosten
    • Datenschutzhinweise
    • Barrierefreiheitserklärung
    • Impressum
    • Kontakt
    • Hinweise zur Batterierücknahme
    * Alle Preise inkl. MwSt., ggf. zzgl. Versandkosten
    ** Alle durchgestrichenen Preise (z. B. EUR 12,99) beziehen sich auf die bislang in diesem Shop angegebenen Preise oder – wenn angegeben – auf einen limitierten Sonderpreis.
    © jpc-Schallplatten-Versandhandelsgesellschaft mbH
    • jpc.de – Leidenschaft für Musik
    • Startseite
    • Feed
    • Pop/Rock
    • Jazz
    • Klassik
    • Vinyl
    • Filme
    • Bücher
    • Noten
    • %SALE%
    • Weitere Weitere Bereiche
      • Themenshops
      • Vom Künstler signiert
      • Zeitschriften
      • Zubehör und Technik
      • Geschenkgutscheine
    • Anmelden
    • Konto anlegen
    • Datenschutzhinweise
    • Impressum
    • Kontakt