Island im Drogensumpf
Nordic Noir vom Feinsten – so habe ich von SCHMERZ, dem ersten Fall für Dora und Rado, geschwärmt. Und nun ist es GIFT, das ich gerade zur Seite gelegt habe. Auch dieser zweite Fall für die beiden Ermittler bei der Kriminalpolizei Reykjavik hat es in sich.
Dora wurde bei einem früheren Einsatz angeschossen, seitdem funktioniert ihr Gehirn anders als zuvor. Sie spürt intensiver, ein stechender Schmerz in ihrem Kopf, hinter dem Glasauge, verschwindet nie ganz. Sie kämpft mit Bewusstseinsstörungen, hat surreale Wachträume… um von den Schmerzmitteln loszukommen, holt sie sich Hilfe. Seit zwei Monaten ist sie wieder im Dienst, hat aber keine besonders stressigen Fälle. Was sich bald ändern wird.
Rado ist zur Rauschgiftabteilung gewechselt, er leitet sein Team, das großteils selbständig arbeitet, was für ihn gut passt, da er sich das Sorgerecht für seinen Sohn Jurek mit seiner Ex-Frau teilt.
Joel, ein junger Sanitäter, findet in einer Raumkapsel, die als Kulisse auf dem Filmgelände steht, ein wenig Privatsphäre. Ein Fehler, wie sich bald darauf herausstellt, denn er ist eingeschlossen. Seine Leiche wird entdeckt, furchtbar zugerichtet. An anderer Stelle ist es ein umgekippter LKW am Straßenrand, der eine lange, rote Spur hinter sich hergezogen hat. Aus Kanistern, teilweise explodiert, fließt ebenfalls diese rote Flüssigkeit, der Fahrer liegt tot daneben. Dora ist an der Unfallstelle, sie sieht eine Motorradstreife, beide Polizisten scheinen eineiige Zwillinge zu sein. Später dann ist sich Dora nicht mehr sicher, sie wirklich gesehen zu haben.
Elliði, Dora und Rados ehemaliger Chef, hat eine persönliche Verbindung zu einem dieser Fälle. Er ist zu nah dran, also schließen sich Dora und Rado zusammen. Es gibt weitere Todesfälle, ihre Ermittlungen führen sie tief hinein in den Drogenhandel, in den Drogensumpf, in den Missbrauch von Betäubungsmitteln. Bei den Opfern wurde ein Stoff gefunden, der selbst in kleinen Dosen tödlich ist.
Jón Atli Jónasson hat ein etwas anderes Ermittlerduo erschaffen. Sie sind vielschichtige, sehr individuelle Persönlichkeiten, sie haben es mit hochkriminellen Machenschaften zu tun, bei denen nicht lange gefackelt wird. Die Story um ein tödliches, sich weit verbreitendes Gift ist mitreißend erzählt, die immer mal wieder durchschimmernden privaten Momente passen sich perfekt dem Geschehen an.
GIFT steht dem Vorgängerband in nichts nach, es ist hart, rau und düster, es ist brutal und voller Gewalt. Jón Atli Jónassons Reihe um das Ermittlerduo Dora und Rado hat Suchtpotenzial - spannend und düster bis zum Ende. Und nun hoffe ich sehr, dass die Reihe weitergeht, ich wäre sofort wieder dabei.