2025 ist das Jahr der Ikonenzeichnung: Hey, ich bin C*NTISSIMO!
Auf ihrem 6. Album PRINCESS OF POWER verfolgt MARINA einen ähnlichen Ansatz wie Lady Gaga mit MAYHEM, das stark aus dem Fundus von Gagas Hitalben THE FAME und BORN THIS WAY aus ihren Anfangstagen schöpft. Nach 15 Jahren Karriere darf man sich schließlich auch einmal dafür feiern, was man ist: eine Wahnsinnsikone! Während sie auf ihrer 5. LP ANCIENT DREAMS IN A MODERN LAND von 2021 eher aktivistisch unterwegs ist und u. a. Diktatoren aus Saudi-Arabien für ihre Schreckenstaten gegen Homosexuelle an den Pranger stellt, heißt die Abkürzung von PRINCESS OF POWER nicht umsonst P.O.P. Alle 13 Titel der Platte umschreiben eine fröhlich stimmende, positive Atmosphäre, die an ELECTRA HEART, dem großen Fanfavouriten aus dem Jahr 2012 anknüpft. In den zuckrigen Arrangements des Synth-Pops, der oft wie die Vertonung von schillernden Sternschnuppen wirkt und gut auch aus Videospielen der 90er stammen könnte, steckt trotz leichherziger Klangfigur so manch bittersüßer Inhalt, der mit vereinzelten Flächen an Streichern hollywoodträchtig angereichert ist. Eigentlich unterscheidet sich MARINA nur wegen des tanzbaren Materials vom Sadcore einer Lana Del Rey und Florence + the Machine. MARINA zeichnet ihr ikonisches Alter Ego "Electra Heart" mit blonder Perücke, einem Herz auf der Wange, Sucht nach Ruhm und einst morbiden Gedanken an einen frühen Tod nun weitaus erwachsener, sprich gewachsen an ihren inneren Dämonen. Die BUBBLEGUM B**CH und PRIMADONNA sind zwar in Form der kontrollierten PRINCESS OF POWER und dem Endgegner FINAL BOSS immer noch da. Deren Attitüde der Überlegenen gegenüber toxischer Männer erhält diesmal sogar eine eigene Begrifflichkeit: als hochelektronisches, Dubstep verströmendes C*NTISSIMO, jetzt schon einer der erinnerungswürdigsten Titel im Oeuvre von MARINA und Anspieltipp Nr. 1. Sie ist sich aber auch ihrer Wandlung zur erfahrenen Frau bewusst. Als ADULT GIRL versichert MARINA, sich in vielen Situationen weiterhin das innere Kind zu bewahren, ohne das Verständnis zu verlieren, dass sie in ihren 20ern und den im Oktober endenden 30ern schon viel erlebt (und verarbeitet) hat. Die PRINCESS OF POP ist eben eine gestandene Persönlichkeit geworden! Dabei ist MARINAs inhaltliche Melange aus Feminismus und Selbstwertstärkung unterlegt mit dem für Popmusik aktuell so typischen Retrogefühl, weil bewährte Harmonien, Samples und Partituren ihrem P.O.P. einen schönen Rahmen verleihen. Das frech-frivole ROLLERCOASTER liefert einen der vielen Gründe, warum HOLLABACK GIRL von Gwen Stefani zu den wichtigsten Popsongs der modernen Musikgeschichte zählt; im ätherisch-monumentalen METALLIC STALLION ist MARINA Kate Bush so nah wie nie. Den Vergleich zum exaltierten Gesangsstil der Britin, die vor wenigen Jahren überraschend ihren 80er-Hit RUNNING UP THAT HILL wieder ganz oben in den Charts gesehen hat, zogen MARINAs Befürworter schon 2010. Das aufgeweckte I <3 YOU (2. Anspieltipp) will den Herzschlag der Zuhörenden beschleunigen und verströmt gerade zum Ende hin 70s-Disco-Vibes im Stil von Gloria Gaynor. Das wird man überleben... und wie!
PRINCESS OF POP ist einfach eine Achterbahnfahrt mit selbstbewusstem Liedgut, das zeigt, wie MARINA als Künstlerin immer weiter wächst, ohne ihrem Stil je abtrünnig zu werden. Wenn man tanzen und dazu noch clevere Texte trällern will, ist man bei MARINA mit ihrem verletzlich-rotzigen Timbre genau richtig.
Schade, dass man diesmal auf den Abdruck der Texte gänzlich verzichtet hat. Da wirkt die Klapphülle beinahe verschwenderisch, wenngleich sie wunderschön anzusehen ist. Der Klang ist typisch für eine Popproduktion aus dem Jahr 2025: druckvoll und hier und da mit dezenten Glanzpunkten in der sehr mittenlastig angelegten Klanglandschaft. Die Innenhülle ist zwar bedruckt, aber nicht gefüttert. Der pink-transparenten LP, die letztlich völlig anders als auf dem Produktfoto aussieht, sollte man eine Fütterung mittels eines KATTA-Japansleeves gönnen, weil die Pressung optisch makellos ist... und so bleiben soll. Von halbtransparenten LPs bin ich trotzdem kein großer Fan, weil die Rillen der anderen Seite durchscheinen und dadurch Verwirrung stiften bzw. das Material die Sicht auf die Titelmarken erschwert. Dabei höre ich doch C*NTISSIMO gerne mehrmals am Stück...