Warner is saving all her summers for us: Nur ein Bonustrack und ein stellenweise verhunztes Mastering
FROOT ist das letzte Studioalbum, auf dem Marina noch unter dem Zusatz „… and the Diamonds“ firmiert. Das dritte Werk in ihrem Oeuvre ist sowas wie der Kern ihres Gehäuses, das sie für einen Ausflug in Richtung EDM-Mainstream (LOVE + FEAR, 2019) und regen politischen Aktivismus (ANCIENT DREAMS IN A MODERN LAND, 2021) abstreift, um sich die ausdrucksstarke Hülle des feministischen Früchtchens dieses Jahr in Form von PRINCESS OF POWER wieder aufzusetzen.
Textlich hat Marina Diamandis, wie die aus Wales stammende Wahl-Kalifornierin mit griechischen Wurzeln bürgerlich heißt, immer schon abgeliefert, aber Phrasen wie „I’ve been saving all my summers for you“ (FROOT), „white like a diamond, black like coal“ (SOLITAIRE) und „a generation who have everything and nothing“ (SAVAGES) saßen noch nie so fesselnd wie geschmackssicher und auf ihre Weise einfach wunderschön wie auf FROOT, das seine inhaltliche Farbenpracht auch visuell auf dem Cover durch die regenbogenartigen Farbreflexe auf Marinas Haaren ausdrückt.
Übrigens duftet der Hype-Sticker, der die 10th Anniversary Edition mit dem Bonustrack I’M NOT HUNGRY ANYMORE bewirbt, nach Ananas, wenn man ihn reibt. Dieses Easter Egg ist den Früchtearomen der einzelnen 7“-Singles des limitierten Boxsets von 2015 nachempfunden. Den an sich schon guten Sound der verschiedenen Erstpressungen, damals wahlweise als farbige Singles im besagten Set bzw. auf weißem oder schwarzem Vinyl, hat man gerade im Bassbereich um viel Tiefe erweitert. Eigentlich ist dieser Umstand nicht verwunderlich, weil FROOT hier erstmals platzverschwenderisch auf 2 LPs im transparent-roten „Aperol-Look“ geschnitten wurde. Bei der Abnahme der Abmischung gingen aber offensichtlich die scharfen S-Laute in BLUE unter, aber ansonsten klingt das Album besser denn je. Gerade SOLITAIRE mit der flirrend in den Vordergrund gemischten Stimme Marinas und GOLD und seiner ungewöhnlichen Produktion, die wie die Vertonung eines Sonnenuntergangs anmutet, sind wie gemacht für analoge Verhältnisse.
Weswegen man FROOT aber nicht weiter feiert und für durchschnittlich 43 Euro ein regelrechtes „Bare to Bones Packaging“ auffährt ohne Songtexte, weiteren Fotos oder Ähnlichem in einer nicht klappbaren Hülle, darf als Tendenz für künftige Jubiläumseditionen gedeutet werden. Wenigstens sind die schwarzen Innenhüllen, wenn schon nicht außen bedruckt, dann doch innen gefüttert für die optimale Lagerung. Bloß nicht zu viel verbraten, denn schließlich wollen die Fans zum 15. Geburtstag des Albums neu bedient bzw. abkassiert werden. Diese VÖ-Politik, die tröpfchenweise über Jahre verteilt ihre Zusatzinhalte preisgibt, hat nicht nur Marina erfasst, sie ist aktuell auch bei der Queen of Pop Madonna mit ihrer eher enttäuschenden, da als „neu“ deklarierten EP VERONICA ELECTRONICA zu beobachten, die bestimmt künftig noch um LIKE AN ANGEL PASSING THROUGH MY ROOM und HAS TO BE erweitert wird. Im Prinzip kann man auch zur argentinischen Neuauflage von FROOT aus dem Jahr 2023 greifen, welche durch den Import allerdings mindestens genauso preisintensiv wie die vorliegende 10th Anniversary Edition ist, aber dafür ohne den (tollen) Bonustrack aufwartet – 4 Sterne, für das Geld doch etwas zu wenig und dazu auch noch mit einem klanglichen Patzer.