Bewegendes Sachbuch über das Attentat auf Hitler 1944 und die Erinnerungen der Kinder der Widerständler. Absolut lesenswert!
Buchinhalt:
Am 20. Juli 1944 sollte ein Attentat Adolf Hitler in der Wolfsschanze in Ostpreußen töten, doch das Attentat misslang. Claus Schenk Graf von Stauffenberg und seine Mitstreiter und mit ihnen 200 Widerstandskämpfer wurden anschließend von den Nationalsozialisten in einer beispiellosen Racheaktion getötet. Journalist Tim Pröse spricht mit den direkten Nachkommen derer, die an jenem 20. Juli ihre Väter, den Großvater oder Onkel verloren haben – und ein Zeugnis davon geben können, wer die Menschen waren, die ein Ende der NS-Diktatur herbeisehnten und ihr eigenes Leben dafür opferten.
Persönlicher Eindruck:
Die Kinder des 20. Juli lässt die Söhne, Töchter, Enkel und Neffen derer zu Wort kommen, die an jenem Tag im Jahre 1944 in der Gruppe rund um den Offizier Claus Schenk Graf von Stauffenberg Widerstand leisteten: ein Widerstand, der sie das Leben kostete. Stauffenberg versuchte an jenem Tag, Hitler bei einer Besprechung im Führerhauptquartier „Wolfsschanze“ zu töten und damit das Ende der NS-Diktatur einzuläuten. Doch der Plan misslang, Hitler überlebte. Was daraufhin folgte, was beispiellos: In einer blutigen Racheaktion lässt Hitler 200 Widerstandskämpfer ermorden, ihre Frauen verhaften, ihre Kinder verschleppen.
Genau diese Kinder von damals sind in diesem Buch Interviewpartner von Autor und Journalist Tim Pröse, der ihnen eine Stimme gibt und jeden von ihnen eindringlich porträtiert. Pröse geht in seinen Fragen ein auf die persönlichen Erinnerungen der direkten Nachkommen, die er in seinem Buch „Kinder des 20. Juli“ nennt. Was blieb jedem von ihnen ganz persönlich in Erinnerung von Vater, Großvater oder Onkel? Wie haben sie damals als Kinder empfunden?
Den meisten Lesern wird der Name Stauffenberg ein Begriff sein oder der von Pfarrer Dietrich Bonhoeffer. Doch die Gruppe war viel umfangreicher, auch unbekanntere Namen bekommen hier denselben Stellenwert und werden dem Leser von heute vorgestellt. In den Gesprächen mit ihren Nachkommen wird deutlich: es gab viele, die ein Ende der NS-Herrschaft herbeisehnten und alles dafür taten, diesen Wunsch Wirklichkeit werden zu lassen, auch wenn dies das eigenen Leben kostete.
Sehr beeindruckt hat mich, wir die Kinder der ermordeten Attentäter jedes Jahr am Todestag ihrer Väter die Gedenkstätte Plötzensee bei Berlin aufsuchen, den Ort, an dem ihre Väter erhängt wurden. Es muss doch schrecklich sein sich an einem solchen Ort bewusst zu werden, dass dies der Platz ist, an dem der geliebte Vater sein Leben ließ. Ich wüsste selbst nicht, ob ich das emotional schaffen würde. Doch wie schon bei den Vätern zuvor ist in der Gruppe der Kinder ein Gemeinschaftsgefühl entstanden, das jeden Einzelnen in der beklemmenden Situation aufrecht hält.
Zwischen den Interviews beschreibt Pröse die historischen Hergänge besagten Attentats, der Pläne für die Zeit danach (sollte es denn glücken) und die geschichtlichen Abläufe, die die Männer des 20. Juli dazu brachten, aufzustehen und Widerstand zu leisten.
Der Sprachstil ist eingängig und verständlich, das Buch ist eine geschichtliche Lehrstunde ohne trocken zu wirken, aber mit bewegenden Momenten und detaillierter Recherche. Vieles davon wissen wohl die wenigsten, denn Pröse geht sehr in die Tiefe: ein absoluter Pluspunkt.
Zahlreiche Bildtafeln mit Fotos in der Mitte des Werkes unterstreichen und verdeutlichen das Gelesene, jedes Kapitel trägt ein Foto des Interviewpartners sowie des jeweiligen Vorfahren.
Es ist ein Sachbuch, das einen beim Lesen nicht mehr loslässt, trotz der schweren, oftmals beklemmenden Schilderungen. Letztendlich wird deutlich: es ist ein Buch gegen das Vergessen und ein eindringliches Gespräch mit den letzten Stimmen des Widerstandes von 1944.
Fazit: Eine absolute Leseempfehlung, die einen detaillierten Blick auf die Ereignisse des 20. Juli 1944 erlaubt und einen Einblick gibt in die Persönlichkeit der Männer, die den Mut hatten, sich gegen das Regime aufzulehnen.