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    jommelli Top 50 Rezensent

    Aktiv seit: 25. August 2010
    "Hilfreich"-Bewertungen: 2505
    195 Rezensionen
    Il Giardino di Rose (Oratorium / exklusiv für jpc) Il Giardino di Rose (Oratorium / exklusiv für jpc) (CD)
    15.03.2025
    Booklet:
    5 von 5
    Gesamteindruck:
    5 von 5
    Klang:
    5 von 5
    Künstlerische Qualität:
    5 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    Längst überfällige, herausragende Ersteinspielung!

    Warum nur hat es so lange gedauert, bis eines der phantasievollsten Oratorien der Komponistengeneration vor Händel vollständig eingespielt wurde und wieso bekommt man die in allen Belangen vorzügliche Aufnahme nur exklusiv bei JPC? Welche (wahrscheinlich vermarktungsgtechnischen) Dinge dafür ausschlaggebend waren, bleibe dahingestellt, man kann in jedem Fall froh und dankbar sein, diese maßstabsetzende Einspielung, die Einführung und vollständiges Libretto übrigens auch auf Deutsch enthält, zum fairen Preis erwerben zu können.
    Vor genau 20 Jahren nahm Cecilia Bartoli die entzückende, von einer Sopranino-Blockflöte begleitete Arie „Che dolce simpatia“ in ihre CD „Opera proibita“ auf. Nun kann man etwa 30 weitere Nummern, hauptsächlich relativ kurze Dacapo-Arien, aber auch mehrere Duette, kennenlernen, die diesem Stück in puncto instrumentaler Vielfalt, kompositorischem Einfallsreichtum und Schönheit in nichts nachstehen. Werke wie dieses übten den stärksten Einfluss auf den jungen Händel auf, der ja nur ein Jahr nach der Uraufführung des „Giardino“ seine „Resurrezione“ im selben römischen Saal uraufführen ließ. Der sakral-allegorische Inhalt beschreibt einfühlsam den von Maria herbeigeführten Sieg der Kardinaltugenden über Luzifer, hier in Gestalt des koloraturreich Bass singenden Nordwindes dargestellt. Dabei wird immer wieder auf den christlichen Rosenkranz angespielt und tatsächlich reihen sich die musikalischen Schönheiten wie an einer Perlenkette hintereinander.
    Alle Sängerinnen und Sänger sowie das Instrumentalensemble leisten Hervorragendes, wobei der auch nach über 25 Jahren Karriere noch immer makellos und jugendlich klingende Sopran von Nuria Rial in der Hauptrolle der „Carità“ als prima inter pares besonders eindrucksvoll hervorleuchtet. Die vorzügliche, in heutiger Zeit alles andere als selbstverständliche Beiheftgestaltung wurde bereits erwähnt, doch auch die angenehme Kirchenakustik verdient beste Bewertungen. Insgesamt eine herausragende Einspielung im Bereich der alten Musik, die nachdrücklich zum Kauf empfohlen werden kann!

    Der Taucher (Romantische Oper in 2 Akten) Der Taucher (Romantische Oper in 2 Akten) (CD)
    06.08.2024
    Booklet:
    2 von 5
    Gesamteindruck:
    3 von 5
    Klang:
    5 von 5
    Künstlerische Qualität:
    4 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    Leider keine Gesamteinspielung!

    Schade eigentlich- man bekommt hier nur etwa 50% der Oper zu hören, also keineswegs die ganze angebliche "Frühfassung"! Wie ein Blick auf die im Netz frei zugänglichen Noten des "Tauchers" offenbart, wurden hier bis aufs Finale nur die Nummern der beiden Hauptpersonen aufgenommen. Warum schenkt uns Carus, sonst berühmt für seine musikhistorische Akkuratesse, diesbezüglich keinen reinen Wein ein? Die Interpretation ist, wie bei Bernius üblich, hervorragend, auch wenn man über die Besetzung der einst von einer berühmten Mezzosopranistin gesungenen Hosenrolle des Ivo durch den Countertenor P. Mathmann geteilter Meinung sein. So sehr ich diesen erstklassigen, auch in hoher Sopranlage mühelos singenden Künstler im Bereich der alten Musik schätze, so unpassend erschien mir sein Timbre im vorliegenden Fall. Befremdlich wirkten auch die von einer Schauspielerin an zwei Stellen unnatürlich gesprochenen Regieanweisungen, bei denen der Orchesterklang kaum hörbar ins Off ausgeblendet wird, wohl um eine irgendwie "geheimnisvolle" Wirkung zu erzielen, was allerdings gründlich misslungen ist.
    So kann man nur hoffen, bald einmal das ganze Werk und mit ihm die anspruchsvollen Partien für Tenor und Bariton, die Kreutzer natürlich auch komponiert hat, kennenlernen zu dürfen. Musikalisch gibt es nämlich durchaus interessante Dinge zu entdecken, auch wenn Kreutzer nie die dramatische Kraft seines Zeitgenossen C.M. von Weber erreicht. Insgesamt bin ich mit diesem m.E. unbefriedigenden "Best off" leider nicht glücklich. Wer P. Mathmann in einem musikalisch wesentlich passenderen Umfeld erleben möchte, sollte unbedingt zu der beeindruckenden Ersteinspielung von Bernasconis "Huomo" greifen.
    Meine Produktempfehlungen
    • L'Huomo (Oper) L'Huomo (Oper) (CD)
    The Dream of Gerontius op.38 The Dream of Gerontius op.38 (CD)
    26.06.2024
    Booklet:
    4 von 5
    Gesamteindruck:
    5 von 5
    Klang:
    5 von 5
    Künstlerische Qualität:
    4 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    Fast perfekte neue Referenzaufnahme

    An Gesamteinspielungen von Elgars Meisterwerk herrscht wahrlich kein Mangel, doch auf historischem Instrumentarium der Entstehungszeit wurde das Oratorium bislang noch nie eingespielt. Auch wenn man grundsätzlich skeptisch ist, ob der Ansatz der historisch informierten Aufführungspraxis für Werke, die um 1900 entstanden sind, noch schlüssig ist, wird man von der unglaublichen, bislang so noch nie gehörten Klarheit und Strahlkraft der vorliegenden Aufnahme begeistert sein. Verfolgt man das Werk mit Partitur, hört man erstaunt, dass es kein noch so kleines Detail gibt, das hier nicht in geradezu vollendeter Transparenz erklingt, wobei die beiden exzellenten Chöre, die McCreesh verwendet, sowie die Tontechniker einen herausragenden Beitrag zu einem überwältigenden Klangerlebnis leisten. Der mit jugendlichen Stimmen klein besetzte Semi-Chorus mit seinem ätherisch-vibratolosen Sound hat mich klanglich wirklich ins Paradies versetzt!
    Einige Abstriche muss ich leider bei den beiden männlichen Solisten machen. Nicky Spence, dessen leicht herbes Timbre mich nicht unmittelbar angesprochen hat, singt den Gerontius sauber und teils durchaus leidenschaftlich, aber verglichen mit Künstlern wie Peter Pears oder Anthony Rolfe-Johnson bleibt seine Gesamtleistung doch etwas zurück. Ähnliches gilt für Bariton Foster-Williams, der besonders zu Beginn mit zu starkem Vibrato befremdet. Ausgezeichnet singt Mezzosopranistin Anna Stéphany den Engel, auch wenn Dame Janet Baker mit ihren innigen, leicht androgyn klingenden Alleluja-Phrasen nach wie vor unerreicht bleibt.
    Insgesamt kann ich diesen neuen „Gerontius“, dem ich in Bezug auf Chor und Orchester den Status einer Referenzaufnahme zugestehen möchte, aber ganz klar zum Kauf empfehlen!
    Oratorium op. 212 "Welt-Ende - Gericht - Neue Welt" Oratorium op. 212 "Welt-Ende - Gericht - Neue Welt" (CD)
    04.03.2024
    Booklet:
    5 von 5
    Gesamteindruck:
    5 von 5
    Klang:
    5 von 5
    Künstlerische Qualität:
    5 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    Hochinteressant!

    Mit der vorliegenden Weltpremiere des Apokalypse-Oratoriums mit dem sperrigen Titel „Welt-Ende -Gericht- Neue Welt“ von J. Raff liegt nichts weniger als das musikalische Vermächtnis des Komponisten vor, der kurz nach der Uraufführung 1882 starb. Musikalisch hört man sehr gut, zwischen welch unterschiedlichen Polen sich das musikalische Denken des Meisters bewegte: Da ist einmal eine sehr konservative, stark an Mendelssohn (und in den Fugen auch an Händel) geschulte Ader, und da ist die davon stark abweichende, damals ultramoderne an Liszt und Wagner orientierte Schreibweise der sog. neudeutschen Schule, die Raff v.a. für die dramatischen Schilderungen von Tod, Gericht, Krieg und Gewalt verwendet. So kann man neben äußerst kühnen Passagen, die die Grenze der Tonalität erreichen und eine in der grellen Instrumentierung der apokalyptischen Reiter fast schon an Mahler erinnernde Drastik entfalten, eine schlicht diatonische Klangsprache vernehmen, die man ohne weiteres 40 Jahre früher verorten könnte. Zum versöhnlichen Ende hin, worin das Leben in der paradiesischen neuen Welt ausgiebig musikalisch illustriert wird, setzt sich freilich diese Seite der Medaille durch und man hat das Gefühl, dass sich Raff in den satztechnisch gediegen-klaren und traditionsbezogenen Regionen der Seligen mehr zu Hause gefühlt hat als in den chromatisch brodelnden Höllenbereichen.
    Ob es sich hier um ein zu Unrecht vergessenes Meisterwerk handelt, möge jeder selbst entscheiden, aber faszinierend ist das Nebeneinander von damaliger Avantgarde und Rückwärtsgewandtheit allemal- besonders, wenn man eine musikalisch und klanglich so ausgezeichnete Aufnahme genießen kann! Gregor Meyer und seinem Ensemble (herausragend Bariton A. Wolf als Johannes) gelingt eine exzellente und in allen Details stimmige Aufführung, die im vokalen Bereich keinerlei Wünsche übrig lässt. Ob die verwendeten historischen Instrumente für dieses Stück die beste Lösung sind, bleibt freilich Geschmackssache. Ich hätte besonders bei den Streichern einen etwas satteren Klang persönlich vorgezogen. Da die wirkungsvollen Chorsätze nicht allzu schwer konzipiert sind, würde sich dieses mit gut 100 Minuten weder zu lange noch zu kurze Oratorium m. E. durchaus auch für semiprofessionelle Chöre eignen und könnte im kirchenmusikalischen Repertoire für wohltuende Abwechslung sorgen. Bestnoten auch für das hervorragend geschriebene Beiheft. Danke an CPO für diese maßstabsetzende Produktion!
    Polifemo Polifemo (CD)
    16.09.2023
    Booklet:
    5 von 5
    Künstlerische Qualität:
    4 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    Beeindruckende Ersteinspielung eines Meisterwerks!

    Endlich besteht die Gelegenheit, Porporas „Polifemo“, den man stets nur in Verbindung mit der zu Recht hochgerühmten Arie des Acis aus dem 3.Akt („Alto giove“) kannte, einmal in Gänze zu hören. Und man fragt sich verwundert, warum dieses veritable Meisterwerk erst jetzt seine Weltersteinspielung erfährt, handelt es sich doch um eine der phantasievollsten und mit einer kurzweiligen und leicht nachzuvollziehenden mythologischen Handlung auch für einen Menschen des 21. Jahrhunderts dankbarsten Opern ihrer Zeit. Wie schon bei „Germanico in Germania“ und „Carlo il Calvo“ zeigt sich Porpora nicht nur auf Augenhöhe mit Händel, sondern übertrifft ihn m.E. in vielen Punkten sogar. Eine so hohe Anzahl an ausdrucksvollen Accompagnatos, eine so reiche Instrumentierung und einen so dicht und konzise in Richtung des Durchkomponierten konzipierten dritten Akt wie hier vorliegend, findet man bei Händel erst in den deutlich später entstandenen Oratorien. Und auch so manche Arie jenseits des inzwischen fast schon zu häufig gesungenen „Alto giove“ erweist sich als Juwel der an der Grenze des vorklassisch- galanten Stils stehenden spätbarocken Belcantokunst.
    Die Interpretation der hochwertig und liebevoll ausgestatteten Box (inklusive Libretto mit deutscher Übersetzung) ist durchweg erstklassig, jede Kritik mithin subjektiv und auf hohem Niveau.
    Problematisch erschien mir v.a. die Besetzung der 1734 von Farinelli gesungenen Partie des Acis mit dem zur Aufnahmezeit schon über 40 Jahre zählenden Yurij Minenko, einem für Countertenöre kritischen Alter. Die sich mit ihrem Wechsel von langen Legatobögen, rasanten Koloraturketten und großen Sprüngen oft an der Grenze des Darstellbaren befindliche Rolle, die permanent zwischen Sopran- und Altregister changiert, bewältigt Minenko in der tieferen Lage hervorragend. Insgesamt liegt sie allerdings etwas zu hoch für ihn, was leider deutlich auf Kosten der Intonation geht. Vor etwa 10 Jahren wären Franco Fagioli oder Ann Hallenberg hierfür ideal gewesen. Es stellt sich also wieder einmal die Frage, ob es immer die beste Idee ist, Kastratenpartien mit Countertenören zu besetzen.
    Julia Lezhneva als Galatea war mir besonders bei den freien Dacapo-Verzierungen wie schon öfters zu manieriert und überengagiert. An ihren herausragenden technischen Fähigkeiten besteht aber keinerlei Zweifel.
    Die kleineren Partien, zu denen auch die nicht besonders dankbare Titelrolle des Zyklopen Polyphem zählt, der insgesamt nur eine größere Arie im ersten und zwei kurze Ariosi im dritten Akt zu singen hat, sind exzellent besetzt.
    Der Star der Aufnahme ist jedoch M.E. Cencic, der in der einst von Senesino verkörperten Rolle des Odysseus eine wahrhaft vollendete gesangliche und darstellerische Leistung vollbringt.
    Mit der Herangehensweise von George Petrou und seiner Armonia Atenea bin ich auch diesmal nicht wirklich glücklich: Müssen diese teils völlig überdrehten Tempi, dieses Ausloten extremer Spitzentöne, diese gellenden Sforzati und unnatürlichen Ritardandi wirklich sein? Ich würde mir wünschen, dass sich bald einmal eine etwas weniger unter Hochspannung stehende Interpretation alter Musik auf breiter Front durchsetzt, denn Porporas geniale Partitur ist bedeutend genug, um auf übertrieben modische Knalleffekte verzichten zu können. Insgesamt schwankt meine Bewertung zwischen vier und fünf Sternen, passt aber wegen des hohen diskographischen Wertes besser in die obere Kategorie. Klare Kaufempfehlung für diesen beeindruckenden „Polifemo“ !

    La Vestale (Deluxe-Ausgabe im Buch) La Vestale (Deluxe-Ausgabe im Buch) (CD)
    03.08.2023
    Booklet:
    5 von 5
    Klang:
    3 von 5
    Künstlerische Qualität:
    4 von 5

    Noch nicht die langersehnte Referenzaufnahme

    Eine musikalisch und klanglich einwandfreie Gesamtaufnahme von Spontinis Meisterwerk blieb bislang leider Desiderat, was sich durch die vorliegende Box von Bru Zane trotz hoher Qualität m.E. leider nicht wirklich geändert hat.
    Doch zunächst einmal das Positive: Die altbewährten Talents Lyriques unter der vorzüglichen Stabführung von C. Rousset spielen hochpräzise und engagiert und man kann durch die alten Instrumente erstmals wirklich deutlich hören, wie immens wichtig der hochdifferenzierte Orchesterpart in dieser Oper ist. Unter den Solisten ragt der gleichermaßen zarte wie durchsetzungsstarke Sopran von Maria Rebeka in der Titelrolle klar heraus, obwohl alle anderen Rollen ebenfalls sehr gut bis gut besetzt sind, auch wenn hier keine Spitzenleistungen zu verzeichnen sind und man sich einen Tenor vom Schlage eines M. Spyres als Licinius gewünscht hätte. (Man kann ihn wenigstens bei Youtube in dieser Rolle hören)
    Wie immer bei den Editionen des Palazetto Bru Zane befriedigt das beilegende dicke Buch höchste musikwissenschaftliche Standards und enthält u.a. eine lange Besprechung des Werks von H. Berlioz.

    So weit so gut, doch nun kommt leider die Sollseite dieser insgesamt durchaus verdienstvollen Edition:
    Zunächst ist da einmal die völlig unverständliche Streichung der herrlich brillanten knapp 20-minütigen Ballettmusik nach dem 1. Akt, die bei der nicht übermäßig langen Spielzeit der beiden Discs problemlos hätte untergebracht werden können. Was die sonst so umsichtigen Produzenten von Bru Zane zu dieser bei einer französischen Oper geradezu barbarischen Kürzungsentscheidung bewogen hat, kann ich nicht nachvollziehen. Das vollständige Ballett kann man nur auf R. Mutis sonst sehr durchwachsener Liveaufnahme aus der Scala von 1993 hören. Wie ärgerlich, gern hätte ich es von den fabelhaften Talents Lyriques auf Originalinstrumenten gehört!
    Ebenfalls sehr problematisch erscheint mir die Klangregie. Während Orchester und Chor relativ dezent aufgenommen sind, knallen die im Vordergrund stehenden Solisten stark heraus und viele interessante Details der Begleitung verschwinden fast im Hintergrund, da man die Lautstärke herunterregeln muss, sobald solistisch gesungen wird. Mit guten Kopfhörern lässt sich dieser auf Dauer extrem störende Effekt etwas abmildern, aber nicht verhindern.
    Wegen dieser zwei gewichtigen Kritikpunkte kann ich die vorliegende Produktion leider nur mit 3 Sternen bewerten und insgesamt als vertane Chance betrachten.

    I Portentosi effetti della Madre Natura I Portentosi effetti della Madre Natura (CD)
    19.06.2023
    Booklet:
    5 von 5
    Klang:
    4 von 5
    Künstlerische Qualität:
    3 von 5

    Enttäuschend!

    Die 1752 komponierte Buffa von G. Scarlatti stellt sich musikalisch als ein zu seiner Zeit ausgesprochen modernes Stück dar, das man in seiner dezidiert klassisch zu nennenden Klangrede noch gut 20 Jahre später hätte verorten können. Das vollständig mit deutscher Übersetzung vorliegende Libretto ist auch für Menschen des 21. Jahrhunderts recht witzig, der Komponist experimentiert mit allerlei interessanten Formen und vereint bei teils sehr hohen vokalen Ansprüchen geschickt Elemente von Opera seria und Opera buffa. Man kann mehr als einmal deutlich hören, dass Werke dieser Art den stärksten Einfluss auf den jungen Mozart hatten.
    Im gesanglichen Bereich bleiben bei der aktuellen klanglich sehr akzeptablen und durch nur wenige Bühnengeräusche gestörten Live-Aufnahme kaum Wünsche übrig, wobei mich die drei vorzüglichen Damen im Ensemble noch stärker überzeugt haben als ihre männlichen Mitstreiter, denen m.E. im Falle von Tenor und Countertenor gelegentlich die Schwierigkeiten ihrer Partien anzumerken sind.
    Sehr kritisch sehe ich hingegen die instrumentale Ebene: Die Dirigentin D. Oberlinger hat nämlich den relativ schlichten Orchestersatz Scarlattis, der in der recht kleinen zehnköpfigen Streicherbesetzung (3-3-2-1-1) tatsächlich ziemlich dünn klingt, durch zahlreiche willkürliche Ergänzungen aufzupolieren versucht, was mit den aktuellen Erkenntnissen der historischen Aufführungspraxis nicht zu vereinbaren ist. So lässt sie an einigen Stellen eine Blockflöte (!) mitspielen und viele Arien werden gar von Trommeln, Schellen und Kastagnetten untermalt. Am unglücklichsten war ich jedoch mit der über alle Stränge schlagenden Continuo-Realisierung: Permanent arpeggiert eine Harfe, die zu dieser Zeit in Opernorchestern schon längst nicht mehr verwendete Laute zirpt oder schrubbt , und über allem klingelt permanent ein außer Rand und Band geratenes „virtuoses“ Hammerklavier, das vor 1770 jedoch als Generalbassinstrument außerhalb der Kammermusik kaum denkbar gewesen wäre. Abgesehen davon hat mir diese permanent penetrante Klangwolke, die in einer Livesituation vielleicht noch irgendwie akzeptabel gewesen wäre, das Hören gründlich verleidet.
    Leider ist es nicht das erste Mal, dass übereifrige Interpreten versuchen, eine vermeintlich zu simple Klanglichkeit durch allerlei unnötigen Schnickschnack für zeitgenössische Hörer attraktiver zu machen, was bei mir das glatte Gegenteil bewirkt. Nochmals werde ich diese Aufnahme sicherlich nicht mehr anhören. So kann ich leider keine direkte Empfehlung für diese CD abgeben, was sehr schade ist, denn man hatte ein attraktives Stück und ausgezeichnete Sängerinnen zur Verfügung.
    Wer den Opernkomponisten Giuseppe Scarlatti in einer maßstabsetzenden Aufführung kennenlernen möchte, sollte zunächst unbedingt zur DVD/Bluray von „Dove e Amore e Gelosia“ greifen.


    Meine Produktempfehlungen
    • Dove e Amore e Gelosia Dove e Amore e Gelosia (BR)
    Iphigenia in Aulis Iphigenia in Aulis (CD)
    07.06.2023
    Klang:
    3 von 5
    Künstlerische Qualität:
    5 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    Traumhaft schöne Musik!

    Nur einen Monat nach der spektakulären Silla-Einspielung überrascht CPO mit einer weiteren, überaus wertvollen Graun-Premiere. Ähnlich wie der zwei Jahre früher entstandene und 2018 veröffentlichte Polydorus stammt die vorliegende Iphigenia (ca. 1728) aus der frühen Braunschweiger Zeit des Meisters, und man kann gut hören, welch enorme Fortschritte er seit seinem Erstling gemacht hat: Nur noch wenig erinnert an den teils etwas steifen, oftmals wenig persönlichen spätbarocken Stil von 1726, alles atmet rokokohafte Leichtigkeit, Eleganz und Virtuosität - Eigenschaften, für die man Graun später in Berlin so hoch geschätzt hat. Man merkt auf Schritt und Tritt, dass der geniale Melodiker Graun selbst ein hochrangiger Sänger und mit allen Ausdrucksmöglichkeiten der menschlichen Stimme bestens vertraut war. Wie an einer Perlenkette reihen sich die meist traumhaft schönen Arien aneinander. Auffallend ist das Vorherrschen langsamer Tempi, was ein Anhören am Stück nicht unbedingt empfehlenswert macht. Die Handlung wird aufgrund des Verlustes aller Rezitative in kurzen Abschnitten im Beiheft in modernem, manchmal etwas flapsigen Deutsch erzählt, so dass man gut erahnen kann, in welchem dramaturgischen Kontext jede Solonummer steht. Besonders attraktiv ist die reich und raffiniert instrumentierte Partitur durch das Vorhandensein einer großen komischen Rolle, die eine Seite Grauns offenbart, die man bislang noch nie gehört hatte, nämlich einen gelegentlich etwas derben Humor.

    Unter den durchweg vorzüglichen Stimmen (die beiden Sopranistinnen und der hohe lyrische Tenor in einer von Graun für sich selbst komponierten Rolle wirkten schon bei Polydorus mit) ragt m.E. ganz eindeutig Terry Wey heraus, der mühelos zwischen Altlage und hohem Sopran changiert und eines der derzeit schönsten und auch nach 20 Jahren Karriere völlig unverbraucht klingenden Countertenortimbres weltweit besitzen dürfte. Seine vier Arien sind die Höhepunkte eines an glanzvoller Musik reichen Gesamteindrucks.

    Einziger Kritikpunkt meinerseits ist die stark überakustische Hamburger Kirche, die ein vielleicht für bestimmte geistliche Musik geeigneter Aufnahmeort ist, aber sicherlich nicht für diese filigrane, vorklassische Partitur. Viele Details verschwimmen leider und oft fehlt es an der richtigen Balance zwischen Singstimme und Orchester. Sehr schade, trotzdem volle Punktzahl für diese ausgezeichnete Repertoirebereicherung!
    Silla (Oper) Silla (Oper) (CD)
    10.05.2023
    Booklet:
    5 von 5
    Klang:
    3 von 5

    Gelungene Ersteinspielung einer herausragenden Oper

    Da es in der gesamten Schallplattengeschichte bis dato lediglich drei der 32 Opern Grauns zu einer Gesamtaufnahme gebracht haben, kommt der vorliegenden Weltpremiere besondere Bedeutung zu. Das liegt zum einen an dem hochinteressanten, von Friedrich dem Großen selbst verfassten Libretto, das den zwischen Pflicht und Neigung zerrissenen Diktator Sulla eindrucksvoll charakterisiert, zum anderen an der teils herausragenden Qualität der Musik. Während Graun in den beiden Rahmenakten relativ konventionell mit Dacapo-Arien arbeitet, verwendet er im 2. Akt in gleich zwei Duetten und einem Terzett freiere, am dramatischen Textverlauf orientierte Formen, die man in einer solchen Dichte in der Opera seria um 1750 kaum ein zweites Mal finden wird. Doch auch in den traditionelleren Stücken fällt die für Graun sonst eher untypische Verwendung von Molltonarten (je eine Arie pro Akt) sowie die hohe Anzahl langer und teils sehr ausdrucksstarker Accompagnatos auf. Man könnte insgesamt fast schon von einer Art vorgezogener Opernreform sprechen.
    Da ich das Werk letztes Jahr leider nicht selbst in Innsbruck hören konnte, war ich sehr gespannt auf den (auf mehrere Abende verteilten) Livemitschnitt, der trotz einiger Einschränkungen von hoher Qualität ist. Welche der sieben völlig unterschiedlichen und hochindividuellen Stimmen -vier Countertenöre, zwei Sopranistinnen, ein Tenor- man am schönsten oder interessantesten findet, ist natürlich Geschmackssache, doch offenbart ein Anhören mit Blick in die Partitur ganz klar, dass eigentlich nur drei Sänger, nämlich E. Belocci, V. Sabadus und M. Süngün ihre extrem anspruchsvollen Rollen technisch völlig souverän interpretieren. Alle anderen haben, besonders im ersten Akt, mehr oder weniger deutlich hörbare Probleme: B. Mehta (der mehrere Passagen eine Oktave nach oben transponieren muss) und H. Matzeit in der Tiefe, S. Marino und R. Invernizzi in der Höhe, wobei letztere mit ihrem oftmals leider sehr unsauber intonierenden scharfen Timbre das schwächste Glied der Kette darstellt.
    Dirigent De Marchi trifft unter weisem Verzicht auf Extreme meistens die richtigen Tempi, allerdings entfaltet sein Barockorchester keine besondere Strahlkraft, was nicht zuletzt an der recht nüchternen Akustik des Tiroler Landestheaters liegt. Das ziemlich dominant im Vordergrund agierende Cembalo hat mich auf Dauer etwas gestört.
    Auch wenn dieser mit den schönen, im Preußen des Jahres 1753 allerdings reichlich utopischen Worten „Viva la Libertà“ schließende Silla keine durchgehend perfekte Einspielung darstellt, kann der diskographische Wert der vorliegende Aufnahme nicht hoch genug eingeschätzt werden. M.E. hätte diese großartige Oper einen Platz im Repertoire jenseits von Spezialfestivals für Alte Musik eindeutig verdient. Vielen Dank an CPO für diese gelungene und in puncto Beiheftgestaltung wieder einmal mustergültige Veröffentlichung!

    Lukas-Passion Lukas-Passion (CD)
    30.04.2023
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    3 von 5

    Eine weitere Passionsvertonung von J.H. Rolle

    Auch wenn der in Bezug auf das liturgische Jahr ideale Erscheinungstermin der vorliegenden Doppel- CD um einige Wochen überschritten wurde, war ich durchaus gespannt auf diese zweite bei CPO erschienene Vertonung einer Rolle-Passion nach der Matthäus-Passion (1748) vor sieben Jahren. Es liegt daher nahe, beide Aufnahmen, die unter dem Dirigat von M.A. Willens stehen, direkt miteinander zu vergleichen, wobei dieser Vergleich nicht zugunsten der neuen Einspielung ausfällt. Dies liegt m.E. vor allem an der trotz beachtlicher kompositorischer Qualität und oftmals subtiler Textausdeutung nicht ganz so überragenden musikalischen Qualität der 1744 entstandenen Lukas-Passion. Anders als die vier Jahre später entstandene Matthäus-Vertonung, die alle Rezitative durchgehend in farbigen und für die damalige Zeit höchst ungewöhnlichen Accompagnatos behandelte und somit eine absolute Sonderrolle in der Zeit um 1750 einnahm, lässt Rolle hier nur an ausgewählten Stellen, wie z.B. den meisten Christusworten, die Streicher zum Continuo hinzutreten und beschränkt sich so auf eine eher konventionelle Behandlung des Evangelientextes. Von den insgesamt nur sechs Solonummern überzeugen besonders die kürzeren Arien, wohingegen die in traditioneller Dacapo-Form gehaltenen Stücken wegen ihrer teils erheblichen Länge leicht etwas langatmig, im Falle des einzigen Duetts sogar regelrecht langweilig geraten. Bei den Interpreten gibt es leider einen schmerzlichen Ausreißer nach unten: Der oftmals sehr enge und in höheren Lagen unschön gepresst klingende Tenor des zur Aufnahmezeit bereits über 60 Jahre alten Markus Schäfer kann kaum die erste Wahl gewesen sein. Wie enttäuschend, dass man nicht wie 2016 den herausragenden Georg Poplutz für die so wichtige Evangelistenpartie gewinnen konnte! Ein wesentlich angenehmeres Organ besitzt der junge britische Tenor Hugo Hymas, der allerdings mit deutlich hörbarem Akzent singt, was besonders in der Szene mit dem Übeltäter gegen Ende störend wirkt. Die Baritone und beide Damen singen ihre anspruchsvollen Partien ausgezeichnet. Im Vergleich zu 2016 klingt die Aufnahme deutlich dünner, höhenlastiger und weniger tiefenscharf, wobei ich mich gefragt habe, ob der Kammermusiksaal des Deutschlandfunks ein geeigneter Aufnahmeort für dieses Sakralwerk war. Wie überwältigend eine geeignete Kirche klingen kann, kann man sehr gut in der erst vor kurzem beim Label Passacaille erschienenen fabelhaften Ersteinspielung von Rolles Oratorium „Die Befreiung Israels“ anhören.
    Insgesamt schwankt meine Bewertung zwischen drei und vier Sternen, passt aber wegen des hohen diskographischen Wertes, der wesentlich zu einer vertieften Rezeption des völlig zu Unrecht ins aufführungspraktische Abseits geratenen J.H. Rolle beiträgt, eher in die obere Kategorie.
    Il Proscritto (Melodramma tragico in 3 Akten) Il Proscritto (Melodramma tragico in 3 Akten) (CD)
    29.04.2023
    Booklet:
    5 von 5
    Gesamteindruck:
    5 von 5
    Klang:
    5 von 5

    Großartige Wiederentdeckung!

    Ein grandioses Belcanto-Fest präsentiert uns Opera rara mit der Weltersteinspielung des 1842 nach nur wenigen Aufführungen unverständlicherweise sang- und klanglos untergegangenen „Proscritto“ Mercadantes. Vielleicht war die Partitur für damalige Hörer schlichtweg zu komplex. Mir ist keine andere italienische Oper dieser Zeit bekannt, die harmonisch und formal derart extravagant konzipiert ist: In knapp zwei Stunden stehen nur drei Arien drei großen Duetten gegenüber, die meist wiederum in größere Chorszenen eingebettet sind. Dazu kommt eine dezidiert sperrige Besetzung, die in den vier Hauptrollen unter Verzicht auf hohen Sopran und Bariton zwei Mezzosoprane und zwei gleichberechtigte Tenöre verlangt, was auch heute noch zu erheblichen Problemen im Opernbetrieb führen dürfte. Umso bemerkenswerter ist die Leistung der inzwischen völlig auf Spendenbasis finanzierten Opera rara-Company, die hier mit einem absoluten Traumensemble punkten kann. Bekanntester Name ist natürlich der trotz seiner 62 Jahre immer noch herausragende Tenor R. Vargas. Doch auch sein ebenfalls aus Lateinamerika stammender sehr viel jüngerer Tenor-Rivale I. Ayón-Rivas und die beiden vorzüglichen Damen warten mit exzellenten Leistungen auf, wobei mich besonders E. DeShong in der Hosenrolle des Odoardo mit ihrer halsbrecherisch schweren Koloraturarie im 2. Akt nachhaltig beeindruckt hat. Die Britten Sinfonia unter Carlo Rizzi liefert zu all der vokalen Herrlichkeit die in Tempo und Dynamik genau richtige orchestrale Grundlage. Obwohl es sich um eine klanglich exzellente Studioaufnahme handelt, hat man m.E. das Gefühl, einer spannungsgeladenen Liveinterpretation beizuwohnen. Eine Opernproduktion der Superlative, wie sie leider in den letzten Jahren selten geworden ist. Unbedingte Kaufempfehlung!
    Jephtas Gelübde Jephtas Gelübde (CD)
    21.04.2023
    Gesamteindruck:
    2 von 5
    Klang:
    3 von 5

    Sehr enttäuschende Ersteinspielung

    Da Meyerbeers erste Oper nie als Partitur oder Klavierauszug veröffentlicht wurde, ist die vorliegende Ersteinspielung die einzige Möglichkeit, dieses Jugendwerk endlich einmal kennenzulernen. Und man hört sehr schnell, welch unglaublich begabter Musikdramatiker der erst Neunzehnjährige war. Für 1811 ist seine hochindividuelle musikalische Sprache avanciert und äußerst modern, auch wenn manche Klangeffekte mit etwas zu breitem Pinsel aufgetragen wirken, was man interessanterweise bei Opern des reifen Meisters ebenfalls feststellen kann. Leider ist die vorliegende klanglich einigermaßen befriedigende Studioaufnahme ansonsten unterdurchschnittlich, da die Ausführenden den sehr hohen Anforderungen ihrer Partien nicht gewachsen sind, wobei die beiden Titelrollen -Jephtha (Bariton) und seine Tochter (Sopran)- noch am akzeptabelsten agieren. Dass man für den Chor und seine Solisten kein muttersprachliches Ensemble oder zumindest eine Formation, die Deutsch einigermaßen akzentfrei beherrscht verpflichten konnte, befremdet zutiefst. Insgesamt muss man verständnislos zur Kenntnis nehmen, dass eine derart mangelhafte Einspielung von einem so bekannten Label wie Marco Polo/Naxos zur Veröffentlichung freigegeben wurde. Sicherlich erfolgte diese Produktion in den besten Absichten, doch leider wurde dem immer noch sträflich unterrepräsentierten Meyerbeer damit ein Bärendienst erwiesen. Es bleibt also zu hoffen, dass es in absehbarer Zeit eine Einspielung dieses interessanten Stückes geben wird, die zumindest ansatzweise internationalen Standards gerecht wird.
    Missa Charitatis ZWV 10 Missa Charitatis ZWV 10 (CD)
    30.03.2023
    Gesamteindruck:
    5 von 5
    Klang:
    5 von 5

    Spektakulär!

    Selbst für Kenner und Freunde J.D. Zelenkas halten die vorliegenden Ersteinspielungen zweier der wichtigsten Sakralwerke aus der mittleren Schaffensperiode des Meisters zahlreiche Überraschungen bereit: Spektakulär sind besonders die virtuosen Naturhornpartien der Messe, sowie ein Terzett von drei obligaten Bass-Stimmen in der durch Trompetenglanz überstrahlten Litanei. In beiden Kompositionen bewegt sich Zelenka wie meistens kontrapunktisch und harmonisch auf Augenhöhe mit Bach. Komplexer gebaute und dabei schönere und ausdrucksvollere Fugen wird man im Bereich der katholischen Kirchenmusik dieser Zeit kaum finden.
    Neben der Entdeckerfreude überzeugt hier wie fast immer bei Aufnahmen des Nibriu-Labels die herausragende Qualität des tschechischen Ensembles, in dem auch internationale Gesangssolisten wie der beeindruckende Bassist W.M. Friedrich mitwirken. Die Klangqualität ist, was Tiefenschärfe und Durchhörbarkeit anbelangt, geradezu überwältigend. Hier könnte sich mancher Tonmeister bekannterer Labels eine Scheibe abschneiden.
    Sehr schade ist, dass diese exemplarisch gute Aufnahme, die es verdient hätte, aus der kleinen Alte-Musik-Nische herauszukommen, nicht zu einem etwas günstigeren Preis angeboten werden kann. Doch in diesem Fall lohnt sich die Anschaffung zu 100%!
    Carlo Il Calvo Carlo Il Calvo (CD)
    22.02.2023
    Booklet:
    5 von 5
    Gesamteindruck:
    5 von 5
    Klang:
    5 von 5

    Auf hohem Niveau

    Warum nur hat man als Coverfoto für die neue CD-Ersteinspielung von Porporas „Carlo il Calvo“ ausgerechnet die Szene gewählt, die die beiden Hauptdarsteller verquält beim Geschlechtsakt zeigt? Sollen hier Spießbürger provoziert werden? Diese Zeiten dürften eigentlich seit Jahrzehnten vorbei sein. Über die vom Publikum 2020/21 in Bayreuth frenetisch beklatschte, in der BR-Mediathek gezeigte und auf Youtube verfügbare Inszenierung, die die Familientragödie ins Mafia-Milieu der Zwanzigerjahre des letzten Jahrhunderts verlegt hat, ist viel geschrieben worden und jeder möge sich hierüber seine eigene Meinung bilden. Gottseidank haben wir es bei der vorliegenden Box mit einer klanglich hervorragenden Studioaufnahme zu tun, die ohne die durch die Faxen des sog. „modernen Regietheaters“ erzeugten Nebengeräusche die volle Konzentration auf Porporas Musik ermöglicht. Die aus 26 Dacapo-Arien und einem großen Duett bestehende Opera seria zeigt den Meister auf der Höhe seiner Kunst und einmal mehr Händel und Vivaldi in jeder Hinsicht ebenbürtig, wenn nicht gar überlegen.
    Insgesamt ist das Niveau der Aufnahme sehr hoch, doch gibt es m.E. einige Kritikpunkte. Zunächst ist da die bei George Petrou und seiner Armonia Atenea sonst eher ungewohnte, bisweilen recht ruppige musikalische Herangehensweise: Tempi werden forciert, Akzente gewaltsam herausgemeißelt, Lautenakkorde rockig heruntergeschrubbt, extreme dynamische Stufen wechseln sich wie Feuer und Wasser ab. Was eine kurze Zeit interessant wirken kann, nutzt sich jedoch bald ab und wird zur vorhersehbaren und damit langweiligen Attitüde. Leider geraten auch die Sänger dadurch oftmals unter Druck und stehen bei schnellen Tempi deutlich hörbar unter Strom. Ich hätte mir mehr Entspanntheit und Eleganz bei dieser ins Rokoko changierenden Musik gewünscht, die auch ohne die Zutaten einer missverstandenen historischen Aufführungspraxis kontrastreich genug für Hörer des 21. Jahrhunderts ist.
    Die drei Hauptrollen sind mit Topstars der Alte-Musik-Szene besetzt: Julia Lezhevna als Gildippe brilliert mit ihrer attraktiv in Mezzo-Regionen nachgedunkeltem Stimmfarbe wie immer mit unglaublich virtuoser Technik an der Grenze des Darstellbaren. Doch auch nicht zum ersten Mal hat mich dieses Zuviel an gurrenden Trillern, rasanten Läufen, Sprüngen und Kaskaden in den Dacapo-Verzierungen an eine Koloraturpuppe erinnert und auf Dauer befremdet. Weniger wäre hier mehr gewesen. Gleiches gilt für Franco Fagioli, dessen stimmliche und darstellerische Grenzen in der zugegebenermaßen exorbitant schweren Rolle des primo uomo Adalgiso leider allzu deutlich hörbar werden. Sein vormals so strahlendes Timbre wirkt oftmals durch Dauervibrato und eine Neigung zum unnatürlichen Drücken tieferer Töne wie verschattet. Max E. Cencic gibt den Kaiser Lottario mit gewohnt extrovertierter Verve und Dramatik aber auch Fähigkeit zu zartem Lyrizismus in seiner großen pathetischen Arie im 2. Akt.
    Unter den kleineren Rollen sind der tadellos geführte, kernige Tenor von Petr Nekoranec sowie das faszinierend androgyn klingende leichte und hohe Organ von Sopranist Bruno de Sá, der sich inzwischen am Beginn einer Weltkarriere befindet, hervorzuheben. Hoffentlich gelingt es diesem hochbegabten Sänger, seine einzigartige Stimme unter den harten Bedingungen des internationalen Musikbusiness möglichst lange zu bewahren.
    Jedem Liebhaber alter Musik sei diese mustergültig und hochwertig edierte Einspielung trotz aller Kritikpunkte zum Kauf empfohlen. Wer sich erstmalig mit Porpora beschäftigt, sollte aber vielleicht besser zu „Germanico in Germania“ greifen.
    Bruno de Sa - Roma Travestita Bruno de Sa - Roma Travestita (CD)
    22.02.2023
    Booklet:
    5 von 5
    Gesamteindruck:
    5 von 5
    Klang:
    5 von 5

    Atemberaubend!

    Bei der vorliegenden CD kommen mehrere glückliche Faktoren zusammen: Eine stimmliche Ausnahmebegabung, ein interessantes Programm, sowie exzellente Aufnahmetechnik und ein hochwertig ediertes Beiheft. Sopranist Bruno de Sá , nach eigener Aussage KEIN Countertenor, der spätestens seit seinem letzten Auftritt als Königin Cleofide bei den Bayreuther Barockfestspielen einem größeren Publikumskreis bekannt sein dürfte, legt hier sein solistisches Debut-Album vor. Es widmet sich ausschließlich Arien, die zwischen 1720und 1760 in Rom von Kastraten in Frauenrollen gesungen wurden. Neben bekannten Namen und Stücken finden sich hier etliche Weltersteinspielungen. Alle Stücke zeichnen sich durch ein für die damalige Zeit außergewöhnlich hohes Maß an kompositorischer Ausdruckskraft und Qualität aus, was sowohl für die getragenen Momente als auch ganz besonders für die virtuosen Bravournummern gilt. Die atemberaubendste Arie in den gut 70 Minuten ist sicherlich Galuppis „Qual pelegrino errante“, das mit nicht weniger als sechs (!) exponierten dreigestrichenen D´s -auch in historischer Stimmung einen Halbton tiefer ein selbst für erfahrene Koloratursängerinnen heikler Ton- aufwartet. Bruno de Sá meißelt sie alle mit höchster Präzision und Sauberkeit heraus, was allein schon einen Kauf dieser CD rechtfertigen würde. Doch noch so viel mehr Herrlichkeiten sind auf dieser Silberscheibe versammelt! Bestnoten kann man auch an das wunderbar flexibel begleitende Barockorchester Il Pomo d`Oro vergeben, das sich glücklicherweise jeder Exzentrik in puncto Tempo und Dynamik enthält und so ganz maßgeblich zu dem erstrangigen Gesamteindruck beiträgt. Gleiches gilt für die Aufnahmetechnik und die Booklet-Edition, die liebevoll alle Arien in den jeweiligen Handlungskontext der Opern einordnet, übersetzt und v.a. genaue Daten zu Uraufführungstermin und den ersten Interpreten liefert. Es geht also noch in Zeiten schneller und billiger Streams und Downloads! Hoffentlich gelingt es dem sympathischen, hochbegabten jungen Sänger, seine einzigartige Stimme unter den harten Bedingungen des internationalen Musikgeschäfts möglichst lange zu bewahren. Selten in letzter Zeit habe ich eine klare Kaufempfehlung so aus vollem Herzen ausgesprochen wie bei „Roma Travestita“!

    Le Philtre Le Philtre (CD)
    07.02.2023
    Booklet:
    2 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    3 von 5

    Sehr ansprechend!

    Inhaltlich ist „Le Philtre“ (1831) identisch mit Donizettis wenig später entstandenem „L´elisir d´amore“. Im 19. Jahrhundert war Aubers Vertonung in Frankreich immens erfolgreich, verschwand dann aber sang- und klanglos in den Archiven. Wie ungerechtfertigt der Mantel des Vergessens war, den man über dieses ausgesprochen attraktive Werk gebreitet hat, kann man nun eindrucksvoll anhand der neuen CD-Weltpremiere hören, die bei mehreren Aufführungen in Wildbad, das inzwischen ein wahres El Dorado für musikalische Schatzsucher geworden ist, 2021 live mitgeschnitten wurde.
    Musikalisch besticht die gut zweistündige Oper durch ein eingängiges und klares Melos, das immer wieder durch unerwartet originelle harmonische Wendungen und unkonventionelle Instrumentierung farblich bereichert wird. Man kann sagen, dass Auber die bestehenden Nationalstile der Opéra comique und der italienischen Buffa mit jeder Menge mozartscher Finessen kongenial vermischt hat. Dieser „Liebestrank“ verdient es m.E. wahrlich, wieder eine bleibende Rolle auf der Opernbühne zu spielen.
    Wie so oft bei Liveeinspielungen im unteren Preissegment liegen auch hier Licht und Schatten eng beisammen: Eine wirklich herausragende Leistung erbringt nur der inzwischen am Beginn einer wohl großen internationalen Karriere stehende lyrische Tenor Patrick Kabongo in der Rolle des Guillaume. Sein wunderschönes Organ und eine vollendete Gesangstechnik lassen keinerlei Wünsche übrig, was man von den anderen Sängern leider nicht behaupten kann, auch wenn es, anders als bei so mancher Aufnahme aus Wildbad, keine krassen Ausreißer nach unten gibt. Das polnische Orchester unter L. Acocella lässt oftmals Präzision, Eleganz und Verve vermissen, die Akustik ist mäßig attraktiv, leidet aber gottseidank nicht unter starken Nebengeräuschen. Wie immer bei Naxos ist die CD nur mit einer knappen Einführung nebst Inhaltsangabe versehen. Das Libretto ist ohne jede Übersetzung downloadbar, was allerdings eine Unverschämtheit gegenüber allen des Französischen nicht mächtigen Interessenten ist. Insgesamt kann diese Doppel-Cd aber aufgrund der Attraktivität der Komposition und des exzellenten Tenors klar zum Kauf empfohlen werden!

    Les Abencerages (Deluxe-Ausgabe im Buch) Les Abencerages (Deluxe-Ausgabe im Buch) (CD)
    02.01.2023
    Booklet:
    5 von 5
    Gesamteindruck:
    5 von 5
    Klang:
    5 von 5

    Endlich eine Referenzaufnahme!

    Von Cherubinis im frühen19. Jahrhundert international beachteten, dann aber schnell in Vergessenheit geratenen Abenceragen (Uraufführung 1813) gab es in französischer Originalsprache bislang nur eine stark gekürzte Rundfunkaufnahme von 1975, die lediglich einen vagen Eindruck von der Bedeutung dieses Werkes vermitteln konnte. Um welch grandiose Partitur es sich handelt, macht nun endlich der seit Jahren bewährte G. Vashegyi mit seinem fabelhaften Orfeo-Orchester beeindruckend deutlich: Die teilweise schon deutlich auf Berlioz, Meyerbeer und sogar den frühen Wagner hinweisende Instrumentationskunst (Cherubini war nur 4 Jahre jünger als Mozart, gehört aber schon einer völlig anderen Komponistengeneration an) kommt erst durch die verwendeten historischen Instrumente und den dadurch ermöglichten durchsichtigen Klang voll zur Geltung. Während der orchestrale Part dieser Oper makellos interpretiert ist, gibt es m.E. in der ansonsten auch nur hoch zu lobenden Sängerriege, aus der Primadonna Anais Constans strahlend herausragt, leider einen bedenklichen Ausreißer: Tenor Edgaras Montvidas wird der heiklen, damals für den berühmten Nourrit geschriebenen Rolle des Almanzor nicht wirklich gerecht, da seine von Haus aus nicht sonderlich charakterstarke Stimme zu schwer, unbeweglich und in den Höhen recht angestrengt wirkt. Sehr schade, dass man für diese wichtige Partie nicht einen stilbewusster singenden Tenor von der Klasse eines Spyres oder Osborn verpflichten konnte. Trotzdem darf dieser immens verdienstvollen und wie immer bei Bru-Zane liebevoll und hochwertig recherchierten und edierten Box der Status einer Referenzaufnahme zugesprochen werden!
    Kantaten - Französischer Jahrgang 1714/1715 Vol.2 Kantaten - Französischer Jahrgang 1714/1715 Vol.2 (CD)
    28.12.2022
    Booklet:
    5 von 5
    Gesamteindruck:
    3 von 5
    Klang:
    2 von 5

    Enttäuschend

    Insgesamt hatte ich den Eindruck, dass die hier vorgestellten Kantaten wesentlich weniger originell als in Folge 1 waren. Kirchenmusik auf fraglos hohem handwerklichen Niveau, aber doch oftmals sehr routiniert und nicht ohne zeitübliche Versatzstücke komponiert. Doch dass ich nicht so recht warm mit den Aufnahmen wurde, liegt vielmehr an zwei anderen Dingen: Einmal ist da die spröde, trockene und unattraktive Studioakustik, die so gar keinen feierlichen Glanz verbreitet, zum anderen geht das Konzept der Mischung von frischen jungen Stimmen und manchmal etwas verbraucht klingenden älteren Herren im Bassregister nicht gut auf. Die interessanteste Kantate „Wertes Zion“ wurde vor ca. 10 Jahren schon einmal von CPO auf der CD mit Lutherkantaten Telemanns veröffentlicht. Man vergleiche nur einmal die herrliche Kirchenakustik und die damals noch nicht ausgesungene Stimme von Gotthold Schwarz mit der vorliegenden Edition! Es wäre sehr zu wünschen, dass man für die noch folgenden geplanten Ausgaben der Gesamteinspielung aller Kantaten des französischen Jahrgangs auf einen schmeichelhafteren Raumklang (Kantaten sollten am besten in einer Kirche aufgenommen werden!) und ein homogeneres Solistenensemble setzt.

    Oratorium zum Johannis-Fest "Gelobet sei der Herr" TVWV1:602/1216 Oratorium zum Johannis-Fest "Gelobet sei der Herr" TVWV1:602/1216 (CD)
    03.05.2022
    Booklet:
    5 von 5
    Gesamteindruck:
    3 von 5
    Klang:
    2 von 5
    Künstlerische Qualität:
    3 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    Nicht durchweg überzeugend

    Selten bewerte ich CPO-Ersteinspielungen schlechter als mit vier Sternen, doch bei dieser CD sei mir eine Ausnahme gestattet. Leider fand ich die Interpretation der beiden Telemann-Oratorien alles andere als „überragend“, obwohl ich mich sehr auf die Entdeckung bislang unbekannter Vokalwerke aus der mittleren Schaffensperiode des Komponisten gefreut hatte.
    Altmeister Klaus Mertens, dem die Alte-Musik-Gemeinde seit Jahrzehnten exemplarische Aufnahmen verdankt, merkt man seine zur Aufnahmezeit 2020 über 70 Jahre inzwischen allzu deutlich an, die heiklen Spitzentöne in der virtuosen Arie „Auf Israel“ geraten meistens etwas zu tief und hätten einer jüngeren Stimme bedurft. Mauro Borgioni, der zweite der drei Bässe, wäre hierfür stimmlich besser geeignet gewesen, doch sein recht starker Akzent hat mir nur wenig Freude bereitet. Das etwas enge und schwache Timbre von Sopranistin Rahel Maas ist Geschmackssache, m.E. wäre die hier in nur einer kleinen Partie zu hörende Elena Harszanyi, die bei der neuen Heinichen-CD von CPO einen hervorragenden Eindruck gemacht hat, die bessere Wahl gewesen. Ungeachtet der ungewöhnlichen und prachtvollen Besetzung mit teilweise vier Hörnern und Pauken hat mich die Musik in diesen beiden Werken trotz einzelner sehr schöner Sätze nicht sonderlich begeistert, ja manchmal sogar regelrecht gelangweilt. Ich konnte mich des Eindrucks eines gewissen routinierten Schematismus, besonders in den langen Dacapoarien, nicht immer erwehren, was bei der schier unvorstellbaren Schaffensfülle Telemanns auch nicht weiter verwundert.
    Am kritischsten bewerte ich jedoch den matten, jeglicher Brillanz, Tiefenschärfe und transparenter Natürlichkeit entbehrenden Klang dieser Aufnahme, der deutlich unter dem sonst üblichen CPO-Standard liegt. Das mit nur 6 Violinen besetzte Orchester klingt leider oftmals dünn und scharf, die Blechbläser dabei mulmig und unpräzise, was nicht zu den sonst mustergültigen Dirigaten von M.A. Willens passt.
    Trotzdem ein interessanter und für die Telemann-Rezeption wichtiger Beitrag, der einen weiteren Mosaikstein im immer noch lückenhaften Kosmos des Meisters darstellt. Danke dafür an CPO und JPC!

    2 Passions-Oratorien 2 Passions-Oratorien (CD)
    29.03.2022
    Booklet:
    5 von 5
    Gesamteindruck:
    5 von 5
    Klang:
    5 von 5
    Künstlerische Qualität:
    5 von 5
    Repertoirewert:
    4 von 5

    Elegante Passionsmusik

    Die Ersteinspielung der beiden jeweils knapp 40-minütigen und damit recht kurzen Passionsoratorien schließt eine Lücke im diskographisch noch immer reichlich unerschlossenen Sakralwerk des Dresdner Hofkapellmeisters. Die 1724 und 1729 entstandenen Werke stellen sehr frühe Beispiele des voll entwickelten galanten Stils dar, den dann Heinichens Nachfolger J. A. Hasse in den folgenden Jahrzehnten zu höchster Blüte brachte. Wer hier eine zeitlos gültige, hochdramatische und harmonisch kühne Musik, wie man sie von Bachs genau zeitgleich entstandenen Passionen kennt, erwartet, wird vielleicht etwas enttäuscht sein. Die durchaus ausdrucksstarken, im Geiste der Opera seria konzipierten Texte erfahren eine flüssige, elegante und oftmals satztechnisch relativ leichtgewichtige Vertonung, die freilich an entscheidenden Stellen auf dezente Chromatik und kontrapunktische Künste nicht verzichtet. Insgesamt handelt es sich alles in allem um nicht viel mehr als anspruchsvolle, aber sehr zeitgebundene höfische Gebrauchsmusik. Ob die damals von den besten Opernsängern Augusts des Starken interpretierten Rezitative und Arien auch heutigen Konzertbesuchern über den musikwissenschaftlichen Aspekt hinaus inhaltlich noch etwas zu sagen haben, bleibe dahingestellt. 75 Minuten schöne Musik in exemplarisch guter Interpretation und Klangqualität sprechen jedenfalls für sich. Insgesamt eine gelungene und empfehlenswerte Neueinspielung zur Passionszeit in bester altbewährter CPO-Qualität!
    Oratorio secondo "Der sehr unterschiedene Wandel und Tod der Gottlosen und Gottsfürchtigen" (1747) Oratorio secondo "Der sehr unterschiedene Wandel und Tod der Gottlosen und Gottsfürchtigen" (1747) (SACD)
    15.03.2022
    Booklet:
    5 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    3 von 5
    Künstlerische Qualität:
    4 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    Eine großartige Entdeckung!

    Johann Daniel Pucklitz dürfte selbst für hartgesottene Fans alter Musik ein weitgehend unbeschriebenes Blatt sein. Lediglich zwei sehr kurze, recht schöne, aber nicht sonderlich spektakuläre Kantaten wurden vor fünf Jahren in der „Musica baltica“-Serie von MDG durch das polnische Goldberg Baroque Ensemble veröffentlicht, das auch für die vorliegende Einspielung verantwortlich zeichnet.
    Zugegebenermaßen hat mich der Beginn dieses knapp zweistündigen „Oratorio secondo“ mit einer langen, etwas konventionellen dreisätzigen Sinfonia im unverbindlich-galanten Stil und einem mit 10 Minuten Spielzeit schnell ermüdenden Choral nicht besonders überzeugt. Doch im Verlauf der sich um die Themen Tod und Auferstehung drehenden Komposition wird die Klangrede von Pucklitz immer interessanter. Viel Chromatik, teils unvorhersehbare Formverläufe in sehr langen, meistens aber nicht in Dacapoform konzipierten Arien und eine besonders in den vielen Chorälen mit J S. Bach durchaus auf gleicher Augenhöhe stehende Harmonik lässt rasch aufhorchen. Doch am Erstaunlichsten entwickelt sich die Instrumentation, die am Schluss sogar ein Paar Glasharfen sowie eine Harfe mit Saiten zur musikalischen Schilderung der Himmelsfreuden verlangt, womit das 1747 geschriebene Werk singulär im deutschsprachigen Bereich dastehen dürfte. Lediglich Händel hat zur selben Zeit in London mit vergleichbaren Klangfarben experimentiert. Doch auch die solistischen Partien für Naturtrompete, Traversflöte, Cembalo concertato und allerlei Streicherkombinationen sind eminent herausfordernd und beweisen nachdrücklich, auf welch hohem Niveau sich die Danziger Kirchenmusik um 1750 befunden haben dürfte.
    Unter den vier deutschsprachigen Solisten ragt der makellose Tenor von G. Poplutz eindeutig hervor, die Timbres der anderen Singenden sind reine Geschmackssache, mich haben sie nicht völlig überzeugt. Der polnische Chor hat keine besonders anspruchsvollen Aufgaben, wodurch ein leichter osteuropäischer Akzent m.E. nicht besonders störend auffällt. (Was für ein Genuss wäre es allerdings, diese wertvolle Musik etwa vom Thomaner- oder Kreuzchor gesungen zu erleben!) Das Orchester verfügt über hervorragende Solisten, agiert insgesamt aber nicht ganz auf international erstrangiger Höhe. Wie schon bei der Aufnahme von 2016 lässt der stark überakustische Raum der Dreifaltigkeitskirche Danzig viele Details im Ungefähren. Vielleicht ist das Klangerlebnis beim Hören auf vier SACD-Lautsprechern günstiger (es liegen übrigens kostenlos zwei Scheiben bei, die auf normalen Hybridplayern nicht funktionieren), doch entzieht sich das meiner Kenntnis, da ich nur über zwei Boxen verfüge. In jedem Fall kann diese hochinteressante Neueinspielung jedem jenseits der großen Barockmusik-Namen Interessierten empfohlen werden- und bitte: Mehr von Pucklitz!

    Halka (Oper in 4 Akten) Halka (Oper in 4 Akten) (CD)
    05.01.2022
    Booklet:
    5 von 5
    Gesamteindruck:
    3 von 5
    Klang:
    5 von 5
    Künstlerische Qualität:
    3 von 5
    Repertoirewert:
    4 von 5

    Interessant, aber nicht überzeugend

    Die hier rezensierte Aufnahme präsentiert erstmalig die sog. Wilnaer Urfassung von Moniuskos berühmtestem Werk aus dem Jahre 1848 auf Originalinstrumenten. Im Vergleich zu der heute meist gespielten, zehn Jahre später in Warschau entstandenen Version sind folgende Unterschiede bemerkenswert:
    - Die Oper ist in zwei (statt später vier) Akte gegliedert.
    - Die Struktur ist im Wesentlichen durchkomponiert.
    - Sie dauert statt 120 nur 80 Minuten.
    - Mehrere später hinzugefügte große Nummern, darunter alle Tänze, fehlen.
    - Die Partie des Brautvaters wird zu einer kleinen Nebenrolle ohne Arie.
    - Die Partie des Janusz liegt deutlich tiefer.
    - Das Orchester enthält außer Pauken keinerlei weiteren Schlaginstrumente wie kleine Trommel, Becken oder Triangel, wodurch der Gesamtklang sehr konservativ-klassisch wirkt.
    - Es gibt zahlreiche kleinere Änderungen in der Stimmführung, die aber strukturell unerheblich sind.

    Insgesamt kann man natürlich das Fehlen sehr viel schöner (und in den Tänzen spezifisch polnischer) Musik bedauern, bekommt aber dafür eine viel dramatischere und kompaktere Version des anrührenden Gesellschaftsdramas. Auf der Opernbühne hat sich aber m.E. zu Recht die spätere, klanglich opulentere und für die Interpreten wesentlich dankbarere Version von 1858 durchgesetzt.
    Leider bin ich mit der vorliegenden Studioeinspielung nicht wirklich glücklich, da Dirigent J.T. Adamus mit der Capella Cracoviensis zwar über ein erstklassiges Originalklangensemble verfügt, aber leider keine vom Niveau her dazu passenden Gesangskräfte verpflichten konnte. Die drei Hauptrollen leiden allesamt unter viel zu kleinen und in den Randbereichen schwachen Stimmen. Zwar fand die Uraufführung 1848 in Vilnius konzertant mit sehr kleiner semiprofessioneller Besetzung in einem Salon statt, doch darf das keine Ausrede sein, die anspruchsvollen Partien mit unzulänglichen Sängern zu besetzen. So bleibt die an und für sich interessante und verdienstvolle Edition mit dreisprachigem Libretto eine Angelegenheit für Spezialisten. Wer Halka neu kennenlernen will, sollte daher zu einer anderen Aufnahme (z.B. dem mitreißenden Livemitschnitt unter R. Satanovski bei CPO) greifen. Ärgerlich ist auch, dass man die genau 80 Minuten und 50 Sekunden dauernde Spielzeit nicht auf einer Disc untergebracht hat, was technisch heutzutage absolut möglich gewesen wäre.


    Kantaten - Französischer Jahrgang 1714/1715 Vol.1 Kantaten - Französischer Jahrgang 1714/1715 Vol.1 (CD)
    07.12.2021
    Booklet:
    5 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    3 von 5
    Künstlerische Qualität:
    4 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    Gelungener Auftakt!

    Die erste Folge des ambitionierten Projekts einer Gesamteinspielung von Telemanns nicht weniger als 72 Kantaten umfassenden „französischen Jahrgangs“ präsentiert zehn Werke, die allesamt höchst originell sind. Jede einzelne Kantate wartet mit mindestens einer handfesten musikalischen Überraschung auf und verzichtet, anders als so manches spätere Werk Telemanns, auf jegliche Schablone und Vorhersehbarkeit. Französisch ist an der Musik nur die gelegentliche Übernahme entsprechender Tanzformen aus der Suite und die damit einhergehende tonale Einheitlichkeit, sonst aber atmen diese 1714/15 in Frankfurt entstandenen Kompositionen eher einen italienisch inspirierten Geist, sind also ein perfektes Beispiel für den in Deutschland in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts so beliebten „vermischten Geschmack“. Die Interpretation dieser Aufnahme ist sehr gut bis gut, einzig Elisabeth Scholl wirkt mit ihrem in die Jahre gekommenen, in hohen Lagen oftmals recht unsauberen Sopran wie ein Fremdkörper in dem ansonsten jungen und bestens disponierten Team unter Leitung von Felix Koch. Meinem Geschmack nach ist das Cembalo als Continuo etwas zu präsent und dominant aufgenommen, hier hätte ein Lauteninstrument für wohltuende Abwechslung sorgen können. Auffallend ist auch, dass die beiden in zwei verschiedenen Jahren aufgenommenen Scheiben sehr unterschiedlich klingen: Während CD 1 recht rund wirkt, empfand ich CD 2 als deutlich härter und schärfer im Klang. Hier wäre von Seiten der Tontechnik noch etwas Luft nach oben gewesen. Insgesamt jedoch macht dieser gelungene Auftakt Lust auf mehr und man kann CPO nur dankbar sein für die Kooperation bei dieser herausfordernden, auf Jahre ausgerichteten Unternehmung, die ein Meilenstein in der Telemannrezeption werden könnte.
    Achante et Cephise Achante et Cephise (CD)
    13.11.2021
    Booklet:
    5 von 5
    Gesamteindruck:
    5 von 5
    Klang:
    5 von 5
    Künstlerische Qualität:
    5 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    Sensationell!

    Von der 1751 zur Geburt des nur 10 Jahre später wieder verstorbenen Dauphin Louis Ferdinand komponierten Oper Rameaus wurden bislang nur die prachtvolle, ein Volksfest mit Feuerwerk beschreibende Ouverture und mehrere Tänze eingespielt. Das ganze Werk aber erfährt unverständlicherweise erst jetzt seine längst überfällige diskographische Rehabilitation. Es dürfte sich um die wohl farbenreichste und modernste Partitur Rameaus handeln, was besonders der aparten Instrumentation zu verdanken ist , die neben den üblichen Bläsern eine bis dato „unerhörte“, oftmals schon fast klassisch klingende Kombination aus Klarinetten und virtuosen Naturhörnern beigesellt. Dazu experimentierte Rameau bei Achante et Cephise noch stärker als in seinen früheren Opern mit komplexen, manchmal regelrecht bizarren Harmonien und vertrackten Rhythmen, was die Oper für den heutigen Hörer zwar kompliziert, aber insgesamt doch unglaublich attraktiv macht. Mehr klangliche Avantgarde war um 1750 nicht möglich.
    Zwar gibt es, wie in jedem Bühnenwerk Rameaus, einige Durststrecken in den arios durchbrochenen nur vom Continuo begleiteten Rezitativen, die mit ihrem spröden und recht schematischen Singsang dem nicht-französischen Muttersprachler nur wenig zu sagen haben dürften, doch überwiegt der Eindruck, es hier mit einem veritablen Meisterwerk zu tun zu haben.
    Dieses gute Gefühl wird durch die ohne Ausnahme meisterhafte Interpretation, die weder musikalisch noch klanglich irgendwelche Wünsche offenlässt, nachhaltig gestärkt. Man kann froh und dankbar sein, dass diese kurz vor den großen Lockdowns produzierte und liebevoll edierte prachtvoll klingende Studioaufnahme (die Fotos im zwei- bis dreisprachigen Beiheft zeigen die Toningenieure bei der Nachbearbeitung schon mit Masken) in dieser schweren Zeit überhaupt von einem großen Label zu einem so günstigen Preis produziert werden konnte. Eine neue, geradezu sensationelle Referenzaufnahme in Sachen Rameau, die auch Interessierten, die bislang nur wenig Zugang zum französischen Barock finden konnten, uneingeschränkt empfohlen werden kann!
    Geistliche Kantaten Geistliche Kantaten (CD)
    16.10.2021
    Booklet:
    5 von 5
    Gesamteindruck:
    5 von 5
    Klang:
    5 von 5
    Künstlerische Qualität:
    5 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    Überragende Begabung!

    Der bislang auf Cd nur als Dirigent der Nebra-Oper „Vendado es Amor “ hervorgetretene Alberto Miguelez Rouco legt nun ein spektakuläres Debut als Countertenor vor, bei dem der ausgezeichnete Komponist José de Nebra ebenfalls im Zentrum steht. Außerdem hört man noch eine Kantate von Corselli und eine Sinfonia von Porpora. Der zur Aufnahmezeit erst 26-jährige Spanier verfügt über einen immens großen, perfekt ausbalancierten Stimmumfang. Zunächst bleibt er in einem sehr individuellen, warmen Altrgeister, schwingt sich bei den Dacapos der Arien dann aber mühelos in hohe Sopranlagen auf. Koloraturen perlen bei optimaler Textverständlichkeit wie von selbst. Die wunderschönen sakralen Kantaten haben besonders in ihren opernhaft dahinschmelzenden lyrischen Passagen teilweise Qualitäten für die einsame Insel. Ein großes, ja geradezu überragendes Talent, von dem man in Zukunft sicherlich noch mehr hören wird. Der diskographische Einstand jedenfalls ist voll und ganz gelungen!
    1 bis 25 von 195 Rezensionen
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