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    JAW-Records Top 50 Rezensent

    Aktiv seit: 08. März 2011
    "Hilfreich"-Bewertungen: 3403
    271 Rezensionen
    Svjatoslav Richter - Solo Recordings Svjatoslav Richter - Solo Recordings (CD)
    08.07.2014
    Booklet:
    2 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    3 von 5
    Künstlerische Qualität:
    4 von 5
    Repertoirewert:
    3 von 5

    33 CDs Sviatoslav Richter Solo bei Decca - und nichts Neues zu entdecken ...

    „Sviatoslav Richter - Solo Recordings“ ist eine Zusammenstellung von Decca und umfasst 33 CDs. Zu den Interpretationen sage ich hier weniger, eher öfters zur Qualität der Aufnahme. Meine Besprechung zielt darauf, dem Sammler und Verehrer Richters Kunst einen Anhaltspunkt über den Inhalt der Box und die Veröffentlichung zu geben – vielleicht auch über Alternativen zu diesen Aufnahmen nachzudenken. Manches liegt ja als Doublette in anderer Aufnahme aus anderer Zeit vor…
    Deshalb stelle ich hier zusammen, was schon die letzten Jahre wie veröffentlicht war und noch bei Amazon geführt ist. Ich gebe die ASIN-Nummer an, die Sie kopieren können und hier bei Amazon in der Suche einfügen. Dann erscheint sofort die CD:

    CD 1+2: J.S. Bach Englische Suiten Nr. 3,4, 6, Französische Suiten Nr. 2,4,6 = identisch Doppel-CD Decca „Richter – The Master Vol.8“ - B000VLQDRC

    CD 3: J.S. Bach Italienisches Konzert, Französische Ouverture 4 Duetti = identisch mit der ersten der Doppel-CD Decca „Richter – The Master Vol.9“ - B000VLQDRW

    CD 4+5: Beethoven Sonaten Nr. 19, 29, 22, 23, 30, 31, 32 = identisch Doppel-CD Decca „Richter – The Master Vol.1“ - ASIN B000O77PZ2
    Die CD5 (Sonaten Nr. 30, 31, 32) stellt für mich die vier vorausgegangenen klanglich weit in den Schatten. Endlich kein schwammiges und halliges Klangbild. Da höre ich doch lieber hin und auch gleich viel mehr von der Interpretation Richters … ;-) – hier von mir für die Interpretation **** bis ***** Sterne

    CD 6: Beethoven Sonaten Nr. 9, 11, 12, 27 = identisch mit der zweiten der Doppel-CD Philips „Richter – The authorised Recordings“ - ASIN B000004175
    Bei dieser CD gibt es durch die Aufnahmetechnik bei Forte-Anschlag heftiges Rumpeln, besser Schläge (Pedal durch vom Aufnahmegalgen oder Bodenmicro nicht entkoppelten Fußboden?) in tiefsten Frequenzen, was schon etwas irritiert …

    CD 7: Beethoven Sonaten Nr. 18, 28, Rondo op. 51, Nr. 1 und 2 = identisch mit der ersten der Doppel-CD Decca „Richter – The Master Vol.4“ - ASIN B000PY302G
    Ordentlich aufgenommen und phantasievoll und vital gespielt. Leider gibt’s ein leichtes Rumpeln im Bass. Warum man diese Frequenzen man einfach nicht raus oder zurück nimmt? Da ist doch sonst eh nichts …
    Das gäbe es bei meinen eigenen Aufnahmen (JAW-Records) nicht – auch nicht das „sich Aushusten“ des Publikums … ;-)

    CD 8: Beethoven Diabelli-Variationen op.120 = identisch mit der CD von Philips - ASIN B00DVTUSEU
    Aufnahme ok (wenn auch in den Spitzen etwas unnatürlicher Klangfarbe bzw Reverb), konzentriert, phantasievoll und vital gespielt.

    CD 9+10: Brahms Klaviersonaten Nr. 1 und 2, Paganini-Var, 4 Klavierstücke – Schumann Fantasie C-Dur = identisch mit der CD Decca „Richter – The Master Vol.7“ - ASIN B000VJ1H8Y
    Wahrscheinlich gut gespielt – „wahrscheinlich“ deshalb, weil man über Richters Klang auf dieser Aufnahme wegen der Mikrophonpostierungen NICHTS sagen kann – da klingen ja die z.B. ersten elektrischen Aufnahmen von 1928 mit Moritz Rosenthal trotz Rauschen schon schöner und natürlicher nach Klavier.
    Bei den Paganini-Variationen ist es am Anfang dann völlig grotesk: Es klingt wie ein elektronisches Zymbal mit einer Rhythmischen Base-Drum (durch Richters Pedaleinsatz)
    Hat denn niemand mal eine Klangkontrolle bei der Aufnahme gemacht? Vielleicht ja nur auf den Pegel der Aussteuerung geschaut??? Als Bayer liegt mir jetzt da das eine oder andere Wort auf der Zunge …
    Nun – seltsamerweise ist auch kein wirkliches Datum, Produzent oder Tontechniker angegeben.

    CD 11: Schumann Marsch, Paganini-Konzertstudien, Novelette, Blumenstück, Nachstücke = identisch mit der 3CD-Box von Philips „Richter – The authorised Recordings“ - ASIN B00000416U
    Wieder das Problem mit dem (wahrscheinlich) Pedalgeräusch als tiefe Bass-Frequenz. Zumindest klingen jetzt die Mitten und Höhen im Gegensatz zu CD 9 und 10 nach Klavier – wenn auch wenig ansprechend und etwas topfig.

    CD 12: Nochmal die Beiden Brahms Sonaten – diesmal mit Angabe: Bibbiena Februar 1987 = identisch mit der CD von Decca „Richter spielt Brahms“ - ASIN B00000E54P – hier für die Interpretation von mir **** bis *****
    Mit dem Stampf-Pedal muss man anscheinend leben… Wenns nur nicht noch so hervorgehoben wäre …

    CD 13: Chopin Etuden op. 10 und 25 (jeweils Auswahl) + zwei Polonaisen = identisch mit der zweiten der Doppel-CD Decca „Richter – The Master Vol.9“ - ASIN B000VLQDRW
    Endlich mal etwas rundum gelungenes! Aufnahme und Spiel gebe ich hier gern ***** Sterne!

    CD 14+15: Chopin Préludes op. 28, Nocturne, Barcarolle op. 60, Polonaise op.61 + Liszt Sonate h-moll, Etudes d'exécution, 8 weitere Stücke = identisch mit der der Doppel-CD Decca „Richter – The Master Vol.10“ - ASIN B000Z89VRU
    Nr. 1 bis 12 sind Mono-Aufnahmen – mit Angabe DDD von 1994 … *g* … Diese Aufnahmen scheinen also aus allen möglichen Zeiten zu stammen. Der Klang ist aber sehr ordentlich … Liszt wieder in Stereo und mit Pedal *g*
    Die CD 15 klingt wunderbar und ist ebenso gespielt! ----- *****

    CD 16: J. Haydn Sonaten Nr. 40, 41, 44, 52 = identisch mit der CD Decca „Richter spielt Haydn“ - ASIN B00000IP5C
    Guter Klang, schönes Spiel. Ein vielschichtiger Haydn mit Gehalt ohne Mätzchen. ----- **** bis *****

    CD 17: J. Haydn Sonaten Nr. 2, 24, 32, 46 = identisch mit einer weiteren CD Decca „Richter spielt Haydn“ - ASIN B00000IP5E
    Wunderbar – aber das bekannte Thema der Subfrequenzen … trotzdem auf jeden Fall ****

    CD 18: J. Haydn Sonaten Nr. 24, 52 + Weber Sonate Nr.3 = identisch mit der ersten der Doppel-CD Philips „Richter – The authorised Recordings“ - ASIN B000004175
    Die Sonate 24 ist auf der CD 17 gelungener. Auch ist der Klang der Aufnahme hier wieder etwas dicker.

    CD 19+20: W.A. Mozart Klaviersonaten KV 280, 333, 283, 533/494, 457 und Fantasie c-moll KV 475 = identisch mit der der Doppel-CD Decca „Richter – The Master Vol.2“ - ASIN B000O77PZC bzw. ebenso der Doppel-CD von Philips „Richter – The authorised Recordings“ - ASIN B00000416V
    Aufnahme OK

    CD 21: W.A. Mozart Klaviersonaten KV 282, 545, 310
    = identisch mit der Philips-CD „Mozart Sonaten“ B00000E3WN

    CD 22+27: Prokofieff Legende, 10 Stücke aus Visions fugitives, 2 Stücke aus op.32, 5 Stücke aus Cinderella + Schostakowitsch 6 Préludes aus op. 87 + Scriabin Poème op.61, zwei Danse op.73, Vers la flame op.72, Fantasie op.28 + Prokofieff Klaviersonaten Nr. 4 und 6 = identisch mit der der Doppel-CD Decca „Richter – The Master Vol.3“ - ASIN B000O77PZM

    CD 23+24: Schubert Klaviersonaten D 894 + 575 + 940 = identisch mit der der Doppel-CD Decca „Richter – The Master Vol.5“ - ASIN B000PY302Q
    Eine magische G-Gur, eine im Kopfsatz etwas arg zergrübelte „Reliquie“ - die gar keine ist, weil sie vier Sätze hat …  ----- gerne für Aufnahme und Spiel **** bis *****

    CD 25: Schumann Marsch, Waldszenen (komplett), Fantasiestücke, Novelette, Toccata = identisch mit der der CD von Deutsche Grammophon „Fantasiestücke Waldszenen“ (nur deren Abegg-Variationen sind auf CD 30 – warum auch immer) - ASIN B00000E53F
    Die nach wie vor wunderbare Aufnahme von 1956 der Waldszenen und Fantasiestücke – sehr guter Mono-Kang. Tja, damals war es anscheinend noch weniger Problem, ein Klavier aufzunehmen … ----- *****

    CD 26: Schumann 4 Fugen, Marsch, Blumenstück, Nachtstücke
    Aufnahme Bibbiena 1986 = identisch mit Decca CD Blumenstück Nachstücke - ASIN B00000E54O
    Gut, auch die Aufnahme ist OK ---- ****

    CD 28: Chopin Poloniase op.61, Ballade Nr.4, Etudes Op.10, Nr. 1 und 12 + Debussy drei Estampes + Scriabin Klaviersonate Nr.5 + Rachmaninoff 6 Préludes
    Das ist die einzige CD, bei der ich keine identische Entsprechung gefunden habe (1956-62), aber die Aufnahmen sind auch auf z.B. der CD-Box „Sviatoslav Richter – Pianist of the Century“ ASIN B00ICPGIRY
    Sehr gute Interpretationen, gute Aufnahmen, teilweise in Mono ----- **** bis *****

    CD 29: Haydn Sonate Nr.44 + Chopin Ballade Nr. 3 + Debussy 3 Préludes + Prokofieff Sonate Nr.8
    Die CD 28 zum Teil und CD 29 ganz sind auf der Doppel-CD Deutsche Grammophon „Sviatoslav Richter - In Memoriam“ B001ST1Y1Q

    CD 30+31: Prokofieff Sonate Nr.2 + Strawinsky Piano-Rag-Music + Schostakowitsch 2 Preludes und Fugen + Webern Variationen op.27 + Bartok 3 Burlesken + Szymanowski Metopes + Hindemith Suite 1922
    = Identisch mit der Doppel-CD „Richter in Wien“ von Philips B00000E54N
    Leider nicht sonderlich gut im Klang, belegt und ziemlich weit entfernt.

    CD33: Sophia-Konzert 1958 - Mussorgsky Bilder + Schubert Moment Musicaux Nr.1, 2 Impromptus + Chopin Etude op.10, Nr.3 + Liszt 2 valses oubliée, 2 Etudes d'exécution + Rachmaninoff Prélude op.32, Nr.13 = identisch mit CD von Philips ASIN B0000523QI

    GESTALTUNG DER BOX

    Die Box ist stabil, auch das Verbindungsstück - im Gegensatz zu großen EMI-Boxen (z.B. Cziffra, Cortot), das dort leicht knickt oder schon geknickt per Post kommt.
    Sehr erfreulich finde ich die einzelnen nummerierten und beschrifteten Papphüllen für die CDs. Das erleichtert die Handhabung gegenüber den früheren einfachen Papierhüllen (dann noch oft zum zukleben!) und das Auffinden von Titeln. Die CDs gehen leicht aus den Hüllen – auch das ist ein unschätzbarer Vorteil, der deutliche Fingerabdrücke an den Rändern der CDs ersparen hilft.
    Allerdings gibt es hier editorisch schon ein erstes kleines und überflüssiges Versäumnis: Warum ist auf den Vorderseiten der Hüllen keine Nummer zu sehen? So muss man die CDs grundsätzlich erst einmal umdrehen um zu wissen, was man in der Hand hat.

    BOOKLET

    Das Booklet hat nur vier (!) Seiten Text - auf Englisch und auf Italienisch in meiner Ausgabe. Möglicherweise gibt’s auch eine mit deutschen Text - aber bei den vier Seiten ist das wohl auch egal … Der Text ist ja schnell per Google-Übersetzer gelesen, falls Englisch Ihnen Probleme macht. Das 33-seitige Heft führt ansonsten Werke und Tracks, Spielzeiten der Sätze (aber nicht der Gesamtwerke oder der gesamt-CD) auf und … ja - jetzt kommt es:

    Ganz am Ende des Booklets sind auf drei Seiten spärliche Angaben zu Aufnahmedaten und Ort, Produzent und Tontechniker für alle 33 CDs in der Reihenfolge der CDs.

    Zudem gibt es keine Auflistung der Werke nach Komponisten, was bei solch einer großen Kollektion, die auch noch für den, der die originalen LPs / CDs nicht im Kopf hat, völlig wirr angeordnet ist. Es wäre auch pro CD obenan ein Hinweis auf die originale Platte sinnvoll gewesen, wenn schon diese einfach übernommen wurden.

    Diese überaus lieblose Gestaltung des Booklets gibt hier einen Punkt Abzug. Der Hörer möchte ja (möglichst schnell) das Stück finden, das er sucht und auch auf einfache Art umfassend informiert sein. Alle diese Punkte gehen hier leider fehl. Das hat Sviatoslav Richter nicht verdient.

    Apropos „verdient“: Hat die DG, Philips und Decca nicht im Laufe der Jahrzehnte die paar Euro an seinen Platten eingenommen, um solch einem Booklet ein paar Seiten und Bemühungen (Register, intelligente Auswahl, informativer Text) mehr zu geben?

    Falls es an der Kalkulation hängt: Da wird jeder Käufer solch einer Box (wie auch bei den Boxen von Emi mit dem gleichen Problem) gern drei Euro mehr ausgeben! Dicke Sammlungen mit Pianisten wie Richter, Curzon, Haskil, Cortot, Ciccolini, Cziffra oder Dirigenten wie Britten, Sargent, Silvestri usw. kauft doch niemand, dem im Grund ziemlich egal ist, was er jetzt grade mal aus der Box zieht und auflegt – und was er dann hört. Solche Kundschaft sind ausgesprochene Kenner und Liebhaber…

    DIGITALE TRANSFERS

    Die digitalen Transfers von dem analogen Bändern sind allesamt sehr gut. Allerdings habe ich längst nicht alle Aufnahmen als vergleich vorliegen. Mein Ohr sagt mir aber, dass es keine wesentlichen klanglichen Beschneidungen gibt.

    FAZIT: Ja – diese Edition jedem zu empfehlen, der Musik der Musik halber kaufen möchte. Will damit sagen: Diese Box ist durchaus nicht nur etwas für Richter-Fans!
    Wer noch nicht allzu viele der Aufnahmen auf CD zuhause hat, sollte sich die Anschaffung wirklich überlegen. Es gibt quasi keine wirklichen „Ausfälle“, die in Kauf zu nehmen sind, was bei solch einer großen Zusammenstellung Seltenheitswert hat.
    Wer schon fast alles sein eigen nennen kann: Vorteil der Box ist natürlich das Sparen des Platzes, manches neue bessere Mastering (unbedingt vor dem weggeben der alten CDs alles vergleichen!). Die Nachteile sind schon zur Genüge erwähnt!

    Von mir knappe vier Sterne für diese Edition insgesamt – aber nur wegen des zum Teil wundervollen Spiels Sviatoslav Richters! wenn ich den Preis mit einbeziehen würde (was ich in Besprechungen nie tue, da es sich mir ausschließlich um die Qualität dreht – gepaart mit Repertoirewert!) und dagegen tatsächlich die Sache mit dem Booklet und die zum Teil absolut katastrophale Aufnahmetechnik (besser: Mikrophon-Postierung) stellen würde, dann kämen höchstens drei Sterne dabei heraus!

    Liebe DECCA: Bitte mal online zu solchen Boxen ein Komponisten-Register bereitstellen - und für die Richter-Box unbedingt Angaben der Aufnahmedaten! Das geht wirklich gar nicht, auch gehört zumindest ein Aufnahmejahr auf die jeweiligen Hüllen, gerade bei Mehrfacheinspielungen! Besonders bei den anscheinend älteren Einspielungen bzw Konzerten (nicht genannte Mono-Aufnahmen mit DDD-Angabe) will das wohl jeder näher interessierte Hörer wissen!

    Ach ja - nochmal zur Überschrift. Es scheint also kein einziges Stück in dieser Box zu sein, dass nicht schon von Polygram veröffentlicht worden ist.
    Symphonien Nr.0-9 Symphonien Nr.0-9 (CD)
    08.07.2014
    Booklet:
    3 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    3 von 5
    Künstlerische Qualität:
    4 von 5
    Repertoirewert:
    4 von 5

    Große Pioniertat – mit kleinen Schwächen: Eine vergleichende Besprechung

    Der Zyklus der Sinfonien Bruckners mit dem österreichischen Dirigenten Georg Tintner ist in der Rezeptionsgeschichte eine Besonderheit, da hier in einer Bruckner-"Gesamtaufnahme" erstmals das Thema der Fassungen wirklich verstörend aufgerissen wurde - und somit (auch durch den günstigen Preis) ein Bewusstsein in der breiten Hörerschaft für die gravierenden Unterschiede der Fassungen geschaffen wurde. Es wird übrigens wohl noch dauern, bis es tatsächlich mal eine wirklich GESAMTAUFNAHME, also eine synoptische Einspielung aller mindestens 18 Sinfonien geben wird:

    Studiensinfonie, 2 Fassungen der Ersten (plus ein zusätzliches Adagio und Scherzo), die Nullte, zwei Fassungen der Zweiten (mindestens), drei Fassungen der Dritten (plus mehrerer Adagios), drei Fassungen der Vierten mit der umstrittenen 1888-Fassung, die sich mittlerweile anfängt durchzusetzen (plus eine weitere Fassung des Finales), die fünfte, die Sechste, die Siebte, zwei Fassungen der Achten (plus der Haas-Fassung - sollte man fast mitzählen) und die Neunte mit Finale-Fragment.

    Tintner hat in diesem Zyklus, den man getrost als Lebensaufgabe und eine Art Vermächtnis nennen darf, bis auf die Vierte (warum nur? schade) die frühen Fassungen verwendet und arbeitet dabei mit drei Orchestern. Zudem präferiert er sonst die alten Haas-Fassungen. Hier ein paar Worte zu den einzelnen Sinfonien und die Interpretation.

    Bei allen Vergleichen ist bei den üblichen Fassungen auch immer Solti / CSO und ganz besonders der Zyklus mit Andreae als Alternative mit zu berücksichtigen !!!
    ACHTUNG: Die ausdrücklich hier bei den Sinfonien angeführten Vergleiche sind ausschließlich die entsprechenden Fassungen, die auch Tintner verwendet hat.
    Somit bleiben viele hervorragende Einspielungen der Sinfonien 1, 2, 3, 4 und 8 ungenannt!

    - - - - - - - -

    Studiensinfonie:
    Eine breit ausladende „großorchestrale“ Auffassung dieses Werks, das doch so viel vom Geist Schumanns, Mendelssohns und auch etwas von Tschaikowsky in sich trägt – und somit eine m.E. leicht verfehlte Interpretation. Aber gut gespielt mit vielen orchestralen Entdeckungen – wie bei allen Sinfonien mit Tintner. Shapirra hat das - mit teilweise noch breiten Tempi aber anderem Charakter - mit dem LSO wesentlich überzeugender hinbekommen. Wurde leider noch nie offiziell von Emi auf CD veröffentlicht.

    Sinfonie Nr. 1 (1866 unbearbeitete Linzer Fassung, Carragan Version):
    Auch hier sehr breite Tempi, die dem „kecken Beserl“ nicht so sehr anstehen. Hier finde ich Venzago und ganz besonders Steinaecker spannender. Eine kleinere Besetzung, die den jugendlichen Charakter viel klarer und die Orchestrierung durchsichtiger hervorbringt. Wer es groß im Klang mag, dem sei die Jochum Einspielung mit den Berlinern (DG) empfohlen.

    Sinfonie d-moll die „Nullte“ (ca. 1869):
    Die Nullte entstand zwischen der 1ten und 2ten - ein reifes aber stilistisch vielschichtiges Werk. Vielleicht deshalb die halbherzige „Annullierung“ durch den Meister. Ein wiederum breite und gute Aufführung, da die „Nullte“ als Vorbote der 2ten, mir der sich manches im Komponierstil ändert, das schon „vertragen“ kann. Alternativen gibt es einige: Spruit (Privatpressung bei Klassik House), Beinum (ungemein feurig, Privatpressung bei Haydnhouse), in Stereo Verzago.

    Sinfonie Nr.2 (1872 Fassung, Edition Carragan):
    Eine sehr gute Aufführung! Ich finde nur schade, dass die Schlussformel des zweiten Satzes in der Fassung mit Klarinette und nicht mit Horn gespielt wird. Dadurch verliert dieses zauberhafte Satzende etwas. Diese Einspielung bewegt sich ganz vorne mit Blomstedt.

    Sinfonie Nr.3 (1873 Fassung, Edition Carragan):
    Bei der 3ten und 4ten gibt es für die Erstfassung zwei grundsätzlich verschiedene Ansätze der Interpretation: Entweder das Revolutionäre der Erstfassungen auch in Form der Ausdrucksanlage und der Tempi beibehalten oder an der Gesamtaussage / Gestalt tendenziell sonst nichts zu ändern. Tintner hat sich für das Letztere entschieden.
    Seine Dritte ist eine wichtige Einspielung – ebenso wie in dieser „zweiten Art“ die von Nagano und Vänskä (mit dem wiederentdeckten Adagio), auf die „erste Art“ Norrington und Gielen.

    Adagio von 1876 zur Sinfonie Nr.3:
    Eine wunderbare Aufnahme, hat nur Konkurrenz in Vänskä.

    Sinfonie Nr. 4 (Fassung 1881, Edition Haas):
    Schon seltsam, dass Tintner hier die Haas-Fassung gewählt hat. Aber es ist wohl seine starke persönliche Vorliebe gewesen. Tatsächlich ist diese Aufnahme hier auch ganz besonders gelungen (auch orchestral) und trotz der großen Konkurrenz von Klemperer, Kertesz, Barenboim mit CSO, Solti und manch anderen möchte ich sie nicht missen.

    Der Finalsatz „Volksfest“ (1878, Edition Novak) zur 4ten Sinfonie:
    Eine maßstabsetzende Einspielung, momentan besinne ich mich auf keine Vergleichseinspielung…

    Sinfonie Nr.5 (natürlich keine Schalk-Fassung, sondern original):
    Hier hat Tintner einfach zu übermächtige Konkurrenz: Schuricht mit WPO, Klemperer, Gielen, Horenstein, Eugen Jochum mit dem Concertgebouw Orch, Georg Ludwig Jochum, Rosbaud, Harnoncourt … Dennoch eine gute Einspielung.

    Sinfonie Nr.6 (Edition Haas):
    Wie die 4te eine sehr gute Aufführung - hier mit den New Zealand Orchestra. Aber es gibt eben auch u.a. Klemperer, Keilberth, Steinberg und - hier mal extra erwähnt: Solti…

    Sinfonie Nr.7 (Originalfassung 1885, Edition Haas)
    Bei der 7ten ist es ähnlich wie mit der 5ten: Die großen Interpretationen durch Rosbaud, Beinum, Klemperer und ganz besonders Solti live mit dem CSO in London auf DVD lassen Tintners Einspielung kaum eine Chance.

    Sinfonie Nr.8 (Urfassung von 1887)
    Eine sehr gute Aufführung, die in dieser sehr breiten Lesart erst mit Nagano eine starke Konkurrenz bekommen hat: Nagano verfolgt aber ein anderes Ziel als Tintner, deshalb stehen sich diese Einspielungen letztlich nicht im Weg.

    Sinfonie Nr.9 (Originalversion 1894, Edition Novak)
    Bei der 9ten gibt es ja keine endgültige Fassung, da die 9te ohne das unvollendete Finale nicht vollständig ist. Dessen werde ich nicht müde zu betonen. Die Fragmente – zumindest die Exposition, gehört eigentlich zu jeder Aufführung der 9ten…
    Tintner ist gut, aber die gleiche Situation wie bei der 5ten, 6ten und 7ten: Keilberth, Klemperer, Karajan (WPO 1976), Horenstein, Schuricht – vielleicht auch Harnoncourt .. Letzterer auch wegen des Werkstattkonzerts mit den Finale-Fragmenten.

    . . . . . . . .

    Auch wenn jetzt bei den vielen erwähnten „besseren“ Einspielungen der Eindruck von Mittelmäßigkeit bei Tintner entstanden sein sollte, so ist das nicht beabsichtigt. Als Zyklus kann meiner Meinung nach – aber auf ganz andere Weise - in der Durchdringung neben Tintner nur Volkmar Andreae und Solti bestehen. Jochum, Wand, Solti und Barenboim verwenden die gewohnten Fassungen. Die Aufnahmen mit dem CSO sind in orchestraler Hinsicht allerdings unschlagbar. Interessante neue Einsichten könnten zukünftig die Zyklen mit Venzago und Steinaecker bieten - falls Letzterer eine Gesamtaufnahme anstrebt.

    FAZIT

    Wer einen Zyklus in gut klingendem Stereo, orchestral ausgefeilt mit klarem Gesicht und in den immer noch wenig gespielten Fassungen hören möchte, der kommt um Tintner nicht herum. Dazu lädt natürlich auch der Preis zum Kauf ein.
    Und warum die nicht die weiße, sondern die rote USA-Ausgabe? Ganz einfach, weil sie a) besser aussieht und eine zusätzliche CD mit Tintner über Bruckner enthält!
    4 Kommentare
    Anonym
    04.01.2024

    Bruckner:re 2014-24

    Ich habe seinerzeit diese Tintner-Bruckner-Elogen nicht so ernst genommen wg der durchweg zweitrangigen und weniger Bruckner-affinen Orchester ... Wer allerdings die Aufnahmen der Erstfassungen des Eliahu Inbal mit dem RSO-Frankfurt (Teldec) ignoriert wie die diversen (Gesamt)aufnahmen Wands, der konsequent nur die Letztfassungen Bruckners einspielen, sollte sich nicht als Bruckner-Experte präsentieren.
    Tintners Bruckner ist durchaus respektabel, jedoch keinesfalls maßstäblich, zumal im Einzelvergleich. gmr.
    Anonym
    23.02.2015

    Fachwissen, Bauchgefühl oder ein schlichtes "gut" oder "schlecht"?

    In meinen Besprechungen versuche ich möglichst viel Informationen und auch Vergleiche zu verarbeiten. Besonders letztere sollen dem Kenner helfen, meinen Standpunkt zu "verorten". Warum ich dafür bisher drei negative und nur ein positives Feedback erhalten habe, ist mir schleierhaft...
    Ist die Besprechung zu differenziert? Zu viele Informationen? Zu viele Vergleicheinspielungen? Stört es, dass meine persönliche Wahrheit eben nicht "einfach" ist? Am Ende gebe ich deshalb ja immer ein möglichst einfaches Statement ab. Persönlichen Geschmack jedenfalls sollte man nicht abwerten, denn zum äußern dessen ist die Möglichkeit der Rezension ja da ... --- JAW-Records (Joachim Wagner)
    Anonym
    10.05.2023

    Kluge und sehr hilfreiche Rezension

    Vielen Dank für diese ausgesprochen fundierte Rezension. Ich freue mich, dass jemand, der Bruckner-Symphonien viel besser kennt als ich und sich viel intensiver damit beschäftigt hat, seine Wahrnehmungen und seine Meinungen überzeugend begründet hier allen Interessenten zur Verfügung stellt! Obendrein macht es Freude, eine Rezension zu lesen, die sehr gut strukturiert und auch sprachlich überzeugend ist. Sie machen sich viel Mühe, aber man merkt, dass es Ihnen Freude bereitet. Zu intellektuell? Gar Angabe mit eigenen Kenntnissen? Überhaupt nicht! Machen Sie weiter so, es kann bei der Auswahl sehr helfen.
    Meine Empfehlung nebenbei: Wand mit dem NDR-Sinfonieorchester, Gielen und Simone Young. Alles Gute!
    JOHANN ADOLPH HASSE
    04.09.2021

    Bruckner Tintner Herausragend besprochen!

    Besser kann man die Sammlung und das Werk Tintners an Bruckner kaum würdigen. Vor allem für die Symphonien bis einschließlich B 4. Doch ich habe gerade mal wieder seine Einspielung von B 8 gehört und sie kann auch bestehen, denn man merkt, Tintner hat ein Konzept und steht in einer großen Tradition. Viele der heutigen Dirigenten folgen hingegen zu sehr ihren Manirismen, mit denen man allerdings dem Genie Bruckner nicht gerecht wird.
    Gustav Holst - The Collector's Edition Gustav Holst - The Collector's Edition (CD)
    08.07.2014
    Booklet:
    4 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    4 von 5
    Künstlerische Qualität:
    4 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    fast alle EMI-Schätze versammelt

    HEUTE IST DER 80te TODESTAG VON GUSTAV HOLST (+ 25.5.1934) ...

    Wie schreibt hier Wolfgang Teller: „relativ vollständig“? Nein, keineswegs! Nur was das Repertoire der EMI anbetrifft, sind tatsächlich die meisten der bei EMI verfügbaren Stereo-Aufnahmen hier versammelt. Somit ist zumindest jeder Bereich seines Schaffens irgendwie angerissen.
    Mit Holsts Musik bin ich sehr gut vertraut und habe jegliche(!) Tonträger-Veröffentlichung aufmerksam verfolgt (und fast alle gekauft). Ich bin seit mehr als 35 Jahren von den Werken dieses zutiefst spirituell Suchenden und vielschichtigen Komponisten fasziniert und konnte selbst mehrmals die Brook Green Suite mit Amateur-Ensembles aufführen.

    Hier nun ein paar Worte zu den einzelnen Einspielungen:

    CD 1:

    Planeten mit Boult von 1978 - schade warum nicht zumindest die Aufnahme von 1966? Die ist klanglich genauso gut (eher besser!) und nicht so arg "altersweise"... 1945 hat er es noch viel feuriger gemacht - aber OK: Diese Reihe der Aufnahmen hat anscheinend die Priorität Stereo ...
    Die ideale Lösung wäre natürlich die BBC-Einspielung mit Sargent gewesen - eine traumhafte Lesart! Aber Boult ist halt bekannter… Die Aufnhame von Previn / LSO harrt noch einer klanglich optimalen Veröffentlichung zu moderatem Preis... Nun, wer sich für diese Box interessiert, der hat eh schon die eine oder andere Aufnahme von den Planeten. Ganz unterschiedlich, aber alle hörenswert sind u.a.:
    Holsts eigene erste(!) Einspielung von 1922/23 (unbedingt die Ausgabe von Pristine Audio), die beiden Sargent Studioeinspielungen (mono Decca, stereo EMI), Previn mit LSO (EMI), vielleicht ein zwei der Boult-Einspielungen (u.a. 1945 EMI, Nixa, auch Westminster), Ormandy (RCA), Karajan (Decca), Solti (Decca), Levine mit CSO (DG), Stokowsky (EMI) …

    Bei „The Perfect Fool“ hätte es die noch tänzerische und noch präsenter klingende Stereo-Aufnahme mit Sargent gegeben, aber Previn ist dennoch allererste Wahl.
    Bei Decca gibt’s eine gute Version mit Boult (die Mono ist noch besser), auch von Sargent gibt’s noch eine fantastische Mono-Version. Hickox letzte Chandos-CD zeigt das Stück sehr ausgefeilt und klanglich transparent und farbig, aber nicht ganz so "foolish" vital spritzig wie bei Sargent.

    Bei „Egdon Heath“ hat Previn noch weniger Konkurrenz: Da wäre eine sehr fahle gute Stereo-Einspielung mit Boult (Decca) oder - wenn es digital sein soll - die mit Hickox (Chandos), deren Vision dieses Meisterwerks des „späten mittleren“ Holst aber nicht ganz an die anderen beiden Dirigenten heranreicht.

    CD2:

    „A Sommerset Rhapsody“ mit del Mar – ja, das ist DIE Emi-Aufnahme des Stücks. Konkurrenz auf ebenfalls stimmungsvoller Art bietet Boult (Lyrita). Am meisten ausgearbeitet, genauesten und in eher ernster Stimmung ist wohl Hickox (Chandos), dessen Liebe zu Holst doch sehr groß war, was mir persönlich so recht erst nach seinem Tod bewusst wurde. Er starb quasi über der Choral Sinfonie, die anscheinend für eine VÖ bei Chandos nicht weit genug gediehen war – wie schade …

    Auch die „Brook Green Suite“ mit del Mar finde ich sehr gut, wenngleich mir der Kopf- und Schlusssatz fast etwas zu schnell geraten sind. Aber das ist wohl durchdacht und ausgearbeitet – Holst modern, eher kühl, aber sehr klar. Hickox (Chandos) ist da eine deutlich melancholischere Alternative, die dem Stück gut ansteht. Auch Griffith (Naxos) ist nicht schlecht (wie in allen auf dieser CD eigespielten Stücken) und bewegt sich vom Ausdruck etwa zwischen beiden Ansätzen, was einen leicht pauschalen Eindruck hinterlässt. Imogen Holst (Lyrita) ist einfach zu brav und auch zu undifferenziert im Spiel.

    Das „A Fugal Concerto“ mit Menuhin hat besonders im wunderbaren langsamen Satz Atmosphäre. Wie Holst hier Bach fast greifbar werden lässt und dann mit einem schelmischen Lächeln seine eigene Tonsprache einbringt – das hat große Meisterschaft! Der erste Satz ist von der Komposition leider etwas steif, der letzte überraschender, witziger und somit persönlicher gelungen. Alternativ zu Menuhin steht hier wieder ganz vorne Hickox (Chandos) – ja eher noch eine Nasenspitze vornean, weil im Spiel moderner. Der schnelle Ansatz des Kopfsatzes bei Hogwood (Decca) verleiht diesem Satz doch etwas mehr Frische – schade, dass aber insgesamt ein wenig eckig, steif und manchmal nicht wirklich sauber gespielt klingt. Trotz der guten Idee ist die Aufnahme letztlich nicht mein Fall … Griffith (Naxos) zu aufgemotzt im Klang, Imogen Holst sehr erzählerisch im ersten Satz (auch eine gute Idee!) - eine warme und musikalische Lesart des kurzen Werks durch die Tochter des Komponisten. Das Orchesterspiel wirkt allerdings sehr "spontan" und bei weitem nicht auf dem Niveau wie bei Hickox.

    “Beni Mora” und “St. Paul's Suite“: So wichtig diese beiden Stücke sind – sie zählen für mich (ja – auch „Beni Mora“!) mit zu den absoluten Hauptwerken!, so einfach und knapp fällt die Besprechung aus. Mit der hier vorgestellten Aufnahme mit Sargent ist alles(!) über diese Stücke gesagt – auch, trotz des Alters, aufnahmetechnisch. Selbstverständlich vorhandene Alternativen erübrigen sich, auch der gute digitale Hickox (Chandos).

    Die „Hyms from the Rig veda“ op.24 sind immer noch nicht vollständig aufgenommen, wobei diese wohl genau passend eine CD füllen würden. Hier ist mit Groves die 2te Gruppe aufgenommen. Sehr gut – anders, aber genauso gut gibt es einen großen Auszug (37 Min) des Werks mit Willcocks (Unicorn).

    Groves ebenfalls sehr beindruckende Interpretation von „Ode to Death“ (ein ganz starkes wichtiges Stück!) hat nur noch (starke!) Konkurrenz durch Hickocks (Chandos).

    CD 3:

    Imogen Holst hat bei EMI eine Platte mit Holst und Finzi eingespielt, die hier mit dem kleinen Psalm 86 und der großartigen späten Choral Fantasia vorliegt.

    Den „Psalm 86“ gibt es mittlerweile – im Chorgesang wesentlich besser – mit Wetton (EM-Records, zusammen mit lauter kaum gespielten Chorwerken Holsts!). Wetton hat beide Psalms H117 schon früher einmal (nicht ganz so überzeugend) eingespielt (Hyperion).

    Die „Choral Fantasia“ ist natürlich wegen Janet Baker interessant, allerdings gibt’s übermächtige Konkurrenz: Ganz vornean ergreifend, ja manchmal schockierend Boult in einem Stereo-Livemitschnitt (Inta'glio), einem sehr guten Hickox (Chandos) und etwas hintendran Wetton (Hyperion / Helios)

    Die Einspielung der „First Suite“ und „Second Suite“ für Militärkapelle (op.28, Nr. 1 und 2) und der „A Moorside Suite“ durch Imogen Holst und von „Hammersmith“ durch Wallace ist angesichts der Vergleichseinspielungen durch Fenell (Mercury und Telarc), Wick (ASV), Corporon (GIA), Howarth (Decca, nur Moorside) und Pedersen (SRC) unerheblich. Aber EMI hat wohl keine anderen Einspielungen.

    Den ersten und teilweise zweiten Satz von „A Moorside Suite“ hat Holst auch für Sinfonieorchester orchestriert – zu hören auf er schon erwähnten Doppel-CD mit Pedersen (SRC), auf der u.a. auch noch „King Olaf“ zu hören ist.

    „Hammersmith“ ist auch als volle Orchesterversion wichtig und hinterlässt einen ganz anderen Höreindruck: Boult (Lyrita), Hickox (Chandos)

    CD 4:

    Hier mache ich es etwas kürzer und pauschaler, weil es so viel kleine Chor-Stücke sind. Die Aufführungen bewegen sich auf hohem Niveau. Zu hören sind hauptsächlich die Baccholian Singers of London, die sehr viel Verständnis für die Musik zeigen und versuchen alle Schichten von witzig bis schmerzlich zu treffen. Schade, dass manches etwas manieriert klingt und stimmliche Grenzen hörbar sind.

    Hier die wichtigsten Stücke:

    Six Coral Folk Songs H136 (nur fünf eingespielt) - Alternativen: Imogen Holst (vollständig), Layton (Hyperion, sehr gut)

    Six (medieval) Choruses op.53 (nur fünf eingespielt) - Alternativen: Imogen Holst (Decca), Wetton (Hyperion, sehr gut)

    Eight Canons H187 (drei eingespielt) - Alternativen: Imogen Holst (Decca, alle sechs)

    Das Solo-Lied „Varuna“ aus op. 24 mit Frederick Harvey, Bariton und Gerald Moore, Klavier.

    Ansonsten gibt es noch kleine Chorstücke wie „Bring us in good ale“ (Kings Singers, scheußlich) und das bekannte „In the bleak midwinter“

    Von den kleinen Chorstücken von Holst gibt es mittlerweile immer häufiger Aufnahmen – allerdings meist als Einzelnummern auf Sammlungen verstreut.

    CD 5:

    Hier nochmal drei große Chorstücke, auch wenn das „Short Festival Te Deum“ (Groves, ohne Konkurrenz) wirklich kurz ist:

    „The Hymn of Jesus“ op.37 gehört absolut zu den 10 zentralen Werken Holsts und wäre wie auch die "Choral-Fantasie" und "Ode to Death" angesichts der Universalität und Zeitlosigkeit des Textes eine großartige Bereicherung des in Deutschland aufgeführten Chorrepertoires. Die hier präsentierte Einspielung mit Groves möchte ich nicht missen, wenn es auch Aufführung gibt, die noch packender sind: Boult (Decca, welche Vision!) und Hickox (Chandos, welche Durchsichtigkeit!).

    Die „Choral Symphony“ op. 41 war ein Schmerzenskind Holsts und bedarf tatsächlich außerordentlicher Fähigkeiten des Dirigenten und Ensembles. Dann kann das Stück allerdings einen großen Eindruck hinterlassen. Boults hier vorgestellte Aufnahme war für Jahrzehnte die einzige und ist immer noch eine starke Option. Wetton (Hyperion) wirkt dagegen zerfahren und blass (auch wegen der zu trockenen Akustik?), die SACD mit Davis (Chandos) ist eine echte Alternative – nicht ganz so visionär wie Boult, aber mir vielen Feinheiten und sehr sauber, für mich aller völlig uneinholbar ist der Livemitschnitt in sehr gut klingendem mono mit Sargent und dem BBC Orchestra (Inta'glio)! Eine Sternstunde …

    CD 6:

    Holst als Komponist von Kurzopern:
    „The Wandering Scholar“ – witzig, frech und kurzweilig. Sehr stimmig geboten von Bedford (ich nenne hier in der Besprechung überall nur den Namen des Dirigenten rein aus Platzgründen, nicht unbedingt immer wegen der Wichtigkeit!). Alternativen: Imogen Holst mit Baker und Tear (Inta'glio) der Solisten halber empfehlenswert, und Hickox (Chandos).

    „At the Boar's Head“ ist ein Falstaff-Stoff, nicht ganz so schnell verständlich wie der „Scholar“, aber ebenfalls witzig und kurzweilig. Beides sind meisterhafte Stücke. Hier die Einspielung mit Atherton.
    Alternativen gibt es keine.

    REMASTERINGS

    Die Digitaltransfers sind alle so gut oder schlecht, wie sie in solchen Zusammenstellungen bei EMI / Warner immer zu sein pflegen: Es wird leider halt keine Sorgfalt und Liebe darauf verwendet, das klanglich Optimum, was oft das Besondere der Interpretation erst wirklich hervorbringt, herauszuholen. Sprich: natürlich keinerlei besonderen Remasterings. Das, was es schon auf CD gab (und das war fast alles) wird so übernommen. Ich hoffe nach wie vor, dass die EMI-Schätze generell mal eine wirklich hochwertige Veröffentlichung erfahren, so wie das die Japaner mit den SACD (leider zu horrenden Preisen) begonnen haben.

    EDITORISCHES

    Ja - nicht schlecht. Schöne kleine stabile Box in leuchtenden Farben, CDs in ebenfalls stabilen nicht zu knappen Papphüllen, leider nur mit Minimalbeschriftung auf der Rückseite. Interpreten hätten da (bei CD4 allerdings nur in knapper Form) noch gut Platz gehabt.

    Das Booklet hat sieben deutsche Seiten, welche wirklich Informationen über die Stücke geben. Alle Angaben zu den Aufnahmen (Daten, Orte, Personen) sind im Booklet genau aufgeführt. Alles OK.

    FAZIT

    Für den sammelnden Kenner gibt’s hier nicht wirklich Neues, das der Rede wert wäre. Hier könnte Die Box nur Platz sparen helfen. Aber wer günstig einen Überblick über das Schaffen von Gustav Holst bekommen möchte - zum Großteil in guten bis ausgezeichneten Interpretationen, der kommt an der Box „Holst – The Collector's Edition“ nicht vorbei!
    Trotz der nicht bestmöglichen Digiat-Transfers für diese Edition 5 Sterne!

    … … … … …

    Das war es nun mit Holst-Aufnahmen – von wegen! Da eben viele Kompositionen von Holst hier in der EMI / Warner-Box mangels Einspielung gar nicht enthalten sind, hier nun eine kleine Auswahl wichtiger Stücke. Dabei lasse ich alle frühen Stücke, Ballett-Musiken und andere längere Orchesterstücke weg:

    Scherzo (1933-34 – zu einer unvollendeten Sinfonie) – auf Augenhöhe mit dem viel jüngeren Walton! - Boult (Lyrita) und Hickox (Chandos)

    Das eher frühe Stück „The Mystic Trumpeter“ wird erst die letzten Jahre in seiner Bedeutung erkannt. - Davis (Chandos) und Atherton (Lyrita) sind sehr hörenswert.

    „Lyric Movement“ für Viola und Kammerorchester, ein ganz spätes und eher stilles Stück – Hickox (Chancos)

    Doppelkonzert für zwei Violinen und Orchester op.49 – Hickox (Chandos)

    Die Kammeroper „Savitri“ ist ein sehr berührendes Stück! Ganz große Musik und große Gefühle!
    Imogen Holst mit Janet Baker und Robert Tear (int'aglio, live), (Decca, Studio)
    Hickox (Hyperion / Helios) – fein ausgearbeitet, sehr farbig im Orchester, bei den Sängern und in Puncto Lebendigkeit hat Imogen in der Live-Aufnahme die Nase vorn.

    Choral Hymns from the Rig Veda op. 26 (für Frauenchor und Harfe) - Netherlands Chamber Choir (Globe) – sehr gut! Und Mädchenchor Hannover (AM) – eine echte Alternative!

    Seven Partsongs H162 – wunderbare Chorstücke für Frauenchor und Streicher - Hickox (Chandos) – sehr gut, Wetton (Hyperion) und Mädchenchor Hannover (AM) – auch hier eine Alternative!

    Das achtstimmige „The Evening Watch“ – Wetton (Hyerion) und

    Der Zyklus mit 12 Liedern „Twelve Songs“ op.48 (nach Gedichten von Humbert Wolf) – großartige Stücke – unbedingt mit Pears und Britten (Decca) zulegen!

    Klaviermusik gibt’s wenig von Holst – aber ein paar Klavierstücke sind unbedingt erwähnenswert:
    Nocture, Gig, O! I hae seen the roses blaw, The Shoemakker Toccata, Chrissemas Day in the Morning
    Zweit empfohlene Aufnahmen – York2 (BLACK BOX, mit Planeten vierhändig) + John McCabe (drei Stücke) (BMS)
    Lyrische Stücke Lyrische Stücke (CD)
    08.07.2014
    Booklet:
    3 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    4 von 5
    Künstlerische Qualität:
    4 von 5
    Repertoirewert:
    4 von 5

    Überzeugend in Werken, Spiel und Digital-Transfer

    Die hier vorgelegte Auswahl der 27 Lyrischen Stücke von Edvard Grieg mit dem russsichen Pianisten Alexander Goldenweiser (eingespielt von 1950 bis 1954) besteht aus den vollständigen originalen Bänden Nr.1, 3, 4 und 8. Ob Melodia die restlichen sechs Bände des anscheinend vollständig eingespielten Zyklus auch noch auflegt? Das wäre sehr erfreulich, denn der Pianist erweist sich als ein großartiger Anwalt dieser oft unterschätzen Werke Griegs.

    Goldenweiser lebte von 1875 bis 1961 und gilt als einer der prägendsten Pianisten Russlands. Bei Griegs tot 1907 war er bereits 32 Jahre alt. Hier schwingt also durchaus noch diese "Zeit" mit ... Goldenweiser gibt den Stücke alles, was sie jeweils brauchen: Verträumte Zartheit, klangliche und spielerische Raffinesse, herben Ernst, rhythmische Eleganz, Sinnlichkeit, Melancholie, aber auch energische Wildheit.

    Was mir stark auffällt, ist Goldenweisers Umgang mit Tonrepetitonen und kleines Figuren: da gibt es manchmal eine Abstufung bis ins Nichts - ja ein Verschlucken von Tönen, was ich aber nie als Manko oder störend empfinde. Die Artikulation ist oft atemberaubend (gehört auch zu virtuoser Ausdruckstechnik), manchmal ungewöhnlich. Die Balance von Haupt- und Nebenstimmen ist perfekt, alle Musik fließt natürlich und nirgends wirkt etwas aufgesetzt oder hektisch.

    Eine wunderbare überraschung ist, zum Schluss noch "Schmetterling" und "kleiner Vogel" durch den Komponisten selbst am Klavier gespielt hören zu können. Was der 63-jährige da 1906 an Lebendigkeit zaubert ist unglaublich. Es handelt sich um keine akustischen Aufnahmen, sondern um hervorragende(!) Transfers von Welte-Mignon-Rollen (Selbstspielendes Klavier) in mono. Wann die "Wiedergabe" wohl aufgenommen wurde?

    Die Aufnahmen sind allesamt in Mono. Band 1 und Band 3 klingen ein bisschen durch das Bandhiss in den Höhen vernebelt und haben einen minimalen Brumm, was aber nicht wirklich stört. Die Überspielung ist ganz offen, also nicht in den Frequenzen beschnitten und klingt absolut natürlich. Die von mir grade eben gehörten Chopin-Etudes mit Arrau (EMI References, 1956 mono) klingen da bei weitem nicht so gut! Hier hat Meoldia (wieder mal!) optimale Arbeit geleistet, da können sich unsere großen Firmen so manche Scheibe abschneiden...
    Symphonie Nr.4 Symphonie Nr.4 (CD)
    08.07.2014
    Booklet:
    4 von 5
    Gesamteindruck:
    5 von 5
    Klang:
    4 von 5
    Künstlerische Qualität:
    4 von 5
    Repertoirewert:
    3 von 5

    Sternstunde und Anlass zum Nachdenken

    Auch Karl Rankls Mahler Vierte ist einfach "nur" die Mahler Vierte ... aber das gilt genauso für alle anderen Dirigenten von Abbado bis Zender. Warum dann einen Konzertmitschnitt von 1954 mit einem heute völlig unbekannten Dirigenten und den Wiener Sinfonikern (nicht Philharmonikern) veröffentlichen und besprechen?
    Das hat mehrere Gründe - und das war dann auch schon die Besprechung:

    - Der nahe Wien geborene Karl Rankl war zu seinen Lebenzeiten durchaus hoch respektierter Musiker,auch im englischsprachigen Ausland. Er war Dirigent und Komponist, hat bei Schönberg und Webern studiert ud hat zu deser Zeit für (Schönbergs) "Verein für musikalische Privataufführungen" Wunderhornlieder von Mahler und Brucknedrs Siebte für Kammerorchester bearbeitet.

    - KEINER der bekannten damaligen oder heutigen sogenannten "Mahler-Dirigenten" von Walter bis Harding hätte die Vierte lebendiger, freier, intelligenter oder stimmiger darbieten können. Punkt. Fantasie, "Mahlersound" (was für ein scheußliches Wort), Verständnis in Aufbau und Balance, jegliche Gefühlsäußerung, Temporelation, der große Bogen. Es ist alles in vollstem Umfang da. Nichts ist gewollt, immer spricht das Werk. Und dazu noch das Besondere einer gelungenen Aufführung ... Dazu mehr beim nächsten Punkt.

    - Das Spiel der Wiener Sinfoniker: Die Anzahl der kleineren und manchmal auch deutlicheren Schnitzer, Verzagtheiten oder Unsicherheiten im Kopfsatz ist grade mal so an zwei Händen zu zählen. Ja! - endlich darf der Hörer wieder einmal erleben, dass solch ein Stück immer und überall für jeden Orchesterspieler ein Hochseilakt ist! Danke dafür nachträglich an die Spieler, die an gewissen Stellen nicht "perfekt" waren. Im zweiten Satz wird das Patzen deutlich weniger - mal da die Solo-Fidel, mal am Ende das Horn... Der dritte Satz gelingt den Sinfonikern stellenweise schier magisch ... z.B. ein verklingender Holzbläserakord im ersten Drittel ... der Streicherklang gegen Ende ...

    - Der vierte Satz mit der Sopranistin Sena Jurinac. Wer nun sagt "naja - ganz schön ..", der höre sich mal andere Einspielungen oder Konzerte der damaligen oder heutigen Zeit speziell auf diese so heikle Sopranpartie hin an. Die scheinbar naive Natürlichkeit des Gesangs erfordert höchste Meisterschaft und auch das Verständnis der Solistin für die Sinfonie als Ganzes über den vorzutragenden Text hinaus. Diese Fülle an Hürden erklärt vielleicht die erstaunlich häufigen fehlinterpretierten, farblosen oder überdrehten Interpretationen ...

    - Das Aufräumen mit dem Märchen, dass bis zur Stereozeit Mahler nur in der Hand von ganz wenigen Dirigenten im Konzertleben überlebt habe. Laut Textheft der 2014 erschienen CD-Ausgabe "The Music of Gustav Mahler - issued 78s, 1903-1940" waren es in dieser Zeit allein mindestens 22, die Mahler OFT aufgeführt haben - allein Furtwängler, der ja nicht gerade als DER Mahler-Dirigent gilt, in 42(!) Aufführungen. Es gab also immer Interesse an Mahler und auch Dirigenten, die sich für ihn eingesetzt haben. Karl Rankl scheint dazu gehört zu haben ...

    - Der Mitschnitt klingt einfach hervorragend: farbig, störungsfrei, so gut wie rauschfrei, gut aufgenommen (ideale Balance, man hört definitv alles!). Ein guter Teil der Aufnahmen der letzten Jahre klingt nicht so schön ansprechend - und ganz besonders nicht so durchsichtig. Die Quelle ist eine private Quelle (wie bitte? hat dieser Mensch das Originalband von Rot-Weiss-Rot, dem Vorgänger des ORF, zuhause???). Ich habe schon sehr lange nicht mehr einen so gutklingenden Rundfunkmitschnitt aus den 50zigern gehört.

    Also ist diese CD auch die würdige Ehrung eines wirklich großen Dirigenten - auf jedem Fall am Abend dieses 23. Januar 1954 im Goldenen Musikvereinssaal in Wien ...
    Symphonie Nr.2 Symphonie Nr.2 (CD)
    08.07.2014
    Booklet:
    4 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    4 von 5
    Künstlerische Qualität:
    4 von 5
    Repertoirewert:
    4 von 5

    Nicht mehr ganz zeitgemäß - aber in sich völlig stimmig

    In unserer Zeit des Musik-Downloads, welcher sich langsam auch der Klassik bemächtigt, genieße ich die hier besprochene CD schon allein wegen der Aufmachung und Ausstattung, die auf das ganz persönliche Profil des „Gesamtkunstwerks CD“ setzt. Es handelt sich um die EMI-Aufnahme (Studio) von 1974 mit Bruckners zweiter Sinfonie mit Guilini und den Wiener Sinfonikern, die schon einmal im Jahr 2001 von Testament wiederveröffentlicht wurde.

    Die neue aktuelle Veröffentlichung (2014) durch die Wiener Sinfoniker selbst bietet der 13 Jahre alten Ausgabe gegenüber zwei Vorzüge - eine noch bessere Überspielung und ein Textheft mit persönlicher Note:

    Die Überspielung des originalen EMI-Masterbands ist ausgezeichnet und zeigt alle Vorzüge der Aufnahme. Sie ist ein Paradebeispiel dafür, wie gut bei seriösem Remastering eine analoge Aufnahme klingen kann. Ich wage angesichts der vielen unbefriedigenden Wiederauflagen der letzten Zeit bei EMI / Warner die Aussage, dass das bei hauseigenem VÖ nicht so perfekt gelungen wäre:
    Es gibt keinerlei Frequenzbeschneidungen oder andere Manipulationen, eine gute Balance, natürliche Klangfarbe und Fülle, ebenso der Klang des großen Saals des Wiener Musikvereins in „besonderer“ Akustik, da nicht auf der Bühne, sondern im Parkett vor der Bühne aufgenommen wurde.

    Solche Details erfährt der Leser aus den Erinnerungen des damaligen ersten Hornisten, Robert Freund, welche den ersten Teil des kleinen Textheftes (auf Deutsch) ausmachen. Er schreibt dort sehr persönlich über seine Eindrücke von Carlo Maria Guilini als Mensch und Dirigent. Erinnerungen zum 100ten Geburtstags Guilinis… Der zweite Teil ist der Sinfonie selbst gewidmet. Konzentrierte Worte zu dem eher seltener gespielten Werk – und schon deshalb willkommen.

    Zur Aufnahme selbst:

    Guilini wählte die zweite Fassung der Sinfonie von 1877 – also eine Überarbeitung der Erstfassung von 1872 durch den Komponisten mit Strichen und der Umstellung der ursprünglichen Reihenfolge der Mittelsätze von „Scherzo - Andante“ zu „Andante - Scherzo“. Diese Fassung war in den 70zigern natürlich Standard für Aufführungen und ist heute nicht mehr wirklich erste Wahl. Man muss auch (leider) mit dem Klarinetten-Solo anstelle des Horn-Solos am Schluss des zweiten Satzes leben …

    Die Einspielung ist ein typisches Guilini-Dirigat im besten Sinne. Das Orchester klingt und spielt besser als in vielen anderen Aufnahmen. Guilinis Ansatz, Bruckner breit und mit Ruhe anzugehen - innerlich glühend und immer in schönem weichem Klang, passt auch durchaus zu der zweiten Fassung. Insofern ist das Gesamtkonzept völlig stimmig.

    Die CD ist durchweg empfehlenswert für Hörer, die einen „klassischen“ Bruckner schätzen.
    Songs of Farewell Songs of Farewell (CD)
    08.07.2014
    Booklet:
    4 von 5
    Gesamteindruck:
    5 von 5
    Klang:
    5 von 5
    Künstlerische Qualität:
    5 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    Schlichtweg die Erfüllung!

    Englische Chormusik ist in Deutschland in der Beachtung (sogar der "Fachwelt") immer noch unterbelichtet. Es mag an der Sprache liegen oder bei geistlichen Gesängen an einem etwas anderen Verständnis der Briten von Religiosität (siehe z.B. den englischen Text von Psalm 39!).

    Mit der vorliegenden CD können zumindest Sie persönlich sich zum Liebhaber dieser Musik bekehren lassen. Manche Stücke sind effektvoller, manche stiller: Alle sind sie aber großartige Kompositionen, inhaltlich expressiv erfüllt interpretiert und stimmlich astrein gesungen!

    Alle Stücke berühren inhaltlich mehr oder weniger die Themen Abschied, Lebensende, Gotteserfahrung. Viel Texte aus dem 17ten Jahrhundert, aber auch der 39te Psalm und Orthodoxes.

    Dazu eine perfekte Aufnahmetechnik, was bei Chorgesang besonders hervorzuheben ist. Viele Aufnahmen sind entweder zu hallig verwaschen oder zu trocken, sodass kein Chorklang zu hören ist. Die Tontechniker von Signum haben in dem bestens geeigneten Kirchenraum (St. Alban's, Holborn, London) das äußerst mögliche Optimum an Chor- und Raumklang (und dennoch Präsenz) eingefangen!

    Nigel Short leitet den Kammerchor "Tenebrae" mit klarer Disposition und dennoch Herzblut und tiefem Verständnis für alle vorgestellten Kompositionen. Die Balance und somit die Klangfarben und Stimmverläufe sind intelligent und stimmig austariert, die Tempi sind natürlich, die Intonation des Chores traumwandlerisch und die Dynamik beachtlich. Besonders erwähnenswert finde ich, dass die Farbigkeit des Chores in jeglicher(!) Dynamik völlig wandelbar ist und im Forte nicht schrill oder starr wird. Wer englischen Chorgesang technisch bisher als sehr "instrumental" wahrgenommen hat, wird hier etwas ganz anders erleben...

    - - - - -

    Zu den Stücken:

    "The Evening-Watch" Op.43, Nr.1 (1924) von Gustav Holst ist für mich eine der faszinierendsten Chorkompositionen, die je geschrieben worden ist - durchaus in der Einzigartigkeit vergleichbar mit "Lux Eterna" von Ligeti und in der fremden kühlen Frische kaum weniger modern ... Es gibt nun schon manche Einspielungen (z.B. Imogen Holst, Spicer, Halsey, Jordan, 2x Wetton - ich kenne sie alle), aber keine kann dieser hier das Wasser reichen. Schon das "sempre pp" wird nirgends annähernd so umgesetzt wie bei Short.

    Bennett schreibt in herbem tonalem Stil, Howell vielschichtiger von gregorianischem Klang bis gemäßigte Moderne.

    John Taverner hinterlässt mit seinem berührend schlichten „Funeral Ikos“ tiefen Eindruck und Nachklang.

    Hubert Parry schrieb mit „Songs of Farewell“ (in sechs Motetten) ein spätes Meisterwerk mit großem Reichtum an Vielfalt und Empfindung – und dabei ziemlich in traditionelle Harmonien gefasst. Großartig!

    Gleiches trifft auch auf Elgars „They are at rest“ und Arthur Sullivans „The long day closes“ zu.
    Wie schön, Sullivan mal fernab der englischen Operette in wunderbarer „Männerchor-Stimmung“ hören zu können…

    Von Vaughan-Williams ist die berührende Volksliedbearbeitung „The Turtle Dove“ zu hören und - ganz anders herbstlich in der Stimmung - „Rest“.

    Zum Ausklang „Bring us, O Lord God“ von William Harris, das nach dem vorausgegangenen einen etwas schwächeren Eindruck bei mit hinterlässt.

    Besonders Holst, Taverner und Parry, aber auch Elgar und Vaughan-Williams sind diese CD unbedingt wert!

    - - - - -

    Die Aufmachung der CD finde ich sehr schön und tief den Inhalt getroffen. Der Wald als Kathedrale, als heiliger Ort der Gottesnähe ist auch dem Deutschen wohlvertraut - zumindest aus der Kunst. Das rein englischsprachige Textheft bietet ein paar Informationen über die Werke und zudem alle gesungenen Texte.
    Deference To Anton Bruckner Deference To Anton Bruckner (CD)
    08.07.2014
    Klang:
    4 von 5
    Musik:
    3 von 5

    Da Wahnsinn, Donerl - jötz hams di dabröselt !

    Anton Bruckners gezählte neun Sinfonien auf einen Streich auf einer CD? Nein, nicht wirklich ... Aber Anklänge, die acht Arrangeure auf ganz unterschiedliche Weise für Bigband verwendet haben. Von "sinnfreier" Improvisation bis zum transformierten Ausschnitt ist da manches zu finden:

    Sinfonie Nr.1 - Das Hauptthema, schön schräg und kratzig samt verzerrter E-Gitarre gespielt... So fängts an, im weiteren Verlauf finde ich das originale "kecke Beserl", so hatte Bruckner seine Erste genannt, aber irgendwie moderner ... :-) ... irgendwann kommt man wieder aus dem Improvisieren raus und schnappt sich das Trio des Scherzos und findet mit diesem einen strukturierten Schluss.

    Sinfonie Nr.2 (?) - eine Improvisation und somit auch ehrlich, wenngleich ich den Bezug zur zweiten Bruckner nicht so recht finden kann - so bis gegen Ende, wo dann doch ein paar Anklänge auftauchen ...

    Sinfonie Nr.3 - Ein Fragment des Hauptthemas als Intro für eine freie Improvisation mit fade out... Ebenso wie bei der Zweiten für mich nicht allzu verbunden mit der Sinfonie...

    Sinfonie Nr.4 - in Anlehnung an den Anfang in fremder Harmonie, ganz nett, mehr nicht ... danach gehts im dauernden grade/triolischen "daa daa da da da daa" weiter, mit Jesang, später wieder Bruckner im Bigbandsound. Sten Kenton hätte da wesentlich mehr draus gemacht ...

    Sinfonie Nr.5 - nee, doch nicht ... is ja was aus dem Adagio der Sechsten ... oder? Da kann man schon mal ins schwimmen kommen :-) Hm - ist gefällig, aber es wabert ohne Ziel und Zweck... erinnert manchmal an das mystische Thema aus der TV-Serie "Raumschiff Enterprise", wenn die grüne Frau ihre Arme um Kaptain Kirks Hals legt oder so ...

    Sinfonie Nr.6 - ja, jetzt wirklich mehr von der Sechsten... Das hat was... dieser Mahlersche Trauergesang aus dem Adagio, nach guten zwei Minuten schwenkt es in swingige Soli ab, die aber harmonisch und thematisch denoch bei Bruckner bleiben. die ganze Anfang hat zumindest Struktur, nach knapp fünfeinhalb Minuten der Anfang des Finales, nochmal Adagio, dann Anfang der Sinfonie, dann Verquickung, immer neue Elemente. Ist gut zu hören und in sich konsequent umgesetzt. Dennoch stellt sich mir immer wieder die Frage: Wozu das Ganze? Was ist das Neue oder Besondere, das daraus entsteht?

    Sinfonie Nr.7 - Anfang des Scherzos: Es wird das Herumirren, die Steigerungen in Sequenzen, das harte Nebeneinanderstellen von Harmonieblöcken mit dem ostinaten anheizenden Rhythmus aufgegriffen. Dann aber plötzlich der Anfang des Adagios im Klavier. Schade, dass so eine Idee nicht konsquent durchgefühlt wird. So wirds doch wieder zu einem Potpourri, verflacht dann leider zuhörens ... Zumindest kommt man am Ende wieder zum Scherzo zurück.

    Sinfonie Nr.8 - Anfang des Adagios: Ziemlich original in Harmonik. Ja - und die Überraschung: Bruckner ich doch schon viel jazziger als vieles willkürlich oder absichtsvoll dazu Gekleisterte in den anderen Arrangements! Für mich mit Abstand die beste Nummer der ganzen CD, die mit dem Dur-Schluss des Adagios endet. Danke für diese Einsicht, Michael Gibbs...

    Sinfonie Nr.9 - das Seitenthema aus dem Adagio, mal mit einem rechten Ansatz der Verarbeitung. Auch hier blitzt auf, dass man daraus etwas machen könnte...

    Insgesamt eine verschenkte Chance. Auch das Spiel der Band ist nicht grade von großem visionärem Feuer erfüllt - eher brav und bieder.

    Wenn jedoch alle Nummern die Dichte von der Sechsten, die Konsequenz der Achten und vielleicht auch den Witz der Ersten oder den Ansatz der Strenge der Neunten gehabt hätten, hätte ich vier Sterne gegeben.
    Scheherazade op.35 Scheherazade op.35 (SACD)
    01.05.2014
    Booklet:
    2 von 5
    Gesamteindruck:
    5 von 5
    Klang:
    5 von 5
    Künstlerische Qualität:
    5 von 5
    Repertoirewert:
    3 von 5

    . . . und kein Ende der Remasterings

    LEIDER muss ich DER Scheherazade (welche andere könnte letztlich neben Reiners CSO-Aufnahme bestehen?) in dem NEUEN REMASTERING von 2014 wieder mal fünf Sterne geben. Die Lebendigkeit und Direktheit des Klangs nähert sich nun tatsächlich deutlich den besten Schallplattenpressungen an!

    Die ganze Sache ist ein wenig undurchsichtig - anscheinend hat Sony (die ja die Rechte an den RCA-Aufnahmen hat) wieder mal Lizenzen vergeben. Das herstellende und für das Mastering verantwortliche Label "Analogue Productions" weiß auf seiner eigenen Homepage anscheinend noch nichts (Strategie?) von den vier bisherigen VÖs (außer der Scheherazade - im Persischen übrigens "Scharsad" ausgesprochen - noch die "Bilder" mit Reiner, "Pinien und Fontane" mit Reiner und die Geshwinplatte mit Fiedler). Aber auf der Seite des Vertriebs "Acoustic Sounds" kann der Neugierige schon 21 (!) weitere Ankündigungen neu remasterter "Living Stereo" SACDs entdecken.

    Das Remastering dieser hybriden (also auch auf reinen CD-Playern abspielbaren) SACD ist definiv neu! Vom Klangbild ist es der XRCD-Ausgabe von JVC (auch eine Lizenz-Ausgabe) ganz nahe, wenn auch erfreulicherweise nicht so belegt, also offener und kräftiger in der Höhe. Die XRCD ist nichts desto Trotz sehr gute (und ebenso teure) CD-Veröffentlichung.
    Die räumliche Aufteilung und der Verzicht auf jegliche Beimischungen von Raumklang unterscheiden diese beiden Ausgaben deutlich von der SACD-Ausgabe (von 2005) von BMG. Auch diese Ausgabe, die maximal die Hälfte (!) der beiden anderen kostet, ist natürlich sehr gut, klingt aber im Vergleich doch irgendwie manipuliert - zumindest für die (feinen) Ohren dessen, der die Original-LPs kennt.

    Das Klangbild der neuen, hier besprochenen SACD ist natürlich, sehr direkt, angenehm hell (nicht hochgezogen), farbig, in den Bässen sehr stabil und kräftig (aber nicht "aufgemotzt"). An der Balance der Kanäle wurde meines Erachtens nach nichts verändert. Das klingt nach einer optimalen Lösung - wohl bis zur nächsten gelungenen "Remastering-Runde" ... :-)
    Aber ich denke, die Qualität ist hier so gut, dass nur völlig neue Technologien (ein wesentlich weiterer Frequenzgang, Bit-Tiefe und natürlich andere Abspielgeräte) hier wirklich nochmals eine deutliche Verbesserung schaffen können. Aber: "never say never" ... ;-)

    Ja - ohne Manko gehts natürlich auch hier nicht ab:
    Die "Ausstattung" der CD kann man eigentlich nicht als solche bezeichnen. Ein Faltblatt wie bei einer 2-Euro CD. Schön ist der Druck der LP-Covers geraten (endlich mal richtig ohne Veränderungen), die originale Rückseite ist allerdings nicht abgebildet. Dafür ist erfreulicherweise der Text von Dick Mohr in lesbarer Größe (neu gesetzt) im Faltbatt innen lesbar - allerdings nur in Englisch wie alle andere. Die SACD ziert ein schönes Nipper RCA-Victor in einer der originalen Farben.

    Der Preis ist hier in Deutschland bzw. Europa wieder mal ohne Worte ... nur in den USA vielleicht etwas günstiger zu beziehen.
    Nun - es ist wohl eine kleine Auflage und wer weiß, was die Lizenz kostet ... ;-)
    Die Vorstellung 25 CDs mal ca. 30.-€ ... Da wäre schon wieder ein Vermögen weg!
    Aber: Kann der verrückte Sammler und "Feinohrige" an den Reiner-, Munch-, Heifetz- usw. SACDs wirklich vorbei gehen???
    Fritz Reiner conducts Richard Strauss - The Complete RCA and Columbia Recordings Fritz Reiner conducts Richard Strauss - The Complete RCA and Columbia Recordings (CD)
    01.05.2014
    Booklet:
    3 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    3 von 5
    Künstlerische Qualität:
    5 von 5
    Repertoirewert:
    3 von 5

    ein Stern fehlt

    Sony macht es dem Verehrer manchmal wirklich schwer:
    Zuerst die große Reiner-CSO-Box und jetzt wieder zwei Drittel davon in (meines Ohres nach im ersten "Überhörflug") identischen Überspielungen in der neuen Reiner-Strauss-Box. Nun - diese Transfers waren ja auch schon wirklich gut ...
    NATÜRLICH kauft der Kenner diese Box nur wegen der Columbia-Aufnahmen mit Pittsburgh, Met und RCA-Orchester - deshalb also nur hierzu mehr Worte:

    Die Box ist ihr Geld eigentlich schon wegen der dritten CD wert (Till, Tod und zwei Auszüge Rosenkavalier mit Berger / Stevens).
    Diese RCA-Orchestra- bzw. Met-Aufnahmen sind gut geworden! Bei Till Eulenspiegel und Tod und Verklärung hätte meines Erachtens ruhig etwas Oberflächengeräusch bzw. Bandhiss zu hören sein dürfen, aber das völlig bereinigte Klangbild ist OK. Die 19 Minuten Met (Rosenkavalier) sind ein absoluter Traum! Sie waren auf CD bis jetzt ja nur in der roten länglichen Met-Box der 90ziger Jahre veröffentlicht und die neue VÖ ist deutlich besser! Auch der Salome-Transfer mit Welitsch scheint neu zu sein.

    Die Pittsburgh-Aufnahmen sind meines Geschmacks nach allerdings definitiv zu "clean". Diese Aufnahmen HABEN einfach Oberflächengeräusche, welche mit zum Höreindruck (besonders des Raumempfindens) gehören. An ganz leisen Stellen sind sogar minimale Digialitisierungs-Artefakte zu hören (die typische Frequenzveränderung, welche sich auf die Klangfarbe auswirkt und das seltsame Gurgeln). Was mich dabei aber wirklich an manchen leisen Stellen etwas stört, ist das absolut Trockene "raumlose" des Klangbilds durch diese "Reinigung".

    Ich wills nicht übertreiben: Auch diese Überspielungen sind gut zu hören. Sie sind auch eine echte Alternative zu den Biddulph- oder Dante-Veröffentlichungen.

    Die Aufmachung ist dem heutigen Standard solcher an Liebhaber gerichteten VÖs angemessen:
    Die Box ist stabil, Vor und Rückseiten der LPs sind original im verkleinerten Maßstab abgebildet - natürlich nicht von allen, da die CDs in voller Spielzeit ausgeschöpft wurden. So muss man (bis auswendig im Kopf :-)) das kleine Booklet zum Suchen mancher Titel herangezogen werden. In diesem hätte ich mir etwas mehr Infos - besonders über die Pittsburgh-Aufnahmen gewünscht. Aber die Aufmachung ist klar und ansprechend.

    FAZIT:
    Die CSO-Aufnahmen (8 CDs) klingen ausgezeichnet, sind aber nur für den "Neuling" wirklich interessant.
    Die Pittsburgh-Aufnahmen (2 CDs) sind eine Alternative zu vorausgegangenen VÖs - sehr "bereinigt", aber gut zu hören.
    Der Rest (1 CD und ein viertel-CD) ist sehr gut bis sensationell.
    Kodaly conducts Kodaly Kodaly conducts Kodaly (CD)
    01.05.2014
    Booklet:
    4 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    4 von 5
    Künstlerische Qualität:
    4 von 5
    Repertoirewert:
    4 von 5

    klanglich in gutem mono und stereo

    KODALY DIRIGIERT KODALY sollte trotz des Alters der Studioaufnahmen von etwas mehr als 50 Jahren keine CD für "Spezialisten" sein. Die Aufnahmen klingen sehr gut - teils in mono, teils in stereo.

    Das interessante und bewegende an der Doppel-CD ist das natürliche Dirigat des Komponisten. Alles klingt "einfach", flüssig und völlig selbstverständlich. Das Orchesterspiel ist für den Stand der Endfünziger gut und die Aufnahmetechnik durchaus gut bis sehr gut, wenn auch z.B. die Aufnahme Torteliers mit dem BBC Philharmonic im "Konzert für Orchester" mehr von der raffinierten Orchestrierung und Harmonik zeigt. Allerdings lässt die Chandos-Aufnahme manchmal etwas von der Wärme der Musik Kodalys vermissen ...

    Sehr erfreulich finde ich, dass Kodaly neben seinem bekannten Psalmus Hungaricus ansonsten weniger oft gespielte Werke dirigiert: die Missa brevis, das Te Deum und die zwei wunderbaren Orchesterstücke Sommerabend und das Konzert für Orchester.

    Wer die Musik von Zoltan Kodaly über die immer wieder gespielte Orchestersuite Harry Janos und die Galanter und Marosszeker Tänze hinaus schätzt oder kennen lernen möchte, für den ist diese Veröffentlichung eine sehr gute Wahl - denn stimmige Aufnahmen von Kodalys Musik sind rar gesät...
    Klavierwerke Klavierwerke (CD)
    01.05.2014
    Booklet:
    2 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    3 von 5
    Künstlerische Qualität:
    5 von 5
    Repertoirewert:
    4 von 5

    fast konkurenzlos

    Andor Foldes Kodaly Studio-Einspielungen ist von 1957 und liegt hier remastert in gut klingendem originalen mono vor. Die Spielzeit der CD beträgt knapp 44 Minuten - also die Länge einer LP. Kodalys gesamtes rein originales Klavierwerk passt eigentlich auf eine CD mit 80 Min Spielzeit. So gesehen ist es schade, dass Foldes nicht auch noch die restlichen Stücke eigespielt hat, denn seine Interpretation ist ebenso wie bei Bartok absolut stimmig. Ich besitze noch eine Aufnahme von Jenö Jandó (Aufnahme des BR), der alle Nummern spielt - sehr differenziert, auch manchmal etwas "romantischer" (was Kodaly in diesen Stellen auch ansteht), aber von Klavierklang nicht so schön und klar wie Foldes. Bei Foldes vermisse ich in der Werkauswahl besonders die "Mediation über ein Thema von Debussy", aber dafür sind drei Nummern aus Harry Janos zu hören, die Jandó nicht spielt.
    Schon angesichts der wirklich wenigen Kodaly Klavier-CDs ist die von Foldes eine sehr empfehlenswerte Einspielung!
    Otto Klemperer - 20th Century Music Otto Klemperer - 20th Century Music (CD)
    01.05.2014
    Booklet:
    3 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    4 von 5
    Künstlerische Qualität:
    5 von 5
    Repertoirewert:
    4 von 5

    Zeitenreise

    Dies ist aus mehreren Gründen eine der interessantesten Boxen der Klemperer-Reihe, die seit ein paar Jahren fortlaufend von EMI (mittlerweile Warner) veröffentlicht wird.

    1. Klemperer von seiner Seite der frühen Jahre als Verfechter des Zeitgenössischen (z.B. verfasste Kurt Weill auf seine Anregung hin die hier eingespielte Orchestersuite aus der Dreigroschenoper): Ein tiefernster Hindemith (in sehr gut klingendem Mono), Weill als Nachfahre Mahlers (das kommt auch sehr beeindruckend in dem Dreigroschen-Querschnitt mit dem Dirigenten Charles Adler zum Vorschein, natürlich auch der zweiten Sinfonie und manch anderen) und ein stimmiger Strawinsky. Eine Verlegenheitslösung ist wohl, dass die 17 Minuten "Hänsel und Gretel" (Ouvertue, Abendsegen und Traum-Pantomime) von Humperdinck unter "Musik des 20ten Jahrhunderts" laufen ... Nun ja - Humperdinck starb tatsächlich 1921 *g*

    2. Klemperer als Komponist: Der eher harmlose Merry-Walz (eine Tanz-Szene im Altersheim!) war ja immer wieder zu haben, anders sieht es schon aus mit der zweiten Sinfonie - einer Art komponiertes Torso und Patchwork. Schon der einstimmige Beginn klingt, wie wenn man aus einem Orchesterstück eine expressive Stimme herausnimmt und den Rest weglässt. Dann immer wieder die aprupten, sprunghaften Wechsel der Gedanken, der von Mahler inspirierte zweite Satz ... Heute ist die Musikwissenschaft auf dem Weg, vieles neu zu bewerten, was in einem Schablonendenken zu schnell missachtet wurde. Die Frage des SINNS von Bewertungen in der Kunst kann ich als jemand, der mit Hilfesuchenden arbeitet, auch wirklich nur in menschlicher Unzulänglickeit finden...
    Zudem gibt es noch vom Komponisten Klemperer die originale Kopplung mit der Zweiten, das 23-minütigen siebten Streichquartet, gespielt vom Philarmonia Quartet.

    3. die lange Dokumentation, die Klemperers Lebensweg nachzeichnet, natürlich ganz besonders mit dem Schwerpunkt auf seinem Wirken beim Philarmonia Orchestra, ohne das er wohl nicht nicht den heutigen Stellenwert in der Rezension einnehmen würde - oder zumindest einen "anderen". Denn bis in die 50ziger Jahre war Klemperer auch ein extrem hitziger und "schneller" Dirigent.

    ZUM REMASTERING

    Die meisten diese Aufnahmen waren zwar auch die Jahre zuvor als CD erhältlich, aber manche der Ausgaben klingen hier doch etwas besser. Woran das liegt - darüber rätsle ich schon seit Längerem: Die Überspielungen selbst können es nicht sein, da bei den bereits seit den 90zigern veröffentlichten Ausgaben die letzten Transfers verendet wurden. Möglicherweise ein neues Übertragungsverfahren des Masters auf die Konsumenten-CD? Aber ich bin kein Techniker. Der Klang ist jedenfalls etwas direkter mit weniger Schleier.

    Mehr als vier Sterne bin ich bei den EMI-Ausgaben aus Sicht des Klangs nicht gewillt zu geben - einfach aus dem Grund, weil die Original-Bänder generell deutlich (!) besser klingen. Das weiß jeder, der noch gute (englische) LP-Pressungen zuhause hat und auch ganz besonders der "Betuchte" oder "Verrückte", der die japanischen SACD-Ausgaben kennt - z.T. hybrid, z.T. single-layer). Ein paar EMI-Schätze sind ja auch die letzten Jahre mal in Europa als SACD remastert worden... Das Klangergebnis ist oft frappant besser!
    Klavierwerke Klavierwerke (CD)
    01.05.2014
    Booklet:
    2 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    3 von 5
    Künstlerische Qualität:
    5 von 5
    Repertoirewert:
    4 von 5

    erste Wahl!

    Wer alle Aspekte von Bartoks Solo-Klavierstücken in einer großen Auswahl (fast die Hälfte des gesamten Klavierschaffens) und in absolut stimmiger Interpretation kennen lernen möchte, der ist mit dieser Studio-Einspielung (4 CDs mit jeweils ca 55 Min Spielzeit) bestens bedient.

    Andor Foldes Spiel ist sehr differenziert, rhythmisch, lyrisch, ohne Übertreibungen oder Mätzchen. Mit "rhythmisch" meine ich übrigens nicht nur ein exaktes, schwingendes, virtuoses Spiel, sondern die "andere Ebene" des Melos, die den Zusammenhang von Melodie und Harmonik im Rhythmischen ausmacht. Foldes hat ein ganz besonders Gespür für das Herbe der Melodik und besonders die harmonische Melancholie. Die Summe dieser Aspekte berücksichtigt kaum ein Pianist so überzeugend wie Andor Foldes. So räumt Foldes wohltuend mit dem groben Missverständnis auf, dass Bartok in seinen moderneren Klavierstücken dieses Instrument hauptsächlich auf perkussiver Ebene als Schlagwerk eingesetzt hat. Bei Foldes ist das Perkussive auch eine Form des Melos!

    Die Aufnahmen von 1955 sind monaural, klingen aber dennoch sehr gut. Die australischen Remasterings holen vielleicht nicht das Letzte aus den originalen Bändern, sind aber sehr respektabel. Es gibt ja auch keine alternative Überspielung auf dem Markt.
    Malcolm Sargent - The Great Recordings (Icon) Malcolm Sargent - The Great Recordings (Icon) (CD)
    01.05.2014
    Booklet:
    3 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    4 von 5
    Künstlerische Qualität:
    5 von 5
    Repertoirewert:
    4 von 5

    längst überfällig!

    Auch wenn Sir Malcom Sargent in Deutschland nie den Bekanntheitsgrad eines Barbirolli oder Boult erlangt hat, so ist er nicht weniger wichtig für das Musikleben (nicht nur das englische!) als diese beiden! Aber solche Ranglisten haben ja keinen Sinn - jedenfalls erfreuen und berühren unglaublich viele seiner Aufnahmen das Herz des Hörers!
    Hier möchte ich nur ein paar der meiner Meinung nach wichtigsten und schönsten Einspielungen hervorheben:

    - Rossinis / Respighis "La Boutique fantasque" hat Sargent geschickt etwas gekürzt. Seine Einspielung hat nur eine einzige Konzurrenz in der alten (originalen) Aufnahme Ansermets mit dem LSO.

    - Dohnányis "Suite in fis-moll". Hier bricht Sargent wie so oft überzeugend (denn DAS ist entscheidend - alles andere ist "Bärendienst") eine Lanze für einen wenig gespielten Komponisten und ein vernachlässigtes Werk.

    - Mendelssohn "Elias" in der frühen Einspielung von 1947. Schön, dass DAS gewagt wurde, denn trotz leichter klanglicher Einschränkungen ist allein das Hören der Einleitung und des ersten Chores eine ERLEUCHTUNG, was Mendelssohn in seinem Chorwerk wirklich will und KANN - bis aufs Äußerste berühren! Da kann keine andere Schallplattenaufzeichnung nur annähernd(!) mithalten...

    - Elgars "Enigma-Variations" finden nur noch wenige ebenso starke Aufführungen (alle ganz verschieden: z.B. Toscanini mit BBC, Monteux mit LSO) in der Schallplattengeschichte.

    - Die "Tallis-Phantasia" von Vaughan William hat ebenso kaum Konkurrenz (Mitropoulos und wenige andere)

    - alle Holst-Aufnahmen gehören in den Olymp der Einspielungen dieses Komponisten und zeigen ihn von seinen stärksten Seiten: Planets, Beni Mora, St Pauls Suite, The Perfect Fool ... zwei weitere Stücke findet man woanders, weil nicht von EMI aufgezeichnet: "Hymn of Jesus" beim Label Beulah, "Choral Symphony" bei Intaglio - beides wenn auch klanglich eingeschränkt, dennoch unverzichtbar für Freunde der Musik Holsts...

    - "Facade" von Walton ist selten so schmissig, bissig und witzig gespielt worden, die Aufführung der erste Sinfonie ist absolut meine erste Wahl dieses Stücks.

    - Die Erste (klingt nach wie vor von der Aufnahme-Balance her unglücklich) und Fünfte von Sibelius sind großartig, weil so ganz ohne die "nordische Schablone". Sargent war mit Sibelius persönlich gut bekannt.

    - Smetanas "Ma Vlast" (mein Vaterland) ist noch stärker als bei Sibelius eine Herausforderung, alte Hörgewohnhewiten zu überdenken und (wenn vorhanden) auch mal in den Notentext zu schauen.

    Natürlich fehlen in dieser Box auch ein paar wichtigen Platten. Aber es gibt eine Unmenge zu entdecken und zu genießen, z.B. Chorstücke (Elgar, Walton u.a.) und Klavierkonzerte von Bliss und Rubbra. Sargents Animation des Orchesters ist immer ganz stark - ohne Ausnahme ...

    Die Überspielungen sind allesamt gelungen und im Vergleich mit den englischen LPs und vorausgegangenen CD-Veröffentlichungen als gut bis sehr gut zu bezeichnen.

    Hier mal fünf Sterne - schon aus Dankbarkeit für die Veröffentlichung vieler der schon lange nicht mehr erhältlichen Schätze!
    Ich hoffe dennoch darauf, dass EMI, Warner oder wie einst der "Verantwortliche" heißen mag, die analogen Kostbarkeiten in einem besseren technischen Format (SACD oder ...?) veröffentlichen möge!
    Symphonien Nr.1-4 Symphonien Nr.1-4 (CD)
    01.05.2014
    Booklet:
    3 von 5
    Gesamteindruck:
    3 von 5
    Klang:
    3 von 5
    Künstlerische Qualität:
    4 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    vollständig (und) hin und hergerissen . . .

    Die Sinfonien Schumanns liegen hier in einer Wiederveröffentlichung (digitale Aufnahmen von 1997) vor. In der Tat vollständig, denn außer den bekannten vier Sinfonien erklingt die Vierte auch in der Erstfassung (natürlich nicht - wie in der ersten Rezension genannt - mit Mahlers Instrumentationsretuschen, welche er bei den vier bekannten Sinfonien vorgenommen hat. Diese sind übrigens bei Chaillys Aufnahme zu hören), zudem "Overture, Scherzo und Finale" und die zweisätzige (fragmentarische?) frühe sogenannte "Zwickauer Sinfonie" - zudem das großartige Konzertstück für vier Hörner.

    Was diese Veröffentlichung besonders wertvoll macht ist die Hinzufügung der Choreinspielungen Gardiners: "Requiem für Mignon", "Nachtlied" und "Das Paradies und die Peri" - und das auch aus einem ganz pragmatischem Grund: Denn wer diese äußerst günstige Neuausgabe erwirbt, kann BEIDE Boxen von Archiv getrost abgeben.
    Einziges Manko dieser Ausgabe ist - wie zu erwarten gewesen - die fehlenden Texte und das sparsame Textheft. Aber zumindest sind alle Orchestermusiker der Aufführungen genannt.

    Gardiner und sein "Orchestre révolutionaire et romantique" nehmen Schumann ganz ernst und wörtlich in seiner Instrumentation, den Spielanweisungen (Dynamik, Artikulation), was besonders gut gelingt, da ebenso die kleinere originalen Besetzungsstärke berücksichtigt wurde als auch natürlich bei diesem "Spezialistenorchester" die Verwendung der Art von Instrumenten und Saitenbespannung aus der Zeit Schumanns.

    All diese bis jetzt genannten Punkte allein machen diese Einspielung schon sehr attraktiv. Warum dann nicht fünf Sterne?

    Der erste Grund ist mein Empfinden, dass dem Seelenausdruck und dem weiten Schwingen der Musik Schumanns nicht immer genügend Raum gegeben wird. Müssen z.B. Akzente immer eher hart gespielt werden? Können sie nicht auch einfach mal schwer lastend sein? Können Trompeten und Hörner auch mal weich klingen? Kann bei einem Romantiker par excellence das Tempo nicht flexibler sein - hier und da ein Nachgeben in jeder Hinsicht mehr Raum finden? Im Grunde klingt für mich diese Einspielung trotz des Instrumentariums und historisch informierter Aufführungspraxis nach 21tes Jahrhunderts: Wenig Platz für inneres Verweilen (womit ich nicht ein äußeres Tempo-Verschleppen gmeine), manchmal Atemlosigkeit und Enge, und ein prinzipieller Mangel an dem weichen verträumten Teil der romantischen Empfindung .... Ja - vielleicht ist das ein Meckern auf höchstem Niveau. Es gibt auch sehr viel Schönes und Neues zu entdecken: Farben, Virtuosität, Beethovensche Strenge - manchmal auch Anflüge von Selbstvergessenheit - z.B. im dritten Satz der Zweiten ... Aber für mich ist das Zentrum und Ziel des Hörens die Seele des Werks - und die bleibt manchmal etwas auf der Strecke. Dabei ließen alle der viele Arten der Aufführungspraxis zu, sie fliegen zu lassen... Zuletzt habe ich da sehr stimmig die Auführungen von Hans Pfitzner (1926 und 1928!) der Zweiten und Vierten von Schumann entdeckt. Sicher in vielerlei Hinsicht aus heutiger Sicht angreifbar, aber in dem Punkt Seele (man höre da nur mal den ersten Satz der Vierten oder den dritten Satz der Zweiten!) so treffend und berührend ...

    Der zweite Grund ist, dass der Klang der Aufnahmen nicht mein "Herz-Ohr" befriedigt. Das eher unterkühle nüchterne Klangbild vieler heutiger Aufnahmen mag ich nicht nicht so sehr. Musik hat für mich etwas mit menschlicher Wärme zu tun, gerade bei solch einer Musik. Aber somit entspricht die Aufnahmetechnik durchaus dem Ansatz des Musizierens... Oder erscheint dieses nur so kühl nur durch eben den Klang der Aufnahme?
    Finlandia op.26 Finlandia op.26 (CD)
    01.05.2014
    Booklet:
    2 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    3 von 5
    Künstlerische Qualität:
    5 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    Boult von seiner besten Seite!

    An wirklich guten Aufnahmen der Sinfonien von Sibelius herrscht kein Mangel: Barbirolli, Berglund, Collins(!), Kajanus, der frühe Karajan, Ormandy, Rosbaud, Sargent - um mal nur ein paar "Klassiker" zu nennen. Mit den Tondichtungen sieht es nicht ganz so üppig aus.
    Sir Adrian Boult gelingt in den weniger oft gespielten Stücken wie dem späten "Tapiola", den "Oceaniden", "Nachtritt und Sonnenaufgang" und dem Vorspiel zu "The Tempest" eine außerordentlich überzeugende expressive und dennoch ganz unromantische Lesart. "Pohjola's Tochter" ist ganz überagend gelungen. Sibelius Tondichtungen ohne nordischen Weihrauch, sondern als durchaus in ihrer Art moderne Kompositionen mit Struktur und Gehalt. Klarheit des Gesamten und der Details, eine gute Orchesterbalance, ein sehr engagiertes exzellentes Orchesterspiel des LPO - und das Ganze gut aufgenommen!

    Der LP-Transfer ist gut gelungen: Keine beschnittenen Höhen, keine Klangverfärbungen durch unsensibel eingesetzte Frequenzweichen, keine Digitalisierungs-Artefakte wie Gurgeln im pp o.ä... Gerade Farbe und Durchzeichnung in ganz leisen Passagen sind bei Sibelius' Musik so wichtig.

    Einzige "Zutat" ist (leider?) ein "Ambient Sound" (die neue elegantere Version der alten "Stereophonisierung" bzw. "Electric Stereo") der monauralen Aufnahmen - beides leider nicht auf der CD vermerkt. Die Auswirkung ist beim Hören über Lautsprecher angenehm und nicht störend - natürlich rückt das Primärsignal etwas in die Tiefe des Raums. Die Raumakustik der so gut klingenden Walthamstow Town Hall wird schon etwas durch die "Erweiterung" verfremdet ... Leider habe ich nicht mehr die originale Nixa-LP, sodas ich keinen Direktvergleich durchführen kann. Das Hören über Kopfhörer hat mich nicht wirklich befriedigt. da fällt der Ambient Sound doch stark und eher unangenehm auf. Aber monaurale Aufnahmen kommen über die Lautsprecher der Anlage allemein eh besser zum Tragen.

    Eine Aufnahme für den etwas fortgeschrittenen Sibelius-Hörer.
    Giuseppe Verdi - Verdi at the Met Giuseppe Verdi - Verdi at the Met (CD)
    08.02.2014
    Booklet:
    4 von 5
    Gesamteindruck:
    5 von 5
    Klang:
    4 von 5
    Künstlerische Qualität:
    5 von 5
    Repertoirewert:
    4 von 5

    gelungen!

    Ein toller Coup der Sony! Über die Qualität der Aufführungen ist hier in einer weiteren Besprechung zu lesen. Ich beschränke mich auf Informtionen für den Sammler, welcher in Besprechungen meist keine konkreten Hinweise zum Klang oder einen Vergleich mit anderen früheren Veröffentlichungen (bei solch historischen Aufnahmen und Aufführungen) bekommt:

    Beim erstenmal Hören mag man die Aufführungen als stumpfer empfinden als bei manch anderen VÖs. Im Direktvergleich stellt sich aber heraus, dass es nur "Ambient-Sound" (künstlich hinzugefügter Raumklang) oder das Anheben von Höhen oder Tiefen ist, was frühere Ausgaben im ersten Moment als "frischer" erscheinen lässt.

    Wenn man aber genau auf die musikalische Substanz des Originals hört, dann merkt man, dass in den hier vorgelegten Ausgabe die Höhen nur wenig beschnitten sind: nur soviel, dass das "Bandhiss" (Rauschen der Bänder) oder die Oberflächengeräusche der Plattenvorlagen nicht allzusehr im Vordergrund stehen. Es gibt keinen zusätzlichen Hall, der dem Klang die Kraft nimmt, und auch keine auffälligen Frequenzanhebungen oder -Absenkungen, welche die Klangfarbe von Singstimmen und Orchester unangenehm verändern. Außerdem wird es sich um die bestmöglichen Quellen handeln, die verwendet wurden.

    Fazit: Wer einen historischen Überblick über die Met bezüglich Verdi-Produktionen haben möchte oder auch nur zwei oder drei der besonderen Aufführungen in bestmöglicher Qualität hören möchte, ist mit dieser Box allerbestens bedient!
    Richard Wagner - Wagner At The Met Richard Wagner - Wagner At The Met (CD)
    08.02.2014
    Booklet:
    4 von 5
    Gesamteindruck:
    5 von 5
    Klang:
    4 von 5
    Künstlerische Qualität:
    5 von 5
    Repertoirewert:
    4 von 5

    genauso gelungen wie die Verdi-Box!

    Diese Besprechung von mir hier ist der der Verdi-Box von der Met sehr ähnlich. Das ist weder ein Versehen noch Faulheit, sondern nur die Konsequenz, dass für beide VÖs im Grunde dieselbe Besprechung passt!

    Ein toller Coup der Sony! Über die Qualität der Aufführungen ist hier in einer weiteren Besprechung zu lesen. Ich beschränke mich auf Informtionen für den Sammler, welcher in Besprechungen meist keine konkreten Hinweise zum Klang oder einen Vergleich mit anderen früheren Veröffentlichungen (bei solch historischen Aufnahmen und Aufführungen) bekommt:

    Beim erstenmal Hören mag man die Aufführungen als stumpfer empfinden als bei manch anderen VÖs. Im Direktvergleich stellt sich aber heraus, dass es nur "Ambient-Sound" (künstlich hinzugefügter Raumklang) oder das Anheben von Höhen oder Tiefen ist, was frühere Ausgaben im ersten Moment als "frischer" erscheinen lässt.

    Wenn man aber genau auf die musikalische Substanz des Originals hört, dann merkt man, dass in den hier vorgelegten Ausgabe die Höhen nur wenig beschnitten sind: nur soviel, dass das "Bandhiss" (Rauschen der Bänder) oder die Oberflächengeräusche der Plattenvorlagen nicht allzusehr im Vordergrund stehen. Es gibt keinen zusätzlichen Hall, der dem Klang die Kraft nimmt, und auch keine auffälligen Frequenzanhebungen oder -Absenkungen, welche die Klangfarbe von Singstimmen und Orchester unangenehm verändern. Außerdem wird es sich um die bestmöglichen Quellen handeln, die verwendet wurden.

    Der hier von Caliban erwähnte Vergleich mit den Caruso-Bearbeitungen der RCA (90ziger) empfinde ich als nicht passend. Da handelte es sich doch um masive Eingriffe ins Klanggeschehen und diese akustischen Aufnahmen stellten Remasterer vor ganz andere Aufgaben. So grotesk es klingen mag: bei akustischen Aufnahmen wird ein gewisser Verzerrungs- und Rauschpegel als (real nicht vorhandener) Obertonreichtum wahrgenommen. Wir dieser ganz weggenommen (wie eben bei den erwähnten Caruso-VÖs, dann "verfälscht" sich der Höreindruck rapide. Der in früheren Jahren sicher eindeutig tenorale Caruso erklingt so in der Stimmfarbe als Bariton. Dieser "Problemkreis" hat mit den hier vorliegenden elektrischen Aufnahmen nichts zu tun.

    Fazit: Wer einen historischen Überblick über die Met bezüglich Wagner-Produktionen haben möchte oder auch nur zwei oder drei der besonderen Aufführungen in bestmöglicher Qualität hören möchte, ist mit dieser Box allerbestens bedient!
    Symphonien serieuse & singuliere Symphonien serieuse & singuliere (CD)
    08.02.2014
    Booklet:
    4 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    3 von 5
    Künstlerische Qualität:
    4 von 5
    Repertoirewert:
    4 von 5

    sträflich vernachlässigter Berwald! Und: Tor Mann als Toscanini Schwedens . . .

    Franz Berwald wird in Deutschland in Konzerten sträflich selten gespielt. Auch auf dem Schallplattenmarkt ist er m.E. völlig unterrepräsentiert. Dabei können sich seine Sinfonien (besonders die Sinfonie singulière!) durchaus in Vitalität, Geist und Erfindungsreichtum mit Schumanns Sinfonien messen – um mal von der zweiten Riege gar nicht zu reden…

    Tor Mann dirigiert die Singulière wie es Toscanini vielleicht getan hätte. Und damit meine ich dessen höchste Vorzüge: Geschlossenheit, feurig mit drängenden Tempi, feinste lebendige Artikulation, tiefes lyrisches Empfinden dort, wo es hingehört – und trotz des Spritzigkeit und des klaren Rhythmus niemals die Linie und Gesangliches vergessen. Besser kann man diese Sinfonie nicht dirigieren!
    Nun – die Aufnahme ist von 1938 und das Remastering nimmt in sehr leisen Passagen viel an Höhen weg. Mir persönlich wären etwas mehr Schellack-Oberflächengeräusche in den leisen Passagen lieber gewesen… Dennoch bleibt aber nichts wirklich „ungehört“. Es ist nur unERhört, zu welcher Leistung Mann den Vorläufer des Stockholm Philh. Orch. ansport!

    Die Sinfonie sérieuse hat einen ganz anderen Charakter als die Singulière, aber auch diese Aufführung (klanglich deutlich frischer) ist sehr gelungen, wenn vielleicht der zweite Dirigent dieser Doppel-CD, Sten Broman, in der Aufführung dieses Werks Tor Mann auf jeden Fall ebenbürtig erscheint. Die Lesart beider Dirigenten ist dennoch sehr verschieden. Die Singulière mit Broman kann trotz guten Klangs (alle Bromann-Aufführungen sind live von 1968 in Stereo) nicht mit Mann mithalten. Bei der Ouverture Estrella de Soria würde ich Broman den Vorzug geben, obwohl der Beethoven'sche Ansatz von Mann auch überzeugt.

    Die 2CD-Box mit äußerst informativem Textheft zur Berwald-Rezeption (der größte Teil leider nur auf Schwedisch, was zumindest bei der Chronologie nicht sehr stört) macht Freude zu hören. Großartig

    Eine ältere, aber gut klingende und inspiriert dirigierte Gesamtaufnahme in Stereo gibt es sehr günstig auf Doppel-CD bei EMI mit dem RPO unter Ulf Björlin.
    Symphonien Nr.1-9 Symphonien Nr.1-9 (CD)
    08.02.2014
    Booklet:
    4 von 5
    Gesamteindruck:
    3 von 5
    Klang:
    4 von 5
    Künstlerische Qualität:
    4 von 5
    Repertoirewert:
    3 von 5

    fein ausgearbeitet - aber Beethovens Tempo-Angaben?

    Dass ich Tempo„vorschriften“ vergessen habe, stimmt nicht – ich habe sie befolgt. (Michael Gielen an einen Kritiker, 1957)

    und

    „Beethoven ist eine zentrale Aufgabe meines Lebens geworden“ (Michael Gielen)

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    Diese beiden Sätze stehen sozusagen als Motto ganz am Anfang des Textheftes zur Gesamtausgabe der Sinfonien Beethovens mit Michael Gielen. Besonders der Satz mit den „Vorschriften“ zeigt schon 1957 eine vielschichte Auseinandersetzung Gielens mit Beethoven – also nicht unbedingt ein „eins zu eins Umsetzen“ der notierten Metronom-Angaben.
    In meiner Besprechung hier möchte ich von diesen von Beethoven angegebenen Metronom-Zahlen, Tempo-Beugungen, Artikulation, Akzenten, Phrasierung usw. ausgehen, um anhand des objektiv Nachprüfbaren auch mit persönlichen Gedanken zu einem möglichen Sinn dieser Angaben und dem „Warum“ von Abänderungen in dieser Interpretation einzugehen.
    Als Grundlage habe ich in Ermangelung der ganz neuen Urtextausgabe (besser eigentlich „kritische Neuausgabe“) dazu die Henry Littolff's Verlag Ausgabe (Braunschweig, ca. 1880) verwendet (in dem Reprint durch Dover). Die neueste Ausgabe zeigt zwar interessante Abweichungen in einer Fülle von Details, aber auch die Unmöglichkeit, wegen widersprüchlichen Quellen in manchen Punkten jemals Gewissheit über Beethoven Absichten erlangen zu können. Die Metronom-Angaben, die grundsätzliche Artikulation und die Dynamik sind aber schon in der von mir verwendeten Ausgabe korrekt.

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    Grundsätzliches zum Thema „Metronom-Angaben bei Beethoven“

    Darüber gibt es unzählige Veröffentlichungen. Ich habe dazu eigene und auch knapp zu formulierende Gedanken. Vorab: Beethoven hat die meisten seiner Sinfonien (Erste bis Siebte) rückwirkend metronomisiert. Das geschah zu einer Zeit, als er seine Hörfähigkeit schon weitgehend eingebüßt hat.

    Ein paar Thesen zum Thema „Metronomisierung Beethovens“:

    1. Grete Wehmeyers sieht heutzutage eine falsche Auslegung der Metronom-Angaben bei schnellen Tempi. In Kürze gesagt - ihre Annahme ist: Zu Beethovens Zeit sollte eigentlich nur jeder zweite Schlag zählen („tick“ als Maßstab des Schlags genommen, also „tick-tack“ anstelle „tick-tick“). Das bedeutet ein halb so schnelles Tempo - also die Dauer diese Stücks wäre 6 Min. anstelle von 3 Min.
    Persönliche Gedanken finde ich immer spannend – besonders wenn sie doch ein Büchlein mit 138 Seiten Text füllen können. Es gibt auch Aufnahmen, in denen das undogmatisch schon vor Wehmeyers These umgesetzt worden ist (z.B. Kopfsatz der Mahler Siebten mit Klemperer, EMI 1968). Die These selbst ist aus vielen Gründen unhaltbar (nur ein Beispiel: Die Dauer des Atems von Sängern und Bläsern, welche teilweise doppelt so lange reichen müsste).

    2. Beethovens Metronom war fehlerhaft und lief zu langsam.
    Dieses Argument lässt sich m.E. so nicht aufrechterhalten, da z.B. sonst sehr langsame Tempi unspielbar wären.

    3. Die Orchester-Besetzungen und die Räumlichkeiten der Aufführungen waren kleiner und trockener als heute und erlaubten somit schnellere Tempi.
    Die beliebte „Celibidache“-Frage – für Interpreten immer ein Nach-Spüren und -Hören wert!

    4. Beethoven war bei den Metronom-Angaben einfach nachlässig.
    Halte ich für unwahrscheinlich, da er nur bei wenigen und ihm sehr wichtigen Werken diese vorgenommen hat.

    5. Beethoven hat zur Zeit seiner Metronomisierung durch seinen schon lange fehlenden akustisch-physischen Kontakt zur Außenwelt Musik nur noch innerlich gehört – und somit den physikalischen „Widerstand“ des Musizierens verloren. Das Tempo für die Idee der Gestalt lässt sich beim rein inneren Hören gewaltig steigern und wird nicht durch Trägheit der Masse (Bogenbewegung) oder Luftwiderstand (Einschwingvorgang der Bläser) oder das Ausbreiten des Schalls in den Raum und dessen Reflexion gestört. Je länger Beethoven sich in seinem von außen „ungestörten“ akustischen Kosmos bewegte, umso mehr lösten sich die Tempovorstellungen auch vom real Machbaren bzw. Sinnvollen. Auch wenn es sich nur um 5% oder 10% des Zeitmaßes handelt, so ist das genau die Spanne, die bei den vielen heutigen Aufführungen (auch von „Umsetzungswilligen“) nachgegeben wird.
    Wenn überhaupt, dann halte ich 3) und 5) für relevant. 5) ist übrigens meine eigene These: Als Dirigent von Liebhaberorchestern ist mir dieses Phänomen beim Erarbeiten zuhause und vor dem Orchester in der Praxis bekannt . . .
    Zu 5) habe ich einen konkreten praktischen Vorschlag: Im Kopf (also ohne reale akustische Hilfe!) die Sinfonien in exakt dem „Kopf-Tempo“ Beethovens erarbeiten. Nicht den Gedanken daran geben, was umsetzbar ist und was nicht. Dann auf diese innere Vorstellung mit Besonderheiten der Originalinstrumente und Spielweisen hin proben und aufführen. Das, was die Physik dann an Tempo „abzieht“, ist vielleicht exakt der Anteil, den Beethoven sich nicht mehr real vorstellen konnte. Das setzt natürlich solch ein Orchester voraus, dass das auch ausführen kann.

    Wo sind in den Thesen Gemeinsamkeiten? Abgesehen von Wehmeyers These (1) und einer freien Tempo-Deutung wegen Phänomenen der Raumakustik (3) bedeutet es allemal, dass die Relation der Tempi zueinander im Grunde eins zu eins zu übernehmen sind – egal, welches Grundtempo man nun einschlägt. Und in diesen Punkt sind leider viele Aufführungen inkonsequent – oft gerade diejenigen, die es möglichst „Beethoven-getreu“ umzusetzen trachten.

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    Der BEETHOVEN ZYLUS mit GIELEN – Betrachtungen ausgehend von Beethovens Metronom-Angaben

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    SINFONIE NR. 1

    Die Gesamtanlage ist eher leicht und federnd, die (zumeist gut hörbaren) Akzente werden nicht zu hart genommen - und warum auch nicht: die Erste ist ja noch nicht die Achte (mit ihren herben Akzenten).
    1. Satz: Tempomäßig absolut nach Beethoven (112), das Seitenthema wird minimal leicht gebeugt (108). Aber die Metronom-Angaben beziehen sich ja wohl auch jeweils auf den Hauptgedanken. Desweiteren ergibt sich natürlich die Frage damaliger Aufführungspraxis bzw. nach Beethovens Wünschen bezüglich der Umsetzung eines ganzen Sonatensatzes mit Seitenthema, Durchführung usw. In dieser Aufführung ist auffällig, dass Gielen die Durchführung von Anfang an deutlich drängender nimmt (~118).
    2. Satz: Das „Andante cantabile con moto“ liegt mit 112 deutlich unter den angegeben 120. Aber wie anders das cantabile einhalten (was ja auch eine gewisse Ruhe voraussetzt), ohne eben hektisch zu werden? Da kommen natürlich auch Fragen auf, die die spieltechnischen und klanglichen Eigenarten von Orchestern betreffen. Es mag sein, dass ein Orchester bei 120 noch ruhig und sanglich genug klingt, ein anderes aber schon eine Spur zu unruhig erscheint. Zudem ist es auch eine Frage der Klanglichkeit selbst: Soll Beethoven z.B. in schnellen und schnellsten Passagen so leicht und flüchtig klingen, wie es oft bei Zinmans Einspielung der Fall ist, oder soll die Tonsubstanz eher „erdig“ und „bluterfüllt“ bleiben?
    3. Satz: Das „Allegro molto e vivace“ hat in der Bezeichnung schon die Schnelligkeit (Beethovens Angabe 108), ist aber als Hauptcharakter „noch“ mit Menuetto überschrieben. Gielen zieht hier konsequent durch Menuetto und Trio das Tempo 112, führt den Satz also noch mehr vom konventionellen Menuett weg als Beethoven in der Zeit der Metronomisierung fordert - als er schon die meisten seiner Scherzi geschrieben hatte.
    4. Satz: Die vier Takte Adagio-Einleitung (63) beginnen bei ~72, um auf ~52 (und dann natürlich das Ritardando zur Fermate) auszulaufen. So spricht die Musik, der Witz der Stelle ist getroffen. Schade, dass der furiose Wirbel des nachfolgenden Allegro (88) nicht umgesetzt ist. Gielen bleibt durchweg bei etwas beschaulichen 74, was dem Satz etwas von dem aufsässig Frechen nimmt. Sosehr Gielen in der Ersten die Tempi Beethovens umsetzt (die 5% bis 10% Abweichung im zweiten und dritten Satz mal nicht eingerechnet) – im letzten Satz stört er doch mit den 20% „Tempo-Nachlass“ empfindlich das Binnenverhältnis der vier Sätze in puncto Geschwindigkeit und somit auch der Aussage. Da vermisse doch etwas Wesentliches des letzten Satzes.

    SINFONIE NR. 2

    Die Gesamtanlage ist wie in der Ersten eher leicht und hier auch tänzerisch, die Akzente deutlich, aber nicht hart. Klare Durchsichtigkeit, gute Balance
    1. Satz: Das „Adagio molto“ (84) nimmt Gielen genau wie das folgende Allegro (100) exakt nach Beethovens Angaben. Das Seitenthema wird wieder ein wenig im Tempo gebeugt. Wie in der Ersten deutliche Disposition und gut herausgearbeitete Artikulation.
    2. Satz: Das „Larghetto“ liegt mit ~84 wie im zweiten Satz der Ersten deutlich unter den angegeben 92. Larghetto bedeutet in diesem Fall eindeutig „etwas schnelleres Largo“, denn die Variante „kürzeres Largo“ fällt angesichts des Satzumfangs wohl aus. Anhand den „schnellen langsamen“ Sätze der Ersten und Zweiten könnte man tatsächlich glauben, dass die Metronom-Angaben zu schnell sind - warum auch immer… Jedenfalls klingt es bei Gielen so sehr stimmig: bewegt, mit gesanglicher Linie und dennoch auch sehr lebendigem Rhythmus, stellenweise richtig tänzerisch.
    3. Satz: Das „Scherzo“ wird samt Trio in den angegebenen 100 gespielt.
    4. Satz: Das „Allegro molto“ (152) wird im Grundpuls genau aufgenommen. Sorgsames Beachten der Grunddynamik (z.B. bei sf immer wieder ein Zurückgehen in die Ausgangslautstärke). Gute Balance, und Kontrolle über das Geschehen, nirgends ein Abweichen über Nuancen hinaus. Das ist Stärke und Schwäche dieser Einspielung zugleich. Etwas Rauschhaftes (Finale) oder zärtlich Verträumtes (2.Satz) kann so nicht entstehen, aber das war vielleicht auch gar nicht die Absicht Gielens. So bleibt für mich nach dem Hören kein wirklich bleibender Eindruck haften, es fehlt mir das Berührende der Musik, das über das klug Disponierte und durchdacht und exakt Umgesetzte hinaus geht…

    SINFONIE NR. 3 (mit einem Gedanken-Vergleich zu Einspielung von 1958 von Hermann Scherchen)

    1. Satz: Das „Allegro con brio“ erklingt in den notierten ganztaktigen 60. (neugieriger Nebengedanke: was machte jetzt Grete Wehmeyer mit diesem Satz – auf 30 runtergehen, da er ja ganztaktig metronomisiert ist? Und wo bliebe dann das „Allegro“ und besonders das „con brio“??). Bei Gielen klingt das „Allegro“ exakt, aber was ist bei ihm mit dem „con brio“? Der Zusatz der Tempoangabe beschreibt ja einen Charakter… Da beginnt schon das Subjektive. Was unterscheidet die Tempomäßig fast identische (ok – in schnellen treibenden Passagen NOCH schnellere und treibendere!) Interpretation eines Hermann Scherchen von der von Gielen? Meinem „Hören“ nach ist es „das Feuer der Vision“. Bei Scherchen geraten Streicherläufe zu Eruptionen und Akzente zu Messerstichen oder Kanonenschlägen. Wenn die Erste und Zweite im rein Musikalischen auskommen, so genügt das bei der Erioca nicht mehr …
    2. Satz: Im „Adagio Assai“ (Marcia funebre) gibt es anfangs im Mittel ~72 im Hauptgedanken gegenüber den vermerkten 80. Das variiert aber von 60 bis 80 und in Höhepunkten bis zu 94! Dies ist also der erste Sinfoniesatz (chronologisch gesehen), den Gielen mit deutlichen Temposchwankungen nimmt. Mathematisch gesehen wird’s im Mittel wohl insgesamt auf die ca. 80 hinauslaufen… für mich seltsam ist dieser deutlich langsamere Beginn mit dem konstant schnelleren weiteren Verlauf des Satzes bis zum zurückblickenden Schluss des Satzes, der wieder etwas langsamer genommen wird. Zur Klangrede eines Trauermarschs gehört aber m.E. aber auch das eher starre im Tempo. Ich finde es kurios, dass gerade in diesem Satz sich Gielen die größte tempomäßige Freiheit nimmt. Mir fehlt eindeutig die menschliche Vision, der Schmerz und auch die unsägliche trostlose verstummende Trauer am Schluss …
    3. Satz: Das „Scherzo“ wird wieder samt Trio in den angegebenen 116 gespielt. Da wirkt für mich die kleine „Verlegenheitspause“ vor dem Trio fast verräterisch: Als habe Gielen sich selbst nicht so wohl gefühlt mit dem unbeugsamen gleichen Tempo. Tänzerisches und Flair des Trios vermisse ich hier doch sehr … Man mag sich an der Ungenauigkeit im Zusammenspiel (wie an anderen Stellen auch) bei Scherchen und dem Orchester der Wiener Staatsoper stören – aber der Charakter von Scherzo und Trio ist spritzig vital und voller Vorstellungskraft und Phantasie.
    4. Satz: Das „Allegro molto“ (76) ist eine furioser Auftakt – natürlich schneller als das folgende Thema ab Takt 12. Schade, dass Gielen sich nicht öfters so etwas erlaubt, wenn er schon im Großen oft andere Tempi anschlägt. Die Variationen werden im angegeben Tempo geboten. Im „Poco Andante“ (108 - bei Gielen anfangs etwas langsamer) vermisse ich (wie im Trauermarsch die Klage) das Melancholische der Oboe, was aber weniger an Gielen liegt, als an der doch sehr unruhigen Farbgebung (nicht Intonation) des Oboisten. Der Ton klingt etwas „hohl“ und unruhig „flackrig“. Auch wenn bei Scherchen die Wiener Oboe „quäkt“ – was liegt doch in deren Musizieren für eine hörbare Herzenstiefe .. Das „Presto“ (116) des Schlusses liegt bei gemütlicheren 100, was einen „adäquaten“ Abschluss der Eroica bietet.
    Wie ich das meine?
    Die großen Sinfonie- und Rundfunk-Orchester KÖNNEN heute die Tempi Beethovens spielen, was zu Scherchens Zeiten im deutschsprachigen Raum eigentlich noch nicht so klar der Fall war. Da war es immer ein Kampf mit der Materie und dem Zusammenspiel. Das „Espressivo“ ergab sich hie und da mehr aus dem Kampf als aus Kontrolle. SO gesehen haben es Dirigenten heute schwerer, den Zuhörer in Spannung zu versetzen. Die „Eroica“ ist wohl die erste Sinfonie, die weit über rein Musikalisches hinausgeht und humanistisch wirken möchte und es auch tun kann!
    An Gielens Erioca ist nichts auszusetzen, außer dass sie - zumindest bei mir - im Herzen kein Feuer entfacht …

    SINFONIE NR. 4

    1. Satz: Die Einleitung „Adagio“ (66) nimmt Gielen in den langen Notenwerten minimal breiter, das folgende „Allegro vivace“ (80) erklingt exakt im Tempo. Das Allegro hat Feuer, wenngleich es doch etwas starr wirkt.
    Ich glaube es war Rafael Kubelik, der das Bild vom „Verdurstenden in der Wüste“ für diese Einleitung gebrauchte. Ob es nun ein „sich Schleppen“, ein „Tasten“ und dann ein „Feuer“ in dem auffahrenden Allegro ist – jedenfalls ruft dieser Beginn des Sinfoniesatzes Bilder hervor: gesehene oder gespürte… Wie soll auch Beethoven nach der Eroica wieder in das rein Musikalische davor zugehen können? Auch die Siebte und Achte gehen darüber hinaus, die Fünfte, Sechste und Neunte in ihrem philosophischen Ansatz sowieso …
    2. Satz: Im „Adagio“ (84) liegt Gielen bei einem konventionellen Tempo 70. Es ist aber auch eine Herausforderung, das im Originaltempo als Adagio (also ruhig!) hinzubekommen. Der „Witz“ des Gegensatzes von rhythmischen Staccato zu der Gesangslinie vermisse ich ein wenig. Sehr schönes Klarinetten-Solo, gute Hörner!
    3. Satz: Im „Scherzo“ liegt die Einspielung etwas unter der Angabe 100, was trotz sehr rhythmischen Spiels das Scherzo eine Spur zu brav und weich erscheinen lässt (vielleicht hätten aufgesetzte Bogen, akzentuiertere Einsätze der Streicher in den Synkopen mehr Biss gebracht?), in den beiden Trios „un poco meno Allegro“ liegt das Tempo anstelle 88 bei 72.
    4. Satz: Das „Allegro ma non troppo“ (80) liegt genau im Tempo. Sehr präzise und auch Virtuos gespielt. Wer ein FEUERWERK an Spielfreude hören möchte, sollte mal Scherchen mit dem RPO einlegen (72-80) – und das trotz zwei drei Striche im Schnitt weniger an Tempo …

    SINFONIE NR. 5

    In der Fünften setzt sich meinem Empfinden nach fort, was sich in der Eroica schon angekündigt hat: Gielens Beethoven meidet jegliches(!) Pathos, büßt aber somit auch vielleicht einen Teil des SINNS der existenziellen musikalischen Aussage ein.
    1 Satz: „Allegro con brio“
    Ob das „ta-ta-ta-taaa“ des Kopfsatzes nun langsamer oder schneller genommen wird - auf jeden Fall ist es aber doch das SCHICKSAL, das klopft und kein höflicher Besucher oder der Postbote, dem es letztlich egal ist, ob ihm aufgemacht wird oder nicht! Mir persönlich ist der Kopfsatz zu wenig mit Unerbittlichkeit erfüllt, zu mechanisch in der Exekution der Notenwerte - und somit kann das kleine Seitenthema auch wenig von Hoffnung und Sehnsucht zeigen. Ein kleines Beispiel - wieder einfach nachzuvollziehen: Im Takt 34 der Exposition des Kopfsatzes steht in den Streichern ein aus dem Piano kommendes Crescendo, das für 10 Takte bis zu einem Forte führt. Ab dem fünften Takt gibt es zusätzlich Akzente. Das Ganze ist eine sehr drängende Stelle. Vom ersten bis zur eins des zweiten Takts steht ein langer Hornton in Terzen – bei Littolff ohne cresc. Bei Gielen hört man ein deutliches Crescendo, was aber irgendwie keinen Bezug zum Inhalt zu haben scheint und einfach die Umsetzung einer (nicht vorhandenen?) Notierung zu sein scheint. In den folgenden beiden Takten stehen ähnlichen langgezogenen Ton der Oboen und Fagotte ein crescendo drin, das aber gar nicht als solches zu hören ist. Die offensichtlich gedachte Unterstützung der Streicher im Wachsen und Drängen durch die Holzbläser fällt also völlig weg, dafür gibt es ein m.E. zu frühes mechanisches Crescendo in den Hörnern.
    Um mich recht zu verstehen: Es dreht sich mir hier wie auch ebenso wenig bei den Tempovergleichen nicht um ein Erbsenzählen der Exekution von Beethoven Angaben, sondern um den sinnlich und sinnhaft wahrnehmbaren Gehalt dieser Angaben! A propos: Im „Allegro con brio“ liegt Gielen mit ausgeführten ca. 102 nur wenig unter den notierten 108 Beethovens, was aber eben noch nicht den Charakter des Satzes herstellt.
    2. Satz: „Andante con moto“
    Ich finde das „Andante con moto“ (Gielen liegt exakt bei Beethovens 92) in dieser Einspielung besonders gelungen, weil nicht (wie so oft) eine süß-verträumte Gesangsmelodie mit plötzlichen unmotivierten fetten Trompeten-Ausbrüchen erklingt (dazu noch meist in 15 verschiedenen Tempi), sondern alles ganz klar zusammengehört. Die Forte-Stellen, wenn auch unvermittelt erscheinend, sind nichts „Neues“, sondern eine Bestärkung oder Gewissheit der vorhergehenden Melodie: Diese wird quasi erst leise im geheimen gesungen, dann aber öffentlich und siegesgewiss (deutlicher Bezug aufs Finale!). Auch das Variationsmäßige, das den Satz sehr belebt, ist frisch und überzeugend. Besonders 39 Takte vor „piu moto“ klingt diese Melodie für mich wie ein kleines Revolutionslied… Schade, dass Gielen gegen Ende im „piu moto“ mit 108 etwas ruhiger und gemütlicher bleibt als Beethovens 116. Dies nimmt etwas vor der fast atemlos freudigen Erregung (Vorfreude?), die darin steckt und sich in der Entschlossenheit der a-tempo Schlusstakte nochmal bestätigt. Interessant, dass auch Gielen manche Konvention mitschleppt: 10 Takte von „piu mosso“ gibt es auch bei ihm die deutliche Verbreiterung des Tempos.
    3. Satz: „Allegro“
    Auch im dritten Satz gibt es Konventionelles (da kommt die Musik wirklich an Spielgrenzen): Bis zur berüchtigten Kontrabass-Stelle (Fugato-Beginn) hören wir Beethovens Tempo 96, was ab dort für den Rest des Satzes auf etwa 80 gedrosselt wird. Im Überleitungsteil zum Finale hat Beethoven zwar nicht „misterioso“ reingeschrieben, aber die (möglichen) Klangfarben und der Inhalt der Musik (Kopfmotiv, Harmonik) rufen doch geradezu danach:
    - Der Liege-Ton der zweiten Geigen und der Bratschen kann fahl klingen (sempre pp)
    - die Pauke (ebenfalls sempre pp!) klar und farbig, wenn nicht auf Ton, sondern perkussiv am Kesselrand gespielt wird.
    (Da kommt der klangliche Sinn der alten Instrumente raus, der aber auch z.T. auf modernen umsetzbar ist - das wäre hier der
    helle Klang des Kalbfells mit dem deutlichen Geräusch und Einschwingvorgang)
    - die Fortführung des Rhythmischen in den Kontrabässen durch deutlichen Strichbeginn und Notenlängen
    - und in den ersten Geigen die leichte Betonung der andauernden harmonischen Veränderung durch Schwerpunkte und Erkenntnisse der damaligen Spielpraxis.
    Da bleibt Gielen (oder ist es die Aufnahmetechnik der „mittleren Entfernung“?) im Ungefähren stecken. Zumindest für den „Boxen-Hörer“(also nicht mit Kopfhörer) ist die Stelle verschenkt…
    4. Satz: „Allegro“ 84 - Tempo I 96 - „Presto“ 112
    Das eingehende „Allegro“ erklingt in den vorgesehen 84, die Wiederholung wird gespielt. Den vielen insistierenden Wiederholungen von Figuren fehlt für meinen Geschmack der Ausrufezeichencharakter, der ja diesen Finalsatz so sehr prägt (und ja ganz offensichtlich den Schluss!). Im weiteren Verlauf (Litolff hat leider keine Taktzahlen oder Buchstaben) erscheint das „ta-ta-ta-taa“ in Achtel mit Abschlussviertel immer auf der Zählzeit Drei des 4 /4. Der Abschlusston des „ta-ta-ta-taa“ hat also durchaus ein Tenuto samt Betonung – bei Gielen ist es eher ein „ta-ta-ta-ta“, also ohne längeren Schlusston und fast eher der Betonung auf dem ersten Ton. So klingt es zwar nach Reiter- oder Militärrhythmus, aber der sinnliche Bezug zum „ta-ta-ta-taaa“ des Anfangs der Sinfonie stellt sich nicht ein. Das Tempo I (926) wird im Tempo genau getroffen, wobei das „Schicksalsmotiv" (nun im Dreier, wobei immer ein Takt sozusagen Auftakt zum nächstfolgenden ist) auch hier für mich nicht zwingend genug klingt. Das letzte Accelerando führt auch hier exakt in die notierten „Presto“ 112.

    SINFONIE NR. 6

    Die „Pastorale“ ist für mich ein ganz inniges Seelengemälde: Natur als Hilfe beim Bilden von eigener Wahrnehmung, Sinne, Herz und Seele (Bachszene), Rückkehr menschlichen Lebens zu den Wurzeln (natürlich idealisiert in „Lustiges Zusammensein“), Schicksalhaftigkeit (Gewitter) und Dankbarkeit (letztere Beide durchaus als „unkirchliche“ Religio = Rückbindung)… Ein durch und durch humanistisches und „religiöses“ Werk mit Vision und hohem Anspruch. Das Wort „Pastoral“ hat ja eine doppelte Bedeutung. Angesichts Beethovens Einstellung zu Natur und Landleben hat das Bedeutung…
    1. Satz: „Allegro ma non troppo“ (Erwachen heiterer Empfindungen)
    Also wenn hier Ligeti gespielt würde, dann fände ich die eher kühldistanzierte Spielweise bei den wiederholten rhythmischen Figuren des Kopfsatzes vielleicht passend oder interessant. Aber dreht es sich hier bei Beethoven denn um die Phänomenologie von Rhythmik und Klang, oder doch mehr um das „Erwachen heiterer Empfindungen bei der Ankunft auf dem Lande“? Das Tempo 66 ist getroffen (Scherchen übertreibt es im Kopfsatz ja, andere wiederum sind wesentlich langsamer – und oft dennoch genau richtig in der Erfüllung des Titels…)
    2. Satz: „Andante molto mosso“ (Szene am Bach)
    Schön „im Fluss und genau in Beethovens Tempo (50). Im Takt 23-24 gibt es eine ungewohnte Echowirkung in ersten Geigen, die zumindest in älteren Ausgaben nicht steht. Ein durchsichtiges vielstimmiges Gewebe.
    3. Satz: „Allegro“ (Lustigen Zusammensein)
    Sowohl das 3/4-„Allegro“ (108) als auch das 2/4-„Allegro“ (132) werden tempomäßig genau wie der
    4. Satz: „Allegro“ (Gewitter)
    mit dem Tempo (80) umgesetzt.
    5. Satz: „Allegretto“ (Hirtengesang) 60 ()
    Völlig unverständlich ist mir, warum Gielen im letzten Satz mit 50-52 anstelle von 60 wieder weit unter dem von Beethoven notierten Tempo bleibt. Dieser Satz bietet wirklich keinerlei Problem bezüglich Spieltechnik, Klang, Deutlichkeit, und Aussage in Beethovens Tempo. Warum nur? Dieser Satz ist so selbsterklärend und das Tempo so natürlich mit dem Inhalt verwoben, dass die meisten Aufführungen das Tempo 60 Beethovens befolgen. Gielen „Tempo 50“ nimmt den „dankbaren Gefühlen“ die innere Bewegtheit und der doch umfangreiche Satz wirkt zäh. Schade …

    SINFONIE NR. 7

    Meine ganz subjektive Empfindung: Die Siebte, Achte und vielleicht auch Vierte sind die Sinfonien Beethovens, in denen er ebenso Essentielles zu sagen hat wie in der Dritten, Fünften und Sechsten. Deren Aussagen sind nicht aber nicht so eindeutig benennbar wie das Visionäre der Freiheit und der Weg dorthin, das Schicksal und dessen Überwindung oder Natur und Gebet. Es sind menschliche Empfindungen und Besonderheiten - nicht eindeutig und benennbar: Vielleicht zählen darin dazu in der Siebten Tanz und Vitalität, in der Achten Humor und Eigenwilligkeit.
    1. Satz: „Poco sostenuto“ 69 (69) - Vivace“ 104 (92-104)
    2. Satz: „Allegretto“ 76 (anfänglich 62, dann 69)
    3. Satz: „Presto“ 132 (126-132) - Trio: „Assai meno presto” 84 (69)
    4. Satz: „Allegro con brio“ 72 (72)
    Diese Aufführung der Siebten ist von Leben erfüllt und hält sich diesmal im Kopfsatz und Finale. Schade (ja - schade, dass ich ohne dieses „schade“ bei keiner Sinfonie in diesem Zyklus auskomme), dass das Allegretto etwas zu breit gerät und so der wunderbare Gegensatz von pulsierendem Rhythmus und der zumindest nachdenklich zu benennenden Melodie geschwächt wird. Das Trio des Scherzos wird in dem deutlich breiteren als bei Beethoven vorgesehenen Tempo „traditionell“ genommen. Dadurch geht der Zusammenhang zum Scherzo verloren, denn der schnelle „swingige“ ganztaktige Schritt des Dreiers wird im Trio zu einem nur etwas breiteren, aber sehr bestimmten (Punktierungen in der Trompeten) „Alla breve eins zwei“ des geraden Taktes.
    Warum kann hier keine der Sinfonien in den Tempo-Relationen von Beethoven erklingen? Das betrifft viele Dirigenten - vertrauen sie so wenig auf Beethoven? Technisches Können der Orchester mal außen vor gelassen - und das ist ja heute auch nicht mehr das Problem: Wenn ein Dirigent die Metronon-Angaben für zu schnell hält (fehlerhaftes Metronom, Beethovens inneres und äußeres Gehör), dann kann er doch zumindest - egal in welchem Grundtempo - die Tempo-REALTIONEN der Abschnitte und aller Sätze zueinander einhalten! Die gewählten Tempi der Allegro Presto usw. liegen heute ja nicht mehr so weit auseinander wie noch vor 45 Jahren (z.B. beim späten Klemperer), somit ist ein etwas gemäßigteres Grundtempo auch in langsamen Sätzen durchaus vertretbar.

    SINFONIE NR. 8

    Auch die Achte ist ein Beleg dafür, dass Gielen in seiner Gesamtaufnahme hie und da weit von den Metronom-Angaben der Partitur abweicht. Dabei ist mir nicht einsichtig, warum manche Sätze exakt im Tempo gehalten, andere bis zu 20% in der Geschwindigkeit gedrosselt werden. Bei Dirigenten wie Furtwängler oder anderen, die - ohne sie deshalb der Selbstherrlichkeit bezichtigen zu wollen - sich stark an ihrer eigenen Vision eines Stücks zu orientieren scheinen, ist das eher verständlich wie bei diesem Dirigenten, mit dem man eher Werktreue verbindet. Natürlich gibt es bei vielen von Beethovens schnellen Sinfoniesätzen oft das Dilemma des Zusammenbringens des Ausdrucks, der Artikulation, der Vorstellung von Klanglichkeit und der geforderten Geschwindigkeit…
    In der Achten fällt neben der starken Veränderung der Tempoverhältnisse der Eck- zu den Binnen-Sätzen die Verlangsamung des Trios auf. In den ersten drei Sinfonien bleibt er dort im Tempo (es gibt ja auch keine extra Angabe von Beethoven) die Fünfte und Sechste bilden keine regulären Scherzi und in der Vierten und Siebten gibt es für die Trios eine extra Angabe.
    Hier nur die nackten Zahlen.
    1. Satz: „Allegro vivace e con brio“ 69 (56)
    2. Satz: „Allegro scherzando“ 88 (88)
    3. Satz: „Tempo di minuetto“ 126 (120 + Trio 110)
    4. Satz: „Allegro vivace“ 84 (70)

    SINFONIE NR. 9

    Die Neunte ist m.E. nach nicht „außermusikalischer“ wie die Dritte oder die Fünfte. Sie ist nur wesentlich umfangreicher, mehr gegliedert und hat als Finale diese fast 25 minütige „Sinfonie-Kantate“ mit dem visionären Text Schillers, der so sehr Beethovens Einstellung zum Leben und zum Menschschein spiegelt. Da hier nun so viel Abweichungen im Detail folgen: Gielens Lesart der Neunten überzeugt sehr, das Orchester und der Chor sind engagiert und konzentriert. Allein mit dem Solo-Quartett bin ich persönlich nicht so glücklich... Dennoch - jede gelungene Aufführung der Neunten halte ich angesichts der gestellten Herausforderungen ein Wunder.
    1. Satz: „Allegro ma non troppo, un poco maestoso“
    Das Tempo des Hauptthemas des Kopfsatzes liegt mit 80 etwa 10% unter Beethovens angegebenen 88. Und 10% können in der Musik eine ganze Menge sein… Jedenfalls verliert der Satz etwas von seinem Biss – und natürlich auch von seinen Entsprechungen im Scherzo und im Finale. Natürlich nehmen das andere Dirigenten noch langsamer. Richtiger oder überzeugender wird's dadurch nicht… Sehr befriedigend fällt mir auf, dass bei den kurzen Ritardandi Gielen zur rechten Zeit wieder „a tempo“ geht, was viele Kollegen nicht so genau nehmen.
    2. Satz: „Scherzo. Molto vivace - Presto“
    Das fugierte Scherzo ist mit notierten 116 sehr drängend. Die lateinische Bedeutung des Wortes (Fuga = Flucht) kommt mir in den Sinn… Die max. 108 Gielens verleihen diesem Satz eine gewisse müde Schwerfälligkeit.
    Beethovens Ausdrucksbezeichnung „Presto“ (im quasi Trio) ist mir in dieser mehr gesanglichen Linie mit dem von ihm notierten Tempo „Halbe = 116“ nicht wirklich verständlich. Gielen liegt bei knapp 150 in den Halben, was „normal“ in der Aufführungspraxis ist. Klemperer hat das 1957 nach Beethovens Angaben mit etwas mehr als 120 annähernd umgesetzt – aber sein Grundtempo des Scherzos ist mit ca. 100 bis 104 noch breiter als bei Gielen.
    3. Satz: „Adagio molto e cantabile“
    Das „Adagio molto e cantabile“ im 4/4 Takt ist fein in der Artikulation umgesetzt (eben kein „Adagio e molto cantabile!“), mit 50 anstelle 60 aber wohl etwas weniger schwingend als von Beethoven gedacht. Zudem ist der Unterschied zum folgenden „Andante moderato“ im 3/4 Takt, das mit 60 fast bei den geforderten 63 liegt, sehr groß. Die leicht zunehmende Bewegung, die Beethoven wohl haben wollte, entsteht ja nicht nur durch das leicht erhöhte Tempo, sondern auch durch den Wechsel von dem geraden Vierer- in den leicht schwingenden Dreier-Takt. Das Adagio liegt wieder etwa bei 50 minimal. Bei Beethoven gibt es da übrigens keine gesonderte Metronom-Angabe. Das „stesso tempo“, also „das gleiche Tempo“ (von dem 4/4 in den 12/8 Takt, wobei die Triolen von vorher nun den Achteln entsprechen) geht minimal und sehr stimmig auf 48 runter. Nach dem zweiten Weckruf gegen Ende des Satzes sind die folgenden ruhigen und geheimnisvollen vier Takte mit 40 ganz außerhalb des bisherigen Flusses und unterstreichen somit das Besondere. Die nochmalige Aufnahme des Themas danach bildet auch einen ruhigeren Abschluss bei etwa 46.
    4. Satz: „Finale. Presto - Allegro assai - Presto - Rezitativo“ usw.
    Angesichts der Unzahl an Tempoeintragungen und sonstigen Angaben des Finales kann ich hier nur einen Teil erwähnen. Das Eingangs-Presto (wie auch das spätere vor dem Gesangs-Eintritt) erreicht nicht ganz das Tempo (oder vielleicht besser gesagt: den „Irrsinn“?) der Vorstellung Beethovens von 96. Das im Originaltempo zu spielen, heißt auch das komponierte Chaos mit eigenen „Orchester-Zusätzen“ zuzulassen. Dirigenten, die unbedingt die absolute Kontrolle behalten wollen, haben damit ihre Schwierigkeiten… Sehr glücklich ist aber endlich mal das Eingangs-Rezitativ gelungen, denn Beethoven sagt ausdrücklich „im Rezitativ-Charakter, aber im Tempo“! Das erste „Allegro assai“ (DAS Thema) trifft in Tempo 80 und Charakter. Beim zweiten Auftreten (Bariton-Solo) ist der Beginn des „Allegro assai“ etwas schneller (84) und sinkt dann im weiteren Verlauf auf deutlich breitere 65 ab und bleibt im Grundtempo dort weiterhin (auch wenn es sich zu „und der Cherub steht vor Gott“ noch mal auf 80 aufschwingt).
    Ist das nun wichtig oder nur eine Frage des Ablesens einer Zahl am Metronom? Aber anders „zurückgefragt“: Ist es nicht spannend ein unbestimmtes Gefühl des Unbehagens (wie es mir in diesem Fall ging) anhand einer konkreten Feststellung zu einer Erkenntnis zu bringen? Für mich setzt sich die Anfangsenergie des Solos der Kontrabässe und dann des Bariton im weiteren Verlauf des Satzes nicht ganz fort - und daran ist das Tempo bestimmt beteiligt! Natürlich: Der komplexe Satz ist auch wegen der mannigfachen Tempo-Änderungen extrem schwer geschlossen und überzeugend zu gestalten! Gielen beachtet aber sorgsam Artikulation und Dynamik (z.B. im Bariton-Rezitativ bei „freudenvollere“ den zuerst Piano-, dann Forte-Orchester“Schlag“).
    Die „Alla marcia“ Passage (Allegro assai vivace) liegt mit knapp 70 deutlich unter den gefragten 84 Beethovens. Das nimmt leider von dem Getriebenen dieses Fugato. Das „Freude schöner Götterfunke“ im Chor nach diesen Fugato ist wieder in den 65 anstelle von anscheinend gewünschten 84 (Beethoven hat hier keine neuen Tempo-Vermerk nach dem „alla marchia“ gemacht), was etwas die Ekstase schwächt. Der Relation entsprechend ist auch das Unisono „Seid umschlungen“ (Andante maestoso) nicht 72, sondern 60-62, was etwas vom Zug und Sog (einsetzende fließende Streicherfiguren) dieser Passage nimmt. Das „Ihr stürzt nieder“ ist dazu passend 50 anstelle 60. Diese Stelle hat eine große Wirkung bei Gielen. Aber im großen „Seid umschlungen“ (Allegro energico, sempre ben marcato) mit dem Chor-Fugato gibt es einen harten Tempobruch. Was vorher (zu langsam) in der Relation zueinander gepasst hat, erfährt nun eine Rückung ins schneller als bei Beethoven Angegebene (90 anstelle der notierten 84). So büßt die fugierte Stelle mit der durch den 6/4 Takt triolisch wirkenden Streicher-Begleitung etwas von ihrer Feierlichkeit ein und das abschließende „über'm Sternenzelt muss(!) ein lieber Vater wohnen“ von seiner fragenden(!) Intensität. Und das erste und das zweite „seid umschlungen“ sind sich nun leider (zu) ähnlich… Ebenso ist das Tempo (welches ja auch hilft den Charakter zu unterscheiden) dem nachfolgenden „Freude, Tochter aus Elysium“ zu ähnlich. Das Abschluss-Prestissimo (bei Beethoven 132) kann mit den ausgeführten 140 nicht ganz die farbige Pracht entfalten.
    Das soll keine „Detail-Kritisiererei“ sein, sondern es sind meine Gedanken zur Relation der Tempi untereinander und bezüglich der Aussage der Musik. Und es soll die UNMÖGLICHKEIT einer „perfekten“ Aufführung zeigen. Keinesfalls will ich die vorliegende Aufnahme klein oder schlecht reden.
    Wer schon mal selbst vor einem Orchester gestanden ist, in einem Ensemble gespielt hat oder als engagierter Zuhörer Proben besucht hat, ahnt, dass der Anspruch einer absolut detailgetreuen Aufführung von Beethovens Finalsatz der Neunten kaum zu realisieren ist. Der Geist des Werks macht sich aber nicht an diesen Details fest und durchweht auch die Interpretation Gielens!

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    „Rezensieren“ ?

    „Insgesamt gelingt die Neunte durchaus überzeugend…“ So eine Aussage ist wie alle „Rezension“ letztlich eitel, Schall und Rauch. Entscheidend ist, was das Werk, der Dirigent das Orchester Sänger usw. wollen und tun, dann das Glück der Stunde, die Tontechniker - wenn es sich um Aufnahmen handelt. Und das war erst der erste Kreis…
    Dann kommt der Hörer in seiner momentanen Befindlichkeit, seinen Vorstellungen und seinen Erwartungen. Zudem ist beim „Reproduzieren“ auch die Abspielmöglichkeit wichtig. Nicht auf jedem Gerät ist das hörbar, was auf der Aufnahme drauf ist …
    Warum ich dann eine Rezension schreibe? Aus Lust am Austausch mit dem Werk, dann dem Dirigenten und dem Orchester – und nicht zuletzt mit allen Menschen, die in Liebe, Eifer und Suche der Musik und der Möglichkeit, sein Menschsein dadurch zu erweitern und zu entdecken, verbunden sind! Somit ist das Wort „Rezension“ im Sinne von Fachwissen vorschieben und Bewerten (also sein eigenen Hören als Maßstab zu nehmen) nicht gut … Ich möchte mich eigentlich über das Gehörte unterhalten, austauschen, das Erleben und die Erkenntnisse von mir und von anderen(!) erfahren, mitteilen und teilen …

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    Noch etwas zum Zusammenhang „Tempi - Instrumente“

    Wer meine Besprechung mit Gedanken bis hierher gelesen hat, wird vielleicht zu dem Schluss gekommen sein, dass ich eine sklavische Übernahme von vorgegebenen Tempi für das Wichtigste beim Musizieren halte - ist aber weit gefehlt. Aber im Fall Beethoven, welcher sozusagen die erste Beat-Musik geschrieben hat, ist Rhythmus und auch Tempo ein großer Teil der Wesensgestalt der Themen und der Gesamtaussagen der Sinfonien.
    Vielleicht ist aber tatsächlich die exakte Übernahme der Metronom-Angaben nur dann wirklich sinnvoll, wenn zumindest gedanklich gleichzeitig eine intensive Auseinandersetzung mit den Instrumenten und der Spielpraxis zu Beethovens Zeit stattfindet. Zwei Beispiele anhand der Pauke:
    1. Im Molto vivace des Scherzos der Neunten ab Takt 264 kann die schnelle Schlagfolge auf einer modernen Pauke (die ja ganz auf Klarheit und somit Tragfähigkeit der Töne und Klangfülle ausgelegt ist) den Rhythmus (hier: „taaa-ta-taa-taaa-ta-taa“) zum lauten, das restliche Orchester übertönenden orgelpunktartigen Dauerdröhnen verunklaren, anstelle allein das Rhythmische perkussiv und farbig intensiv zu unterstützen. Letzteres ist auf einer „historischen“ klanglich kleiner dimensionierten Pauke mit alter Kalbfell- oder Ziegenfell-Bespannung viel leichter umzusetzen. In der Neunten mit Gielen ist das „Pauken-Problem“ (im Gegensatz zu manch anderen Sinfonien des Zyklus) mit einem eher hellen klaren Klang gut gelöst.
    2. In der Fünften gibt es die oben schon erwähnte pianissimo-Stelle im dritten Satz, an der die Pauke am besten das Ganze perkussiv, klar und farbig unterstützt. Der nicht sehr grundtönige Klang des Naturfells mit dem deutlicheren Schlag-Geräusch und Einschwingvorgang leistet das von selbst. Auf einem modernen Instrument ist stark auf den Schlagpunkt Richtung Kesselrand zu achten, da sonst die rhythmische Klarheit und die Farbigkeit verloren gehen.

    Ich habe lange nachgespürt, was es ist, das mich beim diesem Zyklus in der Gänze so unbefriedigt zurück lässt: Falsche Erwartungen? Der Klang der deutschen Holzbläser (besonders der Oboe), die eher „dicke Pauke“ an manchen Stellen, das wenig Luftige und Helle im Klang, was vielleicht auch am Aufnahmeraum liegen mag? Oder ist es eher das etwas Starre im Dirigat, ein Quäntchen Reserviertheit Gielens? Oder die Aufnahmetechnik, die konsequent die „mittlere Entfernung“ einhält und in der Akustik des Raums das Menschliche des Musizierens (hörbare Bogengeräusche, Einschwingvorgang Bläser) etwas unterbelichtet? Ich weiß es (noch) nicht – vielleicht von allem etwas . . .

    FAZIT:

    Michael Gielens Einspielung der Beethoven Sinfonien mit dem SWR Orchester ist eine relativ neue, sehr gut aufgenommene digitale Gesamtaufnahme, die sehr viel von der Partitur hörbar macht und alle Wiederholungen befolgt. In vielen deutschen Schulen war mal Karajans Beethoven-Zyklus der frühen 60ziger Jahre Standard – sozusagen DER „Klassiker“ für DEN „Klassiker“. Heut zu Tage ist da wohl nichts mehr „Standard“. Michael Gielen könnte, zumindest was das analytische Verständnis der Sinfonien Beethovens angeht, Referenz für Schulen sein. Jedoch Lehrer, die ihre Schüler emotional berühren, aufschrecken oder begeistern, oder im Detail bestimmtes aufzeigen möchten, sollten sich den Zyklus aus anderen Einzelaufnahmen zusammenstellen …

    Erwarten Sie sich zu Recht bei Gielen Übersicht und klare Gestaltung der Sinfonien mit sehr gutem Orchesterspiel. Erwarten Sie sich aber keine Ausdruckswut und auch nicht – so wie ich das tat – die weitgehende Einhaltung von Beethovens Metronom-Angaben. Diesbezüglich führt dieser erste Satz Gielens hier doch etwas in die Irre:

    „Dass ich Tempo„vorschriften“ vergessen habe, stimmt nicht – ich habe sie befolgt“ …

    ? ? ?

    Ich als Musik-Enthusiast würde gern verstehen, weshalb Gielen an den entsprechenden Stellen von Beethovens Angaben so stark abgewichen ist . . .
    Rigoletto Rigoletto (CD)
    08.02.2014
    Booklet:
    3 von 5
    Gesamteindruck:
    5 von 5
    Klang:
    4 von 5
    Künstlerische Qualität:
    5 von 5
    Repertoirewert:
    4 von 5

    überfällig!

    Nach den VÖs durch Preiser Records und Naxos ist diese einmalige Aufführung nun endlich in einer "ganz offiziellen" Wiederveröffentlichung durch die RCA zu haben. Wer diese Studioproduktion nicht kennt: Berger und Warren sind als stimmliche Besetzung und an Seeelentiefe ergreifend und nicht zu übertreffen! Aber auch Peerce ist im Ausdruck und Verständnis der Rolle beeindruckend. Der Chor unter Shaw ist ein Traum, ebenso das Orchesterspiel und die Aufnahmetechnik - natürlich in mono. Cellini steht dem anderen großen Dirigenen mit der Endung "ini" in nichts nach - auch wenn Toscaninis Auszug aus Rigoletto natürlich anders ist als Cellinis Lesart.
    Uneingeschränkte Empfehlung. Die Überspielung ist besser als die von Naxos oder Preiser - wenn auch beide gut sind (besonders Preiser).
    Symphonie Nr.8 Symphonie Nr.8 (CD)
    08.02.2014
    Booklet:
    4 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    4 von 5
    Künstlerische Qualität:
    4 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    ein neuer Weg

    Die Umarbeitung der Achten war trotz unzähligen Veränderungen im Detail, in Instrumentierung und Harmonik, sogar der Tonarten (Höhepunkt des Adagios), einem neuen Trios zum Scherzo und der Kürzung von 164 Takten nicht so konzeptionell und strukturell Neues schaffend wie in der Dritten oder Vierten. Das ist vielleicht auch daran zu ersehen, dass viele Dirigenten subtile Mischformen aus den beiden Fassungen der Achten erstellen, die zumeist das Adagio und das Finale betreffen. Robert Haas hat 1939 (lange vor Nowaks Neuausgabe 1955) für die Bruckner-Gesellschaft offiziell eine Mischform erstellt, die z.T. immer noch gespielt wird. Das war nur möglich, weil die Tonsprache der Fassung der Achten von 1887 und 1890 nicht sehr differieren. Warum nun vorab dieser Vergleich?

    Wo die Erstfassungen der Dritten und Vierten durch ein völlig anderes experimentelleres Kompositionskonzept auch eine andere Spielweise ermöglicht oder gar erfordert, so kann der Interpretationsansatz bei den beiden Fassungen der Achten absolut gleich sein.

    Inbal nahm sein rasantes Tempo, das er in einem Großteil seiner Aufnahmen des Frankfurter Brucknerzyklus pflegte. Tintner nimmt die Tempi deutlich breiter, wie er es auch bei manch anderen Sinfonien des Zyklus bei Naxos getan hat. Das Stück verträgt auch eine starke Bandbreite der Tempi. Ich habe die Erstfassung in folgender Reihenfolge kennen gelernt: Inbal, Tintner, Russell Davis, Young und nun auch Nagano. Wo Tintner schon bei sehr breiten 90 Minuten lag, so benötigt Nagano 100 Minuten für die Aufführung an Spielzeit.

    Aber was sagt so ein Tempovergleich nun aus? Außer der Tatsache, dass man bei Nagano eine meditative Ruhe mitbringen sollte, um nicht den Faden oder die Geduld zu verlieren, eigentlich noch gar nichts.
    Kent Nagano vertraut ganz und gar auf die Struktur der Achten und ganz besonders die Instrumentierung. Es gibt Stellen der reinen Lust am Klang, des Auskostens der neuen Farben und des schieren Stillstands. Naganos langsames Tempi ist stimmig, das Bayerische Staatsorchester spielt wunderbar (Blech!), die eher weiche, etwas tiefenbetonte Aufnahmetechnik passt gut zu dem Gesamtkonzept der Aufführung: Deutlicher Raumklang, Farbigkeit des Klangs, inneres Leuchten statt schrillerer Töne.

    Natürlich hat auch diese Interpretation ihr Schwachstellen, manche Phrase ist zerdehnt und verliert an Spannung, manchen Klang hätte ich mir schärfer gewünscht und nicht nur immer die Kraft aus der Fülle gehört. Aber es gibt Stellen im ersten und letzten Satz der Erstfassung , die mir endlich einleuchten, nicht abgespult oder hektisch wirken und manchmal wie ein Tor für das Nachfolgende wirken und dieses dann noch größer und erhabener oder noch feierlicher, bedrohlicher oder abgründiger erscheinen lassen. Platz wird geschaffen für die Fantasie des Zuhörers, ja an manchen Stellen für ein mystisches Erleben …

    Kent Nagano hat mit dieser wichtigen Aufnahme ein neues Tor zum Verständnis dieser Erstfassung aufgestoßen, welches bis dato (Tintner mal ausgenommen) von einem eher zügigen weniger romantischen Ansatz bestimmt war. Ich bin auf eine Fortsetzung in Form einer anderen Einspielung gespannt.
    Bis dahin freue ich mich Bruckner bei Nagano "neu" hören (und mitlesen) zu können...
    Symphonie Nr.1 Symphonie Nr.1 (CD)
    08.02.2014
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    4 von 5
    Künstlerische Qualität:
    4 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    faszinierende Neugeburt!

    43 Jahre nach seiner Einspielung der Ersten Sinfonie Bruckners in der Linzer Fassung liegt von Claudio Abbado nun ein Livemitschnitt der Wiener Fassung (herausgegeben von Günter Brosche) vor.
    Abbados Musizieren hat sich in diesem langen Zeitraum seines Lebens (es handelt sich ja um eine seiner letzten Einspielungen von seinem Tod am 20.Jan.2014) stark verändert. Plakativ aber nicht ganz falsch könnte man sagen: Abbado gab alles jugendliche Feuer in Bruckners erste Fassung (Zitat: „da hab' i mi ka Katz g'schert und komponiert, wie i wolln hab'!“), in der späten Fassung dann alle Erfahrung und transzendentale Weisheit. Breitere Tempi, ein konstanterer Fluss der Musik, das Vorausschauende und Nachhörende, der große Bogen: Das alles passt wunderbar zu der Rückschau des alten Bruckners auf seinen offiziellen sinfonischen Erstling (bei dessen Schreiben er schon über 40 war, aber dennoch am Anfang seiner wahren Komponisten-Karriere stand).

    Folglich möchte ich dem (sehr oberflächlichen, wenig informativen) Text der „accentus musik“ CD widersprechen. Dort steht:
    „Die ganze Radikalität des Werkes legte Abbado in etlichen faszinierenden Steigerungen und plötzlichen Brüchen offen …“ DAS mag im ersten und letzten Satz für die erste Einspielung von 1969 zutreffen, in der neuen von 2012 ist es (angelehnt an den Titel des Filmportrait Abbados von 2003) tatsächlich mehr das „Hören der Stille“ oder das Hören vor, hinter und über die Harmonien hinaus. Das ist für mich auch das Faszinierende dieser Aufführung. Die erwähnte „Radikalität“ steckt in der späten Fassung selbst. War es in der Erstfassung das Feuer, das phantastisch Wechselnde, die Vielzahl an Einfällen, so ist es in der späten Fassung das Beleuchten in neuen „Klangräumen“ und das Visionäre - z.B. im Kopfsatz ab Buchstabe V (thematische Verarbeitung in den Hörnern im Takt 269 bis 274!) (9:30) und in der Final-Coda (dort leider von Abbado etwas die schauerlichen „Katastrophen-Schmirgelpapier-Reibeisen-Harmonien“ verschenkt). Der Hauch von Schumann oder Tschaikowsky (öfters!) mancher Stellen der Linzer Fassung ist hier eindeutig ganz und gar Bruckner gewichen. Der Akkord (2:50) im Takt 89 des Finales oder mancher Harmonieverlauf des Schlusses ab Buchstabe X (ab 14:42) könnten auch der Neunten entstammen…

    Abbado erlaubt sich durchaus kleine (anscheinend eigene) Abänderungen der Partitur: Z.B. steht im Kopfsatz von Takt 80 bis 93 (Buchstabe F) (2:36) ein „poco a poco cresc“. Doch Abbado baut im Takt 86 nochmals ein „subito mp mit Crescendo“ ein (ebenso in den letzten Takten dieses Satzes) und hebt in dieser gesamten Stelle die Holzbläser deutlich hervor. In den vier Takten (ab Takt 171) (6:22) von Buchstabe Q sind die ff-Akzente (Jochum sagte mal, dass das bei Bruckner im Blech „marcato“ seien) so schwach, dass sie kaum hörbar sind. Manches davon mag natürlich durch den Tonmeister verursacht sein – immerhin entsteht eine CD durch viele Ohren… Die zwei Beispiele sind aber bezeichnend dafür, dass das Bestechende nicht im Äußeren (z.B. abrupte Dynamik, Akzente, Tempo), sondern in den kleinen harmonischen Veränderungen der späten Fassung (Bruckner schrieb ja bereits an seiner Neunten!), den neuen Vorbereitungen, Übergängen, der farbigeren Instrumentierung steckt. Abbado findet die meditativen Stellen, lässt hie und da die Zeit stillstehen (z.B. Takt 20 bis 31 im zweiten Satz) (1:45) und macht „stille Abgründe“ hörbar – z.B. im zweiten Satz, Buchstabe E (7:37) und später die deutlich liegende Horn-Oktave Takt 128, 290 (8:49) in der „Harmonie“ mit den Streichern). Unglaublich ist im Finale Buchstabe H bis M (6:00-9:35): Wie Bruckner hier einen „Themensplitter“ (finde ich hier treffender als das Wort „Motiv“) über Minuten hinweg transformiert, ist atmen beraubend – auch die Umsetzung in dieser Aufführung. Da steckt ebenso etwas vom Mysterium des Finales der Neunten drin wie von der Leere und Verlassenheit des zweiten Satzes der Fünften.

    Das Lucerne Festival Orchestra spielt makellos und „hört mit“ Abbado. Die Aufnahmetechnik unterstützt das sehr gut in einem klaren ruhigen Klang mit manchmal ein wenig durch die Einbeziehung des Raums eingeebneter Dynamik. Im Finale hätte ich mir am Ende doch etwas mehr Biss im Klang gewünscht (vielleicht etwas weniger „Entfernung“: Tuttis gehen manchmal mehr in den Raum als direkt hörbar ins Mikro) und gern gehört, dass dieses Orchester auch einen vollen strahlend großen Tuttiklang erzeugen kann. Angesichts des vielen Feinen, was sonst zu hören ist, lässt sich das aber verschmerzen.

    Wer nun die Erste von 1969 mit Abbado hat: Hier hören sie ein völlig anderes Dirigat und letztlich auch ein anderes Stück Musik. In der Wand / WDR Aufnahme der „Wiener Fassung“ ist von dem Besonderen der neuen Fassung nicht so viel zu hören wie bei Abbado.

    Drei Dinge freuen mich an dieser Aufnahme besonders: Abbado findet ein wunderbares Tempo und Charakter für das Scherzo (im Gegensatz zu 1969), die Verdurung des Themas im Finale (Buchstabe R) (11:45) tönt im Blech endlich mal nicht wie die Feuerwehr und die „Wiener Fassung“ bei ihm klingt absolut überzeugend! Es ist für mich ein großes Geschenk, diese Neufassung der Ersten fortan nicht mehr schmerzlich mit dem nicht vollendeten Finale der Neunten in Verbindung bringen zu müssen. Diese Aufführung zeigt die Wiener Fassung als ein eigenes Stück!

    Das Beste im Textheft ist übrigens dieses Zitat:
    „Entscheidend ist nicht, was ein Dirigent in den Proben erzählt, sondern ob er im Konzert seine Seele öffnen kann.“ Wolfram Christ (Mitglied des Lucerne Festival Orchestra)
    Leontyne Price - Verdi-Heroines (15 Great Arias and Scenes from 8 Operas) Leontyne Price - Verdi-Heroines (15 Great Arias and Scenes from 8 Operas) (CD)
    08.02.2014
    Booklet:
    4 von 5
    Gesamteindruck:
    5 von 5
    Klang:
    5 von 5
    Künstlerische Qualität:
    5 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    Wunderbarer Digitaltransfer - und Hinweise für Sammler

    Seitdem die RCA sich unter dem Dach von Sony befindet, fällt auf, dass die unsterblichen "alten" Aufnahmen - die "Schlachtrösser" des RCA-Labels - mit mehr Liebe und Aufmerksamkeit wiederveröffentlicht werden als zuvor bei der BMG. Möglicherweise liegt das an einem allgemeinen Trend (Westminster bei DG, alte DG-Aufnahmen, japanische EMI-VÖs usw. Sei es drum...

    Bei neuen Digital-Transfers, die übrigens erfreulich oft mäßigere alte Überspielungen ablösen, gibt es kaum noch wirkliche Ausfälle - so gut wie alle neuen Remasterings sind klanglich sehr gut bis ausgezeichnet.
    Die Gestaltung mit den originalen Covers und Cover-Texten erfreut den Sammler sehr, besonders wenn er die LP-Ausgabe schon hatte - oder diese nie ergattern konnte .. ;-)

    Schade, dass bei dieser Leontyne Price Doppel-CD der englische Originaltext nicht von Stefan Lerche (der seine Arbeit immer sehr liebevoll und engagiert macht!) ins Deutsche übertragen wurde. Das ist aber auch das einzige kleine Manko der wunderbaren Veröffentlichung.
    Die Digital-Transfers sind hervorragend, die VÖ wichtig, auch wenn die Doppel-CD nur 48 Minuten Material bietet, das nicht auf der Leontyne Price 14 CD-Box „the complete collection“ enthalten ist. Die Doppel-CD "erübrigt" sich erst dann, wenn die beiden ausstehenden Gesamtaufnahmen veröffentlicht sind und Ernani neu remastert ist.
    Bis dahin:
    Von mir eine unbedingte Kaufempfehlung!
    226 bis 250 von 271 Rezensionen
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