Gedämpfte Gefühle
Das deutsche Kunstlied hat's schwer. Besonders in Deutschland. Zwar wird landauf, landab weitergesungen, aber man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der "Transport von Gefühlen", das Angebot zur Identifikation mit Liebenden, Leidenden und an Liebe Leidenden inzwischen fast vollständig von Pop, Rock, HipHop & Co übernommen werden. Eine ganz andere Kunstauffassung, wohl auch das Direkte der deutschen (Dichter-) Sprache macht es dem Lied schwerer als der Instrumentalmusik und auch der Oper mit ihren Möglichkeiten der Anpassung an den Zeitgeist. Umso mehr gilt das für Repertoire wie das vorliegende. Wie durch Butzenscheiben (die zum Zeitpunkt der Entstehung auch schon nicht mehr en vogue waren) schauend, werden wir bei Naumanns Liedern Zeugen einer wirklich vergangen klingenden Ausdrucksästhetik: zarter, gedämpfter, fast ein wenig schüchtern. Gesungen ist das tadellos, die Instrumentenbegleitung - und die beigegebenen Quartette - umranken das zurückhaltend zirpend. Und so wird auch ohne den Vergleich zu heute deutlich, dass die Ausdrucks-Abgründe, die ein Schubert, ein Schumann, ein Brahms in diesem Genre aufgerissen und aufgesucht haben, zu diesem Eindruck des eben nicht mehr Zeitlosen beitragen. Noch deutlicher: Die Vertonung von Schillers Ode "An die Freude" durch Naumann im Unterschied zu Beethoven. Wahrscheinlich unfair. Und darum, nur darum mein subjektives Resümee und auch meine Zurückhaltung bei der Empfehlung: meins, unseres ist solche Musik nicht mehr.