4 von 5
jommelli
Top 50 Rezensent
06. Mai 2020
Gesamteindruck:
4,0 von 5
Künstlerische Qualität:
4,0 von 5
Repertoirewert:
5,0 von 5
Mehr von Agricola bitte!
Fast 6 Jahre sind nun seit der Ersteinspielung von Weihnachtskantaten aus der Feder J. F. Agricolas durch CPO vergangen, ohne dass es inzwischen weitere Neueinspielungen dieses völlig zu Unrecht vergessenen preußischen Hofkomponisten gegeben hat. Ganz anders ist die editorische Lage bei J.G. Homilius, der in letzter Zeit durch zahlreiche Einspielungen posthum geehrt wurde. Die vorliegende CD ist nun besonders interessant, da sie die Möglichkeit gibt, zwei mit je 32 Minuten exakt gleichlange Osteroratorien dieser beiden Bachschüler zu vergleichen. Als Dreingabe kann man noch eine kurze, aber sehr glanzvoll besetzte Osterkantate Agricolas hören.
Wie so oft hatte ich bei Homilius den Eindruck eines solide und routiniert, aber im wesentlichen unoriginell verfassten Werkes. Die simple Harmonik und die typisch galanten melodischen Floskeln sind eingängig und hübsch anzuhören, doch in ihrem formalen Verlauf absolut vorhersehbar. Der Gesamteindruck dieses Osteroratoriums erschien mir daher nicht besonders nachhaltig, um nicht zu sagen stellenweise regelrecht fade.
Ganz anders das als „musikalisches Gedicht“ bezeichnete Oratorium Agricolas: Hier wird man (im Unterschied zu der eher bedächtig daherkommenden ersten Nummer bei Homilius) gleich im kurzen Anfangschor von einer überaus glanzvollen Instrumentation und überschäumendem Temperament und Einfallsreichtum erfreut. Insgesamt arbeitet Agricola formal kleinteiliger und in allen Parametern differenzierter und weniger glatt als sein Kollege, was ihn m.E. als den begabteren Schüler des großen Thomaskantors ausweist und in deutliche Nähe zu den beiden genialen ältesten Bachsöhnen rückt. Dieser sehr günstige erste Eindruck setzt sich im Verlauf der Komposition fort. Besonders die beiden schnellen Arien mit ihren brillanten Bläserpartien laden zum sofortigen nochmaligen Hören ein.
Mit der Interpretation unter Leitung des bei CPO in den letzten Jahren sehr oft zu hörenden M. A. Willens und seiner fabelhaft musizierenden Kölner Akademie kann man auch diesmal wieder rundherum zufrieden sein. Besonderes Lob verdienen die makellosen Blechbläsersolisten. Die Solostimmen bewegen sich ebenfalls alle auf höchstem Niveau, nur ist es leider um die Textverständlichkeit der sonst so beeindruckenden Sopranistin Hannah Morrison und ihrer beiden Kolleginnen nicht zum Besten bestellt. Insgesamt darf man aber nach dieser beeindruckenden Osterveröffentlichung auf mehr Musik von J.F. Agricola hoffen!