5 von 5
jommelli
Top 50 Rezensent
10. Dezember 2018
Gesamteindruck:
5,0 von 5
Künstlerische Qualität:
5,0 von 5
Repertoirewert:
5,0 von 5
Überzeugende Weltpremiere
Für alte-Musik-Fans ist es sehr erfreulich, dass die 2016 mit fast 300-jähriger Verspätung erfolgte Uraufführung von Heinichens „Flavio Crispo“ nun auf Cd vorliegt. Trotz stärkerer Kürzungen dauert die Aufnahme, die übrigens auf 3 CDs und nicht wie bei JPC angekündigt auf 2 Scheiben untergebracht ist, deutlich über 3 Stunden. Rein musikalisch handelt es sich bei der wegen Kastraten-Intrigen niemals aufgeführten Opera seria keineswegs um ein Meisterwerk, sondern ein prächtiges Stück höfischer Gebrauchs- und Unterhaltungsmusik im damals hochmodernen galanten Stil, in dem sich alle reizvollen Eigenheiten des meistens leichtgewichtigen und heiteren Heinichen-Idioms zuhauf finden. Auf die Dauer vermisst man aber bei den offenbar schnell geschriebenen, meistens in Dur stehenden und oftmals unisono geführten Dacapo-Arien doch sehr einen größeren kompositorischen Tiefgang, was ein Anhören des Werkes am Stück nicht empfehlenswert erscheinen lässt.
Die klanglich vorzügliche Liveaufnahme überzeugt hingegen in allen Belangen: Die sieben Vokalsolisten präsentieren sich trotz minimaler Abstriche bei einigen Details und geringfügiger stimmlicher Ermüdung im letzten Akt bestens disponiert, wobei besonders der mir bislang völlig unbekannte Countertenor L. Marziotte in der für Senesino konzipierten Titelrolle herausragt. Eine reine Freude ist es, dem v.a. im Bereich der Holzbläser und Naturhörner prachtvollen Spiel des Ensembels "Il Gusto Barocco" zuzuhören, das einen überzeugenden Eindruck der für die damals weltberühmte Dresdner Hofkapelle geschriebenen Partitur vermittelt.
Bei der Gestaltung des Beiheftes hätte ich mir mehr Sorgfalt gewünscht. So fehlt in der Personenübersicht vor der Inhaltsangabe die weibliche Hauptrolle, Elena, und man weiß zu Beginn nicht so recht, wer diese wichtige Person eigentlich ist, was ihre Einordnung in den Gesamtkontext erschwert. Der Bösewicht Massenzio hingegen wird in der Rollenliste fälschlich als „Massimiliano“ bezeichnet.
Insgesamt ist CPO mit dieser Aufnahme eine ausgezeichnete Weltpremiere gelungen, die nachdrücklich zum Kauf empfohlen werden kann!