5 von 5
kmf
08. Februar 2019
Gesamteindruck:
5,0 von 5
Künstlerische Qualität:
5,0 von 5
Repertoirewert:
5,0 von 5
Münchner Faschingsfee - Torso einer fantastischen Aufführung
Endlich gibt es den ersten Operettenmitschnitt von CPO aus dem Münchener Gärtnerplatz-Theater, das sich unter seinem Intendanten Joseph E. Köpplinger neben der Komischen Oper Berlin zu einer der ersten Adressen in Sachen Operette entwickelt hat – und das mit einem echten Operetten-Coup: Emmerich Kálmáns so gut wie nie gespielter „Faschingsfee“, deren Handlungsort tatsächlich einmal nicht Wien, Berlin oder Paris ist – sondern München. Das passt natürlich zum hausinternen Ensemble, das sich nicht scheut, in den Dialogpassagen mit bayerischem Dialekt und immer wieder gekonnt eingestreuten Münchener Hinweisen für eine authentische Atmosphäre zu sorgen. Und wenn dieses Ensemble eines kann, dann ist es spielen! Die Spielfreude ist immer greifbar, sie wirkt echt und ungekünstelt – es sind tatsächlich die besten Dialogaufnahmen, die es jemals bei den Operettenproduktionen von CPO zu hören gab.
Köpplinger hat in München ein absolutes Spitzen-Ensemble für Operette aufgebaut – allen voran natürlich sein „Traumpaar“ der Operette Daniel Prohaska und Camille Schnoor, die am Gärtnerplatz auch schon in vielen anderen Operettenproduktionen zu erleben waren. Prohaska singt und interpretiert – und man hat zu jeder Zeit den Eindruck, dass er weiß und fühlt, wovon er singt und spricht. Schnoor hat in den Dialogen manchmal kleine Sprachprobleme – aber sie macht das alles so charmant, dass man ihr das gerne verzeiht.
24 Ensemblemitglieder stehen auf der Besetzungsliste der „Faschingsfee“ – und es ist nicht ein Ausfall dabei. Das Ensemble lebt diese Operette, das überträgt sich zu jeder Minute des Mitschnitts. Ganz besonders berührend: Franz Wyzner und Gisela Ehrensperger, zwei Urgesteine am Gärtnerplatz-Theater, die es schaffen, das auch nach Jahren nicht zusammenkommende Kellnerpaar ganz ohne Sentimentalität und trotzdem glaubhaft und trauernd darzustellen. Das von Ehrensperger vorgetragene Couplet „Wie die Jugend heut‘“ ist ob seiner Innigkeit ein absoluter Glanzpunkt der Aufführung.
Bei so viel Operetten-Glück gibt es nun allerdings auch eine Schattenseite, die jedoch weniger in der Aufnahme selbst als vielmehr im Umgang von CPO mit der Münchener Aufführung liegt: Das Gärtnerplatztheater gibt auf seiner Homepage eine Gesamtdauer der Aufführung von 130 Minuten an. Abzüglich einer Pause blieben da noch immer rund 110 Minuten, von denen es jedoch nur 76 auf die CD geschafft haben – und das merkt man der Dramaturgie der Aufnahme leider auch an: Immer wieder gibt es Ausblendungen – meistens nach Musiknummern, um den Applaus herauszuschneiden – und der Dialog setzt zu einem späteren Zeitpunkt wieder ein. Oder aber auch Schnitte direkt in den Dialogen. Am Auffälligsten ist das beim Aufritt der weiblichen Hauptfigur, der Fürstin Alexandra, die ganz unvermittelt einfach nur da ist, in dieser Münchener Künstlerkneipe, und keiner weiß warum. CPO begeht hier den Fehler zu glauben, dass der Dialog für eine Operette weniger wichtig sei als die musikalischen Nummern. Das ist allerdings ein Irrtum – denn gerade bei diesem hervorragenden Ensemble, welches die Operettendialoge lebt, wird auf diese Weise die Dramaturgie des Stückes so verkürzt, dass sie an Glaubwürdigkeit verliert und die Beweggründe der handelnden Figuren teilweise wenig bis gar nicht mehr nachvollziehbar sind.
Regisseur Köpplinger hat – wie bei allen seinen Operetteninszenierungen – das Buch der „Faschingsfee“ stark bearbeitet – da fehlen dann auch einige Musiknummern, wenn sie nicht dem Schnitt von CPO zum Opfer gefallen sind. Geschenkt, wenn es der Dramaturgie eines Stückes guttut und ein runder Abend dabei herauskommt – und das war diese Münchener Aufführung sicherlich. Es ist nur schade, das CPO den Mitschnitt der „Faschingsfee“ nur als Torso veröffentlicht – vielleicht, weil man eine Art Studioatmosphäre schaffen wollte und versucht hat, sämtlichen Zwischenapplaus und einiges Drumherum zu eliminieren. Dass solche Abende aber auch mit Applaus als Ganzes funktionieren, das haben die zahlreichen Rundfunkmitschnitte der letzten Jahre aus dem Gärtnerplatztheater immer wieder bewiesen: „Die lustige Witwe“, „Der kleine Faust“ und zuletzt „Drei Männer im Schnee“ – alles übrigens ebenfalls Regiearbeiten von Joseph E. Köpplinger.
Im Zeitalter des digitalen Musikalbums, wo man auch nicht mehr an die Spielzeit einer CD gebunden ist, ist eine solche Entscheidung zunehmend nicht mehr nachvollziehbar - und man würde sich die Veröffentlichung eines Online-Albums im „Directors Cut“ wünschen.
Bemerkenswert für eine Live-Aufzeichnung ist im übrigen die überragende Tonqualität der Aufnahme: da während der Aufführung Microports zum Einsatz kamen und das Orchester abgetrennt hinter einem Vorhang spielte, konnte der Ton ohne störende Nebengeräusche abgegriffen werden - das Ergebnis ist verblüffend klar und gibt die Dynamik der Aufführung fantastisch wieder.
Alles in Allem hat CPO mit der „Faschingsfee“ eine wirklich hörenswerte frühe Kálmán-Operette mit einer wirklich nicht zu toppenden Besetzung veröffentlicht - leider ein wenig verstümmelt. Bleibt zu hoffen, dass dies der Startschuss für eine auf längere Zeit angelegte Kooperation ist - fantastische Produktionen gab es in den letzten Jahren zu Genüge, etwa Kálmáns „Zirkusprinzessin“ oder Abrahams „Viktoria und ihr Husar“ - sie alle würden eine ungekürzte Veröffentlichung auf CD verdienen.