5 von 5
Musaion
Top 100 Rezensent
06. Februar 2021
Gesamteindruck:
5,0 von 5
Künstlerische Qualität:
5,0 von 5
Repertoirewert:
5,0 von 5
Beachtenswert!
Nachdem die diversen Labels in den letzten Jahren uns vormachen wollten, dass Live-Mitschnitte zu mehr Lebendigkeit und "Atmosphäre" führen würden und damit zu kaschieren versuchten, dass sie die Kosten einer Studioproduktion scheuten, so ist nun endlich ein Gegenbeispiel anzuzeigen und es beweist, dass eine sorgfältige Studioproduktion auch heute noch sinnvoll und lohnenswert ist, und dies, obwohl die Diskographie des "Otello" nicht arm an Einspielungen und großen Namen ist.
Da ist zunächst Jonas Kaufmanns als Otello in der Titelpartie. Kraftvoll, aber nicht kraftmeiernd gestaltet er eindrucksvoll die Degeneration des triumphierenden Helden und liebenden Gatten hin zum eifersüchtig Rasenden und Mordenden. Sehr erfreulich, dass er diese Partie nicht so baritonal-verbrustet singt wie z. B. der späte Domingo oder auch er selbst in anderen Aufnahmen, sondern sehr textverständlich und tenoral (übrigens auch Tamagno singt die Partie auf den erhaltenen Tondokumenten verblüffend hell und flexibel). Die großen Arien gelingen ihm packend und sehr eindringlich, aber auch das zarte Finale im I. Akt weiß er zu gestalten, wobei ihm nur das Diminuendo am Schluss leider misslingt. Insgesamt sehr gut bis hervorragend gesungen.
Großartig ist Carlos Alvarez als Jago. Kernig, viril - auch stimmlich ein würdiger Gegenspieler Otellos, der auf den ersten Höreindruck tatsächlich "onesto" klingt und seine Diabolik nicht plakativ zur Schau stellt und auf diese Weise glaubwürdig seine Intriganz demonstriert.
Federica Lombardi ist eine glückliche Entdeckung und singt die Desdemona engelsgleich und braucht sich vor der Konkurrenz nicht zu verstecken.
Auch die anderen, kleineren Partien sind sehr gut besetzt.
Das Dirigat Pappanos ist sängerfreundlich und sehr eindrucksvoll. Vielleicht wünschte man sich die eine oder andere Stelle etwas leidenschaftlicher, aber das ist Beckmesserei.
Die Aufnahme ist klanglich exzellent.
Fazit: Sony ist zum Gelingen einer der besten Aufnahmen dieses Werkes zu gratulieren!
Kaufmann kann sich in eine Reihe der großen Interpreten mit Vinay, Vickers und dem jungen Domingo einreihen. Lombardi, Freni und Tebaldi sind gleichermaßen eindrucksvolle Desdemonas und Alvarez sticht bis auf Gobbi alle anderen Jagos aus.
Pappano, Karajan und Toscanini können sich um die Dirigentenkrone streiten.
Als musikalische Gesamtleistung und angesichts des hervorragenden Klanges könnte diese Aufnahme sogar Referenzstatus erlangen.