4 von 5
jommelli
Top 50 Rezensent
04. Mai 2019
Gesamteindruck:
4,0 von 5
Künstlerische Qualität:
5,0 von 5
Repertoirewert:
5,0 von 5
Exemplarische Neueinspielung
Von Spontinis 1819 in Paris uraufgeführten Olympie, die dann später in Berlin und erneut wieder in Paris in teils stark unterschiedlichen Versionen neu einstudiert wurde, existierte bislang nur eine über 30 Jahre alte Einspielung unter G. Albrecht, die zwar mit großen Namen aufwarten, künstlerisch aber keineswegs überzeugen konnte.
Umso erfreulicher ist es, dass die überaus verdienstvollen Editoren des Palazzetto Bru Zane nun eine mitreißende Neueinspielung auf historischen Instrumenten vorlegen konnten. J. Rohrer und seiner Crew gelingt das Kunststück, das große und anspruchsvolle Werk mit einem Maximum an Präzision und Energie klanglich völlig neu erstehen zu lassen. Die erstklassigen und im Gegensatz zu der alten Einspielung äußerst stilsicher agierenden Solisten passen sich dabei bestens in das homogene und klangschöne Gesamtensemble ein. Dass es sich offenbar um einen Livemitschnitt handelt, kann man nur gelegentlich an minimalen Unsauberkeiten und winzigen Nebengeräuschen wahrnehmen. Hört man die knapp 135 Minuten, die wie im Fluge vergehen, konzentriert an, wird klar, wie stark der Einfluss Spontinis auf Auber, Berlioz und besonders den frühen Wagner (Rienzi wäre ohne Spontinis Vorbild undenkbar) war. Wie immer bei den Editionen des „Centre de musique romantique francaise“ exemplarisch fällt das liebevoll gestaltete 165-seitige „Beibuch“ aus, das höchsten musikwissenschaftlichen Ansprüchen genügt.
Leider gibt es einen nicht unwesentlichen Wermutstropfen bei dem sonst so runden Gesamteindruck: Das Werk wurde auch hier wieder stark gekürzt. Zwar nicht so drastisch wie unter Albrecht, aber immerhin fielen sämtliche Balletteinlagen und der große Triumphmarsch mit Chören im Finale dem Rotstift zum Opfer. Sieht man sich die Noten an, fragt man sich, was die Verantwortlichen nur geritten hat, auf so viel grandiose Musik einfach zu verzichten. Hier wurde eine einmalige Chance vertan, denn so bald dürfte sich Olympie in dieser Qualität nicht mehr realisieren lassen. Ein Schicksal, das Spontinis Oper übrigens mit Wagners Rienzi teilt.
Aus diesem Grund 1 Stern Abzug, sonst sollte diese beeindruckende Aufnahme im Schrank des Opernfreundes und Raritätensammlers nicht fehlen!