4 von 5
Musaion
Top 100 Rezensent
11. September 2020
Gesamteindruck:
5,0 von 5
Künstlerische Qualität:
4,0 von 5
Repertoirewert:
4,0 von 5
Eine Bereicherung auch für Kenner
Mit der "Walküre" liegt nun erfreulicherweise eine neue Aufnahme dieses Werkes vor und sie muss sich gegenüber einigen bedeutenden Aufnahmen behaupten, wobei die meisten Aufnahmen der letzten Dekaden unter einigen problematischen Besetzungen zu leiden hatten: Siegmund-Tenöre, Brünnhilden-Soprane und Wotan- Bass-Baritone sind nun einmal nicht gerade üppig vorhanden!
Stuart Skelton als Siegmund ist die erste positive Überraschung. In den letzten Jahren sind schon Aufnahmen von ihm in dieser Rolle erschienen (vgl. van Zwedens Ring), hier ist er aber in besserer Form dokumentiert. Ein (meist) strahlkräftiger Tenor, der sowohl die Wälse-Rufe achtbar meistert, aber auch lyrische Passagen gefühlvoll gestalten kann. Dabei ist sein Gesang sehr textverständlich und nahezu akzentfrei. Ein Melchior oder Lorenz ist aber nicht.
James Rutherford als Wotan ist eine weitere Bereicherung. Eindrucksvoll und kraftvoll in den großen Zornesausbrüchen und doch auch schmerzerfüllt im Abschied von Brünnhilde. Eine sehr schöne, gut geführte Stimme bei sehr guter Textverständlichkeit. Ich gestehe aber, dass ich Görne lieber in der Rolle gehört hätte - Geschmackssache.
Theorin als Brünnhilde kann ebenfalls überzeugen. Die "Hojotoho"-Rufe gelingen ihr jugendlich-strahlend und übermütig, eine wahre Schildmaid.
Halfvarsons Hunding ist sinister und bedrohlich, Westbroek als Sieglinde ist eine gute Partnerin für Siegmund, es fehlt ihr aber für mein Empfinden etwas jugendlicher Schmelz und Empfindsamkeit für die Rolle. Kulmans Fricka ist exzellent - keine keifende Ehefrau, sondern eine streitbare Göttin.
Rattles Dirigat ist sehr präzise und klar durchhörbar - ein symphonisches Glanzstück, was vor allem ein Lob, aber auch ein kleiner Nachteil ist, denn der letzte dramatische Funken springt nicht immer über. Gerade die großen Momente bräuchten mehr Wucht und Furor.
Fazit: Wer eine unter heutigen Aufnahmebedingungen entstandene Aufnahme möchte, ist mit dieser Aufnahme sehr gut beraten. Das durchgehend gute bis sehr gute Sänger-Ensemble sucht bei den Aufnahmen der letzten 50 Jahre seinesgleichen, denn es gibt keine Enttäuschungen.
Enthusiasten werden bei Melchior/Lehmann (Walter 1935, 1. Aufz.) bleiben, deren Leistungen weiterhin stellar anmuten. Ansonsten (wie immer) Solti, Knappertsbusch...Allerdings dürfen auch sie in diese Aufnahme gerne hineinhören, denn es findet sich viel Schönes.