4 von 5
Hafertaler
25. Mai 2015
Gesamteindruck:
4,0 von 5
Künstlerische Qualität:
4,0 von 5
Repertoirewert:
5,0 von 5
Dresden als Kriterium
Es wird Klaviermusik von Robert und Clara Schumann aus der Dresdner Zeit (1845–1849) auf einem Originalinstrument geboten. Das ist ein anderer Ansatz als die üblicherweise bekannten (etwa inhaltlich, gattungsspezifisch oder personenbezogen) und wirkt daher in der Zusammenstellung zuerst ungewohnt, eröffnet aber neue Horizonte und legt erstaunliche Verwandtschaften offen. Robert Schumann sah die Fuge weniger als kontrapunktisches Gedankenspiel, sondern – darin am Vorbild Bach sich anlehnend – als Charakterstück. Seine vier Fugen op. 72 den Waldszenen op. 82 gegenüberzustellen, ist daher alles andere als abwegig. So sehr die Fugen Charakterstücke sein wollen, so nachhaltig färbte die Beschäftigung mit Kontrapunkt auch auf die filigrane Satztechnik der „Waldszenen“ ab. Auch die vier Märsche op. 76 haben etwas von Charakterstücken; auf jeden Fall sind es vollgültige Kompositionen und nicht die bloße Gebrauchsmusik, die andere Komponisten in diesem Metier abgeliefert haben. Clara Schumann kommt mit ihren drei Präludien und Fugen op. 16 zu Wort. Eine Gemeinschaftsproduktion der Eheleute schließlich stellt Claras Klavierbearbeitung von Roberts Pedalflügel-Studien op. 56 dar. Diese belegt einmal mehr ihre phänomenale technischen Fähigkeiten wie auch die erstaunliche Griffweite ihrer Hände. Den Abschluss bilden drei Fragmente aus Roberts Dresdner Taschennotizbuch, die mit dem eingespielten Programm in konkretem Bezug stehen – so gibt es u. a. eine frühe Coda zum „Vogel als Prophet“ zu hören. Tobias Koch gelingen in sich stimmige und überzeugende Interpretationen, die nicht zuletzt wegen ihrer subjektiven Färbung möglicherweise nicht jedermann gefallen werden, insbesondere wenn man sich von liebgewonnenen Höreindrücken lösen muss. Koch gestaltet nicht nur die Waldszenen kernig und kontrastreich, von falscher Sentimentaliät und romantischem Kitsch befreit. Ähnliches gilt für den Klang eines Originalinstruments, dessen Authentizität von vielen, die nur den Sound eines modernen Steinway o.ä. im Ohr haben und diesen als Maßstab ansetzen, nicht gewürdigt werden kann. Dass Koch mit einem Erard-Flügel ein Instrument eben der Marke spielt, die auch schon Clara Schumann bevorzugt hat, sorgt hier jedoch für eine besondere Abrundung.