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Kruzenstern
01. April 2013
Künstlerische Qualität:
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Reibungsenergie
Immer wieder stellt sich bei den großen Werken des Repertoires die Frage nach der Berechtigung einer Neueinspielung. Vielleicht genügt es schon, dass jede Zeit auch das Recht zugesprochen bekommt, ihre eigenen klanglich-interpretatorischen Abdrücke zu hinterlassen. Aber gelegentlich wird auch bewiesen, dass in der Tat noch nicht alles gesagt wurde, dass durchaus noch etwas zu sagen, zu spielen ist. Im Fall der ersten Abteilung der Beethoven'schen Streichquartette durch das Belcea Quartett muss dies geltend gemacht werden. Dieses erste Volumen, das nicht chronologisch abbildet, sondern Quartette aller Schaffensphasen zusammenträgt, überrascht und erfreu in ganz besonderem Maße. Sicherlich zählt es nicht zu jenen Quartettformationen, die in aller Munde sind, aber vielleicht müssen sie es auch gar nicht. Eine erste Violinistin – und ein Alternieren von erster und zweiter Geige gibt es nicht! –, die der sowjetischen Geigentradition verpflichtet ist und aus Rumänien stammt, ein Bratscher aus Polen und zwei Franzosen an der Sekundgeige und dem Cello; das macht einiges aus. Es verschmelzen zwei Traditionen von Streicherschulen oder verschmelzen eben auch nicht. Die Aufnahme, live eingespielt in Brittens Snape Maltings zwischen Dezember 2011 und März 2012, zeigt einen Facettenreichtum, der beeindruckt. Das Quartett um Corina Belcea vermag wunderbar zwischen dem einen Klangkörper und den vier Stimmen zu scheiden, weiß diesen Spielraum, der er im wahrsten Sinne ist, zu nutzen. Eine etwas raue, manchmal harsch-silbrige erste Geige, gepaart mit der zweiten Geige Axel Schachers (Konzertmeister beim Sinfonieorchester Basel), unverkennbar ein Spieler der französischen Schule; etwas mehr Vibrato, Wärme, Weichheit. Krzysztof Chorzelskis Bratsche bildet eine volle, aber nie übertriebene Mittelstimme, die die besten Lagen dieses Instrumentes voll auskostet. Und ein wahrer Höhepunkt ist das Cellospiel von Antoine Lederlin (Solocello ebenfalls in Basel) – selbst nicht gerade ein großer Freund des Cellos muss ich doch sagen: er beweist hier die große Klasse der französischen Cello-Tradition. Ein wunderbarer, voller, aber auch erdiger Klang, wohlproportioniert, die affektiert oder schrill und stets eine tragende Linie in den Quartettkompositionen bildend – grandios.
Diese unterschiedliche Mixtur verleiht dem Spiel etwas lebendiges ohne dabei je ins Überzogene abzudriften. Es ist kraftvoll, ohne nur zu posen, es ist elegant ohne in den Kitsch abzudriften. Und es ist von sagenhafter Luzidität, ohne dabei das Ganze aus dem Blick zu verlieren. Die langsamen Sätze bezeugen eine rührende Lauterkeit und die schnellen Momente können einen Witz haben, den musikalisch auszudrücken so schwer ist. Die gelingt wohl dank der glücklichen Mischung von Geist, Reibung und Musikantentum, die dieses Quartett auf allen Ebenen vereint.
Das französische Lable ZIG ZAG territoires, das darf man an dieser Stelle hervorheben, bietet CDs an, die auch optisch wie haptisch einen hochwertigen Eindruck hinterlassen und sehr geschmackvoll gestaltet sind. Ein handfestes Produkt, das ein gelungenes Argument gegen den Download bietet.