Ein Roman wie ein Sturm – aber nicht jeder mag Gewitter
J. T. Geissingers Pen Pal ist ein Roman, der sich nur schwer in ein bestimmtes Genre einordnen lässt — und genau das wird für viele Leserinnen und Leser sowohl Stärke als auch Schwäche sein. Das Buch spielt mit Elementen aus Dark Romance, Erotik, Mystery, Spirituellem, Thriller sowie einem Hauch psychologischer Spannung. Grundsätzlich sind diese Mischungen nichts Ungewöhnliches, aber in diesem Werk wirken sie stellenweise so stark miteinander verflochten, dass das Ergebnis eher chaotisch als kunstvoll ineinandergreifend erscheint. Ich gehöre eigentlich zu den Menschen, die solche Grenzgänge zwischen Genres lieben, doch bei diesem Buch bin ich mehrfach hängen geblieben — und nicht immer im positiven Sinne.
Bevor ich jedoch in Detailkritik gehe, möchte ich eines sagen: Meine Oma pflegte immer zu sagen: „Wenn du nichts Gutes zu sagen hast, sage lieber gar nichts.“ Ganz so streng halte ich mich natürlich nicht daran, aber es ist mir wichtig zu betonen, dass jedes Buch, auch dieses, eine Zielgruppe finden kann und wird. Und Pen Pal hat zweifellos Qualitäten, die man nicht leugnen kann — unter anderem intensive Emotionen, starke Erotik und eine düstere Grundstimmung, die sich wie ein feiner Nebel über die gesamte Handlung legt. Dennoch habe ich beim Lesen einige Schwierigkeiten gehabt, die ich im Folgenden genauer erläutern möchte.
Handlung und Grundidee
Der Roman beginnt mit einem harten emotionalen Schlag: Kayla, die Protagonistin, muss ihren verstorbenen Mann zu Grabe tragen. Diese Anfangssituation gibt dem Buch sofort eine melancholische, tragische Note. Kurz darauf erhält sie einen geheimnisvollen Brief von einer unbekannten Person — ein Konzept, das viel Potenzial für Spannung und tiefe emotionale Verwicklungen bietet. Schon an dieser Stelle zeigt sich Geissingers Talent, Atmosphäre zu erzeugen und Fragen aufzuwerfen, die den Leser neugierig machen.
Im Verlauf der Handlung begegnet Kayla Aidan, einem Dachdecker Aiden, der auf den ersten Blick wie das genaue Gegenteil ihres verstorbenen Mannes wirkt. Zwischen ihnen entwickelt sich eine leidenschaftliche, teils raue, teils zärtliche Beziehung, die den Kern der erotischen Elemente des Buches bildet. Diese Szenen sind sehr gut geschrieben: intensiv, deutlich, bildhaft — aber auch so explizit und zum Teil gewaltvoll, dass eine eindeutige Triggerwarnung im Buch mehr als angebracht ist.
Die Beziehung zwischen Kayla und Aidan macht für viele Lesende den Reiz aus, und dennoch bleibt der Roman nicht auf diesem Pfad. Der verstorbene Ehemann bleibt weiterhin präsent — auf eine Weise, die ich hier nicht spoilernd ausführen möchte, die aber eine zentrale Rolle für den späteren Plot spielt. Außerdem erhält die Geschichte eine starke spirituelle und teilweise übernatürlich wirkende Wendung, die an bestimmte bekannte Filme erinnert, die ich ebenfalls aus Spoilergründen nicht nenne. Diese Entwicklung kann man mögen oder ablehnen, aber sie kommt überraschend und verändert das gesamte Gefühl der Geschichte.
Charaktere und Darstellung
Kayla ist als Figur glaubwürdig gezeichnet, emotional verletzlich, aber nicht naiv. J. T. Geissinger versteht es, innere Konflikte auszudrücken und psychologische Motive klar darzustellen. Dennoch hätte ich mir eine tiefere Entwicklung gewünscht, besonders weil ihr Leben innerhalb kurzer Zeit mehrfach aus den Fugen gerät. Sie muss Trauer, Leidenschaft, Verwirrung, spirituelle Erkenntnisse und Angst gleichzeitig bewältigen. Manchmal wirkt es, als würde all das zu schnell abgehandelt werden, ohne dass man die innere Reise konsequent verfolgen kann.
Aidan ist der geheimnisvolle, starke, körperlich präsente und emotional schwer greifbare männliche Protagonist. Seine Darstellung ist eindeutig auf Erotik und dunkle Faszination ausgelegt, aber auch hier bleibt vieles im Unklaren. Ich hätte tatsächlich gerne mehr über ihn erfahren — mehr über seine Vergangenheit, seine Beweggründe, seine innere Welt. Er bleibt über große Teile des Buches eher ein Rätsel, das man nicht vollständig auflösen kann.
Der verstorbene Ehemann, ist ein zentraler Punkt, der immer wieder in die Handlung zurückgeführt wird. Doch selbst hier bleibt vieles vage, was zwar der Spannung dienen soll, aber manchmal eher verwirrend erscheint.
Schreibstil und auffällige Fehler
Was mich im Lesefluss tatsächlich irritiert und gestört hat, sind die wiederkehrenden inhaltlichen Ungenauigkeiten oder Anschlussfehler. Diese wirken teilweise wie unzureichend korrigierte Szenenwechsel. Ein Beispiel: Im einen Kapitel sitzen die Figuren bereits vor ihrer Vorspeise, im nächsten Kapitel sitzen sie vor dem Aperitif und bestellen eine Vorspeise. Solche Unstimmigkeiten kommen mehrfach vor und mindern die Glaubwürdigkeit und den professionellen Eindruck eines Romans erheblich. Für ein Buch dieser Reichweite und Bekanntheit hätte ich deutlich sauberere Übergänge erwartet.
Atmosphäre und Genre-Mischung
Die Komponenten — Dark Romance, Erotik, Thriller, Spirituelles, Mystery, Übernatürliches — stehen nicht nebeneinander, sondern werden teilweise abrupt ineinander geschoben. Das führt dazu, dass man beim Lesen manchmal das Gefühl hat, ein Buch zu erleben, das sich nicht entscheiden kann, was es sein möchte. Das kann reizvoll sein, aber ebenso überfordernd. Die mystischen und spirituellen Elemente nehmen gegen Ende stark zu, sodass man fast das Gefühl bekommt, zwei unterschiedliche Bücher in einem zu lesen.
Fazit
Pen Pal ist ein Roman, der polarisieren wird. Wer dunkle Erotik, Gewalt, spirituelle Themen, leidenschaftliche Beziehungen und mystische Wendungen mag, wird hier definitiv fündig. Wer hingegen ein logisch durchgängig erzähltes Buch oder eine klare Trennung der Genres erwartet, wird eher enttäuscht. Die sehr expliziten Szenen, der hohe Gewaltanteil und die spirituellen Aspekte machen das Buch zu einem Werk, das man nur einer bestimmten Zielgruppe empfehlen kann.
Für mich persönlich gibt es keine klare Kaufempfehlung. Das Buch hat starke Momente und eine interessante Grundidee, aber auch viele Schwächen, die den Gesamteindruck trüben. Wer jedoch genau diese ungewöhnliche Mischung aus Erotik, Dunkelheit, Gewalt, Spiritualität und einem überraschenden Plot sucht, wird hier genau richtig sein. Alle anderen sollten wahrscheinlich einen großen Bogen darum machen.
Für mich persönlich war es nicht das perfekte Buch, auch wenn einzelne Elemente wirklich gut gelungen sind.