Fundiert recherchiertes Dokument deutscher Geschichte, als Roman aber langatmig und zäh, leider
Buchinhalt:
1938 kommt die junge Elly aus der schwäbischen Provinz nach Wien, um dort den Haushalt der kranken Tante zu führen. In Wien lernt sie die Theologin Margarete Hoffer kennen, die den christlichen Glauben in Elly weckt und zu einer Art Vorbild wird. Elly erlebt den Anschluss Österreichs ans Deutsche Reich, die Schikanen, die Hitler den Juden angedeihen lässt und das beginnende Grauen des Nationalsozialismus hautnah. Als Elly wieder zuhause in Schwenningen ist und sich in ihrer Gemeinde engagiert, wird sie Teil des Widerstandes, der sich innerhalb der evangelischen Kirche gebildet hat. Auch Margarete Hoffer spielt dabei eine Rolle, die inzwischen als Vikarin die Gemeinde von Elly betreut....
Persönlicher Eindruck:
Die Vikarin ist eine Mischung aus Biografie, historischem Roman und geschichtlichem Zeitdokument, das sich gar nicht so einfach liest – trotz des eingängigen Schreibstils. Autorin Liebelt verbindet gekonnt die Biografie und das Wirken der Theologin Margarete Hoffer, die sich im Widerstand gegen das Hitlerregime engagiert mit der fiktiven Romanhandlung um Elly, die durch Hoffer zum Glauben findet und fortan hilft, verfolgte Juden über die sogenannte „Pfarrhauskette“ ins benachbarte Ausland zu schleusen.
Gerade zu Beginn ist der Roman eben dies: ein Roman aus der Zeit des Nationalsozialismus, mit Elly als Hauptfigur. Es ist spannend mitzuverfolgen, wie das Leben (zunächst in Wien, später in Ellys Heimatstadt Schwenningen) abläuft, wie die NS-Regierung Einfluss nimmt auf das tägliche Leben der Bewohner. Elly freundet sich in Wien mit Lea aus einem jüdischen Haushalt an, Lea ist es auch, die Elly in Kontakt zu Margarete Hoffer bringt.
Mit fortschreitender Handlung tritt Ellys Geschichte leider immer mehr in den Hintergrund, wird nur noch Staffage für den Kirchenkampf und die Hilfsaktionen für die verfolgten Juden Schwenningens. Das fand ich sehr schade, denn Ellys Geschichte hat Potential, Elly hat Identifikationspotential für den Leser.
Der christliche Grundtenor ist relativ stark ausgeprägt, Bibelzitate (mit den entsprechenden Bibelstellen) und eine kirchliche Grundthematik prägen die Handlungsweisen der Hauptfiguren Hoffer, Elly und Jochen.
Bei der sogenannten „Pfarrhauskette“ werden unterschiedliche Menschen, denen Hoffer und ihre Gruppe hilft, beschrieben und deren Schicksal deutlich gemacht. Dennoch empfand ich das Buch etwa ab der Hälfte zunehmend trocken und wenig spannend, trotz des historischen Stoffes. Ja, Hoffer ist die treibende Kraft und ihr Leben Hintergrund für diese Romanbiografie, dennoch fehlte mir mehr und mehr der Antrieb, an den Seiten zu hängen. Mit dem Lesen zu pausieren war mehr und mehr kein Problem – das ist immer ein schlechtes Zeichen.
Gut beschrieben und historisch mit vielen Details, Namen und Fakten hinterlegt war das Thema Kirchenkampf und die Haltung der (evangelischen) Kirche zu dem, was politisch los war in Deutschland. Die Quellenangaben im Glossar und die Hintergründe zu historisch verbürgten Personen sind durchaus gut und reichen tief.
Insgesamt waren es mir aber rückblickend viel zu viele Namen, Daten, Fakten und Details, als dass ich das alles behalten und zu einem Ganzen summieren könnte. Was bleibt, ist: Margarete Hoffer war eine treibende Kraft im Widerstand der Bekennenden Kirche und rettete zahlreiche Menschenleben.
Mein Fazit: ein sehr fundiert recherchiertes Zeitdokument, allerdings nicht ohne so manche Länge, die die Lektüre dann auch nicht unbedingt zu einem Pageturner macht.