Wundervolles Buch
Angel lebt mit ihrem Ehemann Pius und ihren 5 Enkeln in Kigali, der Hauptstadt von Ruanda. Die nicht mehr ganz junge Angel sorgt mit ihrem Ehemann für die 5 Enkel, da ihre eigenen Kinder und ihr Schwiegersohn schon gestorben sind. Angel, die von ihren Angehörigen und Freunden liebevoll Mama Grace genannt wird, trägt finanziell mit dem Backen von wunderschönen und vor allem besonders kreativ gestalteten Kuchen und Torten für Anlässe aller Art zum Haushalt bei. Die Güte und Perfektion ihrer Arbeit spricht sich schnell herum und sie erhält sogar den Auftrag, für die Silberhochzeit des tansanischen Botschafters und dessen Frau, Mrs. Wanyika eine Hochzeitstorte zu backen, allerdings komplett weiß gehalten, ihrer Meinung nach also im unkreativen, fantasielosen Stil der Wazungu, der Ausländer.
Angel übernimmt dennoch auch diesen Auftrag und unterhält sich nicht nur mit der Frau des Botschafters in ihrer unnachahmlichen Art über private und politische Probleme bei einer Tasse Tee auf afrikanische Art, süß, mit viel Milch und mit einer guten Prise Kardamom, und lässt dabei weder das Thema HIV-Infektion, die Rolle von Mann und Frau in Afrika, noch den Krieg und die daraus entstandenen schweren Wunden und Belastungen für ein weiteres Zusammenleben für alle aus. Sie nimmt auch Einfluß auf ihre Mitmenschen wahr. Zum Beispiel gelingt es ihr, den ursprünglich gewählten Namen für ihre neugeborene Tochter, Gutgenug, in Perfekt zu ändern oder den Hausmeister ihres Wohnblocks davon zu überzeugen, dass er zwei junge Frauen, die als freiwillige Helfer in Ruanda sind, nicht finanziell abzockt, nur weil sie Weisse sind. Angel schaut tiefer in die menschlichen Seelen und nutzt ihre langjährige Lebenserfahrung unspektakulär dazu, um Gutes zu tun und für mehr Gerechtigkeit innerhalb ihres Einflussbereichs zu sorgen.
Bunt gemischt und farbenprächtig wie ihre Kuchen und Torten, ist auch das Leben in Ruanda, zwar durch Völkermord und Krieg geprägt und ein Schmelztiegel für alle Nationalitäten, aber mit dem Prinzip Hoffnung ausgestattet. Die Autorin Gail Perkin, die selbst aus Sambia stammt, lässt mittels der Person Angel und durch die sehr feinsinnig geschriebenen Gespräche, die Angel mit ihren Kunden, Verwandten und Freunden bei einer Tasse Tee führt und ihren Handlungen im Kopf ihrer europäischen Leser ein Bild des heutigen Ruanda und seiner Probleme entstehen, aber zeigt auch gleichzeitig mögliche Lösungen auf.
Angel hat ein offenes Ohr für alle und hilft in ihrer typisch afrikanisch bedächtigen und dennoch zupackenden, hoffnungsgebenden Art besonders jungen Frauen in ihrem Umfeld, wie man mit Problemen und Aufgaben umgehen könnte.
Ob sie mit ihrer Nachbarin Amina, der Barfrau Francoise oder mit Bosco, dem Chauffeur eines ausländischen NGO-Mitarbeiters beim Tee Gespräche führt, für alle hat Angel ein offenes Ohr und bietet hoffnungsvolle, optimistische Sichtweisen an. Bei der anstehenden Hochzeit schließlich zwischen Leocadie, Inhaberin eines kleinen Ladengeschäfts und deren Freund läuft Angel schließlich zur Höchstform auf. Hier reicht es nicht, nur gute, von positivem Denken geleitete Ratschläge zu geben, denn Leocadie und ihr zukünftiger Ehemann haben beide gar keine Angehörigen mehr. Hier übernimmt Angel nicht nur wie sonst üblich das Backen der Hochzeitstorte, sondern richtet für die beiden die gesamte Hochzeit aus, wie sie es für ihre eigene Tochter nicht besser gemacht hätte.
Eines fällt an diesem wunderbar leicht geschriebenen Roman besonders auf: die furchtbare Vergangenheit, deren Probleme und Belastungen bis in unsere heutige Gegenwart reichen, wird angesprochen ohne Schuldzuweisungen, natürlich nicht ohne Trauerbewältigung, aber ohne den Blick zurück im Zorn und Hass. Es ist meiner Ansicht eine der höchsten aber auch anstrebenswertesten Schreib-Disziplinen für einen Autor, eine locker leichte Schreibweise bei der Behandlung schwieriger Themen zu erreichen, ohne oberflächlich und seicht zu sein. Gail Perkin ist das mit Bravour gelungen und dieser Roman ist es nicht nur wert, gelesen zu werden, sondern er wird dem Leser wohl noch lange in guter Erinnerung zu bleiben