Vom Suchen und Finden
Das Buch Sunbirds handelt von einer Familie, die durch die Suche nach ihrem Sohn zerrissen ist.
Torran hat vor sieben Jahren Schottland verlassen, um nach Indien zu gehen. Die Eltern Robert und Anne hatten die Hoffnung, dass er nach einer Selbstfindungsphase zurückkehren würde. Doch der Sohn bleibt verschwunden. Indien, das für viele mystische Land, zieht Touristen und Pilger an, aber auch Aussteiger, die entweder nach einem neuen Weg zu leben suchen oder einfach nach dem Sinn des Lebens, was auch immer das bedeuten mag. Immer wieder kommt es leider auch zu Unglücken oder Verbrechen, so mancher Backpacker bezahlt seine Reise mit dem Leben. Getrieben von der Furcht verlässt Anne ihren Mann und reist nach Indien, eine jahrelange Suche beginnt. Nach einigen Jahren bittet Robert eine Verwandte der Familie, nach Indien zu fliegen, um Anne zu unterstützen. Es gibt neue Spuren. Während Robert vom Tod seines Sohnes überzeugt ist, klammert sich Anne an jeden noch so dünnen Strohhalm.
Das Buch spielt auf verschiedenen Ebenen. Jedes Kapitel handelt abwechselnd von den Personen dieses Familiendramas. Die Suche nach Torran wird somit zur Selbstfindung. Manchmal erscheint die Frage, ob der Sohn noch lebt oder nicht, die Nebensache in der Geschichte zu sein. Die Existenz des Torran wirkt wie Schrödingers Katze, solange man ihn nicht findet, existiert er in beiden Zuständen. Anne sucht nicht nur ihren Sohn, sondern auch die Antwort, warum der Sohn verschwunden ist. Sie ist geplagt von Selbstzweifeln, die vermutlich die meisten Mütter kennen. Habe ich meinen Sohn zu viel geliebt? Oder war es nie genug? Die Mutterschaft wird als Drahtseilakt dargestellt, das Glück als Gegenspieler zur Überforderung. Robert hingegen war zu
sehr mit seinem Beruf beschäftigt, um zu erkennen, welchen inneren Kampf seine Frau führte. Esther, die Cousine des Sohnes, versucht durch ihre Hilfe Wiedergutmachung zu erlangen. Sie hatte vor Jahren einen Artikel verfasst, der die Eltern zutiefst gekränkt hat. Esther sucht nach Vergebung und ihrem Platz in der Familie. So wird die Suche nach dem vermissten Sohn zu einer Selbstfindung und Befreiung auf verschiedenen Ebenen. Das magische und geheimnisvolle Indien bildet die Bühne für diesen Weg, der scheinbar ohne Ziel zu sein scheint. Spuren tauchen auf, verblassen wieder und wie ein ewiges Mantra reisen die Suchenden einem Schatten hinterher.
Das Buch der Autorin funktioniert hervorragend, da es sehr fein die psychologischen Nuancen der Figuren herausarbeitet. Man versteht den Zwiespalt der Mutter, fühlt mit. Aber ebenso lässt sich das Wesen der anderen Personen und ihre Gefühlswelt nachvollziehen. Wer hat sich noch nie selbst hinterfragt? Habe ich mein Kind richtig erzogen? Ist mein leben gut, so wie es ist? Und was bedeutet Glück für mich? Das Buch lässt einen nachdenken und grübeln, gibt vielleicht den einen oder anderen Anstoß, sich zu fragen, was ich will und ob ich weiß, was meine Nächsten wollen.
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