Unaufgeregter, nachdenklicher und poetischer Roman um Akzeptanz und Freundschaft
Buchinhalt:
Am Gartenzaun kommen die 14jährige Vica und ihre Nachbarin Toja in Kontakt. Beide verbindet nicht nur ihr Vorname – Victoria – sondern auch die Tatsache, schüchtern und introvertiert zu sein. Menschenmassen und laute Geräusche, viele einprasselnde Sinneseindrücke und das Stehen im Mittelpunkt ist für Vica eine immense Belastung, doch in ihrem Umfeld fühlt sie sich unverstanden. Erst im Garten der Nachbarin findet sie die Ruhe und den Fokus, den sie braucht – und eine verwandte Seele. Tojas unkonventionelle Art und der verwilderte, bunte Blumengarten helfen dem Mädchen, zu sich zu finden.....
Persönlicher Eindruck:
Zwischen unzähligen Blumen alles Facetten, bunten Tierskulpturen und schattigen Obstbäumen hat sich die Mittdreißigerin Tonja ein Paradies geschaffen. Eigentlich gehörte der Garten ihrer Freundin Wille, doch auch nach deren Tod leben Tonja und ihr Mitbewohner, den alle nur Bär nenne, auf dem unkonventionellen Grundstück. Eines Tages schaut ein Mädchen durch den Zaun: die 14jährige Vica, Tochter des neuen Nahcbarn, eines Augenarztes. Schnell erkennt Toja: Vica ist introvertiert und hochsensibel, eine verwandte Seele. In Vica sieht Toja sich als Kind wieder und von da an nimmt sie das unglückliche Mädchen unter ihre Fittiche.
Die Erzählung lebt von ihrem poetischen Sprachstil, der bildhaften und blumigen Ausdrucksweise, die gleichsam den vielen bunten Blumen in Tojas Garten einen bunten Teppich in die Vorstellung des Lesers webt. Denn in Tojas Garten scheint es wirklich alles zu geben, was einen Ziergarten ausmacht. Toja fühlt sich zu dem Nachbarsmädchen hingezogen und will das weitergeben, was einst die verstorbene Wille an ihr in jungen Jahren tat: ihr einen Zufluchtsort zu geben vor den Erwartungen des Umfeldes, der Mitschüler und letztendlich des eigenen Vaters, die Vica von ihrem Wesen her einfach nicht erfüllen kann.
Die Geschichte plätschert unaufgeregt dahin, viel Spannungselemente gibt es nicht. Es ist die Erzählung eines Sommers, des Alltages einer ungewöhnlichen Freundschaft über Generationengrenzen hinweg.
Die handelnden Personen sind tiefgängig und mit Profil angelegt, besonders gefiel mir Tojas Mitbewohner, den alle Bär nennen und der von Statur und Beschreibung alles andere ist als ein Bär. Dennoch bildet er den ruhigen Pol und guten Freund für Toja wie für Vica gleichermaßen.
Als gegensätzliche Figur bringt Autorin Koelle-Wolken Vicas Vater, einen renommierten Augenchirurgen, der zunächst mit Tojas Art nichts anzufangen weiß, sich aber Stück für Stück auf das einlässt, was Toja und Bär im vorleben. Nach und nach findet er Zugang zu seiner Tochter und erkennt, dass viel Potential in Vica steckt, sie aber nie so wein wird, wie andere Gleichaltrige. Im Laufe der Handlung macht das allerdings immer weniger aus und Vica wächst immer mehr über sich hinaus.
Was ist vermisst habe in dem ganzen Bullerbü-Land des Zufluchtsgartens und der Akzeptanzblase, in der sich Vica schnell befindet, ist die Tatsache, dass niemand aus Vicas Umfeld darüber nachdenkt, dass Vica trotz aller Freundschaft Hilfe braucht. Hilfe, die ihr das Leben außerhalb ihres Zufluchtsortes ermöglicht – denn das Leben ist nun mal rau und kein Ponyhof. Gerade ihr Wechsel in eine Parallelklasse, weil die Lehrerin dort ach so verständnisvoll ist und Vica sein lässt, wie sie ist, war für mich nicht nachvollziehbar und ging an der Realität vorbei. Die Realität heißt Lehrplan und auch wenn eine Schülerin hochsensibel und introvertiert ist, wird keine Schule der Schülerin eine Extrawurst braten. Insofern gebe ich der ersten Lehrerin recht: Vica muss sich durchbeißen und gegebenenfalls professionelle Hilfe erhalten. So wie hier in der Geschichte ist die Realität leider nicht.
Alles in allem hat mir die Geschichte gut gefallen, wobei sie auch relativ melancholisch daherkommt und eine depressive Grundstimmung beim Leser nicht auszuschließen sein wird.