Björk: Vulnicura auf 2 LPs

Wie ein Phönix aus der Beziehungs-Asche: Björks »Vulnicura«

Mit ihrem achten Album »Vulnicura« besinnt sich Björk wieder ganz auf die Musik. Die Musik ist der ursprüngliche und wesentliche Teil des ›Gesamtkunstwerks‹ Björk und der von ihr geschaffenen Figuren. Diese Rückbesinnung auf die Kraft der Musik war bitter nötig: Nach vielen gemeinsamen Jahren zerbrach ihre Beziehung zu Matthew Barney. Zurück blieb die echte und menschliche Björk jenseits der Kunstfigur(en).

Mit dem Ende einer Beziehung stellt man sich unfreiwillig selbst in Frage und definiert nach einer Zeit der Trauer sein neues Ich. Björk beschreibt diese Phasen auf »Vulnicura« in einem kunstvollen Triptychon: die Zeit kurz vor Ende der Beziehung, die Zeit danach und die Aspekte des neu gewonnenen Ichs. So wie das Album Björk neue Kraft gegeben hat, geht der Hörer gestärkt aus dem Erlebnis hervor.

Schon vorab war das Interesse am neuen Album von Björk groß: »Vulnicura« wurde auf Listen der einschlägigen Musikmagazine als eine der wichtigsten Neuerscheinungen 2015 angekündigt. Björk hatte die Veröffentlichung im März 2015 gut geplant. Das Album sollte anlässlich der Ausstellung über Björk im Museum of Modern Art in New York und zeitgleich mit ihrem Buch »Björk: Archives« auf den Markt kommen.

Björk veröffentlichte »Vulnicura« dann jedoch früher als geplant in digitaler Form im Januar 2015. Wie Madonna war sie Opfer einer illegalen Vorabveröffentlichung im Internet geworden. Dass sie diesen ›Leak‹ nicht kommentierte und stattdessen sehr schnell mit der digitalen Veröffentlichung reagierte, nahmen ihre Fans und die Öffentlichkeit positiv und begeistert auf.

Auf »Vulnicura« bietet Björk einen direkten Einblick in ihr Seelenleben – die Texte sind weniger kunstvoll bzw. weniger in ein großes künstlerisches Gesamtkonzept integriert. Björk vertont sie dennoch auf ausgeklügelte Weise. Besonders in die 15-stimmigen Streicherarrangements legte sie viel Sorgfalt, denn sich in eine Violine hineinzudenken half ihr besonders gut über das Liebesleid hinweg. Zu den Streichern kommen elektronische Beats hinzu, für die Co-Produzent Arca hauptverantwortlich zeichnete. Björk hat das Album mit ihm und The Haxan Cloak produziert.

Zum Klang von »Vulnicura« trägt auch Björks veränderter Umgang mit ihrer Stimme bei. Sie singt sehr viel sanfter, als wir es kennen, als wolle sie mit dem persönlichsten aller Instrumente, ihrer Stimme, gerade im Trennungsschmerz besonders liebevoll umgehen.

Der verlorenen Liebe zum Trotz schenkt Björk sich und uns mit »Vulnicura« eines ihrer schönsten Alben seit langem: pures Gefühl – Björk in Reinform.