4 von 5
Riccardo Berg
16. April 2022
Ein Album voller Schönheit und Reife
Brahem verstand sich immer als musikalischer Grenzgänger, wollte trotz zunehmender Liebäugelei mit dem Jazz nie als reiner Jazz-Musiker verstanden werden. Das ist er auch heute noch nicht und seine Abneigung gegen zu allzuviel Improvisation macht das Zusammenspiel mit den Großen des Jazz sicher auch nicht immer einfach.
Und zu seinem 60. Geburtstag spielte er 2017 gleich mit zwei ganz Großen des modalen Jazz eine neue Platte ein. Neben dem Pianisten Django Bates holte er sich den Briten Dave Holland am Bass und den Schlagzeuger Jack DeJohnette, die beide schon mit den Allergrößten, wie Miles Davis oder Bill Evans, gespielt haben. Beide, groß geworden in der Post-Bop-Ära, in der Improvistion und Spontanität der prägende Stil im Jazz wurden, mussten sich hier zurücknehmen, strengen Vorgaben folgen. Herausgekommen ist deshalb aber beileibe kein lebloses Album, ganz im Gegenteil. Gerade das enge Korsett, dass ihnen Brahem auferlegt hat, bringt eine faszinierende stilistische Strenge mit sich, die das teils stringent grazile, teils ausufernd arabeske, immer aber äußerst lyrische Spiel von Brahems Oud zwar in gewisser Weise kontakariert, aber eine in ihrer umrahmenden Perfektion großartige Einheit bildet, an der man sich nur schwer satthören kann. Einen großen Anteil daran trägt sicher auch der in Fusion-Projekten erfahrene Eicher als Produzent. Jeder Titel strahl die Faszination des Neuen aus, wie eine Entdeckungsreise weit abseits ausgelatschten Weltmusikkitsches. Hier wird auf höchstem Niveau ein Culture-Clash produziert, der in seinem Ergebnis vor allem die Gemeinsamkeiten feiert, ohne die Faszination für kulturelle Eigenheiten zu verschleiern. Gegensätze ziehen sich an, entpuppen sich letztlich auch gar nicht als Gegensätze, sondern als harmonisches Neben- und Miteinander. Hier hat man ein Album voller Schönheit und Perfektion mit genau dem richtigen Maß an spielerischer Freiheit innerhalb eines durchdachten Konzepts.
Das alles wurde äußerst audiophil und stimmig abgemischt, satte tiefe Bässe und saubere Höhen, die Musik verteilt sich weit im Raum und jedes Instrument ist separat ortbar. Man bekommt ein echtes Mittendringefühl. Die Qualität der LPs ist hingegen durchwachsen. Absolut plan und schwer liegen sie auf, aber ohne vorheriges Waschen hat man dank der Press-Residuen jede Menge störende Hintergrundgeräusche und Knackser. Das Waschen bringt zwar Abhilfe, aber kann ja aber nicht der Standard sein, vor allem für ECM, die Wert auf höchste Qualität legen!
Alles in allem aber eine der schönsten Platten, die in letzter Zeit ihren Weg auf meinen Plattenteller gefunden haben.