Paul Motian: On Broadway Vol. 4 auf CD
On Broadway Vol. 4
Herkömmliche CD, die mit allen CD-Playern und Computerlaufwerken, aber auch mit den meisten SACD- oder Multiplayern abspielbar ist.
(soweit verfügbar beim Lieferanten)
- Label:
- Winter & Winter
- Aufnahmejahr ca.:
- 2005
- Artikelnummer:
- 9826650
- UPC/EAN:
- 0025091012527
- Erscheinungstermin:
- 21.6.2006
Masabumi Kikuchi
Paul Motian feiert seinen 75. Geburtstag. In vielen Interviews wird der New Yorker Drummer armenisch-türkischer Abstammung immer wieder nach Anekdoten zu Bill Evans, Paul Bley und Keith Jarrett gefragt, sein Werdegang erregt Aufmerksamkeit, da er als einer der wenigen noch lebenden Musiker auch auf Erfahrungen mit Lennie Tristano, Tony Scott und Coleman Hawkins zurückblicken kann, in seiner Jugend sogar mit Billie Holiday und Thelonious Monk aufgetreten ist und beim legendären Woodstock Festival mit Arlo Guthrie gespielt hat.
Die Liste der großen Stars mit denen Motian zusammengearbeitet hat, ist seitenfüllend; seit einigen Jahren liest er seine fast penibel geführten Jahreskalender, wo alle Auftritte, Gagen und Reiseberichte vermerkt sind, um sich zu erinnern und seine Autobiographie zu verfassen.
Erst im Jahr 1972 nimmt der damals 41-jährige Paul Motian sein Debütalbum unter eigenem Namen auf (»Concecption Vessel« mit Keith Jarrett, Charlie Haden, Leroy Jenkins, Sam Brown und Becky Friend). Manfred Eicher von ECM gibt dem »Sideman« die Chance seine eigenen musikalischen Konzepte zu verwirklichen. Möglicherweise verleitet dieser späte Beginn, Aufnahmen in eigener Regie gestalten und umsetzen zu können, zu der weit verbreiteten Ansicht, Motian auch weiterhin hauptsächlich nur als wichtigen Begleitmusiker zu sehen. Weitere Motian Produktionen und beinahe unzählige Konzertreisen und Aufnahmen mit Keith Jarrett, Charles Lloyd und Charlie Hadens »Liberation Music Ensemble« folgen, doch Motian entwickelt fast unbemerkt über die Jahre hinweg sein erstes eigenes Trio mit Bill Frisell an der Gitarre und Joe Lovano am Saxophon. Mitte der 80er Jahre beginnt Motian mit der neugegründeten Musikedition JMT Production zusammenzuarbeiten.
Im Unterschied zu den bis zu diesem Zeitpunkt veröffentlichten Produktionen, entstehen nun erste Konzeptalben. Den Anfang macht »Monk in Motian«, eingespielt mit seinem Trio und den Gastmusikern Geri Allen am Piano und Dewey Redman am Tenorsaxophon. Es folgen »Bill Evans«, aufgenommen ohne Pianist mit dem Paul Motian Trio und dem Gastbassisten Marc Johnson. Winter & Winter, gegründet Ende 1995, übernimmt und veröffentlicht alle JMT Produktionen und führt die begonnenen Arbeiten kontinuierlich weiter. In den 90er Jahren stellt Motian seine neue Gruppe »The Electric Bebop Band« vor und interpretiert Jazzkompositionen von »Monk and Powell«. Die wichtige dritte Gruppe von Paul Motian, »Tethered Moon«, mit Masabumi Kikuchi am Piano und Gary Peacock am Bass widmet sich »Kurt Weill«, spielt »Chansons d'Édith Piaf« und »Experiencing Tosca«. Alben mit eigenen Kompositionen und Live-Produktionen aus Tokio, aufgenommen zu seinem 60. Geburtstag, und dem Village Vanguard vervollständigen das Bild von Paul Motian.
Unter all diesen Werken gibt es eine ganz besondere Reihe »Paul Motian On Broadway«. Im Jahr 2006 zu seinem 75. Geburtstag kehrt Motian zum Broadway zurück und stellt Paul Motian mit »On Broadway Vol. 4 or the paradox of continuity« mit seiner Formation Trio 2000 + One mit Chris Potter am Saxophon, Larry Grenadier am Bass, der Sängerin Rebecca Martin und Masabumi Kikuchi am Piano vor.
Schon seit Paul Motians Kindertagen liefern die Hits des Broadway die Themen und Harmonien für die Variationen der Jazzmusiker. Jerome Kern, Harold Arlen, George Gershwin und Richard Rodgers haben sicher nicht erahnen können, dass sie zum Werk Diabellis des 20. Jahrhunderts werden. Die große Kunst der Variation und Improvisation ist die große Kunst Paul Motians, er löst Themen, Rhythmen und Harmonien auf, reduziert, entfremdet und schafft Neues, was dem Innersten des Ursprungs so nahe kommt, dass unerahnte Seiten dieser Schlager aufgedeckt werden. Motian ist jedoch kein Regisseur, der die Spieler inszeniert, um seine Musik zu schaffen, er dirigiert nicht, sondern bereitet das Umfeld, damit sich die individuellen Kräfte seiner Musiker ungehindert entwickeln können.
Mit sicherem Gespür wählt er noch unbekannte, junge Musiker wie einst Bill Frisell, Joe Lovano, Brad Schoeppach, Kurt Rosenwinkel oder Chris Potter, bringt sie zusammen mit engen Vertrauten wie Gary Peacock, Charlie Haden, Masabumi Kikuchi, Lee Konitz oder Dewey Redman, und findet Repertoire, das wie speziell für diese Ensembles komponiert zu sein scheint. Seine eigenen Kompositionen oder die Texte von Kurt Weill, Harold Arlen, Giacomo Puccini oder Thelonious Monk sind die Themen für seine Variationen. Jede einzelne Aufnahme trägt die persönliche, unverkennbare Handschrift von Paul Motian, obwohl Repertoire und Besetzung oft nicht unterschiedlicher sein können. Paul Motians Arrangements und Anweisungen bestehen manchmal nur aus dem Hinweis, die Struktur eines Liedes zu vergessen und den Text zu verinnerlichen. Seine Kunst, Trommeln, Snare und Becken zu spielen, kommt aus der innersten Überzeugung, der Musik mit seinem ganzen Wesen zu dienen und sie zu erfüllen. Jeder Ton hat seine Bestimmung und Bedeutung, mit unsichtbarer Hand leitet er das Geschehen, hört zu und setzt Impulse, manchmal auch ohne eine Trommel oder ein Becken zu berühren.
Für »Paul Motian on Broadway Vol. 4« hat Paul Motian sein Trio 2000 + One mit Chris Potter und Larry Grenadier eingeladen, abwechselnd wird die Gruppe um eine weitere Stimme zum Quartett erweitert. Masabumi Kikuchi, der schon mit Miles Davis gespielt hat, eröffnet das Album mit James Van Heusens »The Last Dance«, als Besonderheit folgen im Mittelteil zwei ganz unterschiedliche Variationen von Jay Livingstons »Never Let Me Go«, dann Harold Arlens »Last Night When We Were Young« und »I Loves You Porgy« von George Gershwin. Rebecca Martin, die erste Sängerin, die bei »On Broadway« mitwirkt, singt in einer ganz perönlichen, intimen Art »Tea For Two«, »In A Shanty In Old Shanty Town«, »Folks Who Live On The Hill«, »Everything Happens To Me«, »Born To Be Blue«, »Brother Can You Spare A Dime«, »You're Getting To Be A Habit With Me« und »How Long Has This Been Going On«. Diese Melodien und Texte werden zu ihrem eigenen Vokabular, Bass, Saxophon und Schlagzeug sind ihr Orchester.
Manche Stücke, die man glaubt zu kennen, wie »Tea For Two« oder »Folks Who Live On The Hill« entfalten verborgen neue Facetten. Mit »On Boradway Vol. 4« schafft Paul Motian ein einzigartiges, für viele unerwartetets Werk, und da der nun 75-jährige Musiker aus gesundheitlichen Gründen keine Tourneen mehr unternehmen wird, ist dieses Album auch aus diesem Grund ein außergewöhnlich wertvolles Geburtstagsgeschenk. - Stefan Winter
Rezensionen
S. Thielmann in stereoplay 8/06: »Sensationell frische Bonbons grandios serviert.«W. Stiefele in Audio 8/06: »Die fünf bauen ein wie Spinn- weben im Morgenwind wehendes Geflecht aus freien Einfällen und Themen-Bruchstücken, das der Tontechniker Adrian von Ripka filigran einfing. Und Martin singt so cool, als könne sie nichts erschüttern.«
Disk 1 von 1 (CD)
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1 The Last Dance
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2 Tea For Two
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3 In A Shanty In Old Shanty Town
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4 Never Let Me Go
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5 Never Let Me Go
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6 Folks Who Live On The Hill
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7 Everything Happens To Me
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8 Last Night When We Were Young
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9 Born To Be Blue
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10 Brother Can You Spare Me A Dime
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11 I Loves You, Porgy
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12 You're Getting To Be A Habit With Me
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13 How Long Has This Been Going On
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