Inhalt Einstellungen Privatsphäre
jpc.de – Leidenschaft für Musik Startseite jpc.de – Leidenschaft für Musik Startseite
  • Portofrei ab 20 Euro
  • Portofrei bestellen ab 20 Euro
  • Portofrei innerhalb Deutschlands Vinyl und Bücher und alles ab 20 Euro
0
EUR
00,00*
Warenkorb EUR 00,00 *
Anmelden
Konto anlegen
    Erweiterte Suche
    Anmelden Konto anlegen
    1. Startseite
    2. Alle Rezensionen von Magnolia bei jpc.de

    Magnolia

    Aktiv seit: 05. November 2023
    "Hilfreich"-Bewertungen: 10
    215 Rezensionen
    Der Wind kennt meinen Namen Isabel Allende
    Der Wind kennt meinen Namen (Buch)
    15.04.2024

    Eindrucksvoll erzählt

    Die Nachrichten und die herzzerreißenden Bilder von Flüchtlingskindern, die in den USA von ihren Eltern getrennt werden, sind noch sehr präsent. Dieser Thematik hat sich Isabel Allende in ihrem neuesten Roman „Der Wind kennt meinen Namen“ angenommen. Stellvertretend für die vielen Einzelschicksale erzählt sie von der siebenjährigen Anita Díaz, die mit ihrer Mutter von El Salvador in die USA flieht. An der Grenze wird sie von ihrer Mutter getrennt und in ein Lager gesteckt. Alles, was ihr bleibt, sind eine Stoffpuppe und ihre ganz eigene Fantasiewelt Azabahar - ein sehr weit entfernter Stern, ihr Zufluchtsort.
    Isabel Allende prangert die Grenzpolitik der USA an, sogar Babys werden den Müttern entrissen, eine spätere Familienzusammenführung scheitert oftmals. Zurück bleiben traumatisierte Kinder und verzweifelte Eltern. Aber nicht nur hier, an allen Ecken und Enden drängt sich vermehrt der Eindruck auf, dass die Welt mehr und mehr aus den Fugen gerät. Die Nazizeit ist ein weiteres Beispiel, wie eiskalt mit denen umgesprungen wird, die auf Hilfe hoffen, die lediglich leben wollen.
    Der Roman beginnt in Wien im Jahre 1938. Die Zeit ist eine ganz andere und doch ist es auch hier ein Kind - der sechsjährige Jude Samuel Adler – dessen Schicksal durch die Nationalsozialisten eine traurige Wendung nimmt. Sein Vater verschwindet spurlos nach der Pogromnacht, seine Mutter schickt ihn mit einem Kindertransport nach England. Er wird durch etliche Familien gereicht und landet in einem Heim. Halt geben ihm schließlich das Ehepaar Evans und seine Musik. Nach Kriegsende, als Zwölfjähriger, hofft er auf ein Wiedersehen mit seinen jüdischen Eltern.
    Und dann gibt es in all dem Elend auch die anderen, diejenigen, die ganz uneigennützig helfen. Die Sozialarbeiterin Selena ist eine davon und sie findet in einem Anwalt Unterstützung für ihr Projekt „Magnolia“. Sie setzen sich dafür ein, dass Anita in den USA bleiben kann und machen sich auf die Suche nach ihrer Mutter.
    Anhand der Kinderschicksale bekommt man einen Einblick in die verzweifelten Familien. Immer wieder verschwinden Menschen, die Kriminalität in Mexiko etwa wird durch gewalttätige Banden verschärft, nicht nur die Berichte um das Massaker von El Mozote gingen um die Welt.
    Einmal mehr bin ich von Isabel Allende und ihren so eindringlich erzählten Geschichten, die stets auf wahren Begebenheiten beruhen, überwältigt. Flucht und die damit einhergehende Hoffnungslosigkeit, verbunden mit einem lebenslangen Trauma, ist Thema. Und doch gibt es ein Leben danach, geprägt von Hoffnung, Freundschaft und Liebe. Die Charaktere hier sind allesamt überzeugend und lebensnah gezeichnet, wobei mir die kleine Anita, gefolgt vom jungen Samuel, besonders nahe waren. Aber nicht nur sie, auch Selena mit ihrer uneigennützigen Hilfsbereitschaft gibt Anlass, den Glauben an das Gute nicht zu verlieren. Allendes Erzählton ist stets leise und kommt doch gewaltig daher, ihr neuestes Werk bleibt im Gedächtnis, die Thematik um die Flüchtlingspolitik ist leider zu präsent. „Der Wind kennt meinen Namen“ ist ein Buch, das gelesen werden will, gelesen werden soll.
    Das Schweigen des Wassers Susanne Tägder
    Das Schweigen des Wassers (Buch)
    14.04.2024

    Eine Mauer des Schweigens

    Susanne Tägder hat sich für ihren ersten Kriminalroman von einem wahren Fall inspirieren lassen. Neben der fein austarierten Geschichte spielt auch das Politische durchaus eine Rolle.
    Arno Groth, der einst in den Westen ging, wird Anfang der Neunziger Jahre als Aufbauhelfer Ost in seine ehemalige Heimat geschickt. Dort begegnet er dem Bootsverleiher Siegmar Eck, dessen Leiche kurz danach im nahegelegenen See gefunden wird. Groths Kollegen gehen von einem Unfall aus, er jedoch gräbt tiefer, er sieht einen Zusammenhang zu einem früheren Mordfall, der nie aufgeklärt wurde.
    Groth ist ein Kommissar, dem man gerne folgt. Er ist ein Typ, hat Ecken und Kanten, lässt sich nicht verbiegen. Er weiß, dass er richtig liegt und doch stößt er auf eine Mauer des Schweigens. Eck wurde damals beschuldigt, ein Mädchen ermordet zu haben, wurde aber nie verurteilt. Groth steht ziemlich alleine da, seine Ost-Kollegen sehen ihn und seine Aufgabe, sie an die westliche Arbeitsweise heranzuführen, grundsätzlich eher kritisch. In Gerstacker findet er dann doch einen Kollegen, auf den er sich verlassen kann.
    Es ist nicht nur ein Kriminalfall, der gelöst werden will, es ist auch eine Ost-West-Geschichte, ein Zusammenfinden. Es ist ein eher leiser Krimi, der die Charaktere gut beschreibt. Dieser ungelöste Fall zu DDR-Zeiten lässt Groth nicht los und auch wenn es dauern mag, er lässt nicht locker.
    Das Hörbuch, das mir Oliver Dupont mit seiner ausdrucksstarken Stimme vorgetragen hat, war für mich die perfekte Art, in diese Geschichte, in diesen Landstrich kurz nach der Wende direkt einzutauchen. Er hat die Stimmung dieser Zeit gekonnt eingefangen.
    Der eher ruhige Krimi bedarf keiner actionreicher Szenen, die Aufklärung schreitet voran, die einzelnen Sequenzen verbinden sich letztendlich miteinander. Ein vielschichtiger Krimi, der auch die Stimmung um die Wende gut einfängt.
    Die Zeit der Kinder Lena Riess
    Die Zeit der Kinder (Buch)
    13.04.2024

    Friedrich Fröbel und die frühkindliche Förderung

    Der Kindergarten ist heute eine Selbstverständlichkeit, die frühkindliche Förderung gilt als Grundstein eines frei denkenden, selbständigen und verantwortungsvollen Menschen. Der Begriff „Kindergarten“ ist in vielen Ländern nicht in die Landessprache übersetzt, er ist unverändert übernommen worden.
    „Die Zeit der Kinder“ widmet sich der Fröbelpädagogik mit dem Ziel, jedem Kind eine allumfassende Bildung zu gewährleisten und es optimal in seiner Entwicklung zu fördern. Fröbels Anfänge, seine Spielgaben - wie er die von ihm entwickelten und aus verschiedenen Materialien hergestellten Kugeln, Walzen, Würfel und noch so einiges mehr genannt hat - waren zum spielerischen Lernen ideal. Damit konnten die Kinder ihrer Fantasie und ihrem Schöpfungsgeist freien Lauf lassen. Kinder sollten spielerisch ihre Welt begreifen und diese für sich entdecken. Ein ganzheitlicher Ansatz, der alles um sich herum beinhaltet. Dieser Gedanke des Kindergartens unterscheidet sich in Gänze von den damals üblichen Bewahranstalten, die Kinder bei der geringsten Verfehlung aufs Schärfste bestraften. Im 19. Jahrhundert war man überzeugt, dass man von Kindern nichts hören und nichts sehen sollte.
    Es sind mehrere Erzählstränge, einer davon handelt von Luise Levin, die im Hause ihres Schwagers mit ansehen muss, wie ihre Neffen geschlagen werden. Als sie von Friedrich Fröbel und seinen freien Erziehungsmethoden erfährt, bewirbt sie sich als Haushälterin. Auch Mariekes Weg verfolge ich gespannt, sie ist im Hamburger Gängeviertel zuhause und verdingt sich in einer von Ordensschwestern geführten Bewahranstalt. Hier herrscht das Prinzip von Zucht und Ordnung, die hier verwahrten Kinder haben nicht aufzumucken, die Peitsche gehört zum Alltag. Zwischendurch erfahre ich vom kleinen Friedrich, der seinem gestrengen Vater und der Stiefmutter, die ihn schon mal einen Teufelsbraten nennt, alles recht machen will und doch eher gehasst denn gemocht wird. Er ist es, der später dann das pädagogische Konzept des Kindergartens entwickelt.
    Lena Riess hat sich dieser Thematik angenommen, sie hat die damalige Zeit um die Kindererziehung gut umrissen, sie hat die Denkweise anno dazumal anschaulich dargeboten. Den überwiegend historischen hat sie einige fiktive Personen dazugesellt, wie etwa Mareike. Durch sie habe ich einen tiefen Einblick in diese damals durchaus üblichen Bewahranstalten erhalten, deren Kinderbild und die daraus resultierende Züchtigung aus heutiger Sicht regelrecht grausam und so gar nicht nachvollziehbar scheint. Friedrich Fröbel war einer der Vorreiter der modernen Kinderförderung und mit ihm auch Luise. Sie hatten immer wieder mit Widerständen bis hin zum Verbot zu kämpfen und auch wenn ihr Engagement manches Mal aussichtslos schien, so war jeder Strohhalm, an den sie sich klammern konnten, mitunter hilfreich. Auf unterhaltsame Weise hat die Autorin historisch belegte Fakten mit Fiktivem angereichert. Man spürt ihren unermüdlichen Einsatz für ihre Sache, es ist ein eindrucksvolles, gut lesbares und sehr informatives Bild rund um die Entstehung des Kindergartens entstanden.
    Gefährlicher Sog Sabine Weiß
    Gefährlicher Sog (Buch)
    09.04.2024

    Ein durch und durch undurchschaubarer Mordfall

    Liv Lammers ermittelt wieder. Und diesmal ist nicht nur der Fall komplex und auf den ersten Blick ziemlich verworren, auch mischt Livs Tochter- ohne es zu wollen - kräftig mit.
    Die Gestalt im Schleppnetz – ein Mensch? Das Anfangsszenario lässt Bilder im Kopf entstehen, die während des Weiterlesens immer mal wieder hervorblitzen, die aber bis zum Schluss nicht zu deuten sind. Mit der männlichen Leiche, die später dann an Land gespült und mit 23 Messerstichen aufgefunden wird, scheint diese Gestalt nichts zu tun zu haben. Bald wird klar, dass es sich bei dem Toten um Timur Roters handelt. Er leitet eine Jugendwohngruppe, zum Team gehören seine Frau Merret und Bernd Beversen, der im Gegensatz zu dem Ehepaar Roters nicht auf dem Hof mit den Jugendlichen wohnt. Die Jungen und Mädchen gelten als schwer erziehbar, sie kommen aus schwierigen Verhältnissen. Vivien, Raffa, Nico, Idris, Alicia und auch Elaine, Timur und Merrets Tochter, leben hier. Nicht jeder kann seine Emotionen unterdrücken, so mancher rastet ziemlich schnell aus. Andere sind sehr empfindsam, ihre Gefühle fahren Achterbahn. Drogen, Tablettensucht, Alkohol, Brandstiftung und noch so einiges mehr sind ihnen nicht unbekannt.
    Liv hätte sich auf ein paar Tage mit Sanna, ihrer Tochter, gefreut. Nun aber hat sie Timurs Tod zusammen mit ihrem Kollegen Andreas Bork, der die Ermittlung leitet, aufzuklären. Andreas ist ziemlich daneben, schon die Anfahrt gleicht einer Höllenfahrt. Er lässt den Macho raushängen, er ist so gar nicht teamfähig. Und Sanna arbeitet für We – Jugendliche helfen Jugendlichen, sie ist hier voll engagiert und mit einem der Mädchen befreundet. Liv weiß davon nichts, denn dieser Kontakt kann für sie und die Ermittlungen ernsthafte Folgen haben.
    Verdächtige gibt es so einige, allen voran ist es einer, der mit Merret wohl mehr als befreundet ist, auch ist ein Nachbar nicht gut auf die Jugendgruppe zu sprechen. Auch unter den Jugendlichen macht sich so mancher verdächtig, direkt zu fassen ist jedoch keiner.
    Sabine Weiss kenne und schätze ich sowohl als Krimiautorin als auch als Verfasserin vieler historischer Romane. Ihr Name bürgt für stets gut recherchierte, zudem sehr unterhaltsame Bücher. Und natürlich hat es mir Liv Lammers angetan, denn um sie geht es hier. „Gefährlicher Sog“ ist der mittlerweile achte, in sich abgeschlossene Fall, in dem sie auf Sylt ermittelt. Kaum angefangen, bin ich mittendrin am Raten, die Spannung ist sofort da. Die Charaktere sind gut beschrieben, sie sind nahbar, andere kaum zu greifen. „Er durfte nicht zulassen, dass seine Verfehlungen ans Licht kommen.“ Die kurzen Einflechtungen dazwischen lassen viel Raum zum spekulieren, sie sind so mysteriös wie unerklärlich.
    „Gefährlicher Sog“ hat alles, war ein Krimi braucht. Ein undurchsichtiger Todesfall, in dem es daneben um Kinder- und Jugendgewalt und der damit einhergehenden Strafmündigkeit geht. Schon überzeichnet, aber dennoch fesselnd, dramatisch und auch gefährlich. Das Cover zeigt eine Düsternis, eine stürmische See, die auf diesen Sylt-Krimi bestens einstimmt.
    Die Dämmerung Marc Raabe
    Die Dämmerung (Buch)
    09.04.2024

    Art Mayer zum Zweiten. Besser denn je.

    Sophie ist auf der Jagd, als ihr ein Wildschwein samt Frischlingen beinah zum Verhängnis wird. In letzter Sekunde kann sie sich auf einen Baum retten, von dem sie sich erst sehr viel später herunter wagt. In der Dämmerung sieht sie dann etwas Bedrohliches, sie schießt, entdeckt kurz danach einen Baum, an dem eine Gestalt – halb Mensch, halb Tier – hervorzutreten scheint. Dieses an den Baum gefesselte Wesen trägt auf dem Kopf ein Geweih, ist von Wild angefressen, der Anblick kaum auszuhalten. Art Mayer wird an den Auffindeort gerufen, seine hochschwangere Kollegin Nele Tschaikowski ist ebenfalls unterwegs.
    Charlotte Tempel ist die Tote vom Königswald, sie ist für den Hirschpreis, einen wichtigen Medienpreis, nominiert. Leo, ihre Tochter, scheint der Tod der Mutter nicht unbedingt nahe zu gehen, sie ist unberechenbar, ist rebellisch, sie gerät unter Verdacht. Art will dies nicht so recht glauben, er gräbt tiefer und wie es nun mal seine Art ist, bringen ihn seine Alleingänge in so mach brenzlige Situation. Als eine zweite Tote – ähnlich arrangiert und auch aus dem Kreis der Nominierten - gefunden wird, gehen sie von einem Serientäter aus und als dann auch noch ein Tonband auftaucht, ist Art ziemlich schnell klar, dass dessen Inhalt mit den Morden in irgendeinem Zusammenhang steht.
    „Die Dämmerung“ beginnt mit der Auffindung der ersten Leiche. Danach geht es zwei Wochen zurück, Leo ist im Haus ihrer Mutter, sie springt in den Pool mit Glasboden, der Blick geht direkt darunter in Charlottes weitläufigen Wohnbereich. Leo lehnt nicht nur den Lebensstil ihrer Mutter ab, sie provoziert, ist bei den Klimaaktivisten aktiv dabei, sie begeht so manche Straftat. Dies alles spricht für sie als Täterin, zumal sie sich auch den Ermittlern gegenüber ziemlich auffällig verhält und dann ganz verschwindet.
    Art und auch Nele, die nach der Geburt ihres Kindes weiter arbeiten will, dies jedoch ihrem Partner erst noch vermitteln muss, sind ganz in diese aufreibenden Ermittlungen involviert. Ermittlungen, die ihnen physisch und psychisch alles abverlangen. Zudem läuft ihnen die Zeit davon, der Serientäter kann jeden Moment wieder zuschlagen. Auch bei Art läuft privat nicht alles rund, er hat nicht nur mit seiner Vergangenheit zu kämpfen, auch die kleine Milla, die seit dem Verschwinden ihrer Mutter bei ihrer dementen Oma lebt, macht ihm Sorgen.
    Marc Raabe versteht es bestens, sofort Spannung aufzubauen und diese dann bis zum Schluss zu halten. Denn auch wenn man meint, der Fall sei gelöst, so ist das beileibe nicht so. Erst der Showdown rückt alles ins richtige Licht, das Warum ist ganz schön abgefahren. Und ja, auch das Cover passt perfekt zur Story, sowohl der Hirsch samt Geweih als auch das Grüne, denn im Wald wird Charlottes Leiche entdeckt. Ein Thriller vom Feinsten, ich kann ihn wärmsten empfehlen.
    Das andere Tal Scott Alexander Howard
    Das andere Tal (Buch)
    07.04.2024

    Phantastisches Szenario

    Odile Ozanne lebt mit ihrer Mutter in einem Tal, das mit Stacheldraht und Wachtürmen gesichert ist. Im Nachbartal im Osten leben dieselben Bewohner, jedoch zwanzig Jahre später und im Westen leben sie zwanzig Jahre zuvor. Die Stadt und das Tal, in dem Odile lebt, gleichen exakt den Städten und Nachbartälern Ost und West.

    Die Frage drängt sich auf: Was wäre, wenn ich noch einmal von vorne anfangen, zwanzig Jahre zurückgehen oder ich in die Zukunft schauen könnte, ich wissen möchte, wie ich in zwanzig Jahren lebe? Scott Alexander Howard hat sich diesen Fragen gestellt.

    Die sechzehnjährige Odile steckt mitten in den Prüfungen. Nur die Besten schaffen es, für das Conseil zu arbeiten. Die Conseiller sind die Bewahrer des Lebens, sie bearbeiten die Anträge der Menschen mit dem Wunsch, in das Tal der Vergangenheit oder in das andere Tal, in das der Zukunft, reisen zu dürfen. Die Täler sind mit meterhohem Stacheldraht geschützt, schon ein Anfassen löst aggressiven Alarm aus, was den sofortigen Einsatz der Gendarmen zur Folge hat. Noch weiß die Sechzehnjährige nichts von diesem Grenzschutz, sie verbringt ihre freie Zeit mit ihren Freunden, der schüchterne Edme ist ihr besonders nah. Bis eines Tages ein Unglück geschieht.

    „Es war seltsam, ausgerechnet heute an Edme erinnert zu werden. Es war das Jahr, in dem ich sechsunddreißig und sechsundfünfzig und sechzehn wurde.“

    Könnte man das Leben anhalten, auf die andere Seite gehen, es nochmal von vorne anfangen? Die Vorstellung ist so hoffnungsvoll wie gruselig. Kann man im Nachhinein Dinge beeinflussen? Ein Ereignis ungeschehen machen? Gar dem Schicksal ins Handwerk pfuschen? Dieses Gedankenspiel rund um Zeiten und Zeitreisen ist faszinierend, trotzdem ist es schwer zu fassen. Ein unbedachter Augenblick und nichts ist mehr so, wie es war, wie es sein sollte. Da wäre es doch wunderbar, das Rad der Zeit zurückzudrehen und diesen einen Moment neu zu leben, anders zu agieren.

    „Das andere Tal“ ist kein Buch zum Nebenbeilesen. Nein, auf dieses Buch sollte man sich einlassen. Es ist in zwei Teile gegliedert, zunächst ist es die sechzehnjährige Odile mitsamt ihrem Umfeld, später dann ist sie als Erwachsene im Arbeitsleben, das ausführlich durchleuchtet und durchlebt wird. Beide Teile offenbaren eine Welt, in der die Bewohner gut leben können, die aber von Zwängen und Vorschriften durchsetzt ist. Odile war mir nah und unnahbar zugleich, sie strahlt als Mädchen mehr Wärme aus, im Berufsleben wirkt sie eher distanziert, kühl und angepasst. Das Szenario ist dem Thema entsprechend nicht immer rational fassbar und doch faszinierend, das außergewöhnliche Gedankenexperiment dennoch gut nachvollziehbar umgesetzt. Scott Alexander Howards Debütroman wird mich noch lange beschäftigen, er wird im Gedächtnis bleiben.
    James Percival Everett
    James (Buch)
    06.04.2024

    „Man nennt mich Jim“

    Die Abenteuer des Huckleberry Finn, die erstmals 1864 erschienen sind, hat Percival Everett neu interpretiert. Dabei gibt er einen tiefen Einblick in die Sklaverei der Südstaaten Amerikas im 19. Jahrhundert, die an Brutalität nicht zu überbieten war. Das alles wird hier aus James Perspektive erzählt, beginnend mit Huck und Tom, den weißen Jungs, denen es Spaß macht, mit den Sklaven ihren Schabernack zu treiben. Und die Sklaven müssen mitmachen, sie stellen sich dumm, obwohl so mancher klüger ist als die Weißen. James zumindest ist es. Er ist intelligent und sehr belesen, er schreibt – wie ich es später lese - mit einem Bleistiftstummel sein Dasein auf. Diesen Bleistiftstummel hat ihm ein anderer Sklave beschafft, dieser wurde erwischt und aufs Härteste bestraft.
    Wer kennt sie nicht, die Abenteuer des Huckleberry Finn. Auch wenn es schon eine ganze Weile her ist, so war es ein Buch meiner Kindheit. Gut, meine Erinnerungen sind weitgehend verblasst und doch sind sie mir dank „James“ wieder allgegenwärtig, denn nach dem Lesen wollte ich mit der Original-Geschichte aus Hucks Sicht meinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen.
    Nun aber zu „James“, dem Sklaven, der Jim genannt wird. Er ist mit Frau und Kind einer von Mrs. Watsons Sklaven. Und natürlich hat ein Sklave dumm zu sein, auch wenn so mancher intelligenter als die Weißen ist, so drückt schon der Slang der Schwarzen ihre Beschränktheit aus. Diese Sklavensprache dient ihnen auch als Schutzwall, denn wer so redet, kann in der Vorstellung der überlegenen Weißen nicht allzu viel Grips haben. Percival Everett hat eine eigene, grammatisch falsche Sprache mit einer verwaschenen Aussprache verwendet. Auch die deutsche Übersetzung von Nikolaus Stingl, die ich hier lese, finde ich sehr gelungen. Das Einfinden in diesen ganz speziellen Dialekt ist mir leicht gefallen, dieser Slang gehört hier zu den Sklaven, zu James, zu Jim.
    Als Jim erfährt, dass Mrs. Watson ihn verkaufen will, flüchtet er auf eine nahe gelegene Insel mit dem Vorsatz, sobald er in Sicherheit ist und Geld hat, seine Familie nachzuholen. Er will weiter gen Norden, weg von der Sklaverei des Südens. Auch Huck muss verschwinden, denn sein gewalttätiger Vater ist wieder aufgetaucht, es kommt zwischen den beiden zur Rangelei, Huck nimmt Reißaus, ladet auf der Insel und trifft hier auf Jim. Ihre abenteuerliche Reise auf dem Mississippi beginnt.
    Ihre Flucht mit einem Boot und einem selbstgebauten Floß ist ein gar tollkühnes Unterfangen, sie begegnen allerlei seltsamen Typen und nicht nur einmal soll Jim verkauft werden. Der Rassismus jener Zeit ist allgegenwärtig, die Denkweise und vor allem die schweren Misshandlungen, die Brutalität der weißen Herrschaften den Schwarzen gegenüber ist kaum auszuhalten. Ein Schwarzer gilt nicht als Mensch, er ist Besitz, mit dem man machen kann, was immer man will.
    Percival Everett lässt Jim träumen, von John Locke etwa, den Philosophen und Vordenker der Aufklärung, mit dem er im Traum Zwiesprache hält. Auch begegnet Jim den Virginia Minstrels, einer Gruppe von Weißen, die in Blackface einen Schwarzen mimen, sich schwarz anmalen. Es sind aber auch ganz furchtbare Szenen von brutalster, blutiger Sklavenhaltung bis hin zu deren gewaltsamen Tod zu verkraften, barbarisch und unerbittlich von den Sklavenhaltern ausgeführt. Die ganze Brutalität und Skrupellosigkeit der Sklaverei der amerikanischen Südstaaten des 19. Jahrhunderts zeigt Everett aus „James“ Perspektive. Diese andere Sicht, die Sicht eines Insiders sozusagen auf die Sklavenhaltung, hätte durchaus schief gehen können. Ist es aber beileibe nicht, es ist ein grandioses Werk geworden, eine unterhaltsame Neuinterpretierung von Mark Twains Klassiker, der einen tiefen Einblick in den Rassismus gewährt. Ein Buch, das nachdenklich macht. Ein Buch, das ich nicht missen möchte.
    Geheimnisse, Lügen und andere Währungen Wolfgang Ainetter
    Geheimnisse, Lügen und andere Währungen (Buch)
    28.03.2024

    Realsatire vom Feinsten

    „Der studierte Psychologe mit seinem dezenten Wiener Schmäh“ war Kommunikationschef im deutschen Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. Wolfgang Ainetter ist hier gemeint, er hat auf gar amüsante Weise einen Ministeriums-Krimi geschrieben, der es in sich hat. Denn all das, was er auf so gut lesbare Art zu Besten gibt, birgt viel Wahrheit in sich. Sein Protagonist Hans-Joachim Lörr ist einer, der er sich auf Kosten der Steuerzahler gut gehen lässt.
    Kurz vor seiner Pensionierung wird dieser Lörr entführt. Seine Ehefrau merkt dies erst sehr viel später, schließlich sind sie in einem noblen Restaurant zu Gast, die edlen und für das Ehepaar natürlich kostenlosen Speisen und Getränke müssen allesamt weggefuttert werden. Die Lörrs werden so schön überspitzt dargestellt, das Bild des gierigen Beamten ist bestens gezeichnet. Nun, das Entführungsopfer muss gefunden werden. Zuständig dafür ist der Kommissar André Heidergott, den es der Liebe wegen von Wien nach Berlin, direkt hinein ins Regierungsviertel, verschlagen hat. Leider ist ihm die Frau abhanden gekommen, der leiwande Wiener sitzt nun allein inmitten der Mächtigen.
    Die Ermittlungsarbeit schreitet etwas zäh voran, auch weiß man als Leser, dass dieser Fiesling sich nicht einfach aus dem Staub gemacht hat, er wurde tatsächlich entführt. Wer denn dafür verantwortlich ist, bleibt lange im Verborgenen. Feinde hat er sich genug geschaffen, er hat seine Macht regelrecht zelebriert, hat seine Intrigen gesponnen und war sich stets selbst der Nächste. Und nun sitzt er da, eingesperrt im Nirgendwo.
    Daneben und hauptsächlich ist es ein politisches Buch, das von A bis Z – von Adenauer bis Zypries und von all denjenigen dazwischen erzählt, von den damaligen und den heutigen Politikern. Da ist etwa der Bundesfiasko-Minister, den ich hier herauspicke, der hier als Felix Rohr unterwegs ist. Die Affäre um die PKW-Maut hat lange für Schlagzeilen gesorgt, wir wissen es alle.
    Das Register der Eitelkeiten, das im Buch auf den letzten Seiten zu finden ist, zeigt all die bekannten Persönlichkeiten, die Wichtigen und diejenigen, die sich als wichtig erachten. Allesamt finden sie auf den 300 Seiten dieses Krimis ihren Platz und nicht nur das, der ein oder andere bekommt auch sein Fett weg, wie man so schön sagt. Es sind wohlbekannte Szenen und Anekdoten aus dem politischen Alltag, die verschmitzt und augenzwinkernd mit einer gehörigen Prise bissigem Humor wiedergegeben werden.
    Wolfgang Ainetter lässt tief blicken. Er kennt sie alle, diese Machthungrigen. Mit Witz und Charme und seinem unverkennbaren Wiener Schmäh führt er durch das Berliner Regierungsviertel und auch wenn er so mache Gestalt inkognito auftreten lässt, so weiß man doch, wer denn hier gemeint ist. Seine „Geheimnisse, Lügen und andere Währungen“ haben Biss, sprühen nur so vor Wortwitz, sie sind Lesegenuss pur. Der Autor hat mich bestens unterhalten und mir so manches Schmunzeln ins Gesicht gezaubert.
    Ostseefinsternis Eva Almstädt
    Ostseefinsternis (Buch)
    28.03.2024

    Familienfehde

    Pia Korittkis neunzehnter Fall unterbricht ihren langersehnten Urlaub mit ihrem Sohn Felix, den sie mit Marten in seinem neuen Haus an der Ostsee verbringen. Nun gut, Marten verbringt gerne Zeit mit dem Siebenjährigen und da Pia noch ganz am Anfang dieses immer komplexer werdenden Falles ist, begleitet Marten Felix zum Schwimmunterricht, den er für sein Schwimmabzeichen braucht, auch unternehmen die beiden vieles miteinander, sie sind gut drauf und haben ihren Spaß. Diesbezüglich muss sich also Pia keine Sorgen machen, wenn da nicht in ihrem neuesten Fall die Zwillinge eines Verdächtigen auch im Hallenbad wären.
    Stella Böttcher ist nach ihrer Schicht in einem Lokal spät nachts auf dem Heimweg, als sie überfallen und brutal zusammengeschlagen wird. Nach ihrem Blackout erinnert sie sich an einen großen Typen, der mit einem harten Gegenstand auf sie eingedroschen hat. Kurz darauf wird die Leiche eines jungen Mannes an den Klippen gefunden – war es ein Unglücksfall? Ein Racheakt? Heimtückischer Mord oder gar Suizid? Und - haben die beiden Verbrechen miteinander zu tun? Pia und ihr Team finden schnell heraus, dass es im Ort zwei weit verzweigte Familien gibt, die sich seit Urzeiten bekriegen. Sie stehen vor einer Mauer des Schweigens und der Lügen, die Ermittlungen gestalten sich dementsprechend schwierig.
    Neben der aufwendigen Polizeiarbeit haben Pia und ihr Partner Broders schon auch ein Privatleben, wenngleich dies momentan viel zu kurz kommt - ihre privaten Momente blitzen aber doch immer mal wieder durch. Wer die Pia-Korittki-Reihe verfolgt, weiß um ihre Entwicklung, jedoch kommen auch Neueinsteiger gut zurecht, jedes Buch ist in sich abgeschlossen.
    Eva Almstädt lässt ihre Leser lange im Dunkeln, sie legt viele Fährten aus, jede einzelne könnte zur Aufklärung beitragen und doch bleiben Zweifel. Eine alte Familienfehde spaltet den Ort in zwei Lager und selbst innerhalb jeder dieser Familien ist längst nicht alles eitel Sonnenschein. Die fiesen Charaktere sind gefühlt in der Überzahl, aber auch den anderen, denen man nichts Schlechtes nachsagen möchte, ist nicht ganz über den Weg zu trauen. In all den Lügen und Intrigen ist viel Hass zu spüren. Den alten Feindschaften kommen neue hinzu, die Dorfgemeinschaft grenzt aus, es wird vorverurteilt und den Ermittlern gegenüber dann geschwiegen.
    Zwischendrin hatte „Ostseefinsternis“ einige Längen, Pia kam gefühlt nicht vorwärts. Diese akribische Kleinarbeit hätte ich mir so ab und an etwas weniger detailliert gewünscht und doch wollte ich unbedingt wissen, wer denn für den Mord und auch den Überfall vorher und für noch so manche Straftat verantwortlich ist. Letztendlich hatte Pia den richtigen Riecher, der Schluss war nochmal so richtig spannungsgeladen und nervenaufreibend. Pia kann nun ihren wohlverdienten Urlaub fortsetzen und Kräfte sammeln für ihren nächsten Fall, den ich unbedingt wieder lesen will.
    Wären wir Vögel am Himmel Erin Litteken
    Wären wir Vögel am Himmel (Buch)
    28.03.2024

    Einfühlsam erzählt

    Erin Litteken erzählt hier ihre Familiengeschichte. Eine Geschichte, in der Fiktion und Wirklichkeit ineinander fließen, die zum größten Teil von der ukrainischen Seite ihrer Familie handelt. Diese stammt aus der historischen Region Wolhynien im einstigen Ostpolen, der heutigen West-Ukraine. Inspiriert wurde sie ganz besonders von ihrer Urgroßmutter, die ums Überleben ihrer Familie gekämpft hat, die so viel Schreckliches gesehen hat und von so vielem loslassen musste.
    Kaum waren die Sowjets 1941 auf dem Rückzug, kamen die Deutschen und wie sie bald feststellen mussten, waren die Nazis um keinen Deut besser. Sie wollten das Land, die Bevölkerung wurde verschleppt und als Ostarbeiter zwangsverpflichtet. Dabei war es ihnen egal, wie viele diese Knochenarbeit überlebten, denn Nachschub war im Anmarsch. Einmal in deren Fängen, gab es kein Entkommen und sollte es doch einer gewagt haben zu fliehen, wurden sie kaltblütig niedergemetzelt oder aber in eines der Vernichtungslager interniert.
    „Wären wir Vögel am Himmel“ erzählt von Lilja, von ihrem Cousin Slavko und der anfangs zwölfjährigen Halya. Von Vika und Maksim und ihren Kindern, von Filip, der aus Polen stammt und von einigen mehr. Sie alle müssen ihre Heimat aufgeben, ganze Dörfer werden dem Erdboden gleichgemacht. So mancher schließt sich dem ukrainischen Wiederstand (der UPA) an, nicht jeder hat seinen Heldenmut überlebt.
    Es ist ein erschütterndes Zeugnis einer Zeit, in der ein geschundenes Volk ums Überleben kämpft. Schon Erin Littekens Debütroman „Denk ich an Kiew“ greift die Geschichte der Ukraine auf und nun legt sie mit ihrem neuen Roman nach und wieder spielt die Wirklichkeit mit hinein. „Wären wir Vögel am Himmel“ ist im und nach dem Zweiten Weltkrieg angesiedelt, die Autorin dringt tief ein in die Flucht- und die Hungerjahre sommers wie winters, schildert die Bombardierung der Städte, die dadurch entstandenen Brände mitsamt den dort eingeschlossenen Menschen – viele davon konnten sich aus diesem Inferno nicht retten.
    Ich lese von ihrer Flucht, kann mir diesen nagenden Hunger in seiner Gänze gar nicht vorstellen, durchlebe die unmenschliche Behandlung - als Untermenschen werden sie bezeichnet und sollten sie auch nur mit der Wimper zucken, werden sie brutalst misshandelt. Das nicht endend wollende Grauen ist schwer zu ertragen und doch sauge ich alles in mich auf, lese aus verschiedenen Perspektiven ihren Kampf nicht nur ums Überleben. Auch sind sie auf der Suche nach ihren Lieben, nach ihrer Familie, die sie irgendwann aus den Augen verloren haben.
    Im sehr lesenswerten Nachwort dann schildert die Autorin die Geschichte der Ukraine in der Zeit, in der dieser Roman angesiedelt ist. Es waren schlimme Jahre und so mancher wählte den Freitod, um nicht den Feinden in die Hände zu fallen. Das hier beschriebene Schicksal ihrer Familie ist fiktional, jedoch spielen viele tatsächlichen Begebenheiten mit hinein.
    Und wieder ist es ein russischer Aggressor, der seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine gnadenlos durchzieht. Und wieder ist ein Frieden für dieses leidgeprüfte Volk in weiter Ferne. Die Geschichte wiederholt sich, wir hören und sehen es täglich.
    Der Roman schildert eine Zeit voller Hoffnungslosigkeit und doch spürt man die Kraft, trotz all dieser Gräueltaten die Hoffnung nicht ganz zu verlieren. Es ist eine einfühlsam erzählte Geschichte, die lange nachhallt, die ich jedem Geschichtsinteressierten empfehlen kann.
    Die Hausboot-Detektei - Tödlicher Stoff Amy Achterop
    Die Hausboot-Detektei - Tödlicher Stoff (Buch)
    27.03.2024

    Ein gar tödlicher Stoff

    „Stopp!“ ruft Arie noch, aber der Schattenmann tänzelt schon auf die Straße, er liegt am Boden, sein Kopf ist seltsam verdreht. Kein Puls – der Mann ist tot. Auch der dritte Auftrag für die fünf Hobby-Detektive hat es in sich, sie haben es mit einem gar tödlichen Stoff zu tun. Welche Art Stoff hier wohl gemeint ist?
    Nochmal zurück zum Anfang, als der Schattenmann direkt vor Aries Augen von einem Müllauto erfasst wird. Die Polizei geht von einem tragischen Unfall aus, lediglich die Tochter des Toten glaubt nicht daran. Also beauftragt sie die Hausboot-Detektei, schließlich war Arie, der Inhaber, direkt am Ort des Geschehens.
    Mittlerweile kenne ich sie ganz gut, die fünf Hobby-Detektive, die auf eine liebenswürdige Art ein wenig verpeilt aber doch ganz schön auf Zack sind. Es sind Arie, der ehemalige Polizist und auch Maddie, die sich ihrer Schwester Isa annimmt. Isa ist schon zwanzig, im Kopf aber eher noch sechs Jahre alt. Sie kann wunderbar nähen, ihre Kreationen sind einzigartig und wie es der Zufall so will, knabbert Fru Gunilla, das zahme Eichhörnchen, einen sündteuren Stoff an. Eine Spur führt zu dem anfangs erwähnten Unfallopfer und weiter zu einem schwedischen Modedesigner, eine Textilexpertin dient ihnen hier als Ansprechpartnerin. Und schon drängt sich die Frage auf, ob der „Tödliche Stoff“ textilen Charakter hat oder es sich doch eher um einen anderen Stoff, um Drogen, handeln könnte.
    Neben Arie und Maddie sind da noch Jack, Jan und Elin, zusammen sind sie an diesem ziemlich undurchsichtigen Fall dran. Und auch die 80jährige Kaatje Hommel mischt mit ihren selbstgestrickten Mützen mit, ob sie es nun will oder nicht. Es kommt ganz schön viel zusammen, der Fall wird immer komplexer, es geht um Einbruch, um Entführung und Lösegeldforderung. Aber nicht genug damit, es gibt weitere Leichen.
    Diese liebenswerte Gaunerkomödie liest sich witzig-spitzig und nicht nur die Story an sich hat viel Charme, auch die fünf Detektive sind herzerfrischend und jeder auf seine ganz spezielle Art sympathisch, wenngleich sie auch anders können. Sie sind eine bunte Truppe, zu der auch ein Neufundländer gehört, der ganz einfach Hund heißt und natürlich – wie schon erwähnt – ist Fru Gunilla nicht wegzudenken. Einer ihrer selbstverfassten Hausregeln besagt, dass sie sich an das Gesetz zu halten haben, was nicht immer so einfach ist. So manches Mal schliddern sie ein wenig am Rande der Legalität vorbei, um dann doch noch die Kurve zu kriegen. Wie anders sollte man auch aus den finsteren Gestalten, mit denen sie es hier zu tun haben, etwas herausbekommen?
    Ihr dritter Fall hat für reichlich Stoff gesorgt, er ist so gut wie aufgeklärt und nun meint Jack „ich kündige“. Maddie kontert mit ihrer Spinnst-du?-Stimme „super Timing“. Ob er denn wirklich weiterziehen will – wir werden es sehen, auch wenn es noch ein Weilchen dauern mag, bis Band 4 nicht nur auf diese Frage Antwort gibt, auch werden es die Hausboot-Detektive dann mit gar tödlichen Farben zu tun haben. Ich freu mich drauf.
    Und Großvater atmete mit den Wellen Trude Teige
    Und Großvater atmete mit den Wellen (Buch)
    27.03.2024

    Geht unter die Haut

    „Wusstest du, dass Wellen, ganz unabhängig vom Wetter, im immer gleichen Rhythmus an Land schlagen? Das ist fast wie unsere Atemzüge, wenn wir schlafen.“
    Schon Trude Teiges großartiges Buch „Als Großmutter im Regen tanzte“ hat mich vollauf begeistert, es hat mich tief berührt und noch heute, nach mehr als einem Jahr, ist es so, als ob ich es gerade weggelegt hätte. Und nun, nachdem ich Konrad nach Java in die Zeit des Zweiten Weltkrieges begleitet habe, direkt hinein in die Gefangenschaft, bin ich wiederum sehr bewegt und ob der menschlichen Grausamkeiten erschüttert. Auch dieser Nachfolgeband „Und Großvater atmete mit den Wellen“ geht unter die Haut, er erzählt von dem jungen Konrad, dessen Handelsschiff von einem U-Boot attackiert und versenkt wurde. Nicht viele haben überlebt, Konrad und ein verletzter Kamerad können sich auf ein Beiboot retten. Nach neunzehn Tagen auf hoher See werden sie gerettet und in ein Krankenhaus auf Java gebracht. Dort lernt Konrad die junge Krankenschwester Sigrid kennen und lieben. Bald kommen sie beide getrennt voneinander in japanische Gefangenschaft.
    Die Japaner hatten Java besetzt und auch hier kämpfen die Lagerinsassen um das tägliche Überleben. Wir kennen diese Zeit aus unserer Geschichte nur zu gut. Auch die Japaner kannten kein pardon, ihre Gefangenenlager waren geprägt von Gewalt und Hunger, die Grausamkeiten und ihre Gräueltaten haben viele nicht überlebt. Trude Teige beschreibt die Zeit sehr eindringlich aus Sicht von Sigrid und Konrad und den Menschen um sie herum. Ihre Not war mit Händen greifbar, nicht nur einmal wurde mir beim Lesen das Herz schwer, nicht immer konnte ich die Tränen zurückhalten. Die beiden verlieren sich aus den Augen, treffen irgendwann dann doch wieder aufeinander, sie hoffen so sehr auf ein Leben danach, auf ein Leben in Freiheit und Frieden. Kann ihnen die Hoffnung auf dieses so ersehnte Leben die Kraft geben, durchzuhalten?
    Die Geschichte von Konrad und Sigrid ist fiktiv, sie basiert jedoch auf wahren, auf dokumentierten Begebenheiten. Die Autorin hat mir ein Stück Kriegsgeschichte über die japanisch besetzte indonesische Insel Java nähergebracht. Sehr anschaulich spricht sie über eine tragische Zeit, die nicht vergessen werden darf. In keinem Land, niemals sollten sich diese unmenschlichen Gräueltaten wiederholen. Die Wirklichkeit spricht jedoch eine andere Sprache.
    Nun weiß ich auch um das Schicksal des Großvaters und wie die beiden Großeltern zusammengefunden haben, ihre Enkeltochter Juni ist die Erzählerin. Auch dieses zweite Buch, Großvaters Geschichte, werde ich nicht vergessen. Auch dies ein Buch, das man lesen sollte.
    Der blaue Salamander Luca Ventura
    Der blaue Salamander (Buch)
    20.03.2024
    Stimmungsvoller Capri-Krimi

    Die Inselpolizisten Enrico Rizzi und Antonia Cirillo ermitteln in ihrem nunmehr fünften Fall in einer gar unheiligen Angelegenheit. In der Kirche, im Beichtstuhl, wird die Leiche der Modedesignerin Rosalinda Fervidi gefunden. Ausgerechnet Salvatore, der Straßenkehrer, findet sie und bald steht für die neapolitanische Polizei, die hier federführend agiert, Salvatore als Täter fest.
    Aber worum geht es hier wirklich? Warum wurde Rosalinda ermordet? Rizzi und Cirillo ermitteln weiter, denn sie glauben nicht so recht an Salvatores Schuld. Bald führt eine Spur zu der exzentrischen Signora de Lulla, die Rosalinda öfter besucht hat. Natürlich hat die Signora ihr auch von ihrer Kostbarkeit, ihrer Handtasche, die in allen Farben des Meeres schimmert, nicht nur erzählt, sie hat diese Rarität auch in Natura sehen dürfen. Als Designerin von Lederartikeln war Rosalinda sehr interessiert, zumal diese „Blaue Salamander“ nur einmal existieren soll und Signora de Lulla gedenkt, diese mit ins Grab zu nehmen. Als später dann die Tasche nicht mehr auffindbar ist, ist die Aufregung verständlicherweise groß.
    Luca Ventura nimmt mich mit auf eine Insel voller Erinnerungen. Schon das Cover ist ein Traum. Ein Traum von Capri, der italienischen Felseninsel im Golf von Neapel. Das Flair der Insel ist so gut eingefangen, sodass ich am liebsten sofort aufbrechen möchte. Neapel, Sorrento und endlich wieder Capri sehen und lange bleiben. Und so genieße ich wenigstens seinen fünften Capri-Krimi, der in sich abgeschlossen ist, er somit ohne Vorkenntnisse gelesen werden kann. Es sei denn, man will von Rizzi und Cirillo von Anfang an alles mitbekommen – lohnen würde es sich auf jeden Fall.
    Rizzi und Cirillo könnten unterschiedlicher nicht sein und doch harmonieren sie, wenn es drauf ankommt, ganz gut. Neben den vielschichtigen Ermittlungen blitzt immer wieder Privates durch. Nicht zu viel, aber doch genug, um sie in ihrer Gänze charakterisieren zu können. Die Story ist gut durchdacht, die vielen losen, weit verzweigten Versatzstücke fügen sich dank der beiden Inselpolizisten, die nicht locker lassen, letztendlich doch zusammen.
    Luca Ventura hat mich mit seinem Capri-Krimi in jeglicher Hinsicht überzeugt. Sein einnehmender Schreibstil ist sowohl spannend als auch locker, er lädt ein zum Miträtseln und verbreitet so ganz nebenbei eine Wohlfühl-Atmosphäre. Man spürt beim Lesen direkt die Sonne auf der Haut, möchte in einen saftigen Pfirsich beißen, den Rizzi höchstpersönlich kurz vorher gepflückt hat und natürlich den ein oder anderen Caffè genießen.
    Der heimliche Beobachter Lisa Unger
    Der heimliche Beobachter (Buch)
    19.03.2024

    Am Anfang war ein exquisites Wochenende

    Mako ist Gründer einer wachsenden Gaming-Firma und Entwickler des erfolgreichen Spiels „Red World“. Er lädt zu einem Wellness-Wochenende in ein abgelegenes Cottage mit Privatkoch und allen nur erdenklichen Annehmlichkeiten. Neben seiner Frau Liza will er seine Schwester Hannah mit Bruce, ihrem Ehemann, sowie Hannahs beste Freundin Cricket samt momentanem Freund verwöhnen. Die Location ist gebucht und je näher der Termin rückt, desto unruhiger wird Hanna. Sie weiß sehr wohl, dass ihre kleine Tochter bei Bruce Mutter Lulu bestens aufgehoben ist und doch mag sie nicht loslassen. Schweren Herzens fahren sie und Bruce dann doch los, es ist ja nur ein Wochenende.
    Vorher – an Weihnachten – trifft sich die ganze Familie bei Hannah und Makos Eltern. Die Geschenke sind verteilt und da – liegt noch ein Päckchen unterm Baum. Wer hat es hingelegt? Keiner von ihnen war es, keiner weiß davon.
    „Elegant Overlook“ nennt sich das luxuriöse Cottage, das Platz für sechs Personen bietet. Es ist auf einer Lichtung gelegen, umgeben von viel Wald, der nächste Ort ist etwa dreißig Kilometer entfernt. Eigentümer und Betreiber dieses und ähnlicher Häuser ist Bracken Jameison. Der angeheuerte Koch empfängt sie mit exquisiten Speisen und schaurigen Geschichten. Aber nicht nur er mutet seltsam an, auch Bracken ist nicht zu durchschauen. Noch ist es die Ruhe vor dem Sturm – im eigentlichen und im übertragenen Sinne. Denn nicht nur sie alle verhalten sich mehr oder weniger merkwürdig, auch die Location scheint es zu sein.
    Daneben und dazwischen erzählt die Autorin von dem kleinen Henry, von seiner Mutter und von ihm als Erwachsener. Lange bleibt unklar, wie er und sein Leben in diese Geschichte passen. Auch spielt Trina eine Rolle, auch sie ist nicht so recht zuzuordnen. Und immer mal wieder liegt der Focus auf Bracken. Gut, er hat als Vermieter dafür Sorge zu tragen, dass es seinen Gästen an nichts fehlt und doch scheint er übereifrig zu sein.
    Es sind ganz und gar unterschiedliche Charaktere, die hier zusammentreffen, ja aufeinanderprallen. Jeden einzelnen kann ich mir gut vorstellen, mit keinem möchte ich näher zu tun haben. Jeder scheint Geheimnisse zu haben, die Stimmung ist zunehmend angespannt. Man spürt und erwartet förmlich, dass unter jedem Stein, hinter jedem Baum, in jedem Raum Gefahr drohen könnte. Der Wechsel zwischen dem Gestern mit Henrys Geschichte und dem Heute im Cottage erhöht die Spannung zusätzlich und trägt zu noch mehr Verwirrung bei, genau so Trina. Die Frage drängt sich immer wieder zwischendurch auf, wer denn dieser „heimliche Beobachter“ sein könnte und warum diese Heimlichkeiten sein müssen. Nicht nur einen habe ich während des Lesens in Verdacht, die Auflösung diesbezüglich war letztendlich dann doch zu erahnen.
    Der ganze Thriller ist spannend und lange ziemlich undurchschaubar. Was haben sie alle miteinander zu tun? Gibt es eine Verbindung und wenn ja, welche? Lisa Unger sorgt für eine durchweg beklemmende und düstere Atmosphäre und auch wenn die Story dem Ende zu unlogisch und arg am gerade noch Glaubhaften vorbeischrammt, habe ich mich nichtsdestotrotz gut unterhalten gefühlt.
    Die Influencerin Rebecca Russ
    Die Influencerin (Buch)
    14.03.2024

    Brisant und hochaktuell

    Social-Media ist allgegenwärtig, auch Sarah Rodes Leben dreht sich rund um diese schöne neue Welt. Von ihrem Ehemann professionell gemanagt, treibt sie ihre Karriere als erfolgreiche Influencerin voran, bis ihr eines Tages eine ungefilterte Hasswelle entgegenschlägt. Ihr wird unterstellt, für den Tod einer Followerin verantwortlich zu sein.
    Dem ungekürzten Hörbuch habe ich über 7 Stunden und 55 Minuten gebannt gelauscht. Auch wenn dies nicht unbedingt meine Welt ist, so kann ich mir doch gut vorstellen, in welch Nöten Sarah sich befindet. Es ist ein Wechselbad der Gefühle, nicht zuletzt hat die Sprecherin dies gut vermittelt und genau so empfinde auch ich diese schlimmen Tage, in denen Sarah immer mehr alleine gelassen wird und ihr nichts anderes übrig bleibt, als sich auf die Suche nach dem Ursprung dieser Anschuldigung zu machen. Sie deaktiviert ihren Account, bald darauf taucht jedoch ein Fake-Account auf, in dem Bilder ihres aktuellen Lebens gepostet werden. Bilder, in ihrem Haus aufgenommen. Keiner kann so hautnah an sie ran und doch gehen sie viral, werden geliked, kommentiert – es ist ein Teufelskreis, dem nicht beizukommen ist. Die Frage drängt sich auf, wer in ihrem Umfeld dahinter steckt. Denn wie könnte ein Außenstehender an all diese aktuellen Momentaufnahmen kommen.
    „Ich folge dir. Ich verfolge dich. Ich zerstöre dich.“ Die Schattenseiten dieser schillernden Scheinwelt werden hier nur zu deutlich aufgezeigt. Anhand dieser ungeheuerlichen Anschuldigung merkt man, wie hilflos man gegenüber einer unsichtbaren Community ist. Verborgen hinter einem Profil, das nichts preisgeben muss, ist es ein Leichtes, jemanden mit Hass und Häme zu überschütten.
    Mich hat das Hörbuch durchgehend gefesselt. Ich hatte so eine Ahnung, wer denn dahinter stecken mag, habe aber so ziemlich jeden kritisch beäugt, denn es hätte jeder sein können, der ihr das Leben zur Hölle macht. Letztendlich hat mich das Ende dann doch überrascht – mehr will ich hier nicht preisgeben. Mich hat „Die Influencerin“ sehr nachdenklich zurückgelassen, denn ist es nicht viel zu einfach, hier mal einen Kommentar da zu lassen, dort ein Like zu setzen und sich vielleicht auch von dem Sog der beileibe nicht immer wohlwollenden Meinungen mitreißen zu lassen und so ein Leben ganz einfach wenn nicht zu zerstören, so doch nachhaltig zu beschädigen?
    Nostalgia Siciliana Patrizia Di Stefano
    Nostalgia Siciliana (Buch)
    14.03.2024

    „Sizilien - niemals nur süß, auch ein bisschen bitter“

    Schon lange schlägt mein Herz für Italien. Vor allem der Süden hat es mir angetan und dazu gehört neben den Regionen auf der Halbinsel auch Sizilien. Natürlich. Wie könnte ich da an so einem Buch, dessen Cover schon eine nostalgische Reise zu meiner Sehnsuchtsinsel verspricht, vorbeigehen.
    Voller Vorfreude schlage ich die ersten Seiten auf und höre direkt das Telefon klingeln. „Buonasera. Spreche ich mit Signora Tita?“ Dottore Gianluca Mancuso ist am Apparat, der den Nachlass ihres Onkels verwaltet. Schlagartig fühlt sie sich zurückversetzt in eine Zeit, als Gianni, ihr Papà, noch da war. Denkt an die langen Autofahrten Jahr für Jahr ohne Pause von Berlin in Papàs Heimat, nach Ragusa. Titas Onkel hat ihr, ihrem Bruder und ihren beiden Cousinen sein Landgut Magní hinterlassen, außer ihr hat jedoch keiner Interesse daran, also macht sich Tita nach einem viertel Jahrhundert auf, Papàs Siciliana neu zu entdecken. Es wird eine emotionale Reise zurück, Tita durchlebt ihre Familiengeschichte, ihre Kindheit zwischen Berlin und Sizilien – es waren glückliche, unbeschwerte Jahre.
    Patrizia Di Stefano erzählt die wahre Geschichte ihres Vaters, die sie in langen Gesprächen mit ihrer Familie als erwachsende Frau neu erfahren hat. Auch wenn die Erinnerungen manchmal trügen, so sind doch bis auf wenige Charaktere alle authentisch wiedergegeben. Gianni war einer der ersten italienischen Gastarbeiter, den es schließlich nach Berlin verschlagen hat. Dort hat er seine Carla kennen- und liebengelernt, dort hat er nicht nur eine Familie gegründet, er hat auch den Berlinern in seinem Ristorante die bis dahin noch ungewohnten italienischen Spezialitäten mitsamt dem sizilianischen Lebensgefühl nähergebracht.
    In diesem Roman steckt so viel mehr als „nur“ eine Familiengeschichte. Obwohl es diese Familiengeschichte ist, in der so viel Charme steckt, die das nicht immer einfache Leben ungeschönt wiedergibt, das aber auch den unbedingten Zusammenhalt und ganz viel Herzenswärme ausstrahlt. Und so bitter es war, mussten sich zu viele gen Norden aufmachen, um das dort verdiente Geld in die Heimat zu schicken.
    Der Roman erzählt auch von der Schönheit Siziliens, von den üppig wachsenden Oleanderbüschen, die in den trockenen Böden bestens gedeihen, von den Häuser überragenden Bougainvillea, den Olivenbäumen und Kakteen, aber auch von den halb verfallenen Häusern und dem Müll direkt am Straßenrand. Da fällt mir grad eine Passage aus diesem wundervollen Buch ein: „Papà lächelt sein typisch geheimnisvolles Giannilächeln. Erzählt von der Süße der Pistazie und dem leicht bitteren Nachgeschmack – sie ist wie Sizilien. Niemals nur süß, auch immer ein bisschen bitter.“
    Die Autorin lässt nicht nur die Landschaft und die kulinarischen Köstlichkeiten Revue passieren, mit etwa dem Kennedy-Besuch in Berlin, mit Elvis Tod, der RAF und Berlins Infiltrierung mit der Cosa Nostra ist die damalige Zeit gut eingefangen. Und die italienische Bürokratie wird auch heute noch nicht sehr viel anders sein, zumindest kommt dies meinem Italien-Bild am nächsten und doch ist und bleibt diese Halbinsel und natürlich Sizilien in all ihrer Schönheit meine Sehnsuchtsinsel.
    Ich hätte noch so viel länger weiterlesen mögen, konnte gar nicht genug bekommen und doch war das Buch viel zu schnell ausgelesen, es hatte auf mich eine Sogwirkung - ich war hier genau richtig. Der so einnehmende Schreibstil hat es mir zudem leicht gemacht, mich wohlzufühlen. Zumindest gedanklich bin ich noch mit Tita in und um Magní. Auf dem Landgut, das ihr ihre Familie wieder nähergebracht hat. Die Schönheit Siziliens hat Patrizia Di Stefano gut eingefangen. Und ja, es ist eine sehr lesenswerte, „eine bittersüße Liebeserklärung an den italienischen Süden“ geworden.
    Annas Lied Benjamin Koppel
    Annas Lied (Buch)
    13.03.2024

    Manchmal muss man auch träumen dürfen

    „Das Gerüst meines Romans basiert auf Fakten. Und ich habe sie dann fiktionalisiert und mit Geschichten und Anekdoten ergänzt, die in meiner Familie seit Generationen erzählt werden.“
    Ein ganzes Leben erzählt Benjamin Koppel, es ist das Leben seiner Großtante väterlicherseits - Anna, die er hier Hannah nennt. Es ist die Geschichte einer jüdischen Familie, die es nicht bis in die USA geschafft hat, ihre Flucht endete einst – von Polen kommend - in Kopenhagen. Hier wächst Hannah sehr traditionsbewusst mit ihren vier größeren Brüdern auf, wir schreiben das Jahr 1929. Ihr großer Traum, als Pianistin ihren Brüdern nachzueifern, erfüllt sich nicht. Eine nach jüdischem Ritus geschlossene Ehe führt sie nach Frankreich, ihre große Liebe Aksel verliert sie aber nie so ganz aus den Augen. Es ist ein Leben voller Höhen und noch mehr Tiefen, ein pralles Leben, das bis ins Jahr 2019 reicht. Hannah ist trotz aller familiären und gesellschaftlichen Zwänge eine starke Frau, die – um nicht zu verzweifeln - in ihrer Musik Halt findet.
    „Annas Lied“ ist ein wundervolles Zeugnis einer Zeit, in der nicht nur die politischen Wirren von einer Familie alles abverlangen, diese jüdische Familien-Saga gibt auch das religiöse Diktat nur zu deutlich wieder. Eingebettet in historische Fakten und gesellschaftliche Normen gewährt der Autor einen tiefen Blick in Annas Familie. Freud und Leid, Liebe, Freundschaft und Zwistigkeiten sind neben den Kriegswirren und deren Auswirkungen auf die Familie Thema, über allem schwebt ein traditionelles Pflichtbewusstsein, aber nicht nur. Auch die tröstende Liebe zur Musik ist stets spürbar, dabei kann man die Seele baumeln lassen, sich wegträumen, denn „sie hatten einander versprochen, immer zu träumen und sich immer an ihre Träume zu erinnern“.
    Der Lärm des Lebens Jörg Hartmann
    Der Lärm des Lebens (Buch)
    12.03.2024

    Die Gedanken fahren Achterbahn

    In erster Linie ist mir Jörg Hartmann als Hauptkommissar Faber vom Dortmunder Tatort ein Begriff. Daneben ist er ein vielseitiger Theater-, Film- und Fernsehschauspieler, auch spricht er Hörbücher ein und nun erzählt er vom „Lärm des Lebens.“ Erzählt von seinen Eltern und Großeltern, von sich und seiner Arbeit und von seiner Familie.
    Seine Anfänge als Schauspieler bringt er amüsant aufs Papier, er lernt etwa sehr kunstvoll, ein Mettbrötchen zu essen, nennt es „die Erotik des Mettbrötchens“, schreibt vom coronabedingten Stillstand, nimmt seine Leser mit nach China und schildert dort den Erwerb eines sehr teuren Tütchens voller Tee. Auch ein Kindergeburtstag inmitten einer noblen Gesellschaft mit anschließender Suche seiner verschwundenen Kinder ist gut zu lesen – all dies und noch so einiges mehr schildert er in loser Abfolge, er bringt beiläufig eine Anekdote vom Gestern zum Besten und springt übergangslos ins Heute. Man muss schon aufpassen, dass man in den gerade anvisierten Zeiten im Leben des Jörg Hartmann ankommt, es geht munter drunter und drüber. Soweit, so gut. All dies ist durchaus akzeptabel.
    Und dann nimmt ziemlich früh - in der zweiten Episode, mit „Endstation“ überschrieben - die Demenz seines Vaters viel Raum ein und nicht nur das, er überschreitet hier Grenzen. Er stellt seinen Vater bloß. Schonungslos berichtet er über die Krankheit und über die damit einhergehenden Unzulänglichkeiten. Nicht nur einmal habe ich mich beim Lesen gefragt, ob er – sollte er je auf Hilfe angewiesen sein – es gutheißen würde, wenn seine Kinder dies viel zu detailliert an die Öffentlichkeit tragen würden. Über sich selber kann er alles ausbreiten, was und wie es ihm gefällt. Hier aber hat er die Privatsphäre seines Vaters deutlichst überschritten.
    Die Redewendung „Schuster, bleib bei deinem Leisten“ kommt mir dabei in den Sinn. Nicht jeder kann alles, selbst ein erfahrender Schauspieler ist kein begnadeter Geschichtenerzähler. Hervorheben möchte ich das sehr gelungene Cover. Es ist so voller Leben, da möchte man direkt zugreifen. Inhaltlich dagegen ist es nicht der große Wurf. Seine Gedanken fahren Achterbahn, er präsentiert sich durchaus witzig, die viel zu intimen, sehr privaten Dinge eines Lebens jedoch sollten eins sein und bleiben: Privat.
    Elyssa, Königin von Karthago Irene Vallejo
    Elyssa, Königin von Karthago (Buch)
    21.02.2024

    Griechische Mythologie – spannend aufbereitet

    Vergil hat zehn Jahre an Aeneis gearbeitet, einem Epos, das den troyanischen Helden Aeneas direkt nach Karthago führt und dort auf Elyssa trifft. Die beiden verlieben sich, die Götter lenken ihre Entscheidungen.
    Irene Vallejo hat sich dieser Mythologie angenommen, sie erzählt von Aeneas Ankunft, von Eros, der sie zusammenbringt und auch von den Intrigen gegen ihre Verbindung. Neben den beiden Liebenden erzählen Anna, Eros und Vergil. Eingebettet in die bekannte Mythologie entspinnt sich diese schicksalhafte Geschichte, jeder erzählt aus seiner ganz persönlichen Sicht, Anna etwa freundet sich mit Aeneas Sohn Julus an.
    All dies beginnt mit Elyssas Flucht vor ihrem Bruder, dem wahnsinnigen König, der ihren Gatten töten ließ. Sie geht in einer Bucht an Land, es ist dieselbe Bucht, vor der später dann Aeneas Schiffbruch erleidet. Iarbas, der dort ortsansässige König, verspricht ihr bei ihrer Ankunft so viel Land, wie sie mit einer Ochsenhaut umspannen kann. Elyssa ist gewitzt genug, diese Tierhaut in dünne Streifen zu schneiden, um damit das spätere Karthago zu markieren. So Karthagos Gründungsmythos.
    Die griechische Mythologie ist mir zwar nicht fremd, sie gehört aber nicht unbedingt zu meiner bevorzugten Lektüre und doch hat die Autorin es geschafft, mich ihm Rahmen dieser bekannten Geschichte mit ihrer einnehmenden Erzählweise zu fesseln. Die Idee, sie alle davon berichten zu lassen, gefällt mir gut. Auch bindet sie Vergil geschickt mit ein und selbst Eros hat seine durchaus amüsanten Auftritte. „Elyssa, Königin von Karthago“ – ein unterhaltsamer Lesegenuss.
    Die Fabrik der süßen Dinge - Helenes Träume Claudia Romes
    Die Fabrik der süßen Dinge - Helenes Träume (Buch)
    18.02.2024

    Bittersüße Träume

    Die Süßwaren-Saga geht weiter. „Helenes Träume“ ist der zweite Band dieser Reihe, schon „Helenes Hoffnung“, das erste Buch, habe ich verschlungen und wehmütig zugeklappt und nun endlich die Fortsetzung lesen können, die im Köln des Jahres 1933 angesiedelt ist. Helene ist mit Georg verheiratet und nun freuen sie sich auf die Geburt ihrer gemeinsamen Tochter Anita. Nicht nur Eheprobleme machen Helene zu schaffen, auch sieht sie sich eines Plagiatsvorwurfs ausgesetzt.

    Auch wenn sich Helene nach ihren Jahren in Hamburg wieder ganz in die familieneigene Firma einbringt, hat sie doch an allen Fronten zu kämpfen. Als Frau – und sei sie noch so begabt – hat sie nach wie vor einen schweren Stand. Gemeinsam mit ihrem Bruder Alfred leitet sie die Süßwarenmanufaktur, was Alfred jedoch nicht davon abhält, einsame Entscheidungen zu treffen. Helenes Ehemann ist ihr keine große Stütze, er fühlt sich in seiner Rolle als Außendienstler zunehmend wohl, ist mehr unterwegs denn zuhause. Nachdem der schon erwähnte Plagiatsvorwurf publik wird, wenden sich immer mehr Kunden von ihnen ab, die Weltwirtschaftskrise macht ihnen zu schaffen und nicht genug damit, auch spielen die erstarkten Nationalsozialisten eine entscheidende Rolle.

    Vor dem Hintergrund des Nationalsozialismus, deren Einfluss immer tiefer in die Firmenstrukturen hineinreicht, erzählt Claudia Romes von der fiktiven Kölner Familie von Ratschek und deren Süßwarenmanufaktur. Juden sind nicht erwünscht, die Geschäftsleitung hat dem Rechnung zu tragen, das Personal muss angepasst werden, auch wird eine Parteizugehörigkeit erwartet.

    Ja, Helenes Träume scheinen weit weg zu sein, sie sind eher bittersüß, wenn nicht gar ausgeträumt. Habe ich sie im ersten Band als durchaus emanzipierte Frau wahrgenommen, so ist sie nun eher im Kreise ihrer konservativen Familie gefangen. Helene lebt mit Mann und Kind in der Familienvilla, gemeinsam mit ihrer doch sehr dominanten Mutter. Diese bremst sie mit ihrem veralteten Frauenbild gerne aus. Wenigstens Eva, Alfreds Frau, ist ihr eine willkommene Stütze und gute Freundin. Es gibt Rückschläge und doch ist Helene ihr Kampfgeist nicht ganz abhanden gekommen, wenngleich er ausgerechnet durch Georg einen schweren Schlag erleidet. Und nicht nur durch ihn, es passiert eine ganze Menge, das Buch konnte ich erst weglegen, als die letzten Seiten gelesen waren.

    Auch wenn dieser zweite Band nun ausgelesen ist, so warte ich doch dringend auf einen hoffentlich nächsten Teil, denn so einiges bleibt ungesagt, wenngleich die hier aufgetretenen Unzulänglichkeiten und Probleme schon gelöst sind. Die Autorin hat mich mit ihrem einnehmenden Schreibstil bestens unterhalten, ihre Charaktere sind wie eh und je lebendig und facettenreich mit Ecken und Kanten – der eine mehr, der andere weniger. Sie sind liebenswert oder auch nicht, so manchen würde ich schon eher meiden wollen. In der „Fabrik der süßen Dinge“ ist nun Feierabend, es hat mich sehr gefreut, all die Köstlichkeiten genießen zu dürfen.
    Lil Markus Gasser
    Lil (Buch)
    16.02.2024

    „Lil the Kill“ oder die Geschichte einer emanzipierten Frau

    Lillian Cutting ist eine erfolgreiche Frau, die schon als Siebenjährige von ihrem Vater gefördert wird. Er hat ihr Potenzial erkannt - so auch Chev, ihr späterer Ehemann. Nach seinem Tod führte sie, die Eisenbahnmagnatin, das Finanzgenie, mit Geschick und Spürsinn für alles Geschäftliche das Unternehmen weiter.

    Wir sind in New York und schreiben das Jahr 1880. Lillians Erfolg weckt Neider und nicht nur für ihre Konkurrenten ist sie ein rotes Tuch, auch ihr Sohn Robert kann es nicht fassen, dass nicht er als „natürlicher“ Nachfolger seines Vaters an der Firmenspitze steht. Denn dieser hat vorausschauend Lillians Position testamentarisch gesichert. Ein durchaus nachvollziehbarer Schritt, denn Robert ist eher einer, der sich und die Bank, in die ihn einst sein Vater eingekauft hat, nur durch die ständigen Finanzspritzen seines Vaters ganz oben halten kann. Und so ersinnt er mit seinem Freund Doktor Matthew Fairwell, der das Sanatorium Hops Island führt, einen teuflischen Plan. Hops Island ist im landläufigen Sinne eine Nervenheilanstalt, Lillian bezeichnet sie als Irrenkolonie und genau dahin lockt Robert seine Mutter.

    Markus Gasser ist eine gar furiose Geschichte um eine emanzipierte Frau gelungen. Eigentlich sind es zwei Frauenfiguren, die unerschrocken ihren Weg gehen, damals ganz unüblich und von der feinen Gesellschaft so gar nicht toleriert. Eine Frau hatte in erster Linie Ehefrau und Mutter zu sein, sie hatte repräsentative Aufgaben, die „Erlauchten Vierhundert“ gaben den Ton an. Gasser versteht es aufs trefflichste, die Empfindlichkeiten der New Yorker Upper Class zu skizzieren. Die Unterdrückung der Frau, einhergehend mit der Emporhebung des Patriarchats, scheint die einzig wahre Gesellschaftsordnung zu sein. Und Fairwell seinerseits sieht sich als einen Chirurgen des Geistes, er gibt eine verstörende Beschreibung seines Frauenbildes wieder.

    Alles beginnt mit Sarah, die mit Miss Brontë, ihrer Dobermann-Hündin, Lillians Geschichte erzählt. Ihr Dialog mutet zunächst ein wenig befremdlich an, was sich aber alsbald ins Gegenteil verkehrt. Lillian, kurz Lil genannt, ist Sarahs Großmutter - mit einem vierfachen „Ur“ vorneweg. Auslöser für diese spannende Erzählung ist ein Brief vom April 1880, der nie abgeschickt und jetzt beim Ausräumen der einstigen Nervenklinik gefunden wird. Und so kommt die Geschichte ins Rollen, die tragisch ist, aber nicht nur. Die die höhere Gesellschaft Manhattans nicht gut aussehen lässt, die jedoch nicht mit der Stärke einer unerschrockenen Frau rechnet. Ein außergewöhnlicher, ein lesenswerter Roman, der fesselt von der ersten bis zur letzten Seite.
    Blutrot Lilja Sigurðardóttir
    Blutrot (Buch)
    16.02.2024

    Ein Fall für Áróra

    „Blutrot“ – ein Island-Krimi - ist der zweite Band der Áróra-Reihe, jeder Band ist in sich abgeschlossen. Schon „Höllenkalt“, der erste Band, hat mich fasziniert. Hier ist die Halbisländerin Áróra von London nach Island gezogen, um ihre Schwester Ísafold zu suchen. Sie ist nach wie vor verschwunden und auch wenn die beiden nicht unbedingt einen engen Kontakt hatten, treibt es Áróra um, sie lässt nicht locker. Und nun ist wiederum ein Mensch verschwunden.
    Von Flosis Frau Gudrun fehlt jede Spur, denn als er heimkommt, findet er am Küchentisch eine Nachricht, die keine Zweifel offen lässt, dass Gudrun entführt wurde. Sollte er nicht innerhalb kürzester Zeit das geforderte Lösegeld auftreiben, ist sie tot. Schaltet er die Polizei ein, ebenfalls. Er muss also einen größeren Geldbetrag auftreiben – ein Fall für Áróra, die als Ermittlerin im Bereich Wirtschaftskriminalität tätig ist. Sie kontaktiert Daniel, ein Freund und Polizist, der sich als solcher nach außen nicht zu erkennen gibt. Daniel unterstützt Áróra weiterhin auch bei der Suche nach ihrer Schwester, nun jedoch steht Gudruns Verschwinden an erster Stelle.
    Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Flosis Umfeld und auch seine Finanzen werden durchleuchtet, immer mehr Ungereimtheiten kommen ans Tageslicht. Sämtliche Möglichkeiten werden durchdacht und auch so einige verdächtige Personen kristallisieren sich heraus. Neben dem Entführungsfall könnte es um sehr viel mehr gehen - um Geldwäsche etwa, um Steuerhinterziehung und noch so einige kriminelle Machenschaften.
    Auch dieser zweite Band fesselt von Anfang an. Der Fall geht in eine zunächst nicht absehbare Richtung, er ist vielschichtig und wendungsreich mit Charakteren, denen man nicht recht trauen mag, die jedoch – jeder für sich - authentisch angelegt sind. Ein wenig Privatleben schimmert auch durch, Áróra und Daniel verstehen sich gut und doch scheint es mit den beiden nicht recht voranzugehen. Um zum Entführungsfall zurückzukommen – er wird aufgeklärt. Letztendlich ist alles in sich schlüssig, auch wenn dies lange nicht sichtbar ist. Und nun heißt es warten auf „Schneeweiß“, den finalen dritten Band.
    Die Insel des Zorns Alex Michaelides
    Die Insel des Zorns (Buch)
    08.02.2024

    Wendungsreich

    Nein, diese Geschichte habe ich wirklich noch nicht gehört. Da muss ich ihm, dem Erzähler, recht geben. „Um Mitternacht fielen in der Ruine drei Schüsse….“ Selbst diese Aussage verleitet mich dazu, zu behaupten, dass es sich hier um keinen Kriminalfall handelt, zumindest nicht vordergründig. Und ja, es ist eher eine Charakterstudie der etwas anderen Art.

    Aber fassen wir zusammen. Der Schauplatz ist neben Zwischenstationen in London eine griechische Insel – Aura. Genannt nach der griechischen Göttin der Morgenröte. Dramatisches hat sich hier abgespielt, denn Lana Farrar, die ihre Hollywood-Karriere an den Nagel gehängt hat, hat eine kleine, exklusive Gesellschaft eingeladen. Sieben Freunde sollten mit ihr über Ostern auf ihrer Privatinsel Sonne tanken.

    Der Erzähler, es war übrigens Elliot Chase, hat mich bestens eingeführt. Er hat sie mir alle vorgestellt, nicht der Reihe nach, eher zufällig. Wobei nichts dem Zufall überlassen wurde, zumindest meine ich dies. Neben Jason, Lanas Ehemann, ist auch Leo, ihr Sohn aus erster Ehe, angereist und auch Kate, ihre gute Freundin, Elliot sowieso. Denn wie sonst könnte er darüber berichten. Wären noch Agathie und Nikos, letzterer lebt ganzjährig auf dieser Insel und Agathie, die gute Seele, die Lana stets unterstützend zur Seite steht, vervollständigt diesen Personenkreis. Gut, kommen wir zurück auf die Insel. Sie ist klein, die nächstgelegene bewohnte Insel – es ist Mykonos – zwanzig Minuten mit dem Boot entfernt.

    Alex Michaelides hat eine ganz eigene Art, seine Geschichten darzustellen. Es hat lange gedauert, bis er mit der Einführung fertig war, es ist nichts Großartiges passiert und doch hat er mich sofort abgeholt. Ja, seine subtile Erzählweise nimmt einen sofort mit, er sagt viel und hört dann auf, wenn man mehr wissen möchte, schildert etwa das Martyrium eines Mobbingopfers, das man meint, zuordnen zu können und doch nicht weiß, ob dies stimmen kann.

    Man sollte sich auf „Die Insel des Zorns“ schon einlassen, aber dann wird einen ein wendungsreiches, feinsinnig und durchaus ein wenig spitzbübisch dargebotenes psychologisches Stück serviert, das bis zuletzt seinen wahren Kern nicht verrät, das durchgehend spannend ist, das gut unterhält.
    Waiseninsel Max Seeck
    Waiseninsel (Buch)
    04.01.2024

    Spannend, fesselnd, undurchsichtig

    „Waiseninsel“ ist der nunmehr vierte Band der Jessica-Niemi-Reihe. Er steht seinen Vorgängern in nichts nach, auch wenn ich das Täterprofil ein wenig bekritteln möchte.

    Jessica Niemi nimmt gezwungenermaßen eine Auszeit, die sie in gewisser Weise selbst verschuldet hat. Sie ist unschön ausgerastet, auch leidet sie an immer wiederkehrenden Halluzinationen, ein ererbtes Leiden, das im Polizeidienst nichts zu suchen haben sollte. Sie landet auf der zwischen Finnland und Schweden gelegenen Åland-Insel Smörregard und auch dort kann sie, die Kommissarin, nicht anders, als sich einzumischen. Eine Gruppe älterer Menschen, die sich die Zugvögel nennen, wohnt in dem Gasthaus, in dem auch Jessie ihren „Urlaub“ verbringt. Als eines Tages eine Frau dieser Zugvögel tot aufgefunden wird, gräbt sie tiefer. Sie lässt sich die Geschichte von dem Mädchen im blauen Mantel erzählen, entdeckt das mittlerweile halb verfallene Waisenhaus, erfährt von weiteren Toten, deren Geschichte der jetzigen ähnelt. Und auch wenn diese Todesfälle schon lange zurückliegen, so scheint doch alles irgendwie zusammenzuhängen.

    Schon der Prolog ist so spannend wie undurchsichtig und das ganze Buch über frage ich mich, wie ich dies alles deuten soll. „Der Saum des blauen Mantels flattert im Wind…“ Schon hier begegne ich diesem mysteriösen Wesen und ich werde ihm noch öfter begegnen.

    Max Seeck wechselt vom Heute ins Gestern, in das Kinderheim ins Jahr 1946. Und natürlich frage ich mich, was diese Vorkommnisse von damals mit den heutigen, durchaus seltsamen Begebenheiten zu tun haben. Als Åke, der Juniorchef des Gasthauses, Jessica mehr vom Waisenhaus, von der kleinen Maija und den anderen Kindern, erzählt, habe ich zwar mehr an Infos, bin aber trotzdem verwirrter denn je. Auch ermittelt ein Kommissar in der Sache der jetzigen Toten – auch er ein durchaus irritierender Charakter. Überhaupt kommt mir jede einzelne Person suspekt vor. Ein selbstredend gelungener Schachzug des Autors. Er versteht es bestens, die Orientierungslosigkeit hoch zu halten. Während des Lesens hatte ich so einige verdächtige Gestalten ausgemacht, jeder hatte genug mörderisches Potenzial. Meinte ich zumindest, denn bei jedem gab es ein oder mehrere Details, die dann doch nicht gepasst haben. Nicht passen konnten.

    Im Endeffekt war ich ob der Täterperson überrascht, auch weil ich das zeitliche Prozedere nicht so ganz zuordnen kann und mag. Zudem ist eine halluzinierende Kommissarin eher irreal denn Wirklichkeit und doch möchte ich von Niemi noch mehr lesen, sie ist eine interessante, vielschichtige Persönlichkeit. Abgesehen davon hat mich der Thriller auf ganzer Linie gefesselt hat – von der ersten bis zur letzten Seite. Max Seeck weiß seine Leser zu fesseln und in die Irre zu führen, er garantiert für beste Unterhaltung.
    Weil du meine Tochter bist Julia Kelly
    Weil du meine Tochter bist (Buch)
    30.12.2023

    Bewegend

    Beginnend im Jahre 1939 - vor dem Hintergrund des zweiten Weltkrieges - erzählt Julia Kelly stellvertretend für die vielen evakuierten Kinder die Geschichte von Mutter und Tochter, die alles füreinander sind und sich doch trennen müssen. Wie sie in den Nachbemerkungen verrät, ist ihr Roman ansatzweise der Geschichte eines Mitglieds ihrer Familie nachempfunden.

    Viv und Joshua sind nun verheiratet, das Kind wird ehelich geboren werden. Alles andere ist nicht von Belang, zumindest der äußere Schein bleibt gewahrt. Den werdenden Vater zieht es nach New York, dort sieht er seine Chance, als Musiker ganz groß rauszukommen. Derweilen bleibt Viv mit ihrer Maggie, ihrem Bärchen, zurück in Liverpool. Infolge der Luftangriffe ist die Kinderverschickung aufs Land geboten und auch wenn Viv sich nicht von ihrer Tochter trennen mag, so gibt sie sie schweren Herzens in die Obhut einer Familie. Das Band zwischen Mutter und Tochter bleibt dank Vivs gelegentlicher Besuche trotz allem eng. Bis es zur Katastrophe kommt – das Haus der Thompsons, Maggies Gastfamilie, wird bombardiert, von Maggie und ihren Gasteltern fehlt jede Spur.

    Die Liebe einer Mutter ist unendlich, sie stellt das Leben und das Glück ihres Kindes vor ihr eigenes, Julia Kelly hat den Schmerz der Trennung und die nie endende Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen gut eingefangen. Auch spielen die religiöse Herkunft und das Zusammenleben jüdischer und katholischer Familien und die nicht überall tolerierten Mischehen mit hinein. Sie beschreibt eindrucksvoll ein trauriges Stück Geschichte, die ein Krieg mit all seinen Schrecken mit sich bringt. Ihre Figuren sind fein ausgearbeitet, jede einzelne ist individuell gezeichnet - voller Herzensgüte und Mitgefühl, aber auch Verrat, Hinterhältigkeit und Intoleranz ohne jegliches Feingefühl für die anderen kennzeichnen ihre Charaktere.

    Der Autorin ist es gelungen, all die Hoffnung, die Ängste und Zweifel einer Mutter, die das Beste für ihr Kind will, hautnah zu vermitteln. Das Buch ist wie ein Sog, es zieht einen förmlich mit. „Weil du meine Tochter bist“ hat mich aufgewühlt und bis zum Schluss nicht mehr losgelassen. Ein Buch, das bewegt und lange nachwirkt.
    176 bis 200 von 215 Rezensionen
    1 2 3 4 5 6 7
    8
    9
    Newsletter abonnieren
    FAQ- und Hilfethemen
    • Über jpc

    • Das Unternehmen
    • Unser Blog
    • Großhandel und Partnerprogramm
    MasterCard VISA Amex PayPal
    DHL
    • AGB
    • Versandkosten
    • Datenschutzhinweise
    • Barrierefreiheitserklärung
    • Impressum
    • Kontakt
    • Hinweise zur Batterierücknahme
    * Alle Preise inkl. MwSt., ggf. zzgl. Versandkosten
    ** Alle durchgestrichenen Preise (z. B. EUR 12,99) beziehen sich auf die bislang in diesem Shop angegebenen Preise oder – wenn angegeben – auf einen limitierten Sonderpreis.
    © jpc-Schallplatten-Versandhandelsgesellschaft mbH
    • jpc.de – Leidenschaft für Musik
    • Startseite
    • Feed
    • Pop/Rock
    • Jazz
    • Klassik
    • Vinyl
    • Filme
    • Bücher
    • Noten
    • %SALE%
    • Weitere Bereiche
      • Themenshops
      • Vom Künstler signiert
      • Zeitschriften
      • Zubehör und Technik
      • Geschenkgutscheine
    • Anmelden
    • Konto anlegen
    • Datenschutzhinweise
    • Impressum
    • Kontakt