Inhalt Einstellungen Privatsphäre
jpc.de – Leidenschaft für Musik Startseite jpc.de – Leidenschaft für Musik Startseite
  • Portofrei ab 20 Euro
  • Portofrei bestellen ab 20 Euro
  • Portofrei innerhalb Deutschlands Vinyl und Bücher und alles ab 20 Euro
0
EUR
00,00*
Warenkorb EUR 00,00 *
Anmelden
Konto anlegen
Filter
    Erweiterte Suche
    Anmelden Konto anlegen
    1. Startseite
    2. Alle Rezensionen von Magnolia bei jpc.de

    Magnolia

    Aktiv seit: 05. November 2023
    "Hilfreich"-Bewertungen: 8
    182 Rezensionen
    Am Fluss der Zeiten Ulrike Renk
    Am Fluss der Zeiten (Buch)
    23.10.2024

    Das Leben einfacher Bauern im 16. Jahrhundert – eindrucksvoller Auftaktband

    „Am Fluss der Zeiten“ ist der Auftakt eines historischen Mehrteilers, der im 16. Jahrhundert angesiedelt ist. Er basiert auf einer wahren Geschichte mit Personen, die damals gelebt haben. Das besondere daran ist, dass es die Vorfahren der Autorin waren, sie lebten auf dem Hof Kalmule, den es auch heute noch gibt, jedoch hat dieser mit Ulrike Renks Familie nichts mehr zu tun. Fiktionale Momente mischen sich mit den sorgfältig recherchierten Verhältnissen der damaligen Zeit.

    Zunächst möchte ich auf die Personenliste am Ende des Buches hinweisen, gegliedert nach den einzelnen Höfen, der Burg Kakesbeck, dem Haus Senden und der Domkurie Münster. Gerade anfangs ist es sehr hilfreich, hier immer mal wieder nachzuschauen und auch das Glossar danach war für mich unverzichtbar.

    Elze lebt mit ihren Eltern, ihrer jüngeren Schwester Nele, ihren drei Brüdern sowie ihrer Vaterschwester Stine auf Hof Kalmule und seit ihr ältester Bruder Drees seine Käthe geehelicht hat, lebt auch sie hier. Sie sind Eigenbehörige – der Begriff war mir fremd. Sie waren unfrei, sie standen in einem engen Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem Grundherrn mit allen Pflichten, die sie dadurch hatten. Auch so manch andere Benennungen und Ausdrücke, die diesen Roman so authentisch machen, waren mir nicht geläufig und so habe ich auch erfahren, dass eine Hofübernahme, für welche Zahlung – und das nicht zu knapp - geleistet werden musste, als Auffahrt bezeichnet wurde. Im Prolog erfahren wird, dass Drees auf Hof Kalmule auffahren will, sein Vater ist alt und angeschlagen und wird aufs Altenteil gehen. Den ersten Seiten ist auch zu entnehmen, dass Amtmann Valcke die siebzehnjährige Elze zum Gesindedienst nach Münster verplichtet. Drees Einwand, dass sie auf dem Hof gebraucht wird, lässt Valcke nicht gelten, er duldet keinen Widerspruch. Bis dahin mag es noch ein Weilchen dauern, denn nach dem kurzen Prolog gehen wir ein Jahr zurück. Die Bauern sind mitten in der Ernte, die Trockenheit hat die Böden hart gemacht und nun ist der Damm gebrochen, die Stever steigt, auch der Kleuterbach tritt über die Ufer, das Wasser kommt in die Höfe. Wir sind mittendrin im ganz normalen Alltag der einfachen Leute und ihres arbeitsreichen Daseins. Alle müssen mit anpacken, alles wird verwertet, sie sind weitgehend Selbstversorger.

    Vom Sommer 1551 bis ins Frühjahr 1553 begleiten wir Elze und die ihren ein Stück ihres Weges. Es sind Tage voller Arbeit, so mancher Schicksalsschlag in der Familie ist schwer zu verkraften, auch spielt der Aberglaube mit hinein. Die Reformationsbewegung, die Zeit der Widertäufer und deren Auswirkungen sind Thema, aus Stines Sicht lässt uns die Autorin daran teilhaben. Das Bild vom finsteren Mittelalter drängt sich mir unweigerlich auf. Auch war das Wissen der Kräuterfrauen sehr gefragt, lesen und schreiben konnten die wenigsten, geheiratet wird nicht nur aus Sympathie und doch spielen auch Zuneigung und die ersten zarten Bande eine Rolle.

    Ulrike Renk hat das Leben der einfachen Bauern gut eingefangen. Sie lässt Geschichte lebendig werden, sie nimmt ihre Leser mit auf eine Reise ins fünfhundert Jahre zurückliegende Gestern. Der Auftaktband der Trilogie um Hof Kalmule macht Lust auf mehr – ich bin auf die Fortsetzung gespannt.
    Café Hawelka Maria Wachter
    Café Hawelka (Buch)
    22.10.2024

    Rund um das Hawelka - eine Melange auf zwei Zeitebenen

    Die Reihe „Cafés, die Geschichte schreiben“ wird mit dem dritten Band um das „Café Hawelka“ fortgesetzt. Wer kennt es nicht, dieses Wiener Kaffeehaus, in dem sich die Berühmtheiten seit jeher wohl fühlen. Maria Wachter schrieb als Wienerin dieses Buch mit großen Vergnügen, wie sie in ihrem Nachwort verrät.
    „Nicht grandios und glamourös, aber gemütlich ist es bei uns. Deshalb kommen sie alle – Dichter, Maler, Literaten, Schauspieler, Studenten genauso wie die Reichen und die Mächtigen…“ schwärmt Jutta von „ihrem Hawelka“, ihrem zweiten Wohnzimmer. Alle sind sie gleich viel wert, alle sind sie willkommen.
    Endlich – der Krieg ist aus. Gerade noch war Else mit Fritzi im Luftschutzkeller und nun hört sie es, seit drei Tagen schon soll er vorbei sein. Aber wo ist Fritzi, ihre kleine Schwester, die sie notgedrungen aufzieht, da ihre Mutter bei Fritzis Geburt gestorben ist und Vater in den Krieg musste. Auf der Suche nach Fritzi begegnet ihr Frau Hawelka, die ihr gut zuredet, die ihr Mut macht und sie mitnimmt in ihr Kaffeehaus, denn in ihr Zuhause kann Else nicht mehr – Wien ist ein einziger Trümmerhaufen und doch steht das Café Hawelka noch, völlig unbeschadet.
    Es ist so viel mehr als nur die Geschichte um das Hawelka, die Maria Wachter in ihrem Roman in zwei sich abwechselnden Zeitebenen so wundervoll erzählt: Von 1945, als Leopold und Josefine Hawelka alles dran setzten, um ihr Kaffeehaus trotz Mangel wiederzueröffnen, was ihnen trotz den nicht zu unterschätzenden Gefahren des Schwarzmarktes und der zerstörten Infrastruktur mit viel Improvisationstalent gelingt. Im Nachkriegs-Wien begleiten wir Else. Wien ist in vier Zonen eingeteilt, es gibt praktisch nichts und doch kämpfen sie alle ums Überleben und nicht nur das – Else ist jung, sie ist pflichtbewusst und auch ein wenig lebenshungrig, sie geht tanzen, sie verliebt sich. 1968 dann, im zweiten Erzählstrang, ist es Jutta, der wir folgen. Sie will heiraten und braucht dafür Papiere, die Ihre Mutter Else in der Dokumentenmappe der Familie sicher verwahrt. Jutta ist bald einem gut gehüteten Geheimnis um ihre Familie auf der Spur, es wird an die Kriegswirren, die Judentransporte und auch die Überzeugungstäter und an noch so vieles mehr erinnert. Juttas eckt an, ihr Sinn für Gerechtigkeit ist nicht jedem genehm. Auch wird der Zeitgeist gut eingefangen, sie tragen wieder Pelzmäntel – um nur eine kleine, wie dazwischengeschobene Anekdote zu benennen - was heutzutage gar nicht mehr geht.
    Maria Wachter ist es bestens gelungen, rund um das Hawelka die Geschichte einer Familie zu erzählen und dabei sehr viel Historisches mit einfließen zu lassen. Ihre Melange aus wahren Biographien, dem gut recherchierten geschichtlichen Hintergrund und den fiktiven Charakteren habe ich sehr genossen.
    Der längste Schlaf Melanie Raabe
    Der längste Schlaf (Buch)
    18.10.2024

    Über Schlaflosigkeit, über prophetische Träume und mehr

    Mara Lux ist gebürtige Deutsche, lebt aber schon lange in London. Schon früh hat sie ihre Eltern verloren, hat dann aber in ihrer Pflegefamilie viel Zuwendung bekommen, deren Tochter Roxi ihr zur Schwester und besten Freundin geworden ist. Mara ist Wissenschaftlerin, ihr Gebiet ist der Schlaf und die Schlaflosigkeit, an der sie selber leidet.
    Einen Frankfurter Notar soll sie anrufen – diese Nachricht findet sie neben anderen in ihren eMails, was ihr äußerst seltsam erscheint. Denn außer mit Roxy hat sie keine Verbindung nach Deutschland. Nach kurzem Zögern ruft sie dennoch die hinterlegte Nummer an. Eine Schenkung, ein Herrenhaus, frei von Schulden und ähnlichen Verbindlichkeiten, wartet auf sie. Der Notar nennt ihr den Namen des ihr völlig Unbekannten. Sie lehnt ab, bedankt sich und beendet das Telefonat. Und doch geht ihr diese absonderliche Sache nicht mehr aus dem Kopf und beschließt, sich das Haus vor Ort anzusehen.
    Dazwischen lesen wir von einem Geschwisterpaar, deren Geschichte ich nicht vorweg nehmen möchte.
    Es geht um Schlaf und Schlaflosigkeit und von prophetischen Träumen lesen wir auch. Es sind mehrere Handlungsstränge, die jeder für sich rational nicht greifbar sind. Nicht nur in besagtem Herrenhaus geschehen seltsame Dinge – oder ist dies eher Einbildung? Vor allem nachts ist alles ein Stück weit unheimlicher und wenn man sich dann an einem Ort befindet, der einen nicht vertraut ist, hört sich jedes Geräusch zusätzlich bedrohlich an. Die Story driftet zuweilen ins Mystische ab, was dem Ganzen Spannung verleiht, den märchenhaften Elementen, die sich später dann dazwischenschieben, kann ich jedoch nicht viel abgewinnen. So manche Figur bleibt oberflächlich, andere verlieren sich zu sehr ins Phantastische. Trotzdem habe ich das Buch gerne gelesen, was nicht zuletzt dem einnehmenden Schreibstil geschuldet ist - es war meine erste Begegnung mit Melanie Raabe.
    Das Parfüm des Todes Katniss Hsiao
    Das Parfüm des Todes (Buch)
    18.10.2024

    Sie riecht den Tod

    „Vor ein paar Wochen hast du eigenständig einen Auftrag angenommen, stimmt´s? Yang NIng erinnert sich an den Kunden, der schon etwas seltsam war. Der Anrufer hatte es eilig, in wenigen Stunden sollte der Auftrag erledigt sein. Es schien perfekt zu laufen - der Schlüssel war an der angegebenen Stelle, das Geld hinterlegt, alles war so wie besprochen. Ihr Chef war nicht begeistert, als er erst hinterher davon erfahren hat, auch wenn der Job sehr gut bezahlt wurde. „Die Polizei geht von einem Mord aus. Und du warst vor ihnen am Tatort“ eröffnet ihr Haoyang, ihr Anwalt und ehemaliger Lebensgefährte. Nun wird Yang Ning klar, warum die Polizei sie verdächtigt, denn sie hatte sämtliche Beweise beseitigt, einen nach dem anderen. Als Tatortreinigerin ist dies nun mal ihr Job, hier aber wurde sie in eine fiese Falle gelockt. Wie soll sie beweisen, dass sie mit dem Mord, der ihr zur Last gelegt wird, nichts zu tun hat?
    Yang Ning ist ihr absoluter Geruchssinn abhanden gekommen, nur in bestimmten Situationen, an berüchtigten Orten, ist er wieder da. Ihr feines Näschen konnte zuvor sämtliche Aromen aufschlüsseln, jede einzelne Substanz identifizieren und sie bei Bedarf aus dem Gedächtnis abrufen. Und nun ist es der Gestank des Todes, dem sie als Tatortreinigerin im Einsatz begegnet, der ihr diese Gabe zurückgibt, wenngleich er nicht anhält.
    In drei Teilen berichtet „Das Parfüm des Todes“ vom „Tatort“, zeigt das“ Täterprofil“ auf und endet in einem „Raunen“. Die Autorin lässt sich zunächst viel Zeit, sie stellt die einzelnen Figuren vor, wobei ich um das Personenverzeichnis am Ende des Buches sehr dankbar war, denn die taiwanisch-chinesischen, ähnlich geschriebenen Namen, sind schon eine Herausforderung. Man begegnet hochgradig gestörten Wesen, wir lesen von Pädophilie, von Fetischismus und von Gerüchen, die uns anhaften. Es wird Anleihe an Grenouille genommen, was mir jedoch so gar nicht gefällt. Süßkinds Grenouille hat den perfekten Geruchssinn, ist aber selber ohne jeden Eigengeruch. Diese Tatsache mal ausgeblendet, hat „Das Parfüm des Todes“ durchaus Thrillerqualitäten, wenngleich nicht durchgängig. Zuweilen verliert sich die Story in zu vielen Details, sie wartet aber schon mit brutalen Szenen auf – zu zartbesaitete Leser werden hier aufstöhnen. Der Schluss dann hat mich nicht abgeholt, er ist für meine Begriffe etwas seltsam geraten.
    Lindt & Sprüngli (Lindt & Sprüngli Saga 1) Lisa Graf
    Lindt & Sprüngli (Lindt & Sprüngli Saga 1) (Buch)
    13.10.2024

    Vom Zuckerbäcker zum Chocolatier – ein exquisiter Lesegenuss

    Die Lindt & Sprüngli AG ist ein international agierender Schweizer Schokoladenhersteller, deren Ursprung auf Rudolf Sprüngli und seinen Schokoladenmanufakturen zurückgeht.

    Einst erlernte Rudolf von seinem Vater David den Beruf des Zuckerbäckers. Gerade ausgelernt, nach seinem Gesellenstück, ging er auf Wanderschaft. Dabei traf er auf den Chocolatier François-Louis Cailler und auf Philippe Suchard, beide waren sie Vorreiter in der Herstellung feinster Schokolade. Inspiriert davon, mit neuen Ideen im Kopf, zog es ihn wieder heimwärts nach Zürich in die Marktgasse, in die Konditorei seines Vaters. David Sprüngli & Sohn firmierten sie nun. Auch wenn David den Höhenflügen seines Sohnes nicht allzu viel abgewinnen konnte, so ließ sich Rudolf, unterstürzt von seiner Frau Katharina, nicht davon abhalten, Neues auszuprobieren. Er suchte nach Geldgebern, expandierte, der Erfolg gab ihm recht.

    Lisa Graf führt ihre Leser zunächst ins Jahr 1826, Rudolf ist gerade mal zehn Jahre alt. Zum Apotheker Flückinger hat er seit jeher eine starke Verbindung und zu ihm geht er nun, da er für seine kranke Mutter Medizin holen muss. Neben den Tropfen, die sie schon länger nimmt, hat Rudolfs väterlicher Freund noch etwas ganz besonderes. Er experimentiert schon länger mit Kakaobohnen, mit Zucker fein gemahlen, angereichert mit etwas Öl , gepresst als Taler gibt er Rudolf zwei Stück mit, sie sollen die Mutter kräftigen. Und - sie wird wieder gesund. Von da an war der kleine Rudolf angefixt, diese Kakaobohnen, aus denen mit etlichen Zutaten etwas Feines hergestellt werden kann, lassen ihn nicht mehr los.

    Die Autorin erzählt von den Anfängen des Familienunternehmens. Den zehnjährigen Rudolf begleiten wir, er lernt bald seine zukünftige Frau kennen, lernt von den schon etablierten Chocolatiers, probiert selber aus, erweitert sein Sortiment, er weiß schon in ganz jungen Jahren, was er will. Dabei fließt wie nebenbei – aber doch sehr präsent – das Zürich von damals mit ein. Wir lesen von dem Feuerturm, von den Gaslaternen, von den Lebensumständen auch der ärmeren Bevölkerung, den Arbeitsbedingungen, den Zünften und von noch so viel mehr. Kurzum – die damalige Zeit habe ich beim Lesen direkt vor Augen, ich bin mittendrin, bin von dem Gelesenen tief beeindruckt.

    Die historischen Fakten sind bestens recherchiert, die Personen und ihr jeweiliger Charakter gut eingefangen, die Geschichte drumherum ist ein unterhaltsames, ein kurzweiliges Lesevergnügen. Die 470 Seiten waren viel zu schnell gelesen. Der Anhang sei noch erwähnt, er bietet eine Liste mit den wichtigsten Personen inklusive Kurzbeschreibung und auch das Glossar mit einigen schweizerischen Begriffen ist hilfreich. Den süßen Einstieg ins Buch bietet das Rezept einer Tarte au Chocolat, das die Leser beim Aufschlagen des Buches erwartet - ein ganz besonderer Genuss.

    Dieser erste Band der Lindt & Sprüngli Saga umfasst die Jahre 1826 bis 1863. Nun kenne ich Rudolf Sprünglis Werdegang und möchte am liebsten sofort weiterlesen, jedoch muss ich mich noch ein Weilchen gedulden. Es ist ein rundum gelungener Start in die Lindt & Sprüngli Trilogie, ein interessanter Einblick in die Anfänge des Unternehmens.
    Everything We Never Said - Liebe lässt uns böse Dinge tun Sloan Harlow
    Everything We Never Said - Liebe lässt uns böse Dinge tun (Buch)
    12.10.2024

    Gefährliche Liebschaften - düster, manipulativ, dramatisch

    Obwohl für mich das Cover eher zweitrangig ist, hat mich doch zunächst das Äußere dieses Buches in seiner Komplettheit (sowohl die Farbgebung als auch der Buchschnitt) angezogen. Und nun, nachdem ich es beendet habe, bin ich auch von diesem Romantic Suspence, wie sich dieses Genre auf Neudeutsch nennt, positiv überrascht. Aber nun zum Wichtigsten, zum Inhalt…
    …der hauptsächlich die Sicht von Ella und von Sawyer wiedergibt, dazwischen sind Hayleys Tagebucheinträge zu lesen.
    Ella fühlt sich schuldig. Sie war es, in deren Auto Hayley mitgefahren ist. An den Unfall kann Ella sich nicht mehr erinnern, aber während sie immer noch da ist, ist Hayley, ihre beste Freundin, tot. Auch Sawyer, Hayleys Freund, geht es nicht gut. In ihrer Trauer um ihre Freundin kommen sich Ella und Sawyer näher, sehr nahe sogar.
    Zunächst fühlt sich das Geschriebene an wie eine typische YA-Story. Neben Ellas Schuldgefühlen und der Trauer um den Verlust ihrer besten Freundin thematisiert Sloan Harlow die Liebe, die durchaus toxisch sein kann, auch Eifersucht, Wut, Kontrolle und Kontrollverlust spielen mit hinein. Die Charaktere – allen voran Ella und Sawyer – überzeugen, wobei mir er im Gegensatz zu Ella eher fragwürdig erscheint, da ihn eine Düsternis umgibt, die des Öfteren an seiner Redlichkeit zweifeln lässt. Die Handlung wird zunehmend intensiver, die Story gut nachvollziehbar und deren Ende so ganz anders, als es lange den Anschein hatte - obwohl ich dies ab einem gewissen Punkt geahnt hatte.
    Ein emotionaler, ein durchaus düsterer Thriller über Schuld und Schuldgefühle, über Liebe und toxische, manipulative Beziehungen. Ein Thema, das eher verschwiegen wird. Ein Jugendbuch, das durchaus auch den älteren Leser anspricht.
    Der lange Schatten Celia Fremlin
    Der lange Schatten (Buch)
    11.10.2024

    Ein Albtraum schlechthin - grandios in Szene gesetzt

    Celia Fremlin beschreibt in ihrem erstmals 1975 erschienenen und nun neu aufgelegten Roman „Der lange Schatten“ nuanciert und fein austariert einen Albtraum, dem sich keiner aussetzen möchte und dem sie doch nicht entrinnen können.
    „Sie wissen das auch, Mrs Barnicott, und zwar besser als jede andere, denn Sie haben ihn ja umgebracht.“ Mit zitternden Händen legt Imogen den Hörer weg. „Ein Irrer“, denkt sie entsetzt über den Anrufer.
    Imogens Ehemann ist noch nicht lange tot, ein Autounfall auf nächtlicher Straße war ihm zum Verhängnis geworden. Und nun, kurz vor Weihnachten, ist sie von diesem schockierenden Anruf zutiefst erschüttert und nicht genug damit, erscheinen Ivors erwachsene Kinder Robin und Dot nebst Anhang. Und als ob sie sich abgesprochen hätten, taucht auch Ivors Ex-Frau Cynthia auf, gefolgt von Piggy, einer jungen Frau, die Robin angeschleppt hat. Sie alle nisten sich bei Imogen ein.
    Es geschehen seltsame Dinge. Man könnte direkt meinen, als ob Ivor im Haus herumgeistert. Imogen findet Zettel mit seiner Handschrift, die Tinte ist noch nicht ganz trocken. Immer wieder scheint es, als ob von Geisterhand Ivors Gewohnheiten nachgestellt würden. Eine düstere, eine zuweilen bedrückende Atmosphäre liegt über ihnen allen.
    Die Frage, ob Imogen denn wirklich Ivors Tod verschuldet hat, habe ich während des Lesens immer im Hinterkopf. Es könnte aber auch ganz anders sein, ich denke abwechselnd an den Anrufer oder dann wieder an einen der Hausgäste. Ist es der ganz normale (Familien)Wahnsinn, wenngleich es nicht nur Familie ist, die hier mitmischt. „Der lange Schatten“ hat mich ab sofort gefesselt, die durchweg spannende Story und die eigenwilligen, sehr speziellen Charaktere verleihen dem Ganzen einen gespenstischen Hauch. Der Albtraum im beileibe nicht Alltäglichen ist meisterhaft in Szene gesetzt und ist es auch – fünfzig Jahre danach – unbedingt wert, gelesen zu werden.
    Die Mitford Schwestern Marie Benedict
    Die Mitford Schwestern (Buch)
    10.10.2024

    Aristokratische It-Girls und die Nazis

    Marie Benedict hat mit „Die Mitford Schwestern“ den nunmehr sechsten Band aus der Reihe „Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte“ vorgelegt. Im Nachhinein kann ich es gar nicht glauben, dass mir diese Schwestern total unbekannt waren, denn sie lieferten Schlagzeilen zur Genüge.
    Als Hitlers Groupie hat der Spiegel die Britin Unity Mitford einst bezeichnet, aristokratische It-Girls hat Marie Benedict sie in der Schlussanmerkung ihres neuesten Buches „Die Mitford Schwestern“ genannt - sie und ihre sechs durchaus exzentrische Schwestern.
    Es ist Nancy, die Älteste, die erzählt. Von sich, von Diana und von Unity. Ein wenig auch von den anderen Schwestern und von der Familie an sich, wenngleich diese hier eher als Nebendarsteller fungieren. Diana ließ sich von dem Brauereierben Bryan Walter Guinness zugunsten des Faschistenführers Mosley scheiden, dem sie regelrecht verfallen war. Mit Untiy, die Hitler schon in München kennengelernt hatte, ging sie 1933 nach Nürnberg zum Reichsparteitag der NSDAP. Beide waren sie glühende Anhängerinnen des Faschismus und des Nationalsozialismus und vor allem schien Unity Hitler verfallen zu sein. Schon lange schwärmt sie für ihn und nun, da sie ihm endlich nahe war, lässt sie dem Wagner-Verehrer wissen, dass ihr zweiter Vorname Valkyrie ist. Für ihn lernt sie Deutsch, sie bezeichnet sich selbst als eine Faschistin und bringt ihren Hass auf die Juden und zugleich die Lobpreisung von Herrn Hitler zum Ausdruck. Nancy steht dem Idealismus ihrer Schwestern kritisch gegenüber. Sie, die Schriftstellerin, gibt die Jahre der Nazi-Herrschaft von 1932 bis 1941 wieder.
    Es waren schillernde Persönlichkeiten, über die Marie Benedict schreibt. Gerne glaube ich ihr, dass es für sie persönliche eine Herausforderung war, sich selbst zurückzunehmen und die geschichtlichen Fakten sprechen zu lassen. Den Fanatismus und die sehr persönliche Sichtweise von Unity und auch den von Diana hat sie eindringlich geschildert, die beiden waren glühende Nazis ohne jegliches Unrechtsbewusstsein. Dieser Massenmörder, dieser Schwerverbrecher kam mir dabei aber allzu menschlich rüber. Gut, sie schreibt von diesem Monster A. H., das sie durch die Augen von Diana und Unity in positives Licht gesetzt hat. Eine Gratwanderung, die für mich persönlich nicht so ganz gelungen ist. Und doch hat sie mir ein Stück Geschichte nähergebracht, von dem ich bis dato nichts wusste.
    Herrliche Zeiten - Die Himmelsstürmer Peter Prange
    Herrliche Zeiten - Die Himmelsstürmer (Buch)
    09.10.2024

    Von grenzenloser Freundschaft und noch sehr viel mehr

    Peter Prange hat mit „Herrliche Zeiten – Die Himmelsstürmer“ den ersten Band seiner neuen Duologie vorgelegt. Er lässt neben der fiktiven Geschichte um Liebe und Freundschaft viel Historisches mit einfließen.
    Vicky hat zu ihrem siebzehnten Geburtstag eine Europareise geschenkt bekommen. Wir schreiben das Jahr 1871. Sie, die junge Londonerin, trifft in Karlsbad auf zwei charmante junge Männer, wenngleich die beiden sich zunächst ganz schön angiften. Nun gut, die drei verabreden sich zum Picknick und natürlich lässt es sich Auguste Escoffier, ein französischer Koch aus Leidenschaft, nicht nehmen, seine neu gewonnen Freunde, zu denen neben Vicky auch der deutsche Ingenieur Paul Biermann zählt, mit den köstlichsten Speisen zu verwöhnen. Den gelungenen Tag lässt Vicky mit je einem Glückspenny ausklingen, damit ihre Träume sich erfüllen mögen.
    Von 1871 bis zur Jahrhundertwende 1900 begleiten wir die drei jungen Leute, deren Lebensweg neben den familiären Einflüssen und Zwängen auch geprägt wird vom gesellschaftlichen Leben, von Politik und dem technischen Fortschritt dieser Zeit. Die Idee zur Untertunnelung des Ärmelkanals geht auf diese Jahre zurück, auch wenn er – wie allseits bekannt - erst sehr viel später verwirklicht wird. Auch nimmt Bismarcks Gedanke, den Berlinern eine Prachtstraße zu hinterlassen, Gestalt an - der Kurfürstendamm soll vor allem die Überlegenheit des Kaiserreichs demonstrieren. Paul Biermann ist in beide Projekte involviert. Der technische Forstschritt schreitet voran, Telegrafen verbreiten Nachrichten um die Welt und das in Windeseile, das Automobil verdrängt bald die Pferdekutsche, es ist eine Epoche des Aufbruchs.
    Daneben tauchen wir ein in den Kolonialismus und die damalige Denkweise darüber, wir begegnen Karl Marx, nehmen unsere vorzüglichen, von Auguste Escoffier kreierten Köstlichkeiten in den besten Lokalen Frankreichs und Englands (in denen, nebenbei bemerkt, August als Chefkoch brilliert) zumindest gedanklich zu uns, César Ritz spielt dabei ganz vorne mit. Zu Gast sind viele Berühmtheiten wie etwa die gefeierte Schauspielerin Sarah Bernhardt, auch den lebensfrohen Bertie, der damals noch Prince of Wales war, war gern gesehen. Oscar Wild reiht sich mit ein wie viele andere, alle sind sie uns heute noch mehr oder auch mal weniger ein Begriff.
    Peter Prange lässt auch hier Geschichte lebendig werden. Eingebettet in den historischen Hintergrund erzählt er die Lebenswege von Vicky, Paul und Auguste, die sich nie ganz aus den Augen verlieren. Ihre weit verzweigten Familiengeschichten haben mich so sehr in ihren Bann gezogen, dass ich einfach weiterlesen musste. Die kurzen Kapitel, die wechselseitig von den dreien erzählen, sind so mitreißend, so spannend, ihre Wünsche, ihre Träume und ihr unbedingter Wille zum Durchhalten absolut nachvollziehbar. Der so einnehmende Schreibstil und die so nahbaren Hauptakteure - und nicht nur diese, auch die anderen so vielschichtig beschriebenen Charaktere - machen das Lesen zu einem ganz besonderen Genuss.
    Ein wunderbares Buch ist ausgelesen, am liebsten möchte ich sofort weiterlesen, der zweiten Band der Duologie erscheint jedoch erst im Herbst 2025 – ich freu mich schon drauf und schwelge einstweilen in „Herrlichen Zeiten“.
    In Zeiten des Todes Luca D'Andrea
    In Zeiten des Todes (Buch)
    05.10.2024

    Spannend, tiefgründig, nach einem wahren Kriminalfall

    „In Zeiten des Todes“ wird in zwei Teilen erzählt und begibt sich direkt auf „die tödliche Spur des Monsters von Bozen“, beginnend in der Nacht des 7. Januar 1992. Das Monster führt sich mit der Leiche einer jungen Prostituierten ein, auch wenn wir lange nicht wissen, wer dieses mordende Wesen denn sein soll. Freudenmädchen-Killer nennen sie es irgendwann, denn natürlich ist die Presse an vorderster Front mit dabei, diese Art Story verkauft sich blendend. Auch Jo, der Chefreporter von Voce delle Alpi, schickt den noch nicht sehr erfahrenen Alex Milla, um möglichst reißerische Fotos zu machen. Was dieser zunächst auch liefert, denn noch ist er ein ganz kleines Licht in der Zeitung. Und dann beginnt er, sich mehr mit diesem Serienmörder zu beschäftigen.
    „24 Messerstiche, keine Beziehung zum Opfer, keine Anzeichen von Reue oder Panik. Das ist kein Mord wie alle anderen.“ Dessen ist sich Luther Krupp sicher, auch wenn Ispettore Lopez, genannt das Rattengesicht, dies anders sieht. Lopez gilt als Commissario Levadas rechte Hand, der Mord an einer Nutte ist es in deren Augen nicht wert, sich darum zu viele Umstände zu machen. Nun, Krupp ist jung und voller Enthusiasmus, er übernimmt diesen Fall, mit Arianna Lici an seiner Seite. Diesem ersten Mord folgt ein zweiter, auch hier handelt es sich um eine junge Prostituierte, auch sie wurde mit einem Messer traktiert, sie wurde regelrecht abgeschlachtet. Der Fundort kann auch hier nicht der Tatort sein.
    Der zweite Teil dann ist mit „Der Zweifel“ übertitelt, es sind dreieinhalb Jahre ins Land gezogen. Davor und auch jetzt werden so etliche Monate, dann auch Jahre, im Schnelldurchlauf abgehandelt. Krupp ist nicht mehr der, der er einmal war. Dafür haben er und Arianna zu viel gesehen. Und sie stolpern über frühere, ähnlich gelagerte, bis heute nicht aufgeklärte Fälle. Was haben diese gestrigen und die jetzigen Verbrechen miteinander zu tun? Ist es gar derselbe Täter?
    Es ist ein Buch, das seine Leser ganz haben will - Luca D’Andrea hat mich mit seinem einnehmenden Schreibstil sofort gehabt. Seiner komplexen Story, die an einen wahren Kriminalfall angelehnt ist, konnte ich nicht entkommen. Gut, er verliert sich dann und wann in einer zu detaillierten Erzählweise, die durchaus hätte ein wenig gestrafft werden können. Und doch braucht es diese Ausführlichkeit, zumindest weitgehend, um dem Ganzen folgen zu können. Neben der Welt der Prostitution, dem Drogensumpf und den damit einhergehenden Vorurteilen, auch in Polizeikreisen, sind es seine Hauptfiguren Krupp, Arianna und Milla, denen ich gespannt folge, die sich während der schwierigen Ermittlungsarbeit weiterentwickeln – jede auf seine ureigene, nicht vorhersehbare Art.
    Der Autor fordert seine Leser. Von einem schnellen, ein oberflächlichen Drüberlesen ist abzuraten, denn dann entgeht einem zu viel. Die Morde, die Frauen und deren Leben, ihr Umfeld, ihre Ängste und Zweifel greifen ineinander über, sie werden multidimensional geschildert. Es sind auch verpasste Chancen, die den Menschen prägen, in welche Richtung auch immer. Es ist ein spannendes, ein tiefgründiges Buch, dem man sich ganz widmen sollte, das zu lesen es sich lohnt.
    Ein Mörder auf der Gästeliste - Ein Weihnachtskrimi: Cosy Crime in einem eingeschneiten Herrenhaus Alexandra Fischer-Hunold
    Ein Mörder auf der Gästeliste - Ein Weihnachtskrimi: Cosy Crime in einem eingeschneiten Herrenhaus (Buch)
    28.09.2024

    Ein mörderisch guter Weihnachtskrimi für jung und alt

    Ein mörderisch guter Weihnachtskrimi ist ausgelesen. „Ein Mörder auf der Gästeliste“ ist ein Cosy-Crime vom Feinsten und nicht nur für junge Leser, wie ich finde. Auch die ältere Leserschaft wird hier bestens unterhalten – ich kann dies bestätigen.
    Das Monfort Lakebay Country House Hotel ist über die Weihnachtstage geschlossen, die Rileys freuen sich über ein paar entspannte Tage. Gerald, der Vater, ist ein begnadeter Koch und wird sie alle mit seinen kulinarischen Köstlichkeiten verwöhnen. Er und seine Frau Harriet feiern Weihnachten mit ihren Kindern Crispian und Zelda und auch Lilly, Zeldas beste Freundin, ist wie jedes Jahr dabei, sie gehört praktisch eh schon zur Familie.
    Zelda und Lilly haben sich eine ganz besondere Überraschung ausgedacht, denn nur zu gerne möchte Zelda ihren Großvater mütterlicherseits kennenlernen. Zwischen ihm und seiner Tochter Harriet herrscht schon lange Funkstille, was Zelda sehr wohl weiß, aber vielleicht gibt es eine Versöhnung unterm Weihnachtsbaum. Die beiden Mädchen warten gespannt auf Augustus Evans, hereingeschneit – und das im wahrsten Sinne es Wortes - kommen zunächst ganz andere Gäste.
    Felicia Hamilton kommt mit ihrem Mini gerade noch bis vors Tor, an eine Weiterfahrt ist jedoch angesichts der heftigen Schneefälle nicht zu denken, also wird sie im Jane-Austen-Zimmer untergebracht. Sie bleibt jedoch nicht der einzige unangekündigte Gast, auch strandet hier ein Architekturjournalist und der noch zugegene Heizungsmonteur kann seine Heimreise nicht mehr antreten, der Schnee liegt mittlerweile zu hoch, auch er wird kurzerhand einquartiert. Nun, irgendwann trifft auch Augustus Evans mitsamt Gefolge ein, das Haus füllt sich zusehends.
    Schon der erste Eindruck ist sehr positiv. Sowohl die Aufmachung als auch das Personenregister mit Kurzinfo und der Hotelplan sind gerade anfangs hilfreich und auch zwischendurch mal leistet dieser Plan gute Dienste.
    Die unterschiedlichsten Charaktere sind hier versammelt, allen voran ist es Augustus Evans, der die einzelnen Familienmitglieder so richtig aufmischt. Dabei bringt er auch sein nicht unbeträchtliches Erbe ins Spiel, aber nicht jeder lässt sich davon blenden geschweige denn ködern.
    Lilly erzählt, was sich die Feiertage über in dem Hotel alles zuträgt. Sie ist Agatha-Christie-Fan und dank ihrer Krimileidenschaft geradezu prädestiniert als Berichterstatterin und nicht nur das, sie beobachtet, sie ermittelt mithilfe ihrer Freundin Zelda, sie ist in ihrem Element. Denn es geschieht ein Mord und auch vorher werden wir Zeuge eines Todesfalles – eine Leiche wird aus dem eiskalten Wasser gefischt. Nicht genug damit, auch ein anderes Verbrechen findet in dem eingeschneiten Hotel statt. Und jeder könnte es gewesen sein.
    Es ist ein kurzweiliges Lesevergnügen für jeden Krimi-Fan, ob jung, ob alt. Die fesselnde Story ist genau wie ich es mag lange undurchsichtig, aber doch logisch nachvollziehbar. Die Charaktere – gut wie böse – sind allesamt authentisch, der Schreibstil spritzig-amüsant und sehr unterhaltsam. Dazu die gut durchdachte Story – was will man mehr. „Ein Mörder auf der Gästeliste“ ist ein in jeder Hinsicht gelungener Cosy-Crime, der gelesen werden will.
    Wintersonnenwende Pascal Engman
    Wintersonnenwende (Buch)
    26.09.2024

    Spannend, dramatisch, nervenaufreibend

    Wolf und Berg ermitteln zum nunmehr zweiten Mal. Während der erste Band „Sommersonnenwende“ schon allein vom Anblick her vor Hitze flirrt, so spürt man in der „Wintersonnenwende“ direkt die Eiseskälte, das Cover spricht bei beiden Bänden für sich, der erste Eindruck ist schon mal sehr positiv…
    …und die Geschichte wird weitererzählt, der Prolog erinnert an den Untergang der Estonia am 28. September 1994 kurz nach Mitternacht und endet mit einer Explosion. Am Samstag, den 31. Dezember 1994 dann wird es für Lucy eng, sie kann gerade noch vor ihrem Freier durchs Fenster fliehen. Er ruft sie bei ihrem richtigen Namen – der Schock sitzt tief, denn niemand kann wissen, wie sie wirklich heißt.
    Tomas Wolf, den seine Vergangenheit immer wieder einzuholen droht, ermittelt zusammen mit seinem Kollegen, der von allen Zingo genannt wird, in einem Mordfall, der sich als sehr komplex herausstellt und in den auch die oben erwähnte Lucy irgendwie drinzuhängen scheint. Andere Todesfälle folgen, sie geraten in ein gefährliches Netz aus Geheimagenten und Prostitution, dies alles vor den unwirtlichen Witterungsverhältnissen Schwedens und auch hier mischt die unerschrockene Journalistin Vera Berg mit und auch bei ihr spielt Privates am Rande mit hinein.
    Die vielschichtige, durch und durch rasante Story wechselt zwischen den Hauptprotagonisten Tomas Wolf und Vera Berg - beide sind sie charakterlich so unterschiedlich wie authentisch. Ihre Ermittlungen überkreuzen sich immer wieder kurz, jedoch handeln sie unabhängig voneinander. Die kurzen Kapitel enden meist dann, wenn es besonders spannend und dramatisch wird, wobei es mitunter brutal und nervenaufreibend zur Sache geht - man sollte also weder dünnhäutig noch prüde sein.
    Die Ermittlungen um diese Morde sind in sich abgeschlossen, man muss also nicht unbedingt das Vorgängerbuch kennen. Natürlich wird Wolfs Geschichte und auch die von Vera weitererzählt, auch ist zum Schluss dieses zweiten Bandes ein klitzekleiner Cliffhanger erkennbar, der auf eine Fortsetzung schließen lässt. Eh klar, dass ich mir auch dieses dritte Buch nicht entgehen lassen werde.
    Mrs Potts' Mordclub und der tote Bürgermeister Robert Thorogood
    Mrs Potts' Mordclub und der tote Bürgermeister (Buch)
    25.09.2024

    Mrs. Potts ermittelt wieder

    Auch der dritte Fall für Judith, Becks und Suzie is very british - was sonst. Das waren die beiden Vorgängerbände auch, aber dieser hier legt nochmal eine Schippe drauf, wie ich finde.
    Allen voran glänzt Judith Potts mit ihrem kriminalistischen Gespür. Trotz ihrer 78 Jahre ist sie geistig topfit, unter anderem erstellt sie nach wie vor Kreuzworträtsel für Tageszeitungen, auch ist sie keine Kostverächterin, ihr Schlückchen Whiskey ist sowas wie ihre tägliche Medizin. Und auch körperlich kann sie mit den Jüngeren locker mithalten, schwimmt sie doch regelmäßig in der Themse und das am liebsten textilfrei.
    Gemeinsam mit ihren Freundinnen Becks und Suzie mischt Judith wieder kräftig mit, ist doch der Bürgermeister direkt in einer Bauausschusssitzung zusammengesackt und – ist mausetot.
    Da Suzie in ihrem Garten ein ganz besonderes Hotel errichten und dafür die Genehmigung erhalten will, ist sie in dieser Sitzung zugegen, sie ist sozusagen Augenzeugin. Die Polizei geht von Mord aus, da in des Bürgermeisters Kaffeetasse Spuren einer giftigen Pflanze gefunden werden. Die akribische Kleinarbeit beginnt nicht nur für die Polizei, sondern auch für die drei Freundinnen. Schließlich war Suzie hautnah am Geschehen und wer wäre da besser geeignet, die Hintergründe für diesen Mord am Bürgermeister zu ergründen, als Judith, Becks und Suzie es sind. Zunächst ist Tanika, die den Fall polizeilich bearbeitet, von der Mitarbeit der drei Ladys so gar nicht erfreut, lässt sich jedoch überzeugen, dass sie diese dringend als ihre zivilen Beraterinnen braucht.
    Nun, die drei Meisterdetektivinnen sind ein unschlagbares Team, sie gehen forsch und unerschrocken zu Werke, werden von Mal zu Mal besser, sind draufgängerisch, schrammen oftmals gerade mal so am Erlaubten vorbei und schrecken auch vor zweifelhaften Methoden nicht zurück. So manche Szene ist herrlich skurril, anderes mutet schon arg überspitzt an.
    Und natürlich wird der Fall gelöst – mit Judiths tatkräftiger Unterstützung, was sonst. Auch dieser dritte Band ist ein kurzweiliger Lesespaß – ein Cosy Crime, wie er sein soll.
    Die Berghebamme - Hoffnung der Frauen Linda Winterberg
    Die Berghebamme - Hoffnung der Frauen (Buch)
    20.09.2024

    Reihenauftakt um die Berghebamme

    Das Angebot der Stadthebamme Hilde Garhammer hat Maria Roßacker gleich nach ihrer mit Bravour abgelegten Prüfung gerne angenommen. Den Brief, den sie von Max, ihrem Freund aus Kindertagen, erhalten hat, hat sie verdrängt, denn was soll sie in Brannenburg? Dort wurde sie, das Findelkind, nie akzeptiert und nicht nur das, als Bankert wurde sie beschimpft. Max bittet sie dennoch, zurückzukommen, um die Nachfolge der alten Hebamme Alma anzutreten, was Maria nach reiflicher Überlegung dann doch macht. Zurück im Dorf spürt sie auch jetzt diese feindselige Stimmung ihr gegenüber, allen voran ist es die alte Hebamme Alma, die gegen sie wettert, die seit mehr als vierzig Jahren hier die Kinder zur Welt holt. Dass sie nun vom Bürgermeister und dem Gemeinderat in den Ruhestand versetzt worden ist und die junge Maria als ihre Nachfolgerin bestimmt wurde, ficht sie nicht an und so manche werdende Mutter auch nicht, sie schwören nach wie vor auf Alma. Auch der örtliche Pfarrer hält an Althergebrachtem fest wie etwa die von der Hebamme seit jeher ausgeführte Nottaufe - dafür hat Alma immer Weihwasser dabei, was Maria als unhygienisch ablehnt. Ihre fortschrittliche Arbeitsweise missfällt so manchen hier, aber davon lässt sie sich nicht beeindrucken.
    Wir sind in Brannenburg, das liegt in Oberbayern, im Jahr 1893. Mangelnde Hygiene bei der Geburt war oftmals für die Müttersterblichkeit und auch die ihrer Neugeborenen verantwortlich. Im Nachwort weist die Autorin auf den Arzt und Geburtshelfer Ignaz Semmelweis hin, der vor 200 Jahren die Ursachen des Kindbettfiebers entdeckt hat. Heute wissen wir, wie wichtig Hygienestandards sind, Ende des 19. Jahrhunderts aber war dies eher nicht der Fall. Am Beispiel dieser beiden so unterschiedlich denkenden und agierenden Hebammen und auch so manch verbohrtem Dörfler wird dies nur allzu deutlich.
    Vor diesem Hintergrund erzählt Linda Winterberg Marias Geschichte. Sie ist mit Leib und Seele Hebamme, ihre fortschrittlichen Methoden gefallen nicht jedem. Ihre Außenseiterrolle als lediges Kind, das im Waisenhaus aufwächst, ist gut nachvollziehbar geschildert, auch die damals betriebenen Gebäranstalten, in denen sich die Mütter ihrer Kinder diskret entledigen konnten, ist Thema. Und natürlich spielt auch die Liebe mit hinein. Die Diskrepanz der ewig Gestrigen und derer, die Neues annehmen können und es auch wollen und auch die so unterschiedlichen Charaktere sind gut herausgearbeitet.
    Der erste Teil der „Berghebamme – Hoffnung der Frauen“ schildert die damalige Zeit, den vielfach verbreiteten Aberglauben, auch die Ausgrenzung derer, die anders leben, deren Start ins Leben unter schwierigen Bedingungen nicht einfach war und macht den medizinischen Fortschritt in punkto Schwangerschaft und Geburt deutlich, auch wenn für meine Begriffe dann und wann etwas zu sehr auf die Tränendrüse gedrückt wird. Davon mal abgesehen ist es ein durchaus gelungener Reihenauftakt.
    Die Berghebamme - Hoffnung der Frauen Linda Winterberg
    Die Berghebamme - Hoffnung der Frauen (Buch)
    20.09.2024

    Reihenauftakt um die Berghebamme

    Das Angebot der Stadthebamme Hilde Garhammer hat Maria Roßacker gleich nach ihrer mit Bravour abgelegten Prüfung gerne angenommen. Den Brief, den sie von Max, ihrem Freund aus Kindertagen, erhalten hat, hat sie verdrängt, denn was soll sie in Brannenburg? Dort wurde sie, das Findelkind, nie akzeptiert und nicht nur das, als Bankert wurde sie beschimpft. Max bittet sie dennoch, zurückzukommen, um die Nachfolge der alten Hebamme Alma anzutreten, was Maria nach reiflicher Überlegung dann doch macht. Zurück im Dorf spürt sie auch jetzt diese feindselige Stimmung ihr gegenüber, allen voran ist es die alte Hebamme Alma, die gegen sie wettert, die seit mehr als vierzig Jahren hier die Kinder zur Welt holt. Dass sie nun vom Bürgermeister und dem Gemeinderat in den Ruhestand versetzt worden ist und die junge Maria als ihre Nachfolgerin bestimmt wurde, ficht sie nicht an und so manche werdende Mutter auch nicht, sie schwören nach wie vor auf Alma. Auch der örtliche Pfarrer hält an Althergebrachtem fest wie etwa die von der Hebamme seit jeher ausgeführte Nottaufe - dafür hat Alma immer Weihwasser dabei, was Maria als unhygienisch ablehnt. Ihre fortschrittliche Arbeitsweise missfällt so manchen hier, aber davon lässt sie sich nicht beeindrucken.
    Wir sind in Brannenburg, das liegt in Oberbayern, im Jahr 1893. Mangelnde Hygiene bei der Geburt war oftmals für die Müttersterblichkeit und auch die ihrer Neugeborenen verantwortlich. Im Nachwort weist die Autorin auf den Arzt und Geburtshelfer Ignaz Semmelweis hin, der vor 200 Jahren die Ursachen des Kindbettfiebers entdeckt hat. Heute wissen wir, wie wichtig Hygienestandards sind, Ende des 19. Jahrhunderts aber war dies eher nicht der Fall. Am Beispiel dieser beiden so unterschiedlich denkenden und agierenden Hebammen und auch so manch verbohrtem Dörfler wird dies nur allzu deutlich.
    Vor diesem Hintergrund erzählt Linda Winterberg Marias Geschichte. Sie ist mit Leib und Seele Hebamme, ihre fortschrittlichen Methoden gefallen nicht jedem. Ihre Außenseiterrolle als lediges Kind, das im Waisenhaus aufwächst, ist gut nachvollziehbar geschildert, auch die damals betriebenen Gebäranstalten, in denen sich die Mütter ihrer Kinder diskret entledigen konnten, ist Thema. Und natürlich spielt auch die Liebe mit hinein. Die Diskrepanz der ewig Gestrigen und derer, die Neues annehmen können und es auch wollen und auch die so unterschiedlichen Charaktere sind gut herausgearbeitet.
    Der erste Teil der „Berghebamme – Hoffnung der Frauen“ schildert die damalige Zeit, den vielfach verbreiteten Aberglauben, auch die Ausgrenzung derer, die anders leben, deren Start ins Leben unter schwierigen Bedingungen nicht einfach war und macht den medizinischen Fortschritt in punkto Schwangerschaft und Geburt deutlich, auch wenn für meine Begriffe dann und wann etwas zu sehr auf die Tränendrüse gedrückt wird. Davon mal abgesehen ist es ein durchaus gelungener Reihenauftakt.
    Die Frauen jenseits des Flusses Kristin Hannah
    Die Frauen jenseits des Flusses (Buch)
    17.09.2024

    Die starken Frauen hinter der Front

    Die McGroths lassen es sich nicht nehmen, zu Ehren ihres Sohnes Finley, der in den Krieg zieht, eine Abschiedsparty zu geben. Nach Vietnam wird er gehen. Seine Schwester Frankie schreibt ihm regelmäßig und auch von ihm erhält sie lustige Briefe und bunte Postkarten, er erzählt von Partys in Saigon, die Truppen werden anscheinend gut unterhalten.
    „Frauen können doch auch Helden sein“ meint Finleys bester Freund. So hat sie das noch nie gesehen, aber warum eigentlich nicht. Als frisch gebackene, examinierte Krankenschwester ist sie nicht gefordert, außerdem will sie weg von daheim. Sie trifft auf einen Kriegsversehrten mit nur einem Bein, er ist auf eine Mine getreten – in Vietnam.
    So reift ihr Plan, es ihrem Bruder gleichzutun. Anfängliche Hürden hat sie überwunden und nun ist sie angekommen, der erste Eindruck ist ernüchternd. Bald aber arbeitet sie sich ein, ihr Beruf wird ihr zur Berufung. Sie sieht viel Leid, zu viele der viel zu jungen Männer, halbe Kinder noch, werden in Leichensäcken heimgeflogen und wenn sie Glück haben – so man es als Glück bezeichnen will – kehren sie als körperliche und seelische Krüppel heim. Frankie findet zwei Freundinnen, die auch später dann, als sie alle wieder in der Heimat sind, für sie da sind. Und auch die Liebe gibt ihr Halt, wenngleich diese eher bitter denn süß ist.
    Irgendwann dann ist Frankies Dienst in Vietnam zu Ende, daheim aber wartet keiner auf sie. Sie wird angespuckt und beschimpft, die „Heldin“ ist nicht willkommen. Sie sucht Hilfe, findet jedoch keine. Nicht bei ihrer Familie und bei den Vietnam Veteranen auch nicht, denn es sind ausschließlich Männer, die gekämpft haben, hört sie, Krankenschwestern zählen da nicht. Und sie spürt den unbändigen Zorn einer ganzen Nation, die das sofortige Kriegsaus fordert.
    Kristin Hannah hat es wiederum geschafft, mich sofort mitzunehmen. Es ist nicht mein erstes Buch von ihr und ganz bestimmt wird dieses hier auch nicht das letzte sein. Ihre Schilderung vom Alltag inmitten eines schrecklichen Krieges, geprägt von dem unbedingten Willen, Leben zu retten, erschüttert mich bis ins Mark. Über lange Passagen lese ich gebannt weiter und verfolge schweren Herzens ihren täglichen (und oftmals auch nächtlichen) Einsatz hinter der Front. Sie arbeiten bis zur Erschöpfung, denn so lange Verwundete nicht versorgt sind, heißt es weitermachen. Und viel zu oft begleiten sie die letzten Atemzüge eines Schwerverwundeten, mehr ist nicht mehr möglich. Diese Arbeit geht an die Substanz und auch nach ihrer Rückkehr kann sie nicht abschalten. Sie erträgt die ignorante Gesellschaft nicht, sie hat Albträume, sie findet nicht aus diesem viel zu tiefen Loch, die Nachwirkungen all dessen, was sie erlebt hat, drohen sie zu zerstören.
    Die Autorin beschreibt diese innere Zerrissenheit so intensiv, so hautnah und einfühlsam, der Krieg und der damit einhergehende Verlust sprechen aus jedem Absatz, aus jeder Zeile. Neben der Kriegsmüdigkeit und der Ignoranz von „denen da oben“, die nur zu deutlich spürbar ist, sind es auch bedingungslose Freundschaften und Liebe in vielen Facetten, von denen ich lese, die nicht aus bleiben, die wichtig sind und in schweren Zeiten emotional stützen. Es ist ein aufwühlendes Buch, ein trotz des Leides zutiefst menschliches Buch, das unbedingt gelesen werden sollte.
    Juli, August, September Olga Grjasnowa
    Juli, August, September (Buch)
    17.09.2024

    Den eigenen Wurzeln nachspüren

    Lou lebt mit ihrem zweiten Ehemann Sergej und ihrer Tochter Rosa in Berlin. Als erfolgreicher Pianist ist Sergej ständig unterwegs, auch Lou führt als Kunsthistorikerin ein nicht gerade häusliches Leben, wenngleich ihr Beruf wegen Rosa momentan eher zweitrangig ist, sie also ihre Tage mit Kind gezwungenermaßen daheim verbringt. Wäre da noch das Gerücht um eine Trennung von Sergej, das nicht verstummen will. Ein Gerücht, das immer wieder aufflammt.
    Und nun steht der 90. Geburtstag von Lous Großtante Maya an, sie hat in ein Resort auf Gran Canaria eingeladen. Auch Lou und Rosa sollen mit, denn – so meint Lous Mutter – es könnte Mayas letzter Geburtstag sein. Also, werden die Flüge gebucht. Sie sind die ersten, die dort eintreffen, so nach und nach trudelt dann die ganze jüdische Verwandtschaft ein.
    Der Roman wird aus Lous Sicht erzählt, untergliedert in diese drei titelgebenden Monate. Der Juli führt zunächst zu Lou, Rosa und Sergej, zu ihrem ganz normalen Alltag. Und auch wenn sie jüdisch sind - mit russischen Wurzeln - so leben sie diesen Glauben nicht, kennen sich mit diesen Ritualen so gar nicht aus. Nun, es geht nach Gran Canaria und später dann fliegt Lou alleine nach Tel Aviv. Hier will sie ihren Wurzeln nachspüren, dabei erfährt sie so einiges aus früheren Tagen, erfährt von ihren Vorfahren und ihrem beschwerlichen Dasein.
    Olga Grjasnowa ist ein gut lesbares Buch gelungen, das eine Familie näher beleuchtet und das neben dem Familiären auch die angespannte Weltpolitik thematisiert. Die Hauptprotagonistin Lou ist eine weltoffene junge Frau, die ihre Herkunft hinterfragt. Dabei werden so manche geschönte „Wahrheiten“, die ein Leben lang immer weitergesponnen werden, aufgedeckt. Und das auf eine amüsante Weise, garniert mit so einigen Drinks.
    Es ist die Geschichte einer durchaus modernen jüdischen Familie, deren Glauben eher Nebensache ist und die Suche einer Frau nach ihrer Identität. Es ist das etwas andere Leseerlebnis, gut und kurzweilig geschrieben, das mit einem Ende aufwartet, dem ich sehr viel abgewinnen kann.
    Cascadia Julia Phillips
    Cascadia (Buch)
    13.09.2024

    Grimms Märchen einmal anders

    Zwei Schwestern, die unterschiedlicher nicht sein könnten, leben seit jeher mit ihrer Mutter auf San Juan, einer Insel im Nordwesten der USA. Sam, die jüngere der beiden, erzählt von ihrem Plan, eines Tages den Grundbesitz mitsamt dem Haus für eine stattliche Summe zu veräußern. Dieser Traum hält sie aufrecht, aber noch sind die beiden Schwestern mit der Pflege ihrer sterbenskranken Mutter an die Insel gebunden. Die Arztrechnungen wiegen schwer, beider Einkommen reicht nicht aus, die Schulden häufen sich.
    Eines Tages wird ein Bär gesichtet, der neben der Fähre, auf der Sam arbeitet, schwimmt. Nun, sowas soll hier vorkommen. Als dieser jedoch kurz danach direkt vor der Tür der Schwestern auftaucht, meldet Sam dies bei der zuständigen Behörde. Groß wie drei Mann soll er sein, er war keine drei Meter von ihnen entfernt. Während Sam sich von dem Tier bedroht fühlt und es schnellstens wieder loswerden will, ist Elena geradezu fasziniert von ihm. Ohne Furcht nähert sie sich ihm an, sieht den Bären als ihre Chance auf ein schöneres, helleres Leben.
    Dem Geschehen vorangestellt ist das Märchen der Gebrüder Grimm „Schneeweißchen und Rosenrot“ in Kurzform - der Bär und der verzauberte Prinz und Schneeweißchen und Rosenrot. Was hat sich die Autorin dabei gedacht, was will sie damit ausdrücken? Wird zumindest eine der beiden Schwestern ihren Prinzen finden? Aber wie es die Grimm´schen Märchen so an sich haben, erzählen sie eher von Düsternis denn von Helligkeit.
    Die prekäre Lebenssituation der Familie offenbart sich in seiner Gänze erst spät, auch wird das dramatische Verhältnis der Schwestern untereinander von Kindheit an sichtbar. Es ist eine tragische Familiengeschichte, von flüchtigen, nicht immer ernst gemeinten Begegnungen durchzogen, die daneben auch die Auswirkung der Coronapandemie anspricht, überlagert vom unzulänglichen Gesundheitssystem der USA.
    Julia Phillips vielgelobten Debütroman „Das Verschwinden der Erde“ habe ich nicht gelesen, habe somit auch keine Vergleichsmöglichkeit. Ihr neuestes Werk „Cascadia“ ist – trotzdem gefühlt nicht viel passiert, alles eher so dahinplätschert – gut zu lesen, der Schreibstil eher nüchtern. Der Bär ist für die eine Sehnsuchtsfigur, er zieht sie wie magisch an. Hier fällt sie aus ihrer Rolle der toughen, dominanten, alle und alles bestimmenden jungen Frau. Die andere erkennt, dass ihre trügerischen Hoffnungen wie Seifenblasen zerplatzen. Es ist ein durchaus gesellschaftskritisches Buch, das so gesehen nichts Märchenhaftes an sich hat.
    Nur nachts ist es hell Judith W. Taschler
    Nur nachts ist es hell (Buch)
    10.09.2024

    Eine Familie inmitten des Zeitgeschehens

    Judith W. Taschler wählt für dieses Buch eine ganz besondere Form des Erzählens. Elisabeth, die Ich-Erzählerin, schreibt an eine Person die Geschichte ihres Lebens. Erst spät wird sichtbar, dass Christina, ihre Großnichte, diese Zeilen erhält. „…als der erste große Krieg ausbrach, war ich ein Mädchen und eine alte Frau, als der zweite endete. In der Zwischenzeit kämpfte ich als Ärztin an anderen Fronten.“
    Elisabeth Brugger hat ein Ziel vor Augen, das für sie in jener Zeit schier unerreichbar ist – wir befinden uns Anfang des 20. Jahrhunderts. Ärztin will sie sein, als Frau jedoch ist dieser Weg mehr als steinig. Ihr Bruder Eugen unterstützt sie in ihrem Vorhaben, dann auch Georg, den sie heiratet und mit dem sie zwei Söhne bekommt. Nach ihrem Medizinstudium arbeiten sie in ihrer gemeinsamen Praxis. Irgendwann dann kommt eine verzweifelte Frau zu ihr, die sie abweist. Sie will Leben erhalten und keines schon im Vorfeld töten. Eine Engelmacherin ist oftmals der letzte Ausweg aus dieser Hoffnungslosigkeit, leider überleben viele den Eingriff nicht. Kann sie, die Ärztin, davor die Augen verschließen?
    Sie erzählt von ihrer Familie, von den Zwillingsbrüdern Carl und Eugen und von einem Geheimnis, das die beiden umgibt. Sie gibt Einblick in die Zeit des Nationalsozialismus und der damit einhergehenden Judenverfolgung, auch schreibt sie von ihrer Arbeit als Lazarettschwester während des Ersten Weltkrieges, von ihrer ersten Liebe und von denen, die später folgen. Es ist noch sehr viel mehr, das sie niederschreibt, dazwischen erinnert sie sich an das politische und gesellschaftliche Leben, an die Goldenen Zwanziger Jahre, die nicht für alle golden waren, erwähnt die Spanische Grippe, das Attentat in Sarajevo im Juni 1914 und dessen Folgen, kommt als Lazarettschwester nach Siebenbürgen, Fürst Vlad III. sei hier erwähnt, weiß vom Börsencrash und Firmenschließungen, von Hitler und der Entdeckung des Penecillins, tanzt Charlston und Shimmy, hört Jazz…
    Ja, das hört sich jetzt ziemlich chaotisch und zeitlich komplett durcheinandergewirbelt an. Nicht unbedingt in dieser Reihenfolge, aber genau diese Erzählweise prägt das Buch. Dieser Mix ist durchaus beabsichtigt, was jedoch das Lesen ziemlich erschwert. Eben noch erwähnt sie den Zweiten Weltkrieg und die jüdische Familie, die versteckt wird, dann ist sie im Alter, um im nächsten Augenblick im Jahre 1916 zu landen. Diese Brüche sind es, die sich anfühlen, als ob man ins eiskalte Wasser geschmissen wird, um ernüchtert wieder aufzutauchen. Die jeweiligen Passagen sind allesamt gut erzählt, sie ziehen ihre Leser ganz tief hinein, die Autorin versteht es, zu fesseln. Diese Sprünge jedoch haben mich immer wieder innehalten lassen, sie haben meinen Lesefluss schon gestört. Und doch ist es ein Buch, das das Zeitgeschehen gut eingefangen hat, das durchaus lesenswert ist.
    Deine größte Angst Matthias Bürgel
    Deine größte Angst (Buch)
    09.09.2024

    Eine teuflische Amokfahrt

    Falk Hagedorns Plan, sich komplett von der Ermittlungsarbeit zurückzuziehen, scheitert genau in dem Moment, als er sich über den Jungen beugt. Er selber hat sich aus dem Rollstuhl auf den Boden zu dem Schwerverletzten fallen lassen und kann gar nicht fassen, dass er für Leon – so heißt der Junge – nichts mehr tun kann. Kurz zuvor hat sich ein weißer Vito durch den gut besuchten Konstanzer Weihnachtsmarkt regelrecht gepflügt und eine Schneise der Verwüstung hinterlassen. Den Hilfskräften und den Überlebenden bietet sich ein grauenhafter Anblick.
    Der ermittelnde Hauptkommissar Marius Bannert bittet Falk um seine Mitarbeit und auch der Bürgermeister ersucht ihn, Therapiesitzungen für die Opfer anzubieten. Die Stadt stellt dafür Räumlichkeiten zur Verfügung. Es melden sich acht Personen, die auf diese Weise das entsetzliche Attentat mit Hagedorns professioneller Hilfe einigermaßen verarbeiten wollen. Falk Hagedorn war als LKA-Fallermittler tätig und führt nun mit einem Kollegen eine Psychotherapeutische Praxis.
    Es ist der mittlerweile vierte Band um den Fallanalytiker Falk Hagedorn. Selbst wenn man die Vorgängerbände nicht kennt, werden zwischendurch genug Infos ins Geschehen involviert, sodass man ein gutes Gesamtbild von den Hauptakteuren bekommt, was ich sehr zu schätzen weiß, denn nicht immer hat man Gelegenheit, eine Reihe vollständig zu verfolgen. Matthias Bürgel, der Autor, ist als Kriminalbeamter mit all den menschlichen Abgründen bestens vertraut, er weiß, wovon er schreibt. Und leider ist so ein Szenario traurige Wirklichkeit, immer wieder erreichen uns Nachrichten von Amokfahrten, in denen Unschuldige zu Tode kommen oder aber mit lebenslangen Folgen zu kämpfen haben.
    Schon der Prolog zieht mich komplett ins Geschehen, ich bin zutiefst entsetzt. Später dann sind Schlagzeilen von weiteren Todesopfern zu lesen, irgendwann sind es schon siebzehn Tote, die zu beklagen sind. Dann sind es die Therapiesitzungen, die für zusätzliche Bestürzung sorgen. Innerhalb der Gruppe können sie frei reden, es sollte nichts nach außen dringen, auch alle Handys und anderweitiges Aufnahmegerät sind zum Schutze aller nicht gestattet. Auch Falk kommt hier an seine Grenzen, seine Vergangenheit droht ihn erneut einzuholen.
    Zwischendurch wird eine ganz andere Stimme laut, irgendwo in Konstanz lauert einer – so wie es den Anschein hat -mit unlauteren Absichten. Wer ist dieser Jemand und warum bekommt er hier seinen für ihn durchaus ergötzlichen Auftritt? Es sind noch so etliche Ungereimtheiten und finstere Typen, die nicht recht zugeordnet werden können. Auch innerhalb der Gruppe kommt so einiges ans Tageslicht, das sehr zu denken gibt. Daneben läuft die polizeiliche Ermittlungsarbeit ziemlich schleppend, schnelle Erfolge wären durchaus erwünscht.
    Dieser Thriller hat mich von der ersten bis zu buchstäblich letzten Seite nicht losgelassen. Es ist ein durchaus realistisches Szenario, das der Autor hier verarbeitet. Die Merkmale und Eigenheiten seiner Charaktere einschließlich der Täterperson sind allesamt glaubhaft angelegt, ganz vorne ist es natürlich Falk Hagedorn, von dem wir eine ganze Menge erfahren. Die gar teuflische Amokfahrt mit den todbringenden Geräuschen und dem Tumult drumherum hat mich schockiert innehalten lassen, ich hatte so manchen Gänsehautmoment, habe spannende und abscheuliche Szenen durchlebt, garniert mit hinterhältigem Machtgehabe. Kurz - ein Thriller, der es in sich hat.
    Der Morgen nach dem Regen Melanie Levensohn
    Der Morgen nach dem Regen (Buch)
    09.09.2024

    Johanna und Elsa - gibt es ein Miteinander?

    Johanna hat das Haus von ihrer Tante Toni geerbt. Ein Haus, wunderschön gelegen, das viele Erinnerungen birgt. Sie hat ein bewegtes Leben hinter sich gelassen, sie war beruflich viel unterwegs und nun, nach dreißig Jahren der Rastlosigkeit, will sie mit diesem Haus auch ihr Leben umkrempeln, es – wie das in die Jahre gekommene Haus – zu neuem Glanz verhelfen. Altes will sie entsorgen und dafür Neuem Platz machen. Gleich mal trifft sie auf ihren Nachbarn, der ihr Adressen von zuverlässigen Handwerkern gibt, der Renovierung steht nichts mehr im Wege.
    Johannas Tochter Elsa lebt und arbeitet in Den Haag, sie gehört zu einem Verteidigerteam, das unter anderem grausamste Kriegsverbrecher vertritt. Ihr chronischer Erschöpfungszustand, vermutlich Burnout, zwingt sie zu einem mehrmonatigen Urlaub. Entschleunigung ist das Zauberwort, ihr Arzt redet ihr ins Gewissen. Tonis Haus in Sankt Goar wäre so ein Ort, an dem sie wieder Kraft schöpfen könnte. Nach anfänglichem Zögern freut sie sich dann doch darauf, aber das Aufeinandertreffen von Mutter und Tochter lässt alte Wunden neu aufbrechen…
    …denn Johanna hatte nie Zeit für ihre Tochter. Kaum daheim, musste sie schon wieder weg, die Welt retten. Elsa blieb dabei auf der Stecke. Gut, sie hatte ihren Vater, der immer für sie da war, der ihre kleinen und großen Sorgen ernst nahm, der sie umsorgte, sie in die Schule begleitete, der ihr Vater und Mutter zugleich war. Elsa erinnert sich – sie war nie gut genug, Mutter hatte immer (wenn sie mal da war) etwas an ihr auszusetzen. Und genau das und noch vieles mehr steht zwischen ihnen. Es waren immer diese Ausreden, dass Mutter „so wahnsinnig gern dabei gewesen wäre…“. Nur hatte sie nie Zeit. Und jetzt sind sie beide in Tante Tonis Haus und wollen beide etwas anderes damit. Johanna reißt alles raus, will modernisieren. Elsa dagegen hängt an Tonis Vermächtnis.
    Beide sind sie Powerfrauen, wenn man so will. Beide sind sie leidenschaftlich, gehen ihren Weg. Und ja, sie bewegen etwas. Die Erzählung wechselt zwischen Johannas und Elsas Geschichte und ist dann wieder im Hier und Jetzt in dem Haus, das auf Johannas Zutun renoviert wird, das gerade mal so bewohnbar ist. Mutter und Tochter – beide sind sie mir nahe, auch wenn ich Johanna als die eher egoistische Person wahrnehme, so kann ich sie und ihren Antrieb, immer wieder wegzugehen, dennoch gut verstehen.
    Ja, es braucht viel Geduld und noch viel mehr Einsicht, was alles falsch gelaufen ist. Johanna muss hilflos zusehen, wie ihre Tochter ihr auch hier entgleitet. Vieles, sehr vieles gibt es aufzuarbeiten, viele Kränkungen und noch viel mehr Ungesagtes steht zwischen ihnen. Ist eine Annäherung überhaupt möglich? Miteinander reden, ohne anklagend zu sein, hilft. Wenn das mal so einfach wäre. Missverständnisse gibt und gab es reichlich und da ist ein gut gehütetes Geheimnis, das nicht länger zwischen ihnen stehen darf.
    Dies alles und noch viel mehr hat Melanie Levensohn in ihrem wundervollen Roman „Der Morgen nach dem Regen“ beschrieben. Eine Mutter-Tochter-Geschichte, die es in vielen Abstufungen gibt, die das Zwischenmenschliche in geradezu brutaler Schonungslosigkeit präsentiert. Und doch irgendwo auch versöhnlich stimmt.
    Das Geheimnis der Glasmacherin Tracy Chevalier
    Das Geheimnis der Glasmacherin (Buch)
    08.09.2024

    Eine faszinierende Zeitreise durch fünf Jahrhunderte

    „Mit der Zeit alla Veneziana ist alles möglich. Wir beginnen am Nordufer von Venedig, nehmen einen flachen Kieselstein, werfen ihn mit einer Drehung schwungvoll über die Lagune und landen im Jahr 1486“ auf Murano, direkt bei der Glasmacherfamilie Rosso. Die neunjährige Orsola, deren Leben wir ab hier begleiten, ist patschnass, ist sie doch von ihrem Bruder Marco in den nahen Kanal geschubst worden, was dieser aber vehement bestreitet. Nun, Giacomo, der nettere ihrer Brüder, hilft ihr heraus. Die unbeschwerte Balgerei ist bald vorbei, ein Unfall in der Werkstatt endet für ihren Vater Lorenzo tödlich. Von nun an leitet der älteste Sohn die Geschicke sowohl der Glasbläserwerkstatt als auch der Familie.
    Wir sind auf Murano, bis heute ist diese Insel berühmt für seine Glasherstellung. 1295 hat der Doge von Venedig verfügt, dass alle Glasmacher nach Murano gehen mussten und nur dort arbeiten durften. Dadurch wollte er die Stadt vor der Brandgefahr durch die Schmelzöfen schützen und auch waren die Handwerker besser zu beobachten, denn das Wissen rund um die Glasherstellung durfte die Insel nicht verlassen. Etwaige Zuwiderhandlungen wurden schwerst bestraft.
    Tracy Chevalier nimmt ihre Leser mit auf eine faszinierende Zeitreise. Über eine Spanne von fünfhundert Jahren tauchen wir ein in die Geschichte der Glaskunst. Den Kapiteln vorangestellt sind jeweils diese Steinhüpfer, die bis ins Jahr 2019 reichen. Dabei umreißt sie auch kurz die entsprechenden Epochen sowohl politisch als auch gesellschaftlich, nennt heute noch bekannte Persönlichkeiten aus Kunst und Kultur, auch hat Casanova neben vielen anderen seinen Auftritt. Die Pest herrscht, es gibt Kriege, später dann hält die Elektrizität Einzug, um nur einiges hier zu nennen.
    Die Zeit schreitet voran, Orsola und die ihren altern nur minimal, auch wenn für alle anderen ihre Zeit abläuft. Zunächst war ich ein wenig irritiert ob dieser Zeitsprünge, bald aber hat mir diese Art des Erzählens sehr gut gefallen. Durch diesen Kniff bleibt uns die Familie Rosso erhalten, wir müssen uns auf keine nachfolgenden Generationen und damit immer wieder andere Personen einstellen. Es gibt Nachwuchs, die Familie wird größer, die meisten von ihnen sind im Glasbläserhandwerk tätig.
    Orsola ist eine Kämpfernatur. Mit ihren Glasperlen, die sie lange Zeit im Verborgenen herstellt, hält sie so manches Mal die Familie über Wasser. Die Rolle der Frau wird nur allzu deutlich, sie hat sich in die Männerdomäne nicht einzumischen. Liebe und Leid sind vorprogrammiert, so mancher Rückschlag ist schwer zu verkraften.
    Die Reise durch die Jahrhunderte ist nun vorbei, es waren kurzweilige Stunden, die mir die Kunst der Glasherstellung und den bisweilen harten Kampf ums Überleben nähergebracht haben. Schön war so mancher Spaziergang durch Venedig mit Orsola und den ihren. Es war ein wundervoller Roman voller berührender Momente, aber auch voller Sorgen und Bangen um die Glasmacherfamilie Rosso. Gegen Ende jedoch war der Zauber vorüber, die Neuzeit mit Covid, Lockdown und Orsola inmitten der Schlange an der Supermarktkasse war ernüchternd, Orsola hat da so gar nicht hineingepasst. Waren die Zeitsprünge trotz des Zeitraffers vorher allesamt harmonisch, hat dieses Stilmittel zuletzt eher gestört. Das ist aber auch mein einziger Kritikpunkt, ansonsten bin ich von dem „…Geheimnis der Glasmacherin“ sehr angetan.
    Das Schweigen meiner Freundin Giulia Baldelli
    Das Schweigen meiner Freundin (Buch)
    06.09.2024

    Eine Freundschaft voller Höhenflüge und noch mehr Tiefpunkten

    „Und jetzt muss ich so tun, als interessierte ich mich für eine Großmutter und deren Enkelkind…“ denkt Giulia, als ihre Mutter sie bittet, sich um Idas Enkelin Cristi zu kümmern. Cristi ist ein eigenartiges Kind, sie redet nicht, steckt den Pfirsichkern in die Tasche ihrer schäbigen Hose und überhaupt ist sie viel zu mager. Anstatt den Sommer über mit ihren Freundinnen zu verbringen, hat die zehnjährige Giulia nun die um drei Jahre jüngere Cristi am Hals. Aus der lästigen Pflicht, auf die Kleinere aufzupassen, wird bald Freundschaft und irgendwann ist auch Mattia da. Zu dritt verbringen sie ihre Tage, wobei das unsichtbare Band, das Cristi und Mattia verbindet, Guilia nicht verborgen bleibt. Sie empfindet ihn als Eindringling, will aber Cristi nicht verlieren und so duldet sie ihn notgedrungen. Es ist der Beginn einer lebenslangen Freundschaft mit sehr vielen Höhenflügen und mit noch mehr Tiefpunkten.
    In fünf Etappen lässt Giulia Baldelli die Leben ihrer drei Protagonisten Revue passieren, beginnend mit der Kindheit und ihrem ersten Aufeinandertreffen. Die nächsten Jahre sind geprägt von Verlusten in den Familien, der Studienzeit in Bologna und dem Leben als Erwachsene mit allem, was so dazu gehört. Nicht immer ist Matti bei ihnen, aber so ganz aus den Augen verlieren sie sich nicht. Während Giulia mit Erfolg Jura studiert, ist bei Cristi dahingehend nicht allzuviel los und doch geht es ihr rein materiell gesehen bald sehr gut. Cristi ist es, die immer wieder Giulias Nähe und ihre Zuneigung sucht und auch findet. Dann wieder verschwindet sie sang- und klanglos, ist weder telefonisch zu erreichen noch antwortet sie auf Giulias Briefe.
    Giulia blickt zurück auf ein Leben voller widersprüchlicher Gefühle, vor allem aber denkt sie jetzt, da ihr mit gerade mal sechzig Jahren noch ein paar Monate bleiben, voller Zärtlichkeit, zuweilen auch voller Bitterkeit an Cristi. Auch an Mattia, an ihre Eltern, ihren Beruf, ihre Affären… Es ist ein ehrlicher, ein ungeschönter Blick auf eine tiefe Freundschaft und eine Liebe, die nie vergeht.
    Was für ein Buch. Was für eine Geschichte um drei Menschen. Voller Poesie und doch kraftvoll erzählt. Die drei so unterschiedlichen Charaktere und auch die Nebenfiguren sind gut nachvollziehbar gezeichnet, wobei Cristi trotz ihres Schweigens eine geradezu toxische Ausstrahlung hat. Sie ist nahbar, dann wieder das genaue Gegenteil, sie ist wie ein Magnet, der ihrem Umfeld keine Chance gibt, ihr zu entkommen.
    „Das Schweigen meiner Freundin“ ist Giulia Baldellis erster Roman, der mich komplett in seinen Bann gezogen und mich auch dann, nach dem Lesen, noch nicht ganz losgelassen hat. Es ist ein Buch, das ich nicht missen möchte, ein Buch, das ich sehr gerne weiterempfehle.
    Mit kaltem Kalkül Michael Tsokos
    Mit kaltem Kalkül (Buch)
    05.09.2024

    Rechtsmedizin-Thriller zum Zweiten

    Der zweite Rechtsmedizin-Thriller um Dr. Sabine Yao, die Fachärztin für Rechtsmedizin, ist ähnlich konzipiert wie der Vorgängerband „Mit kalter Präzision“. Schon da habe ich das zu viel an Fachwissen kritisiert und auch dieses neue Buch trumpft mit seitenweise explizitem Wissen auf, das nicht vonnöten wäre, das einen Thriller sogar eher zu einem Langeweiler degradiert. Nun, ich hab mich durch die ersten Kapitel zwar nicht direkt gequält, war aber auch nicht böse, als die Thriller-Elemente dann Fahrt aufnahmen.
    Die Spezialeinheit „Extremdelikte“ hat viel zu tun. Ein totes Ehepaar, seltsam entstellt, wird im Wald gefunden, ein Polizeipräsident im Ruhestand wird erschossen aufgefunden, seine Leiche gibt Rätsel auf, ebenso ein weiterer Toter inmitten einer illegalen Bauwagensiedlung. Und damit nicht genug, denn ein achtjähriger Junge wird vermisst. Zunächst sucht Hassan Khalaf nach dem kleinen Yasser. Er ist gut vernetzt und durch seine langjährige Arbeit für den jordanischen Geheimdienst hat er viel Erfahrung. Sein Part hat mir durchweg gut gefallen, sein Charakter als Geheimdienstler und auch als Mensch ist gut gezeichnet, seine Vorgehensweise nachvollziehbar.
    Es sind mehrere Todesfälle, die auf einen nicht natürlichen Tod hinweisen. Diese nehme ich aber eher als Randnotiz wahr, die eigentliche Ermittlung fokussiert sich auf den verschwundenen Yasser. Da seine Mutter nicht zur Polizei gehen kann, fleht sie Hassan an, nach ihrem Jungen zu suchen. Er fördert so einiges zutage, Yasser jedoch bleibt verschwunden und so wird die Suche nach ihm Monica Monti, der Leiterin der vierten Mordkommission des LKA Berlin, dann doch übertragen. Monti und Yao arbeiten Hand in Hand und auch sie entdecken – wie zuvor schon Hassan – dass vor Jahren schon ein damals Siebenjähriger spurlos verschwunden ist.
    Das Dranbleiben – nach meinen anfänglichen Startschwierigkeiten – hat sich gelohnt. Die kurzen, schnell wechselnden Kapitel sind mit präziser Zeit- und Ortsangabe überschrieben, so hat man stets den Überblick. Das oben bemängelte, zu detailliert vorgetragene Fachwissen hat sich später dann auf ein vertretbares Maß reduziert, sodass man dem Team um Yao auch als Laie auf dem Gebiet gut folgen kann. Auch gefällt mir der Einblick in Yaos Privatleben, das sparsam dosiert mit hineinfließt und der Figur Yao zusätzlich Kontur gibt.
    Mein Fazit ist zweigeteilt. Das geballte, vor allem am Anfang des Buches zu umfangreiche Fachliche hat für die normalen Leser keinerlei Mehrwert, diese lehrreichen Abhandlungen sind eher leeres Wissen, das nach dem Lesen ganz schnell wieder vergessen wird. Später dann nimmt die Story Fahrt auf, die Suche nach dem verschwundenen Jungen und die vielschichtige Ermittlungsarbeit drumherum sind spannend, man fiebert direkt mit, wünscht Monti und auch Yao, dass sie nicht zu spät kommen. Letztendlich bewerte ich diesen zweiten Rechtsmedizin-Thriller dann doch mit vier Sternen und bin auch beim nächsten Thriller um Yao wieder dabei.
    Und morgen wieder schön Marie Sand
    Und morgen wieder schön (Buch)
    02.09.2024

    Bewegend - nach einer wahren Geschichte erzählt

    „…als wären es Fäden aus Gold…“ Haare schmücken, Haare umschmeicheln uns oder lassen und burschikos, ja frech aussehen. Sie können unseren Typ komplett verändern und auch unsere Schönheit unterstreichen.
    Die sechzehnjährige Amanda hilft im Friseursalon ihrer Mutter. Dass sie oder ihre größere Schwester den Salon eines Tages übernehmen werden, steht fest - zumindest für die Mutter der beiden. Amanda aber träumt davon, Haarkünstlerin zu werden. Und das geht hier, in der heimischen Enge, so gar nicht. Sie nimmt ihren ganzen Mut zusammen und macht sich heimlich auf – Paris ist ihr Sehnsuchtsort. Gesagt, getan. Mit lediglich einer Tasche, etwas Erspartem und ihrem Skizzenbuch kommt sie mit ihren großen Plänen an. Wir schreiben das Jahr 1968. Karl Lagerfeld will sie treffen, ihm ihre Skizzen zeigen, seine Models brauchen schließlich keinen Einheitslook, jede sollte zu Karls Mode die dazu passende Frisur erhalten.
    Kaum in Paris angekommen, sieht Amanda den Tango-Tänzerinnen zu. Für einen kleinen Obolus tanzen sie mit fremden Männern, auch Catherine ist eine von ihnen, sie träumt, eines Tages im Moulin Rouge aufzutreten. Catherine und Amanda freunden sich an, sie helfen und stützen sich gegenseitig, sie kommen irgendwie zurecht. Sich auf sich selbst und nicht auf andere zu verlassen, ist Catherines Devise. Danach lebt sie, sie packt so manch Gelegenheit beim Schopfe. Auch Ben lernt Amanda durch Zufall kennen, durch ihn kommt sie in Karls Nähe…
    Ganze vier Jahre ist Amanda in Paris, dann geht es weiter nach Berlin. Dort eröffnet sie ihren eigenen Salon, dort trifft sie auf Dorothee, die gerade ihren Krebs besiegt hat, ihre inzwischen nachgewachsenen Haare aber sehen fürchterlich aus. Nun, Amanda versteht es, mit der Schere zu zaubern und es spricht sich herum, dass Amanda auch jene nicht abweist, die sich einen Friseurbesuch nicht unbedingt leisten können.
    Marie Sand hat sich von einer wahren Geschichte inspirieren lassen. Es ist ein emotionaler Roman, der den Weg der Betroffenen gut einfängt, ohne ins übertrieben Sentimentale abzudriften. Sie trifft den richtigen Ton, ihre Figuren sind einfühlsam, auf eine zurückgenommene und doch sehr intensive Weise beschrieben. Was ist wichtig im Leben? Solange man jung und gesund ist, voll mit Plänen, kann die Welt erobert werden – aber was bleibt, wenn die Diagnose Brustkrebs im Raum steht? Da braucht man solche wie Amanda, die sich selber nicht so wichtig nehmen und doch ihre Ziele stets im Auge behalten.
    „Und morgen wieder schön“ ist in zwei Teile gegliedert, den zweiten habe ich gerade beschrieben und der erste davon erzählt von Paris, von Lagerfeld und von Françoise Hardy, die eines schönen Tages in Renés Salon spaziert und von Amanda, die bei René in Ausbildung ist, einen ganz besonderen Look verpasst bekommt. Es sind noch viele kleine, feine Anekdoten, die mich bestens unterhalten, auch bin ich gern durch Paris flaniert, habe mit ihnen getanzt, gelacht und das Leben in vollen Zügen genossen.
    Ein wundervolles Buch ist ausgelesen. Mit solchen und ähnlichen Lebensgeschichten um diese Krankheit werden wir täglich konfrontiert, es ist ein Buch, das mir im Gedächtnis bleiben wird. Ein Buch, das gelesen werden will.
    76 bis 100 von 182 Rezensionen
    1 2 3
    4
    5 6 7 8
    Newsletter abonnieren
    FAQ- und Hilfethemen
    • Über jpc

    • Das Unternehmen
    • Unser Blog
    • Großhandel und Partnerprogramm
    MasterCard VISA Amex PayPal
    DHL
    • AGB
    • Versandkosten
    • Datenschutzhinweise
    • Impressum
    • Kontakt
    • Hinweise zur Batterierücknahme
    * Alle Preise inkl. MwSt., ggf. zzgl. Versandkosten
    ** Alle durchgestrichenen Preise (z. B. EUR 12,99) beziehen sich auf die bislang in diesem Shop angegebenen Preise oder – wenn angegeben – auf einen limitierten Sonderpreis.
    © jpc-Schallplatten-Versandhandelsgesellschaft mbH
    • jpc.de – Leidenschaft für Musik
    • Startseite
    • Feed
    • Pop/Rock
    • Jazz
    • Klassik
    • Vinyl
    • Filme
    • Bücher
    • Noten
    • %SALE%
    • Weitere Weitere Bereiche
      • Themenshops
      • Vom Künstler signiert
      • Zeitschriften
      • Zubehör und Technik
      • Geschenkgutscheine
    • Anmelden
    • Konto anlegen
    • Datenschutzhinweise
    • Impressum
    • Kontakt