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    alekto

    Aktiv seit: 24. Februar 2023
    "Hilfreich"-Bewertungen: 0
    22 Rezensionen
    Die geheime Gesellschaft Sarah Penner
    Die geheime Gesellschaft (Buch)
    11.01.2024

    Durch seinen übersinnlich okkulten Touch bestechender, um Geister und Seancen kreisender historischer Roman

    Zum Inhalt: Wenige Monate nach dem Tod ihrer Schwester Evie ist Lenna von London nach Paris gereist, um das berühmte Medium Vaudeline D'Allaire, das auf die Aufklärung von Verbrechen spezialisiert ist, um Hilfe zu bitten. Obwohl Lenna weder an Geister noch an eine greifbare Wirkung von Seancen glaubt, möchte sie nichts unversucht lassen, mit Evie in Kontakt zu treten, um den Namen ihres Mörders zu erfahren. Denn der Polizei ist es nicht gelungen, Fortschritte in Evies Fall zu erzielen, in den sie nur wenig Aufwand investiert hat, so dass ihr Mörder noch auf freiem Fuß ist. So wurde Lenna zu Evies Gehilfin, um die Kunst der Seance von ihr zu erlernen. Doch bereits die erste Seance, der Lenna beiwohnt und die von Vaudeline in einem verlassenen Chateau für ein Ehepaar abgehalten wird, dessen Tochter von ihnen gegangen ist, nimmt eine gänzlich unerwartete Wendung.

    Zur Charakterisierung von Hauptfigur Lenna Wickes und der Beziehung zu ihrer Schwester Evie
    An Geschwistern hatte Lenna nur ihre verstorbene Schwester Evie. Beide haben tagsüber in dem kleinen Hotel, das ihre Eltern in London besitzen, ausgeholfen, um sich in der darüber hinaus verbleibenden Zeit ihren Leidenschaften zu widmen. Dabei ist Lenna, die ausschließlich an das glaubt, was sie sehen und anfassen kann, über den Bruder ihrer Freundin Eloise an Fossilien herangeführt worden. Ihre Begeisterung dafür, die in der Sammlung und Untersuchung von Steinen aller Art besteht, ist durch ein Geschenk von Stephen in Gestalt eines Bernsteins in ihr geweckt worden, mit dem er eigentlich um Lenna werben wollte.
    Evie ist da ganz anders als ihre Schwester. Das beschränkt sich nicht nur auf ihre äußere Erscheinung, die im Gegensatz zur feminin geratenen Lenna eher burschikos ausgefallen ist, und ihren Charakter, indem Evie sich wenig um Konventionen schert und Regeln nur dann einhält, wenn ihr das beliebt, sondern bezieht sich darüber hinaus auf deren Interessen. Denn Evie hegt eine Leidenschaft für das Okkulte, dem sie sich mit Hingabe in ihren Studien gewidmet hat. Auch ist sie überzeugt davon gewesen, übersinnliche Fähigkeiten und insbesondere eine Begabung als Medium zu besitzen. Diese Unterschiede haben dadurch bedingte MIssverständnisse nach sich gezogen und mehr als nur einen Streit zwischen den ungleichen Schwestern, die sich im Hotel ihrer Eltern ein Zimmer geteilt haben, provoziert. Nach dem Tod von Evie leidet Lenna darunter, dass sie sich nach deren letzten Wortgefecht nicht mehr bei ihr entschuldigen konnte. Und da Lenna einige Jahre zuvor bereits den Verlust ihrer geliebten Freundin Eloise zu verkraften hatte, ist ihr Leben davon geprägt, was sie zum Medium Vaudeline geführt hat, die eine ehemalige Lehrmeisterin von Evie ist.

    Zum übersinnlichen, um Geister und Seancen kreisenden Kern dieses Romans
    In passender Weise zum thematischen Schwerpunkt, den Sarah Penner für ihren Roman gewählt hat, wird dieser von einer Übersicht über die sieben Phasen einer Seance eingeleitet. Diese beginnen mit einer Teufelsinkantation und einer Invokation, auf die Isolation und Invitation folgen, um über Trance und Denouement mit der Termination abzuschließen. Ergänzt wird das von zusätzlichen Ausführungen, die unter anderem Hinweise und Risiken mit einschließen, die im Zuge einer Seance zu beachten sind, um sich selbst und deren übrige Teilnehmer zu schützen. Diese Inhalte werden Lenna im Rahmen ihrer Ausbildung von ihrer Lehrmeisterin Vaudeline vermittelt. Darüber hinaus werden verschiedene Arten von Seancen unterschieden und damit einhergehende Punkte erläutert, was etwa anhand von Beispielen erfolgende Ausführungen zum automatischen Schreiben umfasst.
    Dabei gelingt es Sarah Penner auch dank der Perspektive der skeptischen Lenna, die nicht an Geister glaubt, die Balance zu wahren. Denn beide Seiten werden dadurch beleuchtet, dass Lenna in sich gespalten ist, weil sie sich die Existenz von Geistern sehnlichst wünscht, um Evies Mörder überführen zu können. In stimmiger Weise wird dieser in Lenna herrschende Konflikt von Erklärungen in Bezug auf Methoden ergänzt, die bevorzugt bei Scharlatanen unter den Spiritisten zum Einsatz kommen, wenn diese ihre Kunden hinters Licht führen. Dazu zählen beispielsweise lumineszentes Phosphoröl oder die doppelte Belichtung, die auf Fotografien geisterhafte Erscheinungen zum Leben erwecken kann.
    So ist meiner Ansicht nach zumindest ein grundlegendes Interesse an der Thematik des Okkulten wie beispielsweise dem detaillierten Ablauf einer Seance erforderlich, um gerade die erste Hälfte dieses Romans genießen zu können, dessen Schwerpunkt darauf liegt. Andernfalls könnte dessen Beginn recht zäh ausfallen. Denn auch mit der titelgebenden “geheimen Gesellschaft” ist die Londoner Séance Society gemeint, die einen exklusiven Herrenclub darstellt. Dessen Mitglieder verfügen über übersinnliche Fähigkeiten, die sie bevorzugt der Londoner Upper Class, in deren Kreisen sie verkehren, gegen ein entsprechendes Honorar anbieten.

    Zur in diesen Roman integrierten Crime-Handlung
    Zu Beginn lag mir der Fokus “Der geheimen Gesellschaft” zu wenig auf den dann bereits angeführten Todesfällen, da Sarah Penner sich mehr auf ihre okkulte Thematik und das damit einhergehende Drama, das im Verlust eines geliebten Menschen begründet liegt, fokussiert hat statt sich auf die eigentliche Aufklärung der Morde zu konzentrieren. Diese hätten jedoch von Anfang an dadurch stärker in die Handlung integriert werden können, dass schon zu diesem Zeitpunkt unter anderem auf die bereits von Vaudeline gelösten spektakulären Fälle eingegangen worden wäre, die in der vorliegenden Form nur als Tatsache am Rande erwähnt werden, um den Fortgang der Handlung zu erklären. In dieser frühen Phase hätte dem Roman gut getan, wenn die Autorin dem Verbrechen als solches, das etwa Anlass für die erste Seance ist, an der Lenna in Paris teilnimmt, mehr Aufmerksamkeit geschenkt hätte. Erst im weiteren Verlauf nimmt “Die geheime Gesellschaft” dann Fahrt auf, wenn die Aufklärung des Mordes an Lennas Schwester Evie mehr in den Mittelpunkt der Handlung rückt.

    Mein Fazit
    Für "Die geheime Gesellschaft" hat Sarah Penner eine ungewöhnliche Kombination gefunden, da sie sich einer okkulten Thematik widmet, die um Geister und Seancen kreist. Ergänzt wird das von einer in diesem Kontext angesiedelten Crime Handlung, deren darin begründetes Drama in historischem Setting mit übersinnlich angehauchten Touch diesem Roman erst Intensität verleiht, bevor die Handlung in seinem weiteren Verlauf an Fahrt aufnimmt. Dabei fügen sich dessen so unterschiedliche Komponenten, die für meinen
    Geschmack nicht in der vorliegenden Form hätten gewichtet sein müssen, wenn es gerade zu Beginn vielleicht ein bisschen weniger Soap Opera hätte sein können, zu einem erstaunlich harmonischen Ganzen. Besonders überzeugt hat mich die Autorin mit der detaillierten Ausarbeitung der im Kern ihres Romans behandelten Thematik rund um Seancen und mehr, mit der sie auch persönliche Erfahrung zu haben scheint, wie die persönlich ausfallende Widmung "Der geheimen Gesellschaft" bereits angedeutet hat.
    Stille Falle Anders De La Motte
    Stille Falle (Buch)
    29.12.2023

    Abgründiger erster Fall für eine besondere Ermittlerin

    Zum Inhalt: Die junge Smilla und ihr Freund Malik Mansur, genannt MM, planen ein besonderes Abenteuer, bevor sie für ihr Studium nach Paris zurückkehren wird. Die beiden interessieren sich für Urban Exploration und lassen sich so von der Aussicht auf einen Höhlenregen, bei dem sich Feuchtigkeit unterirdisch in derart hohem Maße sammelt, dass diese wie Regentropfen nach oben steigt, in einen lange vergessenen Bunker locken. Denn dieser stellt ein extrem seltenes Phänomen dar. Doch in der alten Bunkeranlage wartet nicht nur der erhoffte Höhlenregen auf sie, sondern auch das Grauen.

    Zur Charakterisierung von Leo Asker als ungewöhnlicher Heldin und Hauptfigur
    “Stille Falle” ist der erste Fall für Kriminalinspektorin Leonore Asker, die Gruppenleiterin in der Abteilung für Kapitaldelikte ist. Als solche übernimmt sie die Ermittlung im Fall des Verschwindens von Smilla und Malik, bis ihr diese durch eine Intrige ihres ehemaligen Vorgesetzten und ihrer Mutter aus der Hand gerissen wird, als sie in die Abteilung für hoffnungslose Fälle und verlorene Seelen zwangsversetzt wird. Deren Arbeitsräume sind in einem unteren Stockwerk gelegen, von dessen Existenz Asker zuvor nicht einmal etwas geahnt hat. In diesem Kriminalroman, der kunstfertig aus unterschiedlichen Perspektiven auf mehr als einer Zeitebene erzählt wird, die sowohl in der Gegenwart als auch der Vergangenheit angesiedelt sind, ist Hauptfigur Leo das Highlight. Ihr Äußeres besticht durch ihre zweifarbigen Augen, mit deren ungewohnten Blick sie jeden Kontrahenten niederstarren kann. Geprägt wurde sie jedoch durch ihre besondere Jugend, in der ihr in hartem Training eine Vielzahl einzigartiger Fähigkeiten angeeignet wurden.

    Zur Bandbreite der Nebenfiguren und deren Gewichtung im Roman
    Im Vergleich zu Asker fallen die anderen wesentlichen Figuren dieses Kriminalromans deutlich blasser aus, obgleich es Anders de la Motte gelingt, auch deren Gedankengänge glaubwürdig zu vermitteln und damit deren Handlungen nachvollziehbar werden zu lassen. So hätte ich mir gewünscht, dass der Autor sich mehr auf Leo konzentriert hätte und damit die in “Stille Falle” erzählte Geschichte primär aus ihrer Perspektive wiedergegeben hätte. Statt etwa Askers Jugendfreund und Urban Exploration Experte Martin Hill derart viel Raum zu geben, hätten zusätzliche Sichtweisen von Nebenfiguren eingebunden werden können. Dafür hätten sich beispielsweise die Mitglieder von Askers neuem Team in der Abteilung für hoffnungslose Fälle oder auch sein ehemaliger Leiter, dessen Stelle von Leo übernommen worden ist, angeboten. Denn De la Motte besitzt ein Talent, wenn es um die Charakterisierung von schrägen oder zumindest speziell zu nennenden Figuren geht, die er in seiner aufmerksamen Beschreibung nie zur Karikatur verkommen lässt. Das hat der Autor etwa bereits in seiner Österlen-Reihe, in der Peter Vinston im ländlichen Schweden Morde aufklärt, unter Beweis gestellt. Erstaunlicherweise kommt dies jedoch in der düster gehaltenen “Stillen Falle” besser zur Geltung als in der genannten Cozy Crime-Reihe.

    Ungewöhnliche Themen von Urban Exploration bis hin zu einem Miniatur Wunderland
    Die Abgründe, die sich in diesem Kriminalroman auftun, liegen in der Schilderung von Askers traumatischer Kindheit und den Kapiteln, die die Sichtweise des Täters, der sich selbst “Der Troll” nennt, wiedergeben und die seine Entwicklung beginnend in seiner Kindheit verfolgen, begründet. Darüber hinaus ist die Gegenwart von der fieberhaften Suche nach der aus wohlhabenden Verhältnissen stammenden Smilla geprägt. Diese reichert De la Motte in passender Weise um ungewöhnliche Themen an. Dabei bildet neben der Modelleisenbahn Landschaft, die vom Verein in jahrzehntelanger Arbeit gebaut wurde und damit beeindruckende Maße abnimmt, die Erforschung von Lost Places einen thematischen Schwerpunkt. Doch sogar da gelingt es dem Autor, dieser märchenhaften Heile-Welt-Szenerie, die an das real existierende Miniatur Wunderland in Hamburg erinnert, einen unheimlichen Touch zu geben.

    Mein Fazit
    Dieser Kriminalroman, der es auf mehr als fünfhundert Seiten bringt, hatte zwar keine Längen für mich. Weil teilweise durch die Beschreibung unterschiedlicher Blickwinkel oder auch der Schilderung von Vergangenheit und Gegenwart Punkte doppelt wiedergegeben wurden, wie etwa die Enthüllung einer von Askers besonderen Fähigkeiten, die sie durch ihr hartes, ungewöhnliches Training entwickelt hat, hat das nur beim erstmaligen Erzählen für einen Überraschungsmoment bei mir gesorgt, der beim zweiten Mal nicht mehr vorhanden gewesen ist. Da hätte es meiner Ansicht nach ausgereicht dies nur einmalig zu beschreiben, um stattdessen zum Schluss hin zumindest ein längeres Kapitel aus Sicht eines unerwarteten Täters einzuschieben, das in der Gegenwart oder jüngeren Vergangenheit angesiedelt ist, um dessen Entscheidungen im Speziellen und Verhalten im Allgemeinen nachvollziehbarer werden zu lassen.
    Der flüsternde Abgrund Veronica Lando
    Der flüsternde Abgrund (Buch)
    21.11.2023

    Ruhig erzähltes Thriller-Drama mit Mystery-Elementen vor besonderer Kulisse

    Callum Haffenden kehrt nach dreißig Jahren nach Granite Creek zurück, um sich dem Suchtrupp anzuschließen, der von seinem alten Freund Eddy Quade geleitet wird, der ebenfalls kürzlich als Polizist in den Ort zurückgekommen ist. Mit Unterstützung von zahllosen Freiwilligen durchkämmen sie das Dickicht, da Lachie spurlos verschwunden ist, als er allein campen war. Dabei fürchten sie nur das sich verschlechternde Wetter, das die Suche erschwert, und den aufziehenden Wirbelsturm, bis der über dem Gebiet kreisende Helikopter zufällig einen grausamen Fund macht.

    Veronica Lando hat mit Callum Haffenden einen ebenso interessanten wie kaputten Protagonisten für ihren Roman ersonnen, in dessen Leben die Probleme längst überhand genommen haben. Seine fünfzehnjährige Tochter Milly, um deren Erziehung er sich mit Hilfe seiner Eltern bemüht, spricht nicht mehr mit ihm, weil sie ihn nicht auf die Reise in seine alte Heimat begleiten durfte. Hartnäckig weigert sie sich, auf seine Nachrichten zu antworten. Seine Karriere als Journalist befindet sich nach einer erfolgreichen Phase längst auf dem Abstellgleis. Und körperlich eingeschränkt - wie er ist - fällt es ihm schwer, nur wenige Meter durch den Regenwald zu humpeln, ohne in den vom Regen aufgeweichten Boden zu versinken. Was Callum von so vielen anderen kaputten Hauptfiguren in Kriminal- wie Thriller-Romanen unterscheidet, ist seine Leidenschaft für Vögel. So wird jede Szene, in der Lando ihren Protagonisten auf den Regenwald treffen lässt, zum Erlebnis, indem er stets die Vögel zu bestimmen weiß, die ihm dort begegnen. Beispiele dafür sind der Säulengärtner (Amblyornis newtonianus) oder auch der Blaukappen-Paradiesliest (Tanysiptera sylvia).

    “Der flüsternde Abgrund” ist ein ruhig erzählter Roman, der über weite Strecken mehr Drama als Thriller ist. Nicht nur Callum hat in seinem Leben zu kämpfen, auch sein Freund Eddy hat es schwer. Der ist nach langer Abwesenheit erst vor wenigen Tagen wieder in Granite Creek eingetroffen, indem er sich nun um seinen Vater kümmern muss, der nach dem Tod seiner Frau niemanden mehr hat. Damit ist Eddy nun der Polizist im Ort. Das ist der Job, den Callums Vater Jahrzehnte zuvor innehatte. Zudem wird Callum nicht von jedem mit so offenen Armen in Granite Creek empfangen wie von Eddy, der sich trotz der widrigen Umstände über das Wiedersehen mit Callum freut. Allen voran ist es Brett Wyatt, der in der Stadt so viel zu sagen hat wie eh und je, der Callum nicht dort haben will. Denn das Verhältnis von Brett und Callum, das in der Vergangenheit von ihrer Rivalität um Pip geprägt gewesen ist, wird nach wie vor von der in ihrer Schulzeit vorherrschenden Antipathie dominiert, die sogar über das Verschwinden von Bretts Sohn Lachie nicht in den Hintergrund tritt.

    Einen besonderen Touch erhält “Der flüsternde Abgrund” durch die ungewöhnliche Weise, mit der Veronica Lando mit ihrem Schauplatz arbeitet, wenn sie den Regenwald in jeder Szene, die dort spielt, in dessen Mittelpunkt stellt. Dadurch sind für mich im ersten Drittel dieses Romans alle Kapitel, die als Kulisse den Regenwald haben, zum Highlight geworden. Denn der wird in der Beschreibung der Autorin zum undurchdringlichen Dickicht, wenn kaum Sonnenlicht den Boden zu erreichen vermag und indem sich schon nach wenigen Metern abseits vom Weg die Orientierung verlieren lässt. Bei Lando wird damit der Regenwald selbst zur Schauerkulisse, die an eine düstere Variante eines Grimmschen Märchens erinnert, bei dem Kinder im Wald verschwinden, dessen überwucherte Wege durch Glöckchen anstelle von Brotkrumen markiert sind. In Kombination mit den wiederholt tot aufgefundenen Vögeln, die Callums Weg kreuzen, wird im "Flüsternden Abgrund” eine intensive ungute Stimmung erzeugt, die von Beginn an Schlimmes befürchten lässt. In passender Weise reichert Lando ihren Thriller um Mystery-Elemente an, wenn etwa von Anfang an vom Flüstern die Rede ist, das sich in der Nähe der Boulders hören lässt. Die stellen einen Abgrund dar, wo der Regenwald auf eine Geröll Landschaft trifft. Diese ist von Felsen geprägt, die aussehen, als ob Riesen dort Murmeln gespielt hätten und sie dann einfach liegen gelassen und vergessen hätten. Das Wispern, das sich dort vernehmen lässt, kann auf rationale Weise als Wind, der sich in den Felsspalten bricht, erklärt werden. Und doch scheint es einen in den Abgrund locken zu wollen.

    In ihrem Thriller spielt Lando von Beginn an mit der Frage, ob übernatürliche Mächte wie beispielsweise ein mysteriöses Flüstern am Werk sind, oder ob nicht doch von Menschen verübte Taten für die Geheimnisse, die so beharrlich in Granite Creek unter den Teppich gekehrt werden, verantwortlich sind. Einerseits ist es der Autorin dabei gelungen, die Beantwortung dieser Frage lange in der Schwebe zu halten. Andererseits hat sie mich mit der Beschreibung einer eingeschworenen Gemeinschaft im Ort überzeugt, in der jeder dem anderen regelmäßig über den Weg läuft und keiner dem anderen unbekannt ist. Städter, wenn sie sich nach Granite Creek verirren, werden stets außen vor gelassen. Das gilt insbesondere für die Reporter und Journalisten, die über das Verschwinden von Lachie Bericht erstattet haben. Wieder dorthin Zurückgekehrte wie Callum oder sein Freund Eddy werden wenig besser behandelt, wenn sie über die Ereignisse, die sich in ihrer Abwesenheit zugetragen haben, im Unklaren gelassen werden.

    So dauert es eine ganze Weile, bis die Handlung im “Flüsternden Abgrund” dann endlich in die Gänge kommt, wenn Callum an der Seite von Eddy realisiert, dass die übermäßige Häufigkeit der in Granite Creek im Regenwald Verschwundenen oder Verunglückten sich nicht allein auf tragische Unfälle zurückführen oder durch Selbstmorde erklären lässt. Trotz seiner ruhigen Erzählweise mangelt es dem Roman nicht an Intensität, da teilweise Spannung aus den darin wiedergegebenen Dramen erzeugt wird. In seinem weiteren Verlauf konzentriert sich der Thriller dann aber mehr auf die Beantwortung der zu Beginn aufgeworfenen Fragen, wenn Lando den so lang in Granite Creek begrabenen und tot geschwiegenen Geheimnissen, die auch Callums Leben geprägt haben, auf den Grund geht.
    Die mörderischen Cunninghams. Irgendwen haben wir doch alle auf dem Gewissen Benjamin Stevenson
    Die mörderischen Cunninghams. Irgendwen haben wir doch alle auf dem Gewissen (Buch)
    07.11.2023

    Spezieller Krimi mit starken Hintergrundgeschichten, doch schwachen Charakterisierungen

    Ernest, genannt Ernie Cunningham, hat sich nach einer keinen Widerspruch duldenden Einladung seiner Tante Katherine dazu entschieden, am ersten Familientreffen seit Jahren teilzunehmen. Das findet in einem abseits gelegenen Ski Resort statt, bei dem sich schon die Anreise als kleines Wagnis gestaltet, da Ernie vergessen hat, seinen Wagen mit Schneeketten auszustatten. Die Familie bereitet ihm einen zum Wetter passenden eisigen Empfang: Ignoriert von der Tante, mit Schweigen gestraft von seiner Mutter Audrey, scheint sich nur seine Stiefschwester Sofia zu freuen, ihn zu sehen. Jedes Beieinandersein der Familie artet schon nach fünf Minuten in Streit aus, wovor sie auch in der Öffentlichkeit nicht zurückschrecken oder aber über den Fund einer im Schnee entdeckten Leiche. Doch ist der Unbekannte tatsächlich einem tragischen Unglück zum Opfer gefallen, wie vom Dorfpolizisten Crawford vermutet, oder ist das ein eiskalter Mord gewesen?

    Die Familie Cunningham ist speziell und ebenso auch dieser Krimi von Benjamin Stevenson, dem sie den Titel geben. Das beginnt bei den vorangestellten zehn Geboten des Detektivromans, die vom Priester und Satiriker Ronald Knox in 1929 verfasst worden sind und die vom Autor konsequent in seinen Roman eingebaut werden. Das gibt diesem Krimi eine besondere Meta-Meta-Ebene, die mich weniger an die in “30 Tage Dunkelheit” von Jenny Lund Madsen gewählte Meta-Ebene erinnert hat, bei der eine Schriftstellerin in einem Todesfall ermittelt und diesen gleichzeitig in dem fiktiven Kriminalroman verarbeitet, an dem sie gerade schreibt, sondern trotz des anderen Genres eher an den Film Scream. So hätte “Den mörderischen Cunninghams” eine stärkere Orientierung am Film Scream gut getan, um mehr aus der originellen Ausgangsprämisse herauszuholen, die diesem Meta-Krimi zugrunde liegt, indem zudem der Leser wiederholt direkt angesprochen wird. Dafür hätte sich die darin erzählte Geschichte und insbesondere deren Todesfälle meiner Ansicht nach angeboten, um ähnlich wie im Film Scream im einen Moment noch wie eine Satire zu wirken, um im nächsten bitteren, blutigen Ernst zu machen, wenn einem dann dabei das Lachen im Hals stecken bleibt.

    An sich mag ich schräge Figuren samt eigenwilliger Dynamik in ihren Beziehungen untereinander recht gerne. Insofern haben mich zunächst die Beschreibung von Tante Katherine und von anderen Mitgliedern der Familie von Ernie angesprochen. Dabei liebt Katherine ihre Tabellen, die sie leidenschaftlich etwa bei der Organisation von Familientreffen einsetzt, sie hasst Unpünktlichkeit, weil das ihren präzise geplanten Ablauf durcheinanderbringt, und schreibt vorzugsweise E-Mails mit Betreff “Re: siehe meine vorherige Mail”. Ihr in die Familie eingeheirateter Mann Andy beschränkt sich darauf, ihr stets zuzustimmen und heimlich mal ein Bier zu kippen, da seine Frau seit ihrer Verletzung strikte Abstinenzlerin ist. Indem die Figuren derart eindimensional charakterisiert sind, wirken sie eher wie Karikaturen und ihre schon mal eher unfreiwillig anmutende Komik nutzt sich etwa im Fall von Andy sehr rasch ab. Da hätte es mir besser gefallen, wenn Benjamin Stevenson seinen Figuren weitere Facetten zugestanden hätte. Vielleicht hätte sich darüber hinaus angeboten, einzelne Kapitel nicht nur aus Sicht von Ernie, sondern der weiterer Familienmitglieder wie beispielsweise von Andy wiederzugeben, um diesem Mann, der nach außen hin immer nur das sagt und tut, was seine Frau für gut erachtet, von Beginn an eigene Gedankengänge zuzugestehen, die damit auch dem Leser bekannt wären.

    Eine Stärke der mörderischen Cunninghams sind die spannenden, abwechslungsreich gehaltenen Hintergrundgeschichten, die Benjamin Stevenson sich für die einzelnen Familienmitglieder ausgedacht hat, was beispielsweise Ernies Vater und großen Bruder mit einschließt. Diese werden allesamt aus Ernies Sicht wiedergegeben, der dazu verschiedene Vermutungen anzustellen hat oder eher als passiver Beobachter mit dabei gewesen ist. An dieser Stelle hätte sich vielleicht eher angeboten, die relevanten Ereignisse aus Sicht des jeweiligen Familienmitglieds zu schildern, statt dafür die Perspektive von Ernie zu wählen, so dass ich diese dabei zugleich besser hätte kennenlernen können. Auch das vom Autor gewählte Konstrukt, indem er bei der Anreise zum Familientreffen beginnt, um dann nach und nach wiederholt vergangene Ereignisse einzuschieben, hat dessen Erzählweise eher unübersichtlich gestaltet statt dadurch für die großen Überraschungsmomente zu sorgen, die durch diese verschachtelte Erzählweise und spätere Enthüllungen wohl angedacht gewesen sind. Auch hat es auf diese Weise sehr lange gedauert, bis die Handlung um die im Skiresort gefundene Leiche in die Gänge gekommen ist. Da hätte ich eine chronologische Erzählweise als passender empfunden, die zumindest teilweise erst wesentliche Ereignisse aus der Vergangenheit von Ernies Familie abgehandelt hätte, um sich im Anschluss daran der Gegenwart zu widmen, die dann gestraffter hätte erzählt werden können.

    Das hätte den Vorteil mit sich gebracht, dass Stevenson bei der Wiedergabe der Vergangenheit seinen besonderen Schauplatz Australien mehr in den Vordergrund hätte stellen können. Auch wenn mir an sich Kriminalromane gut gefallen, die an einem abgelegenen Ort spielen, an dem sich nur eine begrenzte Zahl an Personen aufhält, ist ein abseits gelegenes Skiresort eine recht beliebige Location, die sich ebenso in Europa hätte wiederfinden können. Zu Beginn “Der mörderischen Cunninghams”, wenn der Autor einen für die späteren Ereignisse wichtigen Abend zwischen Ernie und seinem großen Bruder schildert, zeigen sich jedoch die Besonderheiten des Schauplatzes Australien, wenn Ernie erst befürchtet, sein Bruder habe ein Känguru angefahren, um dann auf einer von Spinnweben überzogenen Lichtung, die an Schnee erinnern, im Wald zu enden. Davon hätte ich mir mehr gewünscht. Ebenso wie von den atmosphärischen Beschreibungen, die zu den Stärken von Stevenson zählen und die nicht nur bei der eben erwähnten Lichtung zum Tragen gekommen sind, sondern etwa auch in der Schilderung der beeindruckenden Aussicht von den Chalets im Skiresort oder der eisigen Temperaturen, die dort vorherrschen, so dass mir die Kälte beim Lesen ab und an fast in die Knochen gekrochen ist.
    Atalanta Jennifer Saint
    Atalanta (Buch)
    07.11.2023

    Vielfältig verwobene griechische Mythen um die Jägerin und Kämpferin Atalanta

    König Iasos von Arkadien, der Vater von Atalanta, lässt sie im Wald aussetzen, da er sich als Kind einen Sohn und damit Erben, nicht aber eine Tochter gewünscht hat. Das Baby stirbt jedoch nicht, wie vom König angedacht, sondern wird von einer Bärin gesäugt, die sich seiner ebenso wie ihrer Jungen annimmt, mit denen Atalanta gemeinsam groß wird. Als die Zeit gekommen ist und die Bärenmutter ihre Jungen verstößt, wandert auch Atalanta allein und ziellos durch den Wald, nachdem sie die einzige Mutter, die sie je kannte, verloren hat. Doch wieder hat das Mädchen Glück im Unglück, da sie auf Artemis, die Göttin der Jagd, trifft, unter deren Schutz sie fortan steht.

    Obgleich Atalanta königlichen Geblüts ist, wächst sie nicht als hochwohlgeborene Prinzessin auf, sondern lebt in den Tiefen des Waldes, in die sich nur selten ein Mensch verirrt. Zunächst erachtet sie die Bärenjungen als ihre Geschwister, mit denen sie aneinander gekuschelt in der Nacht schläft und tagsüber spielt, aber bereits auch zu kämpfen lernt, und deren Mutter als ihre eigene, indem sie nichts anderes kennt. Nachdem sie ihre Bärenfamilie verloren hat, lebt sie an der Seite der Göttin Artemis, umgeben von deren Nymphen, in ihrem heiligen Hain. So wird Atalanta fernab von jeglicher menschlichen Zivilisation groß, so dass sie nicht um ihre Gepflogenheiten weiß Auch hat sie nie ein Dorf oder gar eine Stadt gesehen. Sie kennt nur den Wald, wo sie gelernt hat, sich selbst zu versorgen und zu schützen. Auch ist sie abgesehen von ihrem Bogen und den dazugehörigen Pfeilen sowie der Tunika, die sie am Leib trägt, und einiger gegerbter Tierfelle nicht mit materiellem Besitz belastet.

    Atalanta ist auf eine Art und Weise stark, wie es nur selten Frauen in der griechischen Mythologie zugestanden wird. Denn sie ist absolut autark, da sie in der Lage ist, sich ganz auf sich allein gestellt nur mit dem, was der Wald zu geben hat, selbst zu versorgen. In der Wildheit der Natur erlebt sie eine Form von Freiheit fernab gesellschaftlicher Zwänge, wie sie sonst nie der Tochter eines Königs zugestanden worden wäre. Atalante und die Nymphen bilden eine Art von Prepper-Gemeinschaft, die jedoch ausschließlich aus Frauen besteht und das in Zeiten des mythischen Griechenlands. Aus dieser bereits in der Vorlage derart stark angelegten Figur der Atalanta hätte Jennifer Saint weit mehr herausholen müssen, verschenkt dabei aber Potential. Denn gerade mit den besonderen Eigenschaften, die Atalanta schon als Mädchen auszeichnen, wenn sie schneller und ausdauernder als die Nymphen laufen kann und ein besonderes Talent für die Jagd zeigt, tut sich die Autorin schwer.

    Da hätte ich mir gewünscht, dass Saint den Mut besessen hätte, eine derart andere Frauengestalt, die jenseits typisch femininer Charakterzüge erst allein durch Autarkie und Unabhängigkeit, Stärke und Kampfgeist geprägt ist, konsequent in diesen Eigenschaften zu schildern. Stattdessen hat die Autorin Atalanta dabei oft zögerlich oder ein wenig unsicher erscheinen lassen, wenn sie selbst oft nicht so recht versteht, was da vor sich geht oder wer sie eigentlich ist. Das setzt sich dann leider in der Beschreibung von Artemis fort, die bei Saint zwar als begnadete, doch unbarmherzige Jägerin rüberkommt. Die Göttin wirkt stets unnahbar, obwohl sich Atalanta zu ihrer Favoritin entwickelt. Auch zeigt sie sich rachsüchtig, wenn eine ihrer Nymphen gegen die von ihr aufgestellten Regeln verstößt. Da hätte ich mir doch eine insgesamt ambivalenter ausfallende Charakterisierung von Artemis gewünscht. Bezeichnend ist, dass die Göttin lediglich in ihrer Funktion als Helferin bei der Geburt, wenn sie die Gebete der in den Wehen liegenden Frauen erhört, also der einzig klassischen Frauenrolle, die Artemis zukommt - positiv dargestellt wird.

    Obgleich Jennifer Saint das erste Drittel ihres Romans der Kindheit und Jugend von Atalanta widmet, hat sich dieser für mich nicht in die Länge gezogen. Das ist dem geschickten Kunstgriff der Autorin zu verdanken, dass die Nymphen, bei denen Atalanta lebt, ihr oft des Abends Geschichten erzählen. Wenn sie also an sich ereignislose Tage in der Natur verbringen, bei denen sie nur im Fluss baden, eine neue Tunika weben oder Früchte wie Beeren sammeln und verzehren, dann sind nicht diese schönen Stunden im Roman geschildert worden, sondern die Erzählungen von der Welt außerhalb des Waldes oder aus vergangenen Zeiten, die die Nymphen an die junge Atalanta weitergegeben haben. Dadurch ist es Saint auch möglich gewesen, weitere Mythen, die nicht unmittelbar mit der Sage um Atalanta zusammenhängen, in ihr Buch mit einzubinden. Dazu zählen etwa die unglückliche Liebesgeschichte von Aphrodite und ihrem Jäger Adonis oder der Raub der Persephone durch den Unterweltgott Hades. Hinzu kommen verschiedene Mythen, die sich um Nymphen ranken.

    Obwohl mir die Saga um Atalante ebenso wie die meisten anderen von Saint in ihren Roman integrierten Mythen zumindest in groben Zügen bekannt gewesen sind, hat sich für mich durch diese komprimierte Erzählweise das Lesevergnügen kurzweilig gestaltet. Dennoch denke ich, dass der Roman spannender für jene Leser ist, die weniger in der Welt der griechischen Mythen bewandert sind, so dass sie mit deren Erzählung und insbesondere von deren weiteren Verlauf und Ausgang noch überrascht werden können. In diesem Zusammenhang wäre ein Personenverzeichnis hilfreich gewesen, das leider nicht vorhanden ist. Darin hätte die Vielzahl der mythologischen Figuren, die Saint in ihrem Roman untergebracht hat, Erwähnung finden können. Diese umfassen neben Göttern beispielsweise auch die Nymphen als alterslose Töchter von Flüssen, Quellen, Ozeanen und Winden. Dazu zählen etwa Phiale, die einer Quelle mehr Wasser entlocken kann, Krokale, die Blumen erblühen lässt, wo ihre Füße den Boden berühren, oder Psekas, die einen feinen Sprühregen heraufbeschwören kann. Darüber hinaus hätte mich ein Quellenverzeichnis interessiert, mit dem die zahlreichen Mythen, die von Saint in ihrem Roman nacherzählt worden sind, belegt worden wären - gleich ob durch Verweise auf Werke im Original wie die Metamorphosen von Ovid oder Standardwerke im Hinblick auf deren Interpretation wie etwa von Robert von Ranke-Graves.
    Das Gottesrätsel Danielle Trussoni
    Das Gottesrätsel (Buch)
    23.10.2023

    Ungewöhnliche Kombination aus Rätselbuch und Mystery-Thriller mit zu ambitioniertem Finale

    Mike Brink wird von Dr. Thessaly Moses um einen Besuch der Anstalt nahe Ray Brook gebeten, in der sie als leitende Psychologin eines Frauengefängnisses für ihre Patientinnen verantwortlich ist. Ihr schwierigster Fall ist Jess Price, die eine junge, vielversprechende Schriftstellerin gewesen ist, bevor sie fünf Jahre zuvor wegen des brutalen Mordes an ihrem Freund Noah Cooke verurteilt worden ist. Jess zeigt sich absolut unzugänglich, wenn sie Dr. Moses gegenüber hartnäckig jede Form der Kommunikation verweigert, seit diese die Stelle nach dem plötzlichen Unfalltod ihres Vorgängers Dr. Ernest Raythe übernommen hat. Doch als Mike Jess dann endlich begegnet, spricht sie zum ersten Mal seit langem.

    Mit Mike Brink hat Danielle Trussoni einen ungewöhnlichen Protagonisten für ihren Roman Ingenium ersonnen, der wegen seiner einzigartigen Fähigkeiten heraussticht. Vor seinem Unfall auf der Highschool schien Mikes Weg als Quarterback und Captain des Footballteams vorgezeichnet zu sein, dessen nächster Schritt darin bestanden hätte, mit einem Football-Stipendium aufs College zu gehen. Aber ein Schlag auf den Kopf veränderte Mikes Verstand derart grundlegend, dass er erst glaubte, verrückt geworden zu sein. Vom Neurowissenschaftler Dr. Trevers erhielt Mike die Diagnose des Savant-Syndroms und lernte dank dessen Unterstützung mit seiner neu gewonnenen Begabung umzugehen, die ihn weit besser Strukturen als andere erkennen lässt. Diese Identifikation von Mustern geht mit einem fotografischen Gedächtnis für Zahlen und mehr einher. Nach dem Studium der Mathematik am MIT hat Mike seine Leidenschaft zum Beruf gemacht und sich aufs Erstellen anspruchsvoller Rätsel verlegt.
    Der starke Einstieg in Ingenium hat mich als interessante Kombination aus einem Thriller mit Mystery-Elementen und einem Rätsel-Buch überzeugt. Dabei ist es Danielle Trussoni gelungen, das Triangulum, das Mike sich im Rahmen seiner Tätigkeit für die New York Times ausdenkt, die Codes, mit deren Hilfe er sich in verschlüsselter Form mit der sich im Gefängnis unter Beobachtung fühlenden Jess verständigt, prägende Rätsel aus jüngeren Jahren, über die eine Verbindung zu seiner Vergangenheit hergestellt wird, und deren Lösung erstaunlich flüssig in die eigentlich in diesem Roman erzählte Geschichte einzubetten. In diesem Kontext hätte ich einen separaten Anhang als sinnvolle Ergänzung angesehen, der sich mit den mathematischen Begriffen befasst, mit denen Mike in seinen Gedankengängen um sich wirft, wenn ihm eine sein Interesse weckende Zahl begegnet. Beispiele dafür wären die Definition der vollkommenen Zahl, des harmonischen Divisors, der Dreickszahl sowie der Stormer-Zahl und die Erläuterung von deren wesentlichen Eigenschaften.

    Ingenium lediglich als Thriller einzuordnen wird dem spannenden Genre-Mix, den Danielle Trussoni in diesem Roman bietet, bei weitem nicht gerecht. Neben der Einbindung von Rätseln ist Ingenium um Mystery-Elemente angereichert, die sich etwa in den lebensechten Träumen von Mike zeigen, bald aber eher in Horror umschlagen. Dafür hat die Autorin erst im Frauengefängnis nahe Ray Brook, das in einem ehemaligen Tuberkulose-Sanatorium untergebracht ist, dann im Sedge Anwesen, das im Norden von Upstate New York gelegen ist, perfekte Kulissen gefunden. Für letzteres wird Jess nach dem Tod seiner exzentrischen Besitzerin Aurora Sedge zur Homesitterin, als sich dann bereits in der ersten Nacht die unheimlichen Ereignisse überschlagen.
    Mike, der sich selbst nicht so recht zu verstehen scheint, ist für mich schwer greifbar gewesen. Vor seinem Unfall habe ich dessen Charakterisierung trotz der stereotypen Anlage als angehender Football-Star als gelungener empfunden, indem er da für mich präsenter gewesen ist. Im Hier und Jetzt hingegen ist Mike abgesehen von seinen besonderen Fähigkeiten, auf die er in der Wahrnehmung von außen reduziert wird, eher blass geblieben. Dafür hat Danielle Trussoni neben Mike wesentliche Nebenfiguren, die teilweise erst im weiteren Verlauf eingeführt werden, mit einer interessanten Hintergrundgeschichte ausgestattet, die in einzelnen Kapiteln des Romans eingeschoben wird. Dabei hat die Autorin ein gutes Gespür fürs Timing bewiesen, indem ihr Erzählrhythmus von einer ausgewogenen Balance zwischen Vergangenheit und Gegenwart geprägt ist, der nicht zu Lasten der Spannung geht.

    Im Vergleich zum starken Einstieg und einem Mittelteil, in dem auf zwei zusätzlichen Zeitebenen, die um abgründige Horror-Elemente angereichert sind, ein unerwartet düsterer Ton angeschlagen wird, ist das letzte Drittel von Ingenium deutlich schwächer ausgefallen. Das liegt wohl darin begründet, dass Danielle Trussoni in der ambitionierten Auflösung ihres Romans zu viel auf einmal wollte, ohne dass sich dessen unterschiedliche Komponenten zu einem stimmigen Ganzen zusammengefügt hätten. So ist die Autorin auf die Integration neuer resp. aus heiterem Himmel wieder auftauchender Nebenfiguren angewiesen, für deren Erscheinen wenig plausible bzw. zu konstruiert wirkende Erklärungen herhalten müssen, damit diese Protagonist Mike ihre Hilfe zukommen lassen können. Auch gestalten sich im Schlussteil die Übergänge zwischen den verschiedenen Handlungssträngen, die im Wesentlichen aus der Lethargie bestehen, mit der Mike auf seine durch die permanent angespannte Situation bedingte Überforderung reagiert, nicht ansatzweise so fließend wie am Anfang. Als überzeugender hätte ich Ingenium empfunden, wenn Danielle Trussoni sich im Finale dafür entschieden hätte, die religiös-esoterisch angehauchte Mystery-Geschichte, die den Kern ihres Buchs bildet, konsequent zu Ende zu erzählen. Auch hätte Ingenium gut getan, wenn die Autorin auf alles, was dessen Tempo ausbremst, verzichtet hätte. Dazu gehören die ausufernden Zweifel, mit denen Mike und eine zentrale Nebenfigur ihr Handeln zu hinterfragen beginnen. Zudem wäre, was für die Fortsetzung von Ingenium benötigt wird, besser auf sein absolutes Minimum zu reduzieren gewesen, um nur am Rande behandelt zu werden und den Fokus nicht in unnötiger Weise von den wesentlichen Punkten dieses Romans und der dabei aufgebauten Spannung abzulenken.
    Sekunden der Gnade Dennis Lehane
    Sekunden der Gnade (Buch)
    23.10.2023

    "May you be in heaven half an hour before the devil knows you're dead." (Alter irischer Trinkspruch)

    Seitdem Mary Pat Fennessy von ihrem zweiten Mann Ken Fen verlassen worden ist, sind es nur noch ihre Tochter Jules und sie. Deren Verhältnis ist angespannt, da Jules mit Beginn des neuen Schuljahres nicht mehr ihre bisherige Highschool in South Boston besuchen darf. Denn ab September 1974 werden auf richterlichen Beschluss hin Bustransfers umgesetzt, durch die die Highschool mit der größten weißen Schülerschaft mit der entsprechenden Highschool, die den höchsten afroamerikanischen Anteil aufweist, vermischt werden soll. Damit soll die vorherrschende Rassentrennung durchbrochen werden. Als Jules eines Abends am Ende des Sommers mit ihren Freunden Brenda Morello und Rum Collins ausgeht, taucht sie am nächsten Morgen nicht wieder auf. Und obwohl Mary Pat alle von ihren Freunden abklappert, die sie anruft oder persönlich aufsucht, um sie nach dem Verbleib ihrer Tochter zu befragen, bleibt Jules verschwunden.

    “Sekunden der Gnade” wird von Dennis Lehane aus der Perspektive von Mutter Mary Pat sowie Detective Michael Coyne geschildert. Trotz ihrer Arbeit als Krankenhaushelferin im Meadow Lane Manor wird der Alltag von Mary Pat und ihrer Tochter von Armut dominiert. So kann sie seit letzter Woche nicht mehr kochen, weil das Gas wegen ihrer unbezahlten Rechnungen abgestellt worden ist. Auch muss sie sich entscheiden, ob sie von dem in zusätzlichen Schichten verdienten Lohn das Gasunternehmen bezahlen oder Jules die für das neue Schuljahr benötigten Sachen kaufen will. Neben ihrer Geldnot ist das Leben von Mary Pat durch den bereits erlittenen Verlust geprägt. Ihr erster Mann Dukie, der ein begnadeter Dieb und Einbrecher gewesen ist, ist verstorben und ihr zweiter Mann Ken Fen, mit dem sich seine Stieftochter Jules gut versteht, hat Mary Pat verlassen. Ihr Sohn Noel ist zwar von seinem Einsatz in Vietnam zurückgekehrt, dann aber süchtig geworden, da sein bester Freund seit Kindheitstagen ihm Drogen verkauft hat, bis er an einer Überdosis zugrunde gegangen ist.
    Detective Michael David Coyne, der von allen Bobby genannt wird, hat einen neun Jahre alten Sohn. Nach seiner Scheidung hat seine Frau das Sorgerecht erhalten, so dass Bobby sein Kind nur am Wochenende sehen darf. Der Detective lebt mit seinen fünf unverheirateten Schwestern und seinem stillen Bruder, der früher einmal Priester werden wollte, in einem viktorianischen Haus in der Tuttle Street zusammen. Bobby, der von seinen Erlebnissen in Vietnam traumatisiert wurde, während er dort vor Ausbruch des Kriegs als “Berater” eingesetzt war, ist nun seit fast zwei Jahren clean. Obwohl er seine Drogensucht überwunden hat, besucht er immer noch Treffen der Narcotics Anonymous, wann immer es ihm in den Fingern juckt.

    An "Sekunden der Gnade" hat mich die gelungene Integration tatsächlicher historischer Ereignisse aus dem Jahr 1974 in die fiktive Handlung dieses Romans überzeugt. Dazu zählt etwa das Ölembargo der OPEC. Im Mittelpunkt steht aber die Schulbusanordnung, die von Dennis Lehane in einer vorangestellten “Historischen Notiz” erläutert wird. Mary Pat engagiert sich gegen diesen richterlichen Beschluss, indem sie für eine anstehende, groß angelegte Demonstration von Tür zu Tür geht, um Flyer zu verteilen, und Schilder bastelt. Denn Jules, die kein Losglück hatte, wird bald die Highschool wechseln müssen. Mary Pat zweifelt aber daran, dass ihre Tochter, deren Zartheit einen Kontrast zu ihrer eigenen Robustheit bildet, dieser Herausforderung gewachsen ist.
    Wenn dann die besagte Kundgebung mit ihrer Suche nach Jules zusammenfällt, taucht Mary Pat dort nur gezwungenermaßen auf und erlebt diese Veranstaltung inklusive des Auftritts von Teddy Kennedy, dem Bruder des toten Präsidenten, hautnah mit. Ihr Blick darauf ist jedoch distanziert, da sie sich ganz auf das Verschwinden ihrer Tochter konzentriert. Die Southie beherrschende, intensiv angespannte Stimmung, die von der glühend fiebrigen Hitze des Sommers unterstrichen wird, wird gekonnt von Dennis Lehane eingefangen. Auch entwirft der Autor ein stimmiges Porträt von den Projects, die von ihrer für Außenstehende eigenwillig erscheinenden, schlecht nachvollziehbaren Lebensweise geprägt werden und deren strikte Regeln, an die sich alle halten, keiner in Frage stellt. Dabei liegt der Fokus auf dem kultivierten Kriminellen Marty Butler, der in den Projects unterstützt von seiner Bande das Sagen hat. Und Marty, der in seinem Viertel für Ordnung sorgt, setzt sich gegen die Schulbustransfers ein.

    Schwächen zeigt "Sekunden der Gnade" bei der im Kern dieses Krimis erzählten Geschichte, die recht vorhersehbar ausfällt und so kaum wirklich überraschende Wendungen zu bieten hat. Das schließt etwa die Antwort auf die diesen Roman erst über weite Strecken dominierende Frage mit ein, ob und falls ja, wohin Jules verschwunden ist oder ob ihr nicht doch etwas zugestoßen ist. In diesem Zusammenhang stehen auch die Kapitel, die die Sicht von Detective Bobby Coyne wiedergeben. Obwohl Bobby als Sympathieträger angelegt ist, fallen diese deutlich gegenüber den Kapiteln von Mary Pat ab, neben der Bobby erstaunlich blass geblieben ist. Denn Mary Pat, die für mich das Highlight dieses Romans gewesen ist, ist eine Naturgewalt. Angetrieben wird sie von einer Wut, die sich nur mit der Wucht eines Vulkanausbruchs vergleichen lässt. Mit roher Gewalt, teilweise aber auch mit Raffinesse prügelt sie sich auf der Suche nach ihrer Tochter durch die Straßen von Southie. Um Verluste schert sie sich dabei nicht, wenn sie weder Rücksicht auf andere noch sich selbst nimmt. Solange Dennis Lehane an Mary Pat in der Schilderung seiner Handlung dran bleibt, nimmt er nicht einmal den Fuß vom Gas, da seine Protagonistin keinen Aus-Knopf besitzt. Sogar als sie in ihrer Jugend eine Gehirnerschütterung davon getragen hat, nachdem sie von ihrer Schwester einen Ziegelstein an den Kopf bekommen hat, hat sie nicht aufgehört, weiter zu kämpfen. Lediglich durch die Kapitel von Bobby werden das hohe Tempo und die dadurch bedingte steile Spannungskurve zeitweise ausgebremst.
    In "Sekunden der Gnade" ist dem Autor ein ungewöhnliches, dafür nicht weniger intensiv geratenes Porträt einer besonderen Mutterliebe gelungen. Dabei ist der Roman aber kein intellektuell angehauchtes Drama, sondern erinnert etwa in seiner polarisierenden Wirkung eher an den Berlinale-Gewinner “Tropa de Elite”. Denn Mary Pats brutales Vorgehen führt immer wieder zu unerwartet blutigen Gewaltspitzen, die weniger gut für zu Zartbesaitete geeignet sind. Einen leichteren Zugang zu seiner Hauptfigur bietet Dennis Lehane auch über die Beschreibung von Mary Pats Vergangenheit nicht an. Schon als kleines Mädchen hat sie, als sie von einem Rowdy geärgert wurde, gelernt, ihre Probleme durch Zuschlagen zu lösen, statt weiter mit ihrer Puppe zu spielen.
    Ein Fluss so rot und schwarz Anthony Ryan
    Ein Fluss so rot und schwarz (Buch)
    23.10.2023

    Um phantastische Elemente angereicherte Dystopie mit wenig überzeugender Figurenzeichnung

    Ein Mann wacht auf einem Boot auf, das sich inmitten des Ozeans befindet. Da er nur das offene Meer sieht und das Schiff aus der Ferne gelenkt und gesteuert wird, weiß er nicht, wo er ist. Auch kann er sich nicht erinnern, wer er ist. Seine Vergangenheit hat er vergessen, ebenso wie seinen Namen. Doch nachdem er von einem Geräusch geweckt worden ist, das ihn aus dem Schlaf gerissen hat, sucht er dessen Ursache und muss eine grausige Entdeckung an Bord des Schiffs machen.

    Mehr zum Inhalt von “Ein Fluss so rot und schwarz” zu sagen, würde nur die ersten Twists in dieser von Anthony Ryan erzählten Geschichte verraten. Im weiteren Verlauf nennt der zu Beginn namenlose Mann sich Huxley, was wohl nicht sein richtiger Name ist, den er jedoch eintätowiert auf seinem Arm vorgefunden hat. Auf dem Boot ist er nicht allein, da mit ihm fünf andere Personen reisen. Jeder von ihnen kennt weder ihre Route bzw. ihr Ziel noch den Zweck ihrer Mission, die erst nach und nach enthüllt wird.
    Die Gruppe, die aus diesen sechs besteht, stellt die zentralen Figuren dieses Romans dar, der aus Sicht von Huxley geschildert wird. Indem sie sich weder an ihre Vergangenheit noch an ihre Persönlichkeit erinnern können, haben diese Charaktere seltsam distanziert auf mich gewirkt. So ist es mir schwer gefallen einen Zugang zu ihnen zu finden und deren Handlungen wie Entscheidungen sind oft schwer nachvollziehbar für mich geblieben, sogar wenn sie diese ausdiskutiert oder überdacht haben. Damit ist mit dem an sich interessanten Ausgangssetting, das Anthony Ryan für “Ein Fluss so rot und schwarz” gefunden hat, die Schwäche verbunden gewesen, die diverse B-Horrorfilme prägt. Denn im Horrorgenre, wenn dieses zumindest Züge von einem Slasher hat oder damit verwandt ist, sofern dies keine billig von der Stange produzierte Massenware darstellen soll, ist eine längere Introduktion zwingend erforderlich, um mir als Zuschauer oder Leser die wesentlichen Figuren näher zu bringen. Nur wenn ich diese Charaktere besser kennengelernt habe, kann ich im weiteren Verlauf mitfiebern und bangen, welche davon es schaffen werden oder auch nicht. Durch den für seinen Roman gewählten Ausgangspunkt versagt sich Anthony Ryan diesem Konzept und so wird Spannung in “Ein Fluss so rot und schwarz” ausschließlich aus den gelungen geschilderten Kampf-Szenen erzeugt, die durch die phantastischen Elemente, um die diese angereichert sind, einen besonderen Touch erhalten. Darüber hinaus räumt der Autor der Auflösung des Rätsels, was denn die Aufgabe ist, die diesen sechs zugedacht wurde und dazu geführt hat, dass sie auf dem Boot gelandet sind, in seinem Roman viel Zeit und Raum ein.

    Indem der Autor der Versuchung widerstanden hat, “Ein Fluss so rot und schwarz” anders als die von ihm verfassten epischen High-Fantasy-Reihen als ausufernden Roman anzulegen, hat sich dessen Lektüre für mich kurzweilig gestaltet. Denn das Buch, das keine dreihundert Seiten lang ist, habe ich in zwei Tagen gelesen, obwohl ich zugeben muss, dass sich zwischendrin bei mir Längen eingeschlichen haben. Das ist häufiger dann der Fall gewesen, wenn die Gruppe zwischen den einzelnen Stationen, auf der sie während ihrer Reise verschiedene Aufgaben zu erledigen hat, an Bord verbleibt und versucht dem Rätsel um ihre Mission auf den Grund zu gehen oder sich an die eigene Vergangenheit zu erinnern.

    Dabei hat Anthony Ryan eine interessante Hintergrundgeschichte ersonnen, die im Verlauf des Romans nach und nach enthüllt wird und letztlich zu der in diesem Roman erzählten Handlung geführt hat, bei der die sechs Ausgewählten auf dem Boot gelandet sind. Meiner Ansicht hätten sich diese in der Vergangenheit von “Ein Fluss so rot und schwarz” liegenden Ereignisse eher für einen spannenden Roman angeboten als das Setting, für das der Autor sich entschieden hat. Denn das hätte ihm die Gelegenheit geboten, ganz nah dran am Leid der von der Katastrophe Betroffenen und den erdrückenden Verlusten, die sie hinnehmen mussten, zu sein, um deren Geschichte zu erzählen und die Entwicklung der sich daran anschließenden Ereignisse zu schildern. Dabei hätte Spannung dadurch aufgebaut werden können, dass Ryan wiedergegeben hätte, wie das Grauen schleichend in ihren Alltag Einzug gehalten hätte, wenn ihr gewohntes Leben vor die Hunde gegangen wäre und allmählich durch die Szenerie ersetzt worden wäre, durch die die sechs auf ihrem Boot zu reisen haben. Das deutet sich in einer starken Szene an, in der Huxley einen Laptop aus dieser Zeit findet. Darauf sind Clips in Form von einem Videotagebuch gespeichert, das diese Vergangenheit dokumentiert. Obgleich Ryan das nur kurz anreisst und dabei viel zu schnell abhandelt, übertrifft die emotionale Intensität, die dabei erzeugt wird, doch alles, was der Gruppe auf dem Boot sonst widerfährt.

    Auch hätte sich die von Ryan für “Ein Fluss so rot und schwarz” ersonnene Ausgangssituation weit eher für einen abgründigen Horror-Roman, der in seiner Erzählweise durch einen düsteren Tonfall unterstrichen wird, angeboten als für die eher phantastischen Elemente, in denen dieser geschildert wird. Dass die gewählte Umsetzung nicht etwa einem mangelnden Talent des Autors geschuldet ist, zeigt sich in einer unheimlichen Szene, in deren Mittelpunkt eine Variante der Venusfliegenfalle steht. Weitere Szenen dieser Art hätten dem Roman gut getan, ebenso wie wenn Ryan seine Geschichte konsequent in diesem Ton erzählt hätte. In diesem Zusammenhang hätte der Autor besser auch auf den Humor, den er Huxley zugestanden hat, verzichtet. Denn dessen Lachanfälle, die sich wohl als Ausdruck von Hysterie verstehen lassen, mit der Huxley auf ihn überfordernde Situationen reagiert hat, haben oft eher unpassend gewirkt.
    “Ein Fluss so rot und schwarz” wird zwar in sich schlüssig zu Ende erzählt, wenn nicht nur die finale Mission der Gruppe, sondern auch die Vergangenheit, die dazu geführt hat, nach und nach enthüllt wird und dabei erstaunlich viele Rätsel aufgelöst und damit verbundene Fragen beantwortet werden. Dabei habe ich jedoch die Rolle eines zentralen Antagonisten, der wiederholt auftaucht, als wenig stimmig empfunden. Damit die verschiedenen Funktionen, die diesem zugedacht wurden, nur durch eine einzige Figur ausgefüllt werden konnten, hat diese im Verlauf des Romans in einer zumindest für mich nicht nachvollziehbaren Weise ihren Charakter resp. Hintergrund wiederholt zu ändern. Das ließ die Figurenzeichnung inkonsistent und letztlich wenig plausibel auf mich wirken. An dieser Stelle wäre es wohl sinnvoller gewesen, zusätzliche Antagonisten einzuführen, statt diese an sich unterschiedlichen Rollen ausschließlich in einer einzigen Figur zu bündeln, die dafür dann gegensätzliche Aspekte in sich zu vereinen hatte.

    Anthony Ryan, der aus seinem an sich spannenden Setting weit mehr hätte herausholen können, verschenkt da leider viel Potenzial, wenn er seinen Roman nicht konsequent im Horror-Genre anlegt und in einem zur Geschichte passenden, abgründig düsteren Tonfall erzählt. Darüber hinaus hätte sich angeboten, andere Charaktere in den Mittelpunkt eines Romans, der in der vom Autor ersonnenen Dystopie angesiedelt ist, zu stellen, um aus deren Sicht das von ihm entworfene Setting zu beschreiben und daraus eine Geschichte zu entwickeln, die auch in der dabei aufgebauten emotionalen Intensität hätte überzeugen können. Das hätte zudem eine interessantere, zumindest jedoch ambivalente Figurenzeichnung ermöglicht, wenn die im Fokus stehenden Personen sich an ihre Vergangenheit hätten erinnern können und deren Veränderung in ihrer Entwicklung begleitet worden wäre. “Ein Fluss so rot und schwarz” hätte dadurch gewinnen können, dass sich das Buch vom Boot-Setting entfernt und stattdessen mehr an “The Girl with All the Gifts” von M. R. Carey oder vergleichbaren Romanen orientiert hätte.
    Das Nachthaus Jo Nesbø
    Das Nachthaus (Buch)
    23.10.2023

    Auf einen starken Beginn folgen ein schwacher Mittelteil und Schluss.

    Zum Inhalt: Nach dem Tod seiner Eltern ist Richard, der erst vierzehn Jahre alt ist, erst vor kurzem ins verschlafene Nest Ballantyne gezogen, in dem nie etwas los ist. Eines Tages geht er mit seinem einzigen Freund Tom, da beide zur untersten Kaste in der Hackordnung der Schule gehören, hinunter zum Fluss zum Spielen. Dort möchte Richard feststellen, ob die von ihm geklaute Luke Skywalker Figur untergeht oder schwimmen kann, wenn sie im Fluss versenkt wird. Im Anschluss daran wird Tom von Richard zu einem Telefonstreich überredet, als die beiden auf dem Nachhauseweg an einer einsam gelegenen Telefonzelle vorbeikommen. Für den Anruf wählt Richard Imu Jonasson aus, der ihm wegen seines ungewöhnlichen Namens im Telefonbuch auffällt. Doch was nur als harmloser Telefonstreich gedacht war, erhält eine grausame Wendung, wenn das Grauen seinen Lauf nimmt.

    Zum grundlegenden Aufbau und Vergleich mit Vertrauensübung von Choi

    Das Nachthaus von Jo Nesbø, das wohl am ehesten als Thriller einzuschätzen ist, ist in drei Teile gegliedert. Sein prinzipieller Aufbau - insbesondere im Übergang zwischen dessen ersten und zweiten Teil - hat mich ein wenig an die Vertrauensübung von Susan Choi erinnert, die mit dem National Book Award ausgezeichnet worden ist, obgleich diese einem ganz anderen Genre zuzuordnen ist. Wo mich Choi in ihrem Roman noch mit dem diesem zugrunde liegenden Konstrukt zu überzeugen wusste, das auch bedingt durch den zwischen den verschiedenen Teilen erfolgenden Wechsel der Perspektive letztlich zu einer ganz anderen Konklusion als im Nachthaus geführt hat, da der Mittelteil ihres Romans stärker als dessen Beginn ausgefallen ist, ist das Nesbø zumindest bei mir leider nicht gelungen. Der in unterschiedliche Teile gegliederte Aufbau des Nachthauses schien mir mehr um seiner selbst willen zu geschehen, als dass der Autor insbesondere in dessen zweiten Teil tatsächlich der von ihm ersonnenen Handlung neue Aspekte hinzuzufügen hätte, statt die bisherige Geschichte lediglich zu variieren.

    Auf einen starken Beginn folgen ein schwacher Mittelteil und Schluss.

    Indem ich den ersten Teil des Nachthauses als stärksten empfunden habe, sind mir die Wendungen in dessen weiteren Verlauf zu gewollt erschienen. Diese haben auf mich eher als Twists gewirkt, die allein wegen deren Überraschungseffekt in die Handlung integriert worden sind, wenn die Geschichte des Romans sich dadurch in eine gänzlich unerwartete Richtung entwickelt hat. Das ist zwar einerseits gekonnt vom Autor geschrieben, da Hinweise auf künftige Twists zuvor eingestreut und damit angedeutet worden sind. Andererseits hat Nesbø im zweiten und gerade im dritten Teil ausführliche Erklärungen nachzuschieben, um die unerwarteten Wendungen seiner Geschichte zu erläutern und in sich schlüssig zu verargumentieren. Wenn für Twists ausufernde Erklärungen erforderlich sind, um sie für mich als Leser verständlich werden zu lassen und stimmig in die bisherige Handlung des Romans einbinden zu können, dann ist das für mich meist - so wie auch im Fall des vorliegenden Romans - ein Indiz dafür, dass die darin geschilderte Geschichte ihrem Aufbau nach wohl zu ambitioniert ausgefallen ist, wenn sie zu konstruiert geraten ist. Mir persönlich hat das in vielen Büchern der letzten Jahre Überhand genommen, dass gerade Krimis, aber auch Thriller nicht mehr ohne einen, zumeist jedoch mehrere zentrale Twists auskommen, die alles zuvor erzählte nochmals auf den Kopf stellen müssen. Auch ich mag Twists, falls sie gut umgesetzt sind und einen Mehrwert für die Handlung darstellen. Beispiele dafür sind im Horrorgenre The Sixth Sense oder The Others. Wenn ein Roman ohne entsprechende Wendungen stärker ausfallen würde - allein durch seine sonst stringent erzählte Geschichte, kann ich aber auch gut und gerne - so wie im Fall des Nachthauses - darauf verzichten.

    Verbesserungsvorschläge zu den genannten Kritikpunkten

    Weil mir der erste Teil des Nachthauses am besten gefallen hat, hätte ich mir gewünscht, dass Jo Nesbø von dem gewohnten Schema, an dem sich der grundlegende Aufbau von Krimis wie Thrillern in der Regel orientiert und das nicht ohne zentrale Twists auskommen kann, abgewichen wäre, wenn er auf seinen zweiten und dritten Teil verzichtet hätte. Stattdessen hätte der erste Teil weiter ausgearbeitet werden können. Das Nachthaus ist zwar bereits in der vorliegenden Form weniger gut für Zartbesaitete geeignet, indem der Roman einige brutal blutige Szenen enthält und auch vor Gewalt gegen Kinder - genauer gesagt Jugendlichen - nicht Halt macht. Allerdings hätte Nesbø seine dabei angezogene Handbremse lockern können, wenn er das Alter seines Protagonisten und wesentlicher Nebenfiguren schon zu Beginn des Romans ein wenig hochgesetzt hätte. Anstelle von 13- bzw. 14-jährigen Schülern hätten sich zumindest eher 17- bis 18-Jährige dafür angeboten, im Mittelpunkt der Handlung zu stehen.
    Dann hätte Nesbø dem Horror im Nachthaus freien Lauf lassen können. Denn gerade in den stimmungsvoll geschilderten Szenen, in denen sich die Spannung stetig aufbaut und die von einer dazu passenden unheimlichen Atmosphäre untermalt werden, die mich gleich Ungutes ahnen ließ, konnte das Nachthaus mich überzeugen. Dabei hätte der Autor, falls der Beginn seines Romans stärker von ihm ausgebaut worden wäre und insgesamt mehr Raum bekommen hätte, sich näher mit relevanten Nebenfiguren auseinandersetzen können, indem deren Schwierigkeiten im Leben und deren Beziehung zu Protagonist Richard ausführlicher geschildert worden wären. Auch hätten weitere Reminiszenzen an Klassiker der Horrorliteratur oder Filme - wie beispielsweise an Jeepers Creepers - und zusätzliche Informationen zum titelgebenden Nachthaus wie etwa zu dessen Vergangenheit und zum mysteriösen Imu Jonasson eingebunden werden können. Denn mit dem Nachthaus und Imu sind Nesbø im ersten Teil seines Romans eine gruselige Location, die eine unheimliche Präsenz ausstrahlt, und ein starker Antagonist gelungen, über die ich gern mehr erfahren hätte.
    Lindqvist, J: Refugium: Lindqvist, J: Refugium: (Buch)
    04.07.2023

    Gelungener Trilogie Auftakt um eine international angelegte Verschwörung

    Olof Helander gibt in seinem luxuriösen Anwesen im Schärengarten, das von seinem Handel mit Emissionsrechten finanziert worden ist, ein Mittsommer-Fest für wenige ausgewählte Gäste. Dazu zählt der chinesische Geschäftsmann Chen Bao, der ebenfalls in der Klimabranche tätig ist. Helanders vierzehnjährige Tochter Astrid ist nur widerwillig auf der Feier anwesend, um die Familie zu repräsentieren. Aber dann nehmen die Ereignisse eine unerwartete Wendung und Kommissar Johnny Munther hat an der Seite seiner Partnerin Carmen Sanchez in einem brutalen Mordfall zu ermitteln.

    John Ajvide Lindqvist hat mit seinem vorangestellten Prolog, der zeitlich im Mittsommer 2019 angesiedelt ist, einen starken Einstieg in seinen Thriller gefunden, indem die Spannungskurve darin nach nur wenigen Seiten von Null auf 100 hochgeschnellt ist. Die eigentliche Handlung von Refugium setzt dann fünf Monate zuvor im Januar 2019 ein und führt im ersten Teil, der den Titel “Julia und Kim” trägt, die beiden Protagonisten ein.
    Julia Malmros, die Anfang fünfzig ist, ist früher Kommissarin gewesen so wie bereits ihr nun an Demenz erkrankter Vater Polizist gewesen ist. Aus dem Dienst ist sie vor Jahren ausgeschieden, seit sie von den von ihr verfassten Kriminalromanen, die um Asa Fors kreisen, leben kann. Mittlerweile ist sie als Schriftstellerin derart erfolgreich, dass ihre Krimis als Serie verfilmt werden und ihr die Ehre zugestanden wird, eine Fortsetzung für die Millennium-Reihe um Journalist Michael Blomkvist und Hackerin Lisbeth Salander zu schreiben. Im Zuge ihrer Recherche wird für Julia vom Verlag der Kontakt zum Cracker Kim Ribbing hergestellt, der ihr das Basiswissen vermittelt, damit sie im Entwurf ihres Romans die Aktionen von Salander glaubwürdig wiedergeben kann.
    Kim, der Ende zwanzig ist, fällt durch seine äußere Erscheinung auf. Dessen ehemals blondes Haar ist lang gewachsen und schwarz gefärbt. Seine Statur ist beinahe zierlich, aber vom Turnen durchtrainiert und seine Haut ist von unzähligen Narben überzogen, die Zeugnis ablegen für die Folter, deren Opfer er in jungen Jahren geworden ist. Dabei wird Kims ihn noch heute belastende Vergangenheit erst nach und nach enthüllt.
    Neben der Perspektive von Julia und Kim werden einzelne Abschnitte aus Sicht von Astrid, der traumatisierten Zeugin des im Prolog erfolgenden Massakers, sowie von den in diesem Fall ermittelnden Polizisten Johnny, der sich durch seine penible Arbeitsweise auszeichnet, und seiner so cleveren wie sympathischen Partnerin im Job Carmen geschildert. Astrid, die sich in den sozialen Medien gegen die Massentierhaltung engagiert, ist ihren Eltern gegenüber ein rebellischer Teenager gewesen und hat ihre Ich-Bezogenheit herausgestellt, als sie mit den Gefühlen eines nerdigen Verehrers gespielt hat. Johnny, der Julias Ex-Mann ist, hat deren Scheidung nicht verwunden, wenn er jeden Vorwand dazu nutzt, sie zu kontaktieren, um sie zu einem Treffen zu überreden.

    Der grundlegende Aufbau von Refugium ließe sich als Variante eines Millennium-Romans beschreiben, bei dem die Geschlechter der beiden Hauptfiguren vertauscht worden sind. Kim übernimmt damit die Rolle von Salander und Julia die von Blomkvist. Auch kommen die beiden durch diverse Zufälle bedingt einer groß angelegten Verschwörung auf die Spur. Diese Parallelen greift Lindqvist jedoch selbst in einer geschickt in diesen Thriller integrierten Meta-Ebene auf, indem Julia einen neuen Millennium-Roman mit Arbeitstitel Stormland verfasst. Darin versucht sie die genannte Idee umzusetzen, um ihr Werk veröffentlichen zu können, ohne dass die Rechte der Millennium-Reihe dabei verletzt werden.
    Zudem wird die im weiteren Verlauf der Handlung von Refugium am Rande eingebundene Me-Too Geschichte, die aufgrund der vertauschten Rollen irritierend auf mich wirkte, bereits zuvor angedeutet. Denn Julia hat eine ebensolche für ihr Buch Stormland geschrieben, die sogar von ihrer kritisch eingestellten Lektorin positiv hervorgehoben wird. Was den Humor betrifft, haben mich gerade die Abschnitte, die rund um das Verlagswesen kreisen, überzeugt. Dazu zählen Julias konfrontatives Aufeinandertreffen mit ihrer neuen Lektorin, das sich daran anschließende Interview, das Julia im Fernsehen gibt, und die daraus resultierenden Ereignisse, die Julia zur Schlagzeile des Tages werden lassen. Mit dem satirisch scharfen Blick, den Lindqvist auf den Literaturbetrieb wirft, trifft er ins Schwarze.

    Abgesehen davon habe ich die in Refugium vorherrschende Stimmung, die trotz der expliziten sexuellen und teilweise recht grausamen Szenen eher humorvoll geraten ist und sich damit deutlich vom düsteren Ton der Vorlage abhebt, als wenig passend empfunden. Denn diese wollte sich für mich vor dem Hintergrund des eingangs geschilderten brutalen Massakers und anderer Straftaten aus Kims Jugend, aber auch aus seinen aktuellen Projekten, die vor Gewalt gegen Kinder nicht zurückschrecken, nicht zu einem stimmigen Ganzen fügen. Ebenfalls hat für mich die Chemie zwischen Julia und Kim nicht gestimmt, die nicht mehr als deren Bettgeschichte zu verbinden scheint. Das mag bei Kim wegen seiner schwierigen Vergangenheit nachvollziehbar gewesen sein, ist für mich aber in der Charakterisierung von Julia unglaubwürdig gewesen, wenn sie als erfahrene Frau eine ihrem Alter angemessene Reife missen ließ und sich in Kims Gegenwart noch kindischer als er verhalten hat.
    Ein zusätzlicher Kritikpunkt, der dem Autor wohl selbst aufgefallen ist, weil er diesen Julia an ihrem Roman Stormland bemerken lässt, ist die Häufung von Zufällen durch die die eigentliche Handlung dieses Thrillers überhaupt erst in Gang gesetzt und dann weiter am Laufen gehalten wird. Dazu zählen die Verbindung von Julia zum Fall Hellander, dem ihr Ex-Mann zugeteilt ist, ihre persönliche Beziehung zum Opfer, ein alter Fall aus Julias Zeit als Polizistin, der in die aktuelle Ermittlung hineinspielt, ein über die Recherche für ihren zweiten Asa Fors-Roman hergestellter Kontakt sowie der gleiche Therapeut, der Astrid und Kim nach ihren traumatischen Erlebnissen behandeln soll. Für mich ist das ab einem gewissen Punkt dann doch der eine Zufall zu viel gewesen.
    Dieser Thriller hätte stärker ausfallen können, wenn Lindqvist sich gerade im Kontext der von ihm inszenierten, sich auf internationalen Niveau bewegenden Verschwörung, die nach und nach aufgedeckt wird, nicht derart stark auf seine beiden Protagonisten fokussiert hätte. Stattdessen hätte er sich auf ein breiteres Figurenarsenal stützen können, so dass sich die hohe Zahl an Zufällen nicht auf Julia und Kim hätten konzentrieren müssen. Dadurch hätte sich Refugium auch deutlicher von der Millennium-Reihe abgrenzen können.
    Muskeln - die Gesundmacher Ingo Froböse
    Muskeln - die Gesundmacher (Buch)
    30.06.2023

    Wissenschaftlich fundierter, verständlich geschriebener Ratgeber ohne praktischen Teil rund um das Thema Muskeln

    Der bekannte Sportwissenschaftler Ingo Froböse, der Professor an der Deutschen Sporthochschule Köln ist, beginnt "Muskeln – die Gesundmacher" bei den Basics, wenn er Muskeln ihrer Physiologie und Anatomie nach vorstellt. Das fängt bei den Namen der Muskeln an, deren lateinische Bezeichnung und Zusammensetzung aus mehreren Bestandteilen erläutert wird, und wird in der Klassifikation von Muskeln anhand von deren Funktion fortgeführt, die sich nach Skelett-, Herz- und glatter Muskulatur unterscheiden lassen. Zudem setzt sich der Autor mit dem Aufbau der Muskulatur, dem Bindegewebe sowie den unterschiedlichen Typen von Muskelfasern auseinander.
    Dabei hat mir gut gefallen, dass sich der Schreibstil in diesem Sachbuch flüssig liest, da die Ausführungen verständlich gehalten sind, obgleich präzise beschrieben wird. Die sich an konkreten Zahlen orientierende Erzählweise von Ingo Froböse bleibt nicht im Vagen, indem etwa Prozentangaben zur Muskelmasse bei Männern, Frauen oder Sportlern in Abhängigkeit von deren Körpergewicht enthalten sind. Auch spart der Autor nicht am korrekten wissenschaftlichen Vokabular, sondern verwendet die entsprechenden Termini, nachdem er diese eingeführt hat. Beispielsweise werden den Energiestoffwechsel betreffend, deren Motor die Muskeln sind, die Mitochondrien und das Adenosintriphosphat (ATP) erklärt. Die Mitochondrien stellen die Minikraftwerke in den Zellen dar und das ATP ist die von den Mitochondrien produzierte Energie, die wir zum Leben benötigen.

    Zum strukturierten Vorgehen, das "Muskeln – die Gesundmacher" prägt, haben für mich die in den Fließtext integrierten Schaukästen beigetragen. Diese umfassen wichtige Fakten, so dass sich diese zum späteren Nachschlagen nach der Lektüre dieses Sachbuchs anbieten, und interessante Tatsachen zu Muskeln. Diese listen etwa Weltrekorde der Muskeln auf, die neben dem stärksten, größten, längsten und kleinsten auch den aktivsten, schnellsten oder fleißigsten der 654 Muskel im Körper angeben. Als übersichtlich habe ich die in tabellarischer Form aufbereiteten Informationen empfunden. Dazu zählen beispielsweise eine Gegenüberstellung von Herz-, Skelett- und glatter Muskulatur anhand von deren Merkmalen (wie u.a. deren Länge, Dicke, Anordnung der für die An- und Entspannung der Muskeln zuständigen kontraktilen Filamente, d.h. Proteinfäden) und ein Vergleich von verschiedenen Typen von Muskelfasern. Zudem werden Verweise auf andere Kapitel gegeben, die in Zusammenhang mit dem gerade Gelesenen stehen (z.B. vom Abschnitt zur "Feinstruktur des Skelettmuskels" auf die motorische Einheit für Kraft und Steuerung).
    Teilweise hätte ich mir jedoch mehr Verlinkungen gewünscht. So hätte ich etwa bei der Einführung der Mitochondrien eine Erwähnung des später folgenden Kapitels, das sich in detaillierter Weise den Mitochondrien als Energielieferant des Muskels widmet, als nützlich angesehen. An mancher Stelle haben mir Abbildungen gefehlt. Beispielsweise hätte ich bei der Ausführung, dass die Herzmuskulatur auch quer gestreifte Muskulatur genannt wird, da in einer Betrachtung mit Fokus auf die Gewebeart auf mikroskopischer Ebene helle und dunkle Bahnen als Streifen sichtbar werden, gern eine Aufnahme derselben zur Veranschaulichung vor Augen gehabt anstelle der nur in Fließtext erfolgenden Beschreibung.

    Angesprochen hat mich, dass Ingo Froböse in “Muskeln – die Gesundmacher” theoretisches Hintergrundwissen nicht nur in oberflächlicher Form vermittelt, sondern stattdessen in die Tiefe geht. Dabei verliert der Autor nie den Schwerpunkt seines Sachbuchs aus dem Blick und bindet bereits in seinen einleitenden, sich mit der Physiologie und Anatomie von Muskeln auseinandersetzen Kapiteln Informationen zum Problemfall der glatten Muskulatur, zu verklebten Faszien als Schmerzursache sowie zur Veränderung der Muskelfasertypen durch Training mit ein.
    In diesem Kontext steht der von Ingo Froböse verfolgte wissenschaftliche Ansatz, den ich als passend für die Materie empfunden habe. Denn wenn der Autor auf den positiven Effekt eingeht, den Training auf die Muskulatur sowie die allgemeine Gesundheit haben kann, werden verschiedene Studien zitiert. Dazu zählen die Veröffentlichung von Prof. Henneman aus dem Jahr 1957, die die Zusammenarbeit der Neuronen in den motorischen Einheiten, der motorischen Einheiten untereinander und miteinander in der Skelettmuskulatur erläutert, aber auch aktuellere Studien zum Muskeltraining bei Frauen von Prof. Petra Platen von der Universität Bochum aus 2009 bzw. zu Menschen mit spastischen Störungen, die in der Rehabilitation nachhaltig von Stretching profitieren können, von Doktor Zhihao Zhou von der Universität Peking aus 2016. Abgerundet wird dies von einem detaillierten Literaturverzeichnis, das sich im Anhang findet.

    Zudem widmet sich Ingo Froböse Themen wie dem Muskeltraining bei Frauen oder im Alter, die sonst eher am Rande behandelt werden. Insgesamt deckt “Muskeln – die Gesundmacher” eine große Bandbreite unterschiedlicher Themen ab. Diese umfassen u.a. die “Muskelkraft und Muskelmasse im Altersverlauf”, Sarkopenie als krankhaften Muskelverlust im Alter, dem sich mit einem geeigneten Training entgegenwirken lässt, sowie für mich unerwartete Kapitel zur Verbindung von Muskeln und Gefühlen bzw. von Muskeln und Gehirn. Denn gezielte Muskelentspannung kann Abhilfe bei Stress, Angst oder durch Anspannung ausgelöstem Zähneknirschen verschaffen und körperliche Aktivität beeinflusst kognitive Funktionen.
    Ein Schwerpunkt liegt im weiteren Verlauf dieses Sachbuchs auf den Myokinen als Heilstoffen der Muskulatur. Indem Myokine, die von der Muskulatur produzierte Botenstoffen darstellen, das Immunsystem unterstützen, Entzündungen bekämpfen, den Stoffwechsel aktivieren oder das Erinnerungsvermögen optimieren, sind Muskeln viel mehr als nur für Bewegungen zuständig. Überrascht hat mich zu erfahren, dass die Forschung zu den Myokinen noch in den Kinderschuhen steckt. Von den vermuteten ca. 3.000 Myokinen sind derzeit erst 600 bekannt.
    Interessant fand ich auch zu lesen, welch vielfältigen Schutz Muskeln für unsere Gesundheit bedeuten, weil entsprechendes Training ganz unterschiedlichen Krankheitsbilder lindern kann. Dazu zählen etwa Herz-Kreislauferkrankungen, Adipositas, Diabetes, Rückenbeschwerden oder Arthrose. Nach der ganzen Theorie hat mir dann aber ein praktischer Teil gefehlt, in dem für die beschriebenen Krankheitsbilder wie insbesondere die Rückenschmerzen konkrete Übungen vorgestellt und mittels geeigneter Abbildungen bzw. via QR-Code verlinkter Videos illustriert worden wären. Da hätte das Wort zum Schluss, dass "Muskeln regelmäßiges Training brauchen”, eine andere Wirkung erzielen können, wenn ich das gleich anhand von konkreten Übungen in die Tat hätte umsetzen können.
    City of Dreams Don Winslow
    City of Dreams (Buch)
    24.05.2023

    Nicht ganz so gelungene, da wenig eigenständige Fortsetzung um den Gangster Danny Ryan

    Danny Ryan will möglichst viel Abstand zwischen sich und Providence in Rhode Island bringen, weil er auf der Flucht ist, nachdem er den korrupten Agenten Jardin erschossen hat und zehn Kilo H, die im Verkauf auf der Straße Millionen eingebracht hätten, im Meer entsorgt hat. Begleitet wird Danny von seinem Vater Marty und Sohn Ian sowie dem kläglichen Rest der einst so stolzen irischen Mafia seiner Heimatstadt, der aus seiner Crew besteht. Auf den Fersen sind Danny die FBI-Agentin Moneta, die auf Rache sinnt, da Jardin ihr Geliebter gewesen ist, und dem seine Schulden über den Kopf wachsenden Peter Moretti, der als Kopf der italienischen Mafia zwar den Krieg gewonnen hat, nun aber in seinen Geldsorgen ertrinkt. Obwohl Danny über keinen Notgroschen verfügt, ihm kein sicherer Fluchthafen bekannt ist und er zu viele Feinde hat, die mit allen Mitteln nach ihm suchen, gedenkt er das seiner Frau Terri auf ihrem Totenbett gegebene Versprechen, ihren Sohn zu beschützen, zu halten. Komme, was da wolle.

    “City of Dreams” ist nach “City on Fire” der zweite Teil einer Trilogie von Don Winslow, der genau in dem Punkt beginnt, an dem der Vorgänger geendet hat. Obwohl der Autor am Anfang in zusammengefasster Form zentrale Ereignisse des ersten Bandes wiedergegeben hat, ist mir die Orientierung in diesem Roman zunächst schwer gefallen, indem ich nur mühsam den Überblick behalten konnte. Das lag wohl primär im recht umfangreichen Figurenarsenal begründet, mit dem “City on Fire” ausgestattet ist. In dieser Hinsicht hätte ich ein vorangestelltes Personenverzeichnis als hilfreich empfunden.
    Der in der irischen Mafia groß gewordene Danny, der noch unter dem Verlust seiner Frau Terri leidet, die ihrer Krebs-Erkrankung erlegen ist, hat sich in “City of Dreams” über weite Strecken anderen Herausforderungen zu widmen, wenn er sich an die für ihn ungewohnte Rolle als Vater zu gewöhnen hat. Denn seine Verantwortung besteht nun darin, für den kleinen Ian, der bereits seine Mutter verloren hat, da zu sein. Zudem hat er sich um seinen Vater Marty zu kümmern, weil der immer häufiger Aussetzer hat, so dass dessen Diagnose Demenz wenig überraschend kommt. Auch muss Danny seine Gang unter Kontrolle behalten, um keine unnötige Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, was die Sicherheit seiner Familie gefährden würde. Sorgen bereiten Danny die jungen "Messdiener" Kevin Coombs und Sean South, die im guten wie im schlechten Sinn verrückt sind, indem er auf die Loyalität seines besten Freundes Jimmy Mac Neese, der ein ausgezeichneter Fluchtwagenfahrer ist, und von Ned Egan, dem Leibwächter seines Vaters, zählen kann.

    Nach dem Prolog, der zeitlich deutlich später als der Beginn dieses Romans angesiedelt ist und der wegen seines offen gehaltenen Ausgangs, der die Danny von Seiten neu gewonnener Feinde drohenden Schwierigkeiten anreißt, spannend geraten ist, setzt die eigentliche Handlung ein. Die erst so steil angezogene Spannungskurve tendiert dann gegen Null, wenn Don Winslow bis zum Finale des ersten Teils so gut wie keine Szene einbaut, die das Adrenalin nach oben treiben würde. Denn der Autor stellt in den Mittelpunkt seines Buchs, wie Danny seinem Sohn ein richtiger Vater wird, da er seine Zeit damit verbringt, mit ihm auf den Spielplatz zu gehen, ihn dort rutschen zu lassen oder mit ihm im Pool zu planschen. Dabei hat die in “City of Dreams” erzählte Geschichte durchaus ihre interessanten Komponenten, die aber weniger bei Danny liegen und deren Intensität eher in den darin geschilderten Dramen als in Überfällen, Schießereien, Verfolgungsjagden und Mordanschlägen, die “City on Fire” in seiner Beschreibung des zwischen irischer und italienischer Mafia tobenden Kriegs geprägt haben, begründet liegt.
    Hierzu hätte Don Winslow den Fokus seines Romans auf diejenigen seiner Figuren richten sollen, in deren Leben die Tragik die Oberhand gewinnt. Dafür hätten sich etwa die Demenz Erkrankung von Dannys Vater Marty und mehr noch die an ihrem Unglück zerbrechende Familie von Peter Moretti angeboten, zu der seine Frau Celia und deren drei Kinder gehören. Über die Probleme von deren jüngster Tochter, die sich immer weiter zuspitzen, verzweifelt ihre Mutter und weiß sich nicht anders zu helfen, als sie in eine luxuriöse Privatklinik einweisen zu lassen. Ihr Vater bemüht sich zwar, seiner Tochter die Aufmerksamkeit zu schenken, die sie so dringend braucht, scheitert aber daran, weil er von seinen Geldsorgen abgelenkt ist, die auch die Finanzierung eines Aufenthalts in einer derart teuren Klinik verhindern. Statt in unnötiger Weise an der Vorlage der Aeneis festzuhalten und sich auf seinen Protagonisten Danny zu konzentrieren, hätte der Autor der Tragödie um die Familie Moretti nur mehr Raum geben müssen, damit das darin beinhaltete Drama seine Wucht entfalten kann.

    Zudem rückt Don Winslow einen Handlungsstrang, der um die Filmstudios in Hollywood kreist, in den Mittelpunkt seines Romans. Die darüber eingeführte Meta-Ebene, die im Thema des dort gedrehten Films begründet liegt, ist zwar die Grundlage für einige humorvolle Szenen, die die Absurdität der Situation zur Schau stellen. Dadurch wird jedoch der eigentlich diese Trilogie bestimmende Grundton verfehlt, der in "City on Fire" vorgegeben wurde und zu einem Mafia-Epos passt. Abgesehen davon hebt sich "City on Dreams" kaum von seinem Vorgänger ab, wenn dieser Roman zu wenig Eigenständiges beizutragen hat und so eher die Geschichte des ersten Bandes wiederholt wird. Stärker wäre "City on Dreams" ausgefallen, wenn das Buch mehr Nebenfiguren wie der Chicagoer Mafia, die eine Zweigstelle in L.A. eröffnet hat und nun ihre Fühler nach Vegas ausstreckt, oder dem Drogenbaron Popeye Abbarca, der im Prolog als einäugiger Zyklop Eindruck hinterlassen hat, gefolgt wäre statt derart detailliert zu beschreiben, wie Danny die Füße still halten muss, um unsichtbar zu bleiben und nur noch legalen Tätigkeiten nachgehen darf.
    Meinem Empfinden nach hat sich Don Winslow anders als in "City on Fire" und der gelungenen Integration eines Zyklopen in die Handlung allzu sehr an der Vorlage der Aeneis sowie weiterer Sagen, die den trojanischen Krieg und daraus resultierende Ereignisse auf Seiten der Griechen behandeln, orientiert. Dadurch steht etwa der Ausgang der Romanze, die sich zwischen Danny und einer Hollywood-Schauspielerin entspinnt, die er während der Dreharbeiten zum Film kennengelernt hat, bereits fest. Besonders deutlich tritt diese Schwäche aber im Drama um die Familie Moretti zutage. Dabei erzählt der Autor die entsprechende griechische Sage nach, ohne jedoch die Wucht der darin beinhalteten Tragödie heraufbeschwören zu können. So ist für mich, weil ich das Original kannte, früh klar gewesen, welchen Verlauf die Geschichte der Familie Moretti nehmen und welche Todesfälle das nach sich ziehen wird. Damit ist der drastische Überraschungseffekt, den Don Winslow wohl durch die Art, in der er dieses Drama wiedergegeben hat, das derart plötzlich seinen Kulminationspunkt erreicht hat, erzielen wollte, bei mir verpufft.
    Wenn Worte töten Anthony Horowitz
    Wenn Worte töten (Buch)
    07.05.2023

    Ruhig erzählter, durchdacht konstruierter, wenig spannender dritter Fall für Hawthorne und Horowitz

    “Wenn Worte töten” ist nach “Ein perfider Plan” und “Mord in Highgate” bereits der dritte Fall für den ehemaligen Scotland Yard-Mitarbeiter Daniel Hawthorne und seinen Biografen Anthony Horowitz. Dieser führt die beiden zum erstmals stattfindenden Literaturfestival auf die Kanalinsel Alderney. Dort sollen Hawthorne und Horowitz Werbung für ihr neues Buch, das zwar noch nicht erschienen ist, machen, um die Zahl der Vorbestellungen anzukurbeln. Bereits vor deren Abflug verhalten sich einige der anderen am Festival teilnehmenden Autoren wie etwa die französische Performance-Dichterin Maissa Lamar verdächtig. Vor Ort eskalieren die schwelenden Konflikte zwischen Fernsehkoch Marc Bellamy und dem unsympathischen Sponsor des Festivals Charles Le Mesurier, die sich von früher kennen. Le Mesurier, der seinen Wohlstand dem Betreiben eines Online-Kasinos verdankt, führt sich eher so auf als würde ihm das Festival gehören. Auch die Einwohner von Alderney stehen angesichts der geplanten Hochspannungsleitung, die über die Insel verlaufen soll, unter Strom. Das Zentrum der Aufmerksamkeit bildet Colin Matheson als Kopf des Entscheidungsgremiums, dessen Frau Judith das Festival organisiert. Und dann geschieht ein Mord.

    Indem ich die beiden vorigen Bände der Reihe nicht kannte, ist mir der Einstieg in diesen Krimi durch dessen erstes Kapitel erleichtert worden. Darin wird ein beim Verlag angesetztes Meeting beschrieben, da Hawthorne dem Verlag vorgestellt werden soll. Das erweist sich als clevere Idee des Autoren, weil er dabei nebenher seine Hauptfiguren einführen, die Dynamik von deren Beziehung näher beleuchten und auf wesentliche Ereignisse aus den bisherigen Büchern Bezug nehmen kann.
    Hawthorne ist lange Zeit als Polizist für Scotland Yard tätig gewesen, bevor er Privatdetektiv geworden ist und nun als Berater bei der Aufklärung schwieriger Verbrechen unterstützt. Anthony begleitet ihn bei seiner Arbeit, um darüber Romane zu schreiben. So ergibt sich eine moderne Version der klassischen Holmes-Watson Konstellation. Dieser Eindruck wird durch die eigenwilligen Gewohnheiten, die Hawthorne bei der Nahrungsaufnahme pflegt, seinen meist distanzierten Umgang mit anderen, obgleich er auch sehr charismatisch sein kann, wenn er denn will, und seine außergewöhnlichen Fähigkeiten zur Deduktion, die er nach seinem ersten Treffen mit Mitarbeitern des Verlags zur Schau stellt, über deren Probleme er eine ganze Reihe von Erkenntnissen gewonnen hat, verstärkt.
    Dass Horowitz sich dafür nicht zu schade ist, sich auf die Rolle eines Watson-artigen Sidekicks zu beschränken, dem der echte Mehrwert fehlt, da er Schriftsteller und nicht Arzt ist, ist ein sympathischer Zug. So ist ihm Hawthorne nicht nur bei der Lösung ihrer Fälle in jeder Hinsicht überlegen, sondern kommt sogar besser auf dem Literaturfestival an, das an sich das Metier von Horowitz sein sollte. In der Art, wie der Autor sich selbst in sein Buch hineingeschrieben hat, hat er eine ungewöhnliche Meta-Ebene gefunden, die in ihrer Unterscheidung von Realität und Fiktion etwa in Hawthornes Abgrenzung von anderen aus Fernsehserien bekannten Ermittlern und seiner Auseinandersetzung mit Kriminalromanen konsequent durchgezogen wird. Zudem nutzt der Autor die Gelegenheit während des im Verlag angesetzten Meetings oder Besuchs eines Literaturfestivals interessante Kommentare, die wohl eher kleine Seitenhiebe darstellen, zum Verlagswesen im Speziellen und Literaturbetrieb im Allgemeinen mit einfließen zu lassen. Abgerundet wird die Einleitung von einer dem Roman vorangestellten Karte von Alderney und einem recht detailliert ausgefallenen Personenverzeichnis auf Seite 29 ff., das kurze Lebensläufe der am Literaturfestival teilnehmenden Schriftsteller enthält.

    Obgleich sich einige der eingeführten Figuren schon zuvor verdächtig verhalten haben, dauert es recht lang, bis die eigentliche Krimi-Handlung in die Gänge kommt. Als der angekündigte Mord geschieht, der unerwartet brutal ausfällt, ist bereits ein Drittel des Buchs verstrichen. Aber auch danach wollte bei mir trotz des clever konstruierten, gut durchdachten Plots, der mich zum Mitraten animiert hat, nicht so recht Spannung aufkommen. Quasi jede der beteiligten Personen hat Geheimnisse zu verbergen, die erst nach und nach aufgedeckt werden. Gekonnt umgesetzt sind die Hinweise darauf, die vom Autor eingestreut werden. Da lag es dann an mir als Leser die verschiedenen Spuren passend zueinander zu sortieren und der relevanten Figur zuzuordnen. Dabei sind nur bedauerlicherweise an mindestens zwei Stellen Hinweise durch die Übersetzung vom Englischen ins Deutsche verloren gegangen. Diese liegen im sprachlichen Umgang oder in Wortspielen, die sich in der Form nicht in der deutschen Ausgabe wiederfinden, begründet. Beispielsweise hätte ich als passender empfunden, wenn der Spitzname, den Fernsehkoch Marc Bellamy in Internatszeiten erhalten hat, Teesieb anstelle von Tea Leaf lauten würde.
    Dieser Roman sucht Spannung weniger durch actiongeladene Szenen wie Verfolgungsjagden oder einen klassischen Showdown, die Anthony Horowitz in seiner Alex Rider-Reihe bestens beherrscht, sondern vielmehr durch die Intensität, die in verschiedenen emotionalen Traumata steckt, zu erzeugen. Dabei will der Autor jedoch zu viel auf einmal, indem jede der auftretenden Figuren ihre Last zu tragen hat, die von Hawthorne enthüllt werden muss, um zu beurteilen, ob diese das Motiv für den Mord gewesen ist. An dieser Stelle wäre weniger mehr gewesen, wenn etwa auf den um eine Undercover-Operation kreisenden Handlungsstrang verzichtet worden wäre. Denn so ist dieser Krimi in seinem letzten Drittel eher zum pflichtschuldigen Abspulen von einer Szene nach der nächsten geraten, die lediglich der schlüssigen Auflösung der zuvor eingestreuten Hinweise dient. Das Drama, das in der Tragik des Lebens nicht nur des Mörders, sondern auch von Zeugen und anderen Beteiligten liegt und diese zu ihren Lügen, Betrügereien und weit schlimmeren Taten getrieben hat, ist für mich nicht greifbar geworden. Dafür hätte diesen Figuren mehr Zeit und Raum gegeben werden müssen. Zudem hätte ich mir gewünscht, dass der Autor den Mut besessen hätte, den in seinem Krimi vorherrschenden Ton insgesamt düsterer ausfallen zu lassen, um die darin eine Rolle spielenden menschlichen Abgründe besser ausloten zu können.
    Going Zero Anthony McCarten
    Going Zero (Buch)
    27.04.2023

    Abwechslungsreich erzählte, intensive Menschenjagd mit überraschenden Wendungen

    Katelyn Day arbeitet als Bibliothekarin in Boston. Ihr routinierter Alltag wird durchbrochen, als sie die einmalige Chance erhält am Going Zero-Betatest der Fusion-Initiative teilzunehmen, worüber sie nach dem durchlaufenen Bewerbungsprozess ein Schreiben des Department of Homeland Security informiert. Insgesamt hat dieser Betatest nur zehn Teilnehmer. Jeder dieser zehn Ausgewählten wird zum Verfolgten in einer maximal dreißig Tage andauernden Menschenjagd und muss sich in dieser Zeit vor den nahezu unbeschränkten technischen Möglichkeiten zur Überwachung, die dem Unternehmen Fusion unter Leitung seines genialen Chefs Cy Baxter zur Verfügung stehen, verstecken. Jeder Teilnehmer, dem das gelingen sollte, erhält dafür ein Preisgeld in Höhe von 3 Millionen Dollar. Und so beginnt die Jagd.

    Mich erinnert die Handlung von Going Zero ein wenig an den Action-Film Klassiker Running Man mit Arnold Schwarzenegger bzw. an die Serie Most Dangerous Game mit Christoph Waltz, die allerdings von Anthony McCarten in seinem Roman in konsequenter Weise, was die technischen Möglichkeiten des heutigen Überwachungsstaats betrifft, modernisiert werden.
    Dabei gibt es in Going Zero nicht nur einen Teilnehmer, der dreißig Tage lang untertauchen und unsichtbar werden muss, sondern gleich eine ganze Gruppe. Diese besteht zur Hälfte aus ganz gewöhnlichen Menschen. Die andere Hälfte wird von Profis womit größtenteils IT-Sicherheitsexperten gemeint sind. Letztere verfügen über besonderes Wissen bzw. einzigartige Möglichkeiten in Gestalt von eigens dafür entwickelter Software, um sich der Überwachung durch moderne Technik zu entziehen. Diese umfasst nicht nur die Nutzung von Handys, Suchmaschinen und sozialen Netzwerken, woran man zuerst denken mag. Stattdessen entwirft Anthony McCarten ein erschreckendes Szenario, indem die Paranoiden nicht die Verrückten, sondern die Realisten sind.

    Fusion-Chef und Leiter des Betatests Cy Baxter wird von Anthony McCarten nicht als profitgieriger IT-Mogul eingeführt, der nur nach einem gewaltigen Regierungsauftrag strebt, sondern als sich selbst optimierender, seine Stimmungsschwankungen mit Yoga kontrollierender Visionär. Cy ist geprägt durch ein in der Vergangenheit begangenes schreckliches Verbrechen und sucht das dabei erlittene Trauma dadurch zu verarbeiten, dass er die Wiederholung einer solchen Tragödie um jeden Preis verhindern will, indem er die Welt sicherer machen wird. So ist der Autor bemüht seine Figuren nicht in gut und böse unterteilt anzulegen. Dennoch sind die Sympathien von Anfang an klar verteilt. Sie gehören der Gruppe der Normalen, die am Going Zero Betatest teilnehmen. Das gilt für die psychisch ein wenig instabile, manchmal ziemlich eigenartige Katelyn, die als Bibliothekarin unterschätzt wird, aber auch für Rose Yeo, die alleinerziehende Mutter von zwei Kindern ist, und für den ältesten Teilnehmer im Feld, den Veteranen Ray Johnson, der komplett analog lebt und dessen bescheidene Ansprüche wie realistische Einschätzung seiner Chancen mir gefallen haben. Diesen Underdogs habe ich in diesem ungleichen David-gegen-Goliath-Wettstreit von Beginn an die Daumen gedrückt.
    Der Roman ist von Anthony McCarten so angelegt, dass durch seinen Aufbau die Spannung von Anfang an hochgetrieben wird. Da dauert es nur wenige Seiten, bis der Going Zero-Betatest und damit die Jagd auf dessen zehn Teilnehmer startet. Zudem wechselt der Autor von Kapitel zu Kapitel die Sichtweise zwischen Verfolger und Verfolgten. Dabei beweist er besonderes Geschick darin stets aus der Perspektive zu berichten, die die Ereignisse besonders überraschend werden lässt. Als Katelyn etwa die Fusion-Zentrale mit ihrem ersten Schachzug überlistet, wird das zwar zuvor aus ihrer Perspektive angedeutet, dann aber ausschließlich aus Sicht der Fusion-Zentrale erzählt, die von Katelyns Aktionen überrumpelt werden und ihre Niederlage gar nicht fassen können.

    Im weiteren Verlauf dieses Romans sorgt der kontinuierliche Wechsel der Perspektiven zwischen Fusion-Zentrale und Betatest-Teilnehmer für eine abwechslungsreiche Erzählweise. So wird die Spannungskurve vom Autor hochgehalten. Dazu trägt auch bei, dass die meisten der zehn Teilnehmer gleich bei deren ersten oder spätestens dem zweiten Auftreten von der Fusion-Zentrale entdeckt und den auf ihren Kommandos hin agierenden Zugriffsteams gestellt werden.
    Die Kehrseite der Medaille des hohen Spannungslevels ist, dass viele der an sich interessant angelegten Nebenfiguren wenig in Erinnerung bleiben, da Anthony McCarten diesen kaum Raum gibt. Dabei verschenkt der Autor viel Potenzial, was besonders schade bei den als Sympathieträger angelegten Figuren von Rose Yeo und Ray Johnson ist. Ich hätte aber auch gern mehr über Maria Chan, die als ehemalige Studentenaktivistin aus Hongkong im Asyl in den USA lebt, oder die früher so engagierte Polizistin Catherine Sawyers erfahren. Denn Anthony McCarten hat es geschafft, eine wirklich bunt gemischte Gruppe von zehn im Betatest Gejagten zusammenzustellen, aus der er nur leider zu wenig herausholt. Da hätte mir besser gefallen, wenn der Autor sich bis zum Start des Tests mehr Zeit gelassen hätte, indem er seine Nebenfiguren ausführlicher vorgestellt und mir die Möglichkeit gegeben hätte, diese besser kennenzulernen.

    Dieser Wunsch wird dadurch verstärkt, dass die Figuren der Fusion-Zentrale und allen voran deren Chef Cy Baxter erstaunlich blass geblieben sind. Beim arbeitssüchtigen, von seinen Wutausbrüchen getriebenen Silicon-Valley-Milliardär Cy, der sein Unternehmen Worldshare, die Muttergesellschaft von Fusion, einst als begabter Programmierer aufgebaut hat, hätte ich eine schillernde, charismatische Figur erwartet. Doch nach seiner Vorstellung wirkte er auf mich konturlos und hinterließ kaum Eindruck. Auch die in diesen Kapiteln geführten Diskussionen, die um Datenschutz und den Überwachungsstaat kreisten, kratzten leider nur an der Oberfläche. Da hätte mir eine tiefergehende Auseinandersetzung mit diesen Themen besser gefallen. Und an Cys zwar überraschender Entwicklung im weiteren Verlauf des Romans hat mich gestört, dass diese für mich wenig nachvollziehbar gewesen ist, da die nicht zur vorigen Charakterisierung Cys passen wollte.
    Die Figur von Cy leidet zudem darunter, dass ich den genialen IT-Mogul zuletzt etwa bei Jennifer Egan in Gestalt von Bix Bouton, dem Gründer eines sozialen Netzwerks, schon weit eindrucksvoller erlebt habe. Insgesamt hatte ich das Gefühl, dass sich Anthony McCarten mit der Charakterisierung von Cy ein wenig schwer getan hat. So hätte mir der Roman besser gefallen, wenn der Autor sich weniger auf Cy konzentriert hätte und stattdessen mehr von den zehn Teilnehmern am Betatest erzählt hätte.

    Die zentralen Wendungen in diesem Roman konnten mich überraschen, auch wenn sie zuvor angedeutet wurden. Dabei sind diese derart durchdacht, dass sie höchstens in unbedeutenden Details nicht absolut konsistent sind, obwohl sie alles zuvor Erzählte auf den Kopf stellen. Zudem hat Anthony McCarten ein starkes Ende für seinen Roman gefunden, das bei mir wohl noch länger nachwirken wird und von einem passenden, zeitlich in der Zukunft angesiedelten Epilog abgerundet wird.
    30 Tage Dunkelheit Jenny Lund Madsen
    30 Tage Dunkelheit (Buch)
    16.04.2023

    Ruhig erzählter Krimi mit ungewöhnlicher Meta-Ebene und wenig passendem Humor in der Finsternis Islands

    Hannah Krause-Bendix ist als literarische Autorin mehrfach für den Literaturpreis des Nordischen Rates nominiert worden, hat aber unter ihrer äußerst überschaubaren Leserschaft zu leiden. Um ihrem Lektor Bastian, der dennoch treu zu ihr steht, einen Gefallen zu tun, rafft sie sich zu einer Signierstunde auf der Buchmesse auf. Dort trifft sie nach einer Verkettung unglücklicher Umstände auf ihren Erzfeind Jorn Jensen, der in Hannahs Augen der schlechteste Krimi-Autor der Welt ist. Da dessen Bücher sich allerdings hervorragend verkaufen, eskaliert der Konflikt zwischen Hannah und Jorn vor einer immer größer werdenden Menge an Zuschauern und mündet in der Ansage, dass Hannah in nur einem Monat einen Krimi schreiben wird, der besser ist als alle von Jorns bisherigen Werken.

    Mit Hannah hat Jenny Lund Madsen eine alles andere als sympathische Protagonistin für ihren Roman ersonnen, die dafür aber umso interessanter ist. Die neurotische Hannah, die Menschenmengen vermeidet, da sie unter Platzangst leidet, raucht wie ein Schlot, ist auf dem besten Weg zur Alkoholikerin und hat schon lange nichts mehr veröffentlicht. Die Problematik wird durch ihre fortwährende Schreibblockade verschärft. Auch nimmt sie kein Blatt vor den Mund und so trifft ihre scharfe Zunge jeden gleichermaßen. Zu ihren Opfern werden neben Krimi-Autor Jorn eine Lehrerin, die mit ihrer Klasse die Buchmesse besucht, und Praktikantin Claudia, die an Hannahs Stand aushelfen soll.
    Gerade bei ihrer isländischen Gastgeberin Ella, mit der sie sich nur schriftlich verständigen kann, da Hannah kein isländisch und Ella weder dänisch noch englisch spricht, beginnt sie jedoch allmählich über ihre auf Notizzettel gekritzelten Unterhaltungen eine andere Seite von sich zu zeigen. Bei Ella hat Hannahs Lektor Bastian sie einquartiert, damit sie dort den Krimi schreiben kann, von dem er in Gedanken bereits hunderttausend Stück verkauft hat. Im kleinen isländischen Dorf Husafjördur soll Hannah die Abgeschiedenheit und Ruhe finden, die sie hoffentlich zum Schreiben inspirieren wird, indem sie ihre Schreibblockade überwindet.

    Damit hat Jenny Lund Madsen neben einer interessanten Hauptfigur auch eine ungewöhnliche Ausgangssituation für ihren Krimi gefunden. Im weiteren Verlauf erzählt die Autorin ihre eher eigenwillige Geschichte in einem ganz eigenen Tempo, so dass es etwa recht lange dauert, bis die eigentliche Handlung, die um den Mordfall kreist, in die Gänge kommt. Denn zuvor muss Hannah erst auf Konfrontationskurs mit Krimi-Schreiberling Jorn gehen, was sie überhaupt in Bredouille bringt, einen Krimi abliefern zu müssen und am Schauplatz des zukünftigen Verbrechens einzutreffen.
    Zudem ist die Meta-Ebene zu etablieren, bei der eine an einem Kriminalroman arbeitende Schriftstellerin auf einen tatsächlichen Mordfall trifft. Nach Hannahs Ankunft in Husafjördur stirbt Thor, der innig geliebte Neffe von Ella, unter rätselhaften Umständen, die zunächst als Unfall deklariert werden. Dabei ist von Jenny Lund Madsen gut umgesetzt worden, wie sich Hannah die Inspiration für ihren Krimi aus der Realität zusammenklaut, indem sie die Recherchen, die sie im Todesfall von Thor anstellt, in ihren Krimi mit einfließen lässt. Ab und an diktiert aber auch Hannahs aktuelle Stimmungslage, was sie schreibt, wenn sie sich etwa den Rachegelüsten an ihrer Nemesis Jorn hingibt, um die sich in einem fast schon kathartischen Befreiungsschlag von der Seele zu schreiben. Das gibt dem Roman eine ganz eigene Note.

    Im Verlauf des Romans zeigt sich die Meta-Ebene in Gestalt der verstärkten Integration von Jorn in dessen Handlung. In dieser Form funktioniert die eingangs starke Meta-Ebene jedoch weit weniger gut. Das geht dann Hand in Hand mit der Entwicklung, die Hannah in diesem Krimi durchläuft. So dauert das gar nicht lange, bis die in ihrem Zynismus überzeugende Hannah eher weich wie Butter ist und die in ihrer Mordermittlung durch ihre neu gewonnene Naivität behindert wird, wenn sie keinem der Dorfbewohner einen Mord zutraut. Diese Veränderung von Hannahs grundlegenden Charakterzügen erfolgte derart rasch, dass sie mir unglaubwürdig erschien. Lediglich ihre Neurosen durfte sie behalten, weil diese als Ausgangspunkt für humorvoll angelegte Szenen dienten.
    Der allzu oft recht primitive Humor hat meinen Geschmack etwa beim von Ella zubereiteten Willkommensfrühstück, in dem ein Fischbällchen eine Hauptrolle spielt, nicht getroffen. Teils habe ich Episoden, die herausgestellt haben, wie ungeschickt Hannah als Hobby-Detektivin mit Restalkohol im Blut vorgegangen ist, als unpassend empfunden. Denn diese sind beispielsweise beim ersten Versuch der Befragung von Thors Freund Jonni eher in Klamauk ausgeartet. Das ist kein Vergleich zum Beginn, bei dem der Schlagabtausch von Hannah und Jorn auf der Buchmesse, in dem Hannah ihrem angestauten Frust Ausdruck verliehen hat, noch großes Kino gewesen ist.
    "30 Tage Dunkelheit" wäre weit intensiver geraten, wenn der Name dieses Krimis mehr Programm gewesen wäre. Das meine ich weniger im wortwörtlichen Sinn, der von Jenny Lund Madsen als Untermalung der düsteren Stimmung gut umgesetzt wurde. Denn Hannah besucht Island zu einer Zeit, in der die Tage extrem kurz und damit in lang währende Finsternis getaucht sind. Im übertragenen Sinn zeigen sich aber Schwächen. Da hätte ich mir gewünscht, dass die Drama-Teile dieses Krimis statt der humorvollen Szenen, der an der Figur von Jorn aufgehangenen Meta-Ebene und der Romanze hervorgehoben worden wären. Das hätte für mich eine Konzentration auf die Beziehung von Hannahs Gastgeberin Ella zu ihrer Schwester Vigdis und deren Mann Aegir bedeutet. Gelungen sind zwar die konfrontativen Begegnungen von Hannah und Aegir auf der einen sowie von Ella und Aegir auf der anderen Seite ausgefallen. Dabei hat die Autorin jedoch gerade Vigdis zu wenig Raum gegeben, so dass diese ebenfalls essentielle Figur in ihrer Reduktion auf die Rolle der lieben Schwester blass geblieben ist. Das hat der Tragik, die in den lang begrabenen Familiengeheimnissen liegt, einen Teil ihrer Wirkung genommen. Womöglich hätte sich sogar angeboten, mehr Zeit bis zum ersten Mord verstreichen zu lassen, damit Hannah Ellas Familie vor dem Unglück näher kennen lernen kann.
    Abschied auf Italienisch Andrea Bonetto
    Abschied auf Italienisch (Buch)
    09.04.2023

    Mehr antike Tragödie als in Ligurien angesiedelter Cosy Crime

    Commissario Vito Grassi hat von seinem Vater nach dessen Tod ein Haus in Levanto geerbt, das in den letzten Jahren von dessen Leben zu seinem Projekt geworden ist. Aus einer Laune heraus lässt er sich von Rom nach Ligurien versetzen. Dabei stößt Grassi aber schon bei seiner Ankunft auf unerwartete Probleme in Gestalt von seiner neuen Mitbewohnerin Toni, die zusammen mit seinem Vater das Haus auf dessen Grundstück erbaut und einen kleinen Olivenhain angelegt hat, auf Polizisten aber gar nicht gut zu sprechen ist. An deren Verschlossenheit beißt Grassi sich die Zähne aus, muss sich jedoch mit ihr arrangieren, weil sie für ihn die letzte Verbindung zu seinem verstorbenen Vater ist. An seinem ersten Arbeitstag führt ihn sein Weg zur Carabinieri-Station in La Spezia an einem Tatort vorbei. In einem Tunnel wurde die Leiche von Luisa Amoretti, die zusammen mit ihrer Familie einen Agriturismo betrieben hat, aufgefunden. Die Polizei vor Ort geht von einem Unfall aus. Doch Grassi hat da seine Zweifel.

    "Abschied auf Italienisch" ist der erste Fall für Commissario Vito Grassi in seiner neuen Wahlheimat Ligurien. Mit Grassi hat Andrea Bonetto einen kantigen Charakter für seine Krimi-Reihe ersonnen, der als Kollege zwar wenig umgänglich ist, auf dessen auf seiner langjährigen Erfahrung basierenden Instinkt aber Verlass ist. Privat hängt er an seinem Roadster und seiner Plattensammlung, ist aber auch einem guten Cafe und Essen gegenüber nie abgeneigt. Im Fall von Luisa Amoretti ermittelt er an der Seite seiner jungen Kollegin Marta Ricci und wird von Rechtsmediziner Penza unterstützt. Dabei fällt Ricci durch ihren extravaganten Kleidungsstil auf, der von irritierend grünen Kontaktlinsen gekrönt wird, und Dottore Penza durch seine unwillkürlichen Pfeifkonzerte, die jede Situation mit der passenden Melodie unterlegen.
    Zu Beginn stehen für einen Cosy Crime typische Elemente im Vordergrund. Eine Hauptrolle spielt dabei neben der guten italienischen Küche, die sich sogar in Grassis experimentellen Kochversuchen niederschlägt, sonst aber in den frischen Speisen eines Fischrestaurants, bei köstlichen Antipasti und mehr zeigt, die malerische Schönheit des idyllischen Ligurien. Die lässt sich in der Aussicht vom Grundstück, das Grassi von seinem Vater geerbt hat, oder auf einer Fahrt mit dem Roadster entlang der Küste genießen. Da mir die Gegend von Levanto bis La Spezia zuvor nicht bekannt gewesen ist, habe ich die in der Rückseite des Einbandes enthaltene Karte von Ligurien als hilfreich empfunden.
    Humorvolle Szenen ergeben sich bei Andrea Bonetto aus den skurril angelegten Figuren, die doch sympathisch rüberkommen, sowie der Akklimatisierung des Städters Grassi an das Landleben. Letztere verläuft nicht ohne Probleme, wenn Grassi mit dem fehlenden Handynetz, der langsamen Internetverbindung und den nicht vorhandenen Lademöglichkeiten für seinen Roadster zu kämpfen hat. Zu den schrägen Figuren zählt neben Dottore Penza etwa auch Francesco, der im Dunkeln ausgestattet mit einem Nachtsichtgerät und bewaffnet mit einem nicht geladenen Jagdgewehr über Grassis Grundstück schleicht, um Toni zu beschützen.

    Da zudem das Kompetenzgerangel der verschiedenen italienischen Polizeiorganisationen im Mittelpunkt steht, dauert das eine ganze Weile, bis die Ermittlung im Fall von Luisa Amoretti in die Gänge kommt. Solange Luisas Tod als Unfall angesehen wird, ist der Capitano der Carabinieri Bruzzone für dessen Untersuchung zuständig. Erst als sich die Hinweise auf ein Verbrechen nicht von der Hand weisen lassen, übernimmt die Polizia di Stato, die durch Grassi und seine neue Chefin Questore Feltrinelli vertreten wird.
    Wenn die Ermittlung dann Fahrt aufnimmt, schaltet Andrea Bonetto von seiner eingangs ruhigen Erzählweise ein paar Gänge hoch. Dabei baut er die Handlung seines Krimis logisch auf. Dieser Schreibstil bringt jedoch den Nachteil mit sich, dass ich insbesondere aufgrund von nur wenigen, unzureichend ausgebauten falschen Fährten den größten Teil der Auflösung recht früh vermutet habe. So konnte mich "Abschied auf Italienisch" in seinem weiteren Verlauf mehr als Drama überzeugen, da die in seinem Kern beinhaltete Geschichte für mich Züge einer klassischen griechischen Tragödie aufgewiesen hat. Die Abgründe, die sich im Leben der daran beteiligten Figuren aufgetan haben, hat Andrea Bonetto glaubhaft für mich werden lassen.
    Leider ist es dem Autor nicht gelungen, die unterschiedlichen Teile seines Romans zu einem in sich stimmigen Ganzen zusammenzufügen. Denn der Krimi beginnt als ein um Lokalkolorit angereicherter Cosy Crime, um dann als intensives Drama, das seine Tragik aus der Fallhöhe seiner Figuren bezieht, zu enden. Indem ich den Schluss dieses Buchs als stärker als dessen Einstieg, der für meinen Geschmack ein wenig langatmig ausgefallen ist, empfunden habe, hätte ich mir gewünscht, dass "Abschied auf Italienisch" sich auf das Drama konzentriert und auf den Großteil seiner Cosy Crime-Elemente verzichtet hätte. Davon hätte ich nur die besondere Kulisse der malerischen Küste Liguriens beibehalten, weil diese ein ungewohnter, zumindest mir zuvor nicht bekannter Schauplatz ist, der einen interessanten Kontrast zu den dort aufgefundenen Leichen bildet. Um den düsteren Unterton, der im späteren Verlauf dieses Krimis mehr hervortritt, zu betonen, hätte sich angeboten etwa dem über dem Totenbett seiner Mutter zwischen Grassi und seinem Vater eskalierenden Konflikt und Grassis Verwicklungen in Mafia-Fälle während seiner Zeit als Polizist in Rom mehr Raum zu geben.
    Lebendige Nacht Sophia Kimmig
    Lebendige Nacht (Buch)
    04.04.2023

    Große Bandbreite abgedeckter Themen rund um das Leben in der Dunkelheit

    Dass das einleitende Zitat aus dem Kinderbuch "Licht aus, sagte der Fuchs" von Marsha Diane Arnold stammt, ist symptomatisch für die Passagen, von denen das an sich fundierte Sachbuch zur lebendigen Nacht über weite Strecken dominiert wird. Denn mit einem Schreibstil, der von poetischen Beschreibungen, Anleihen beim Märchen sowie aus der Fantasy- und Science-Fiction-Literatur geprägt ist, hat Sophia Kimmig meinen Geschmack leider nicht getroffen. Beispiele dafür sind ihre Ausführungen zu parallelen Welten und ihre Vergleiche aus der Comic-Welt.
    Auch im Prolog schildert die Autorin auf fast schon mythisch zu nennende Weise das Leben an einer Bushaltestelle in der Nacht, das sie Dunkelwelt nennt. Prinzipiell finde ich die ungewöhnliche Kombination aus lyrischen Elementen mit wissenschaftlichen Fakten interessant. Das zeigen gelungene Umsetzungen etwa in den Tropen von Raoul Schrott, für die ich mich begeistern kann. Doch Sophia Kimmig fehlt dafür das literarische Talent. Ihre Stärke ist als promovierte Biologin ihr wissenschaftlicher Hintergrund. So hätte ich den Prolog als gelungen empfunden, wenn die Autorin auf poetische Anwandlungen verzichtet hätte, um stattdessen von ihrer Doktorarbeit über Füchse oder dem Forschungsprojekt, in dessen Rahmen sie sich mit nachtaktiven Tieren auseinandersetzt, zu berichten. Zudem hätte ich als einleitendes Zitat das einer berühmten Biologin, die damit von der Autorin vorgestellt worden wäre, als passender angesehen.

    Auch im weiteren Verlauf des Buchs hätte ich mir gewünscht, dass die Stärken von Sophia Kimmig mehr zum Tragen gekommen wären. Denn die Abschnitte, in denen die Autorin ihr fundiertes Wissen zeigt, habe ich als weit überzeugender empfunden. So habe ich mir etwa im ersten Kapitel gern von ihr die lateinische Artbezeichnung, die sich aus Gattung und Art zusammensetzt, sowie die auf das Farbsehen spezialisierten Zapfen in der Netzhaut des Auges, die in zwei verschiedene Arten von Sehzellen zu unterscheiden sind, erklären lassen. Dabei sind ihre Erläuterungen, die durch exakte Quellenangaben belegt sind, verständlich formuliert.
    Auf das oft recht umfangreiche Füllmaterial, das mit der Vermittlung dieses Wissens einhergeht, hätte ich aber verzichten können. Die Überleitung von einem zum nächsten Thema besteht meist aus einer Reihe von Fragen, die mich dazu anregen sollten, mir bestimmte Szenarien vorzustellen oder mich in entsprechende Situationen hineinzuversetzen. Das ist aber bei der anschaulichen Art und Weise, auf die das darauf folgende Wissen dargelegt wird, gar nicht nötig. Dem hätte ich auch ohne die einleitenden Fragen gut folgen können. Ebenso wenig hätte ich die wiederholt auftretenden Sätze gebraucht, in denen die Autorin betont, wie spannend das Fachgebiet der Biologie ist. Das sollte doch durch den Inhalt deutlich werden.
    Statt die Themen mit solchen Sätzen zu beenden, die wohl verdeutlichen sollen, dass nun ein Exkurs abgeschlossen ist, wäre der Aufbau strukturierter ausgefallen, wenn die Autorin zur Gliederung des Fließtextes Infokästen oder Übersichten in tabellarischer Form eingebunden hätte. Ein Beispiel für eine solche Übersicht wäre die prozentuale Unterscheidung in tag- und nachtaktive Tierarten u.a. für Säugetiere, Vogelarten und Insekten. Infokästen hätten den zusätzlichen Vorteil mit sich gebracht, dass darin vermitteltes Wissen so übersichtlich aufbereitet worden wäre, dass diese sich zum späteren Nachlesen anbieten sowie zum Nachschlagen eignen würden.

    Als sinnvolle Ergänzung hätte ich angesehen, wenn Sophia Kimmig weiterführende Literatur empfohlen hätte, sofern Themen etwa außerhalb des Fokus dieses Sachbuchs liegen. Dabei hätten mich beispielsweise Informationen zu den verschiedenen von der Autorin aufgelisteten Tagfaltern (u.a. Kohlweißling, kleiner und großer Fuchs, Bläuling, Aurorafalter, Schachbrett) interessiert. Auch ein Link, der auf die Rote Liste der bedrohten Tier- und Pflanzenarten der internationalen Weltnaturschutzunion IUCN verweist, wäre hilfreich gewesen.
    Um trotz des vermittelten Wissens die Lesbarkeit in ihrem Buch zu wahren, kann ich nachvollziehen, dass Sophia Kimmig auf zu viel Fachvokabular und dessen Erläuterung verzichtet hat. An manchen Stellen hätte ich mir jedoch gewünscht, dass die Autorin, um diese Balance zu wahren, mehr mit Fußnoten gearbeitet hätte. So hätten etwa die Nachtfalter Eumorpha labruscae oder Citheronia regalis, aber auch Candela und Lumen als Einheiten zur Quantifizierung des Lichts näher erläutert werden können.
    Die Vorstellung mir unbekannter nachtaktiver Tiere wie etwa des auf Neuguinea vorkommenden Tüpfelkuskus, des neuseeländischen Kakapos, des Blattschwanzgeckos oder des Taguans ist interessant gewesen. Dabei haben mir aber Bilder gefehlt. Mit dazu passenden Fotos, die die genannten Tiere abbilden, hätte ich deren Beschreibung als weit gelungener empfunden. Denn ich möchte während der Lektüre des Buchs nicht nebenher die erwähnten Tiere googeln müssen, um ein Bild von diesen vor Augen zu haben.
    Was mir an Lebendige Nacht besonders gut gefallen hat, ist das wirklich spannende, unter Sachbüchern leider sonst so unterrepräsentierte Thema der nachtaktiven Tiere. Dabei wird das Leben in der Dunkelheit von Sophia Kimmig in einem breiten Spektrum behandelt. Die Bandbreite der nachtaktiven Tieren reicht von Tierarten, die ich erwartet habe, wie den Eulen, Fledermäusen und Waschbären, über Tiere, an die ich nicht unbedingt gedacht habe, wie die Haselmaus, den Sieben- und Gartenschläfer bis hin zu solchen, die mir zuvor nur dem Namen nach bekannt gewesen sind, wie den Bilchen und Nachtfaltern. Ergänzt wird das von weiteren Kapiteln, die rund um das Leben bei Nacht kreisen. Diese schließen etwa die Ursachen für die Nachtaktivität von Tieren, deren Ursprung in der Urzeit liegt, sowie einen faszinierenden Exkurs zu Tieren, die an Land, aber auch Unterwasser Licht ins Dunkel bringen, mit ein.
    Der weiße Fels Anna Hope
    Der weiße Fels (Buch)
    31.03.2023

    Erzählungen um einen mythischen Fels im Wandel der Zeit

    Eine namenlose Schriftstellerin reist in 2020 mit ihrer kleinen Tochter und ihrem Mann in einem Van durch Mexiko. Begleitet werden sie von einer bunt zusammengewürfelten Gruppe bestehend aus einem Mexikaner und einem siebzigjährigen Schamanen, einer Senegalesin und ihrem Kind, einem Musikproduzenten aus Schweden sowie einem Kolumbianer, einer unterwegs aufgegabelten Französin, einer Deutschen und einem Engländer. Ihr Ziel ist eine kleine Stadt am Pazifik. Dort ist der weiße Fels zu finden, der für die Wixárika eine heilige Stätte darstellt. Für die Schriftstellerin und ihren Mann ist diese Reise eine Pilgerfahrt. Denn nachdem sie sieben Jahre lang alles versucht hatten ein Kind zu bekommen, ist sie nach der Zeremonie eines Schamanen der Wixárika schwanger geworden. Und nun werden sie dafür in Gestalt von Opfern etwas zurückgeben.

    Der weiße Fels hat einen ungewöhnlichen Aufbau, der mich an mythische Geschichten wie die aus 1001 Nacht erinnert hat. Darin wird eine Geschichte begonnen, um dann mittendrin eine weitere anzufangen, um wiederum eine neue Geschichte aufzunehmen, bis auf diese Weise die vierte Erzählebene erreicht ist, um erst dann die zuletzt begonnene Geschichte zu beenden. Auf diese verschachtelte Art erzählt Anna Hope Geschichten, die um den weißen Felsen kreisen, der bei den Wixárika Tatéi Haramara heißt und den sie für den Ursprung allen Lebens halten. Dabei sind die verschiedenen Kapitel aus unterschiedlichen Perspektiven, die sich auf anderen Zeitebenen bewegen, geschildert. Zu diesen zählen neben der Sichtweise der Schriftstellerin, die in der Gegenwart angesiedelt ist, die eines berühmten Sängers Ende der 60er Jahre, eines erst zwölf Jahre alten Mädchens Anfang des 20. Jahrhunderts sowie eines Kapitänleutnants aus dem Jahr 1775.
    Davon ist die Schriftstellerin, die permanent mit ihrer Unsicherheit ringt, die schwächste Figur. Auch ihr neidvoller Blick auf die mit ihr reisende Senegalesin, der es im Gegensatz zu ihr mühelos gelingt ihre Tochter zu versorgen, die stets sauber, ruhig und zufrieden ist, lässt sie nicht gerade sympathischer wirken. Zudem scheitert sie an dem Buch, das sie eigentlich während ihrer mehrmonatigen Reise über Mexiko schreiben wollte und für das sie im Vorfeld umfangreiche Recherchen angestellt hat. Leider hat Anna Hope die Gelegenheit verpasst dieser Schriftstellerin zumindest eine interessante Vergangenheit zu geben, wenn sich diese nur an die Untreue ihres Ehemanns und an ihre eher fadenscheinige Motivation, mit der sie sich Protesten gegen den Klimawandel angeschlossen hat, erinnert.

    Die dem weißen Felsen zugrunde liegende Intention der Autorin verstehe ich so, dass sie die Figuren, aus deren Sicht sie die Ereignisse schildert und denen sie keinen Namen gibt, sondern sie nur durch ihre Rolle (die Schriftstellerin, der Sänger, das Mädchen, der Leutnant) charakterisiert, eher als Archetypen denn als Personen ansieht. Das gelingt beim Sänger und beim Mädchen gut, lässt auch beim Leutnant wenig zu wünschen übrig, obgleich sein Freund Miguel Manrique die bessere Wahl als Leutnant gewesen wäre. Denn Miguel ist die interessantere, da charismatischere Figur, dessen Gedankengänge über seine besondere Verbindung zum weißen Felsen einen tieferen Einblick in dessen einzigartige Natur hätten geben können. Im Vergleich zu den zuvor genannten Figuren bleibt die Schriftstellerin blass. Am spannendsten sind die Kapitel der Schriftstellerin, wenn sie anderen Mitgliedern ihrer Reisegruppe aus dem von ihr recherchierten Leben des Sängers und den Umständen der schwersten Reise im Leben des Mädchens erzählt. Indem sie dabei teilweise den Inhalt der später folgenden Erzählungen wiedergibt, nimmt sie diesen damit aber nur einen Teil ihrer Wirkung. Stärker wäre der weiße Fels ausgefallen, falls Anna Hope der Versuchung widerstanden hätte mit einer zeitlich in der Gegenwart angesiedelten Geschichte einen Rahmen um die anderen Kapitel dieses Buchs spannen zu wollen. Denn diese Erzählungen hätte ich als gelungener empfunden, wenn die Autorin den Mut bewiesen hätte diese nur für sich selbst sprechen zu lassen, statt sie in einem übergeordneten Kapitel zusätzlich zu erläutern.
    Die Kapitel erzählen starke Geschichten, die mir wohl noch länger im Gedächtnis bleiben werden, abgesehen von der, die die Schriftstellerin betrifft. Dabei hat Anna Hope nur manchmal ein wenig zu dick aufgetragen, wenn sie es mit den in ihren Geschichten eine Rolle spielenden Superlativen übertrieben hat. Beispielsweise muss ja nicht gleich der berühmteste Sänger, dessen Vater der jüngster Admiral der US-Marine und maßgeblich am Ausgang des zweiten Golfkriegs beteiligt gewesen ist, zu einer Hauptfigur werden. Auch ertrinkt dieser Sänger gleich in einem ganzen Sumpf aus Problemen, indem er mit seinem Übergewicht, seiner Alkohol- und Drogensucht zu kämpfen hat, ihm eine Anklage nach seiner öffentlichen Entblößung droht und der von seiner langjährigen Freundin verlassen wurde. Zudem schildert Anna Hope die menschlichen Abgründe, die sich in den Kapiteln des Mädchens auftun, fast schon mit einem voyeuristischen Blick darauf, der sich am Leid und der Qual der Yoemen ergötzt.
    Statt dieser expliziten Beschreibung der Grausamkeiten, die die Yoemen zu erdulden haben, hätte die Autorin sich besser auf die mythische Elemente ihrer Erzählung konzentriert, die dieser einen besonderen Touch geben. Denn das Mädchen besitzt nicht nur Empathie und einen guten Orientierungssinn, sondern verfügt auch über die Fähigkeiten einer Seherin. Insgesamt hätte eine ruhigere Erzählweise diesen Geschichten gut getan, weil diese die stillen Momente darin betont, die weit stärker ausgefallen sind. Beispiele dafür sind die Entdeckung der Jupiter Monde vom Leutnant durch sein Teleskop, der leise Widerstand eines hoch gewachsenen Familienvaters, wie ein Danke zur schlimmsten Demütigung der Unterdrückten werden kann und das Ende eines vollkommen über die Stränge geschlagenen Drogentrips, das ein besserer Abschluss für diesen Roman als sein tatsächliches Ende gewesen wäre.
    Der Paria Anthony Ryan
    Der Paria (Buch)
    30.03.2023

    Gelungener, abwechslungsreich erzählter Trilogie-Auftakt um den aufgeweckten Gesetzlosen Alwyn

    Der junge Alwyn lebt im Wald der Shavine-Marschen bei einer Bande von Gesetzlosen, über die deren König Deckin Scarl, dem Alwyn treu ergeben ist, uneingeschränkt herrscht. Auf einem Beutezug fällt ihnen ein Bote des Königs samt seiner Nachricht in die Hände. So erfährt Deckin von der letzten Schlacht im Prätendenten-Krieg, der schon länger währt, seit der Prätendent Anspruch auf den königlichen Thron erhoben hat. Nun hat Herzog Rouphon, zu dessen Gebiet der Wald der Shavine-Marschen gehört, seine Loyalität in diesem Krieg gewechselt. Und da Deckin, den seine eigene Geschichte mit der des Herzogs verbindet, nicht von seinem Verderben lassen kann, wird auch Alwyn in diesen Konflikt hineingezogen. Das führt zur Katastrophe, so dass Alwyn droht alles zu verlieren.

    Der stählerne Bund stellt den Auftakt einer neuen Trilogie um den Paria von Anthony Ryan dar. Dieser Roman ist in drei Teile untergliedert, zwischen denen ein größerer und ein Zeitsprung von kürzerer Dauer erfolgen. Zu Beginn wird Hauptfigur Alwyn vom Autor vorgestellt, der als Bastard, dessen Mutter bei seiner Geburt gestorben ist und dem sein Vater nicht bekannt ist, eine schwere Kindheit hatte. Erst als er halb verhungert von Deckin gefunden und aufgenommen wird, findet er eine Art Zuhause. Auch später steht Alwyn wegen seines scharfen Blicks und hellen Verstandes, der ihn etwa besser als andere Lügen erkennen lässt, in der Gunst von Deckin.
    Dieser Roman wird aus Sicht von Alwyn erzählt. Damit ist allerdings nicht der Alwyn im Hier und Jetzt gemeint, sondern ein Alwyn in reiferem Alter, der seine Geschichte als Rückblick wiedergibt. So fließen immer wieder Kommentare des älteren Alwyn mit ein, die Hinweise auf den weiteren Verlauf der Handlung geben. Diese sind teils geschickt von Anthony Ryan umgesetzt, weil damit Passagen, in denen sonst wenig passiert, interessant gehalten werden. Denn dadurch wurde meine Neugierde geweckt, die mich über zukünftige Ereignisse in Alwyns Leben hat rätseln lassen. An manchen Stellen haben mich diese Andeutungen auf die falsche Fährte geschickt (z.B. Stallknecht), teils haben mir diese aber schon früh zu viel verraten (u.a. Erchel).

    Neben der Beschreibung von Protagonist Alwyn habe ich auch die der meisten anderen Figuren als gelungen empfunden. Dabei hat mir besonders die Ambivalenz in der Charakterisierung des legendären Gesetzlosen Deckin Scarl zugesagt. Denn Deckin ist vom Autor nicht romantisiert oder wie in den Balladen über ihn verklärt worden, obgleich Alwyn in späteren Jahren einen nostalgischen Blick auf seine seine Zeit bei den Gesetzlosen im Wald hat. Stattdessen wird Deckin als schlauer, aber auch gefährlicher und bisweilen aufgrund seiner Launen unberechenbarer Anführer seiner Bande beschrieben. Nicht minder interessant sind für mich die Figuren (u.a. Sir Althus Levalle, Aszendentin Sihlda, die Sackhexe) gewesen, denen Alwyn im weiteren Verlauf der Handlung begegnen wird.
    Leider hat mich gerade die Charakterisierung der adligen Feldherrin Evadine Courlain nicht überzeugt, der Anthony Ryan für meinen Geschmack zu viel Raum in diesem Roman gegeben hat. Evadine ist eine furchtlose Kämpferin, die über ein beeindruckendes Redetalent verfügt, mit dem sie in ihren Ansprachen Menschenmengen zu manipulieren vermag. An Evadine hat mich die in sich widersprüchliche Beschreibung des Autors gestört. So konnte ich sie nicht als starke Frau wahrnehmen, weil sie dafür einfach einmal zu oft wie ein Fräulein in Nöten von einem Mann gerettet und vor dem Tod bewahrt werden musste. Auch erinnerte mich Evadine oft an die Statue, mit der Alwyn ihre Schönheit vergleicht, und ist als solche für mich schwer greifbar gewesen. Damit ist ihre Entwicklung zwar ziemlich überraschend, aber auch schlecht nachvollziehbar für mich gewesen.

    In diesem Roman entwirft Anthony Ryan eine ganze Welt, in der er nicht nur einen ausgewachsenen Krieg toben lässt, sondern in der verschiedene Völker leben (u.a. im Norden heimische Ascarlianer und Zauber webende Caerither). Diese werden ausführlich in ihrer Kultur und ihren Traditionen, aber auch in ihrer Geschichte und ihrem praktizierten Glauben beschrieben. In Alwyns Heimat ist die vorherrschende Religion die des Bundes, die die Seraphilen anbetet und an die Märtyrer glaubt. Da wäre ein Glossar, das leider nicht vorhanden ist, hilfreich gewesen. Als praktisch habe ich die dem eigentlichen Roman vorangestellte Karte empfunden, da diese mir eine Orientierungshilfe geboten hat.
    Im stählernen Bund hat mir der von Anthony Ryan gebotene Abwechslungsreichtum gefallen, der von raffinierten Raubzügen von Diebesbanden, blutigen Hinrichtungen und brutalen Massakern, aber auch von gewaltigen Schlachten und von Magie, wenn Gespräche mit Toten geführt und unmögliche Heilungen vollzogen werden, erzählt. Dabei beweist der Autor ein besonderes Können im Ausloten menschlicher Abgründe, ob diese sich in kleinen oder großen Lügen, in Gestalt von ausgewachsenen Intrigen oder während einer brutalen Schlacht zeigen. Unschuldig ist diesem abgründigen Fantasy-Roman kaum einer.
    Eine weitere Stärke dieses Romans sind seine für mich unerwarteten Wendungen. So konnte mich nicht nur überraschen, welche Figur der Tod ereilt, sondern auch wann es für Alwyn zu einem erneuten Aufeinandertreffen mit einer zuvor eingeführten Person kommt. Im Schlussteil trumpft der Autor mit mehr als nur einer Enthüllung auf, die ich teils als sehr überzeugend (u.a. Sir Althus Levalle, die Sackhexe, Aszendentin Sihlda), teils als weniger gelungen (u.a. Deckin, der Kettenmann, Lorine) empfunden habe. Und obwohl ich gerade Feldherrin und Märtyrerin Evadine als eine der schwächsten Figuren dieses Romans wahrgenommen habe, die im nächsten Band Martyr wohl eine noch größere Rolle spielen wird, bin ich schon auf die Fortsetzung des stählernen Bundes gespannt und möchte gern erfahren, wie es Alwyn weiterhin ergehen wird.
    Die marmornen Träume Jean-Christophe Grangé
    Die marmornen Träume (Buch)
    27.03.2023

    Ambitionierter Krimi mit Thriller-Elementen um eine brutale Mordserie im Berlin des Jahres 1939

    Margarete Pohl, die Frau eines SS-Gruppenführers, wurde brutal ermordet und grausam verstümmelt aufgefunden. Vernachlässigt von ihrem Mann verbrachte sie ihre Tage mit Besuchen beim Friseur, mit Einkäufen und im Wilhelmclub. Dabei traf sie ihre Freundinnen zu Klatsch und Tratsch im Hotel Adlon. Zudem war sie seit zwei Jahren wegen ihrer Depression in Therapie bei Dr. Simon Kraus. Margarete fürchtete nur den Marmormann, wie sie ihrem Mann kurz vor ihrem Tod anvertraute. Doch Simon weiß aus seinen Sitzungen mit ihr, dass dieser Golem nur in ihren Träumen spukte. Weil Margarete nicht das erste Opfer ist und nachdem Max Wiener, Kriminalinspektor bei der Polizei, trotz der Suche nach Zeugen und Unterstützung durch das Kriminaltechnische Institut des Reichssicherheitshauptamts keine Fortschritte in diesem Fall erzielen konnte, übernimmt Hauptsturmführer Franz Beewen die Leitung in seiner ersten Mordermittlung.

    Jean-Christophe Grangé gliedert seinen Thriller in historischem Setting, der im Berlin des Jahres 1939 angesiedelt ist, in fünf Teile. Diese bestehen aus Kapiteln von angenehmer Länge, die aus wechselnden Perspektiven geschildert sind. Dazu zählen die Sichtweise von Dr. Simon Kraus, der Psychiater, Gigolo und Erpresser ist, von Hauptsturmführer Franz Beewen, der die Mordserie aufzuklären hat, und Minna von Hassel, der Leiterin der Brangboer (Irren-)Anstalt.
    Das Spezialgebiet von Simon, der als Psychoanalytiker tätig ist, sind die Träume und deren Deutung. Darüber hat er sogar seine Doktorarbeit verfasst. Simon hat eine schicke Praxis, die er seinen Beziehungen verdankt. Nach Enteignung der zuvor dort lebenden Juden konnte er kostenlos einziehen und behandelt da nun seine Patientinnen, die die Frauen hochrangiger Funktionäre oder einflussreicher Industrieller sind und deren Träume er analysiert. Heimlich zeichnet er diese Sitzungen auf und erpresst seine Patientinnen, wenn sie etwas Verfängliches über die politische Einstellung ihrer Männer äußern. Auf diese Weise finanziert Simon seinen luxuriösen Lebensstil.
    Franz Beewen, der in Armut auf einem Bauernhof groß geworden ist, ist harte Arbeit gewohnt. Im ersten Weltkrieg ist sein Vater auf dem Schlachtfeld Gas ausgesetzt gewesen, wovon er sich nie wieder erholt hat, weswegen er in eine Anstalt eingewiesen werden musste. Nach diesen Schicksalsschlägen, die Beewen erlitten hat, ist er auf die schiefe Bahn geraten. Trotz seiner zwielichtigen Vergangenheit hat er sich seinen Werdegang erkämpft. Nun träumt er davon zur Wehrmacht versetzt zu werden, um im Einsatz an der Front seinen Vater auf dem Schlachtfeld zu rächen.
    Baronin Minna von Hassel stammt aus einer der reichsten Familien Berlins. Sie ringt darum ihre Patienten in der Brangboer Anstalt zu versorgen, denen es an allem Notwendigen mangelt. Denn es sind nicht einmal genügend Nahrungsmittel vorhanden. Minna versucht sich an neuen Therapieformen, die mehr an Folter als an eine Behandlung erinnern. Und als Alkoholikerin gibt sie sich nicht nur in ihrer Freizeit ihrer Sucht hin.
    Mit einem erpresserischen Gigolo, Junkie und Gestapo-Mann hat Jean-Christophe Grangé für seinen Thriller ein ungewöhnliches Trio an Hauptfiguren gefunden, deren ambivalente Charakterisierung mir gefallen hat. Und da der Autor die Perspektive, aus der die sich zutragenden Ereignisse geschildert werden, reihum wechselt, habe ich nicht nur die Gedankengänge von jedem der drei kennengelernt, sondern diesen zudem durch die Augen der anderen beiden erlebt. Ähnlich ambivalent wie die Charakterisierung der Figuren an sich ist auch deren komplexes Beziehungsgeflecht untereinander geraten. Dessen Entwicklung räumt der Autor die dafür erforderliche Zeit ein, weil Simon, Beewen und Minna sich erst mit ihrem tiefsitzenden Misstrauen den anderen gegenüber auseinanderzusetzen haben.

    Jean-Christophe Grangé etabliert den politisch historischen Kontext seines Romans, indem er die bis 1939 relevanten Ereignisse darüber kurz anreißt, dass er Simon sein Leben der vergangenen Jahre rekapitulieren lässt. Dabei erinnert Simon sich daran, wo bzw. wie er die letzten bedeutsamen historischen Ereignisse erlebt hat. Auch hat Simons Spaziergang zu Beginn des Buchs das Berlin dieser Zeit vor meinem inneren Auge lebendig werden lassen. Dieser führt Simon von seiner Praxis über die Alte Potsdamer Straße und den Potsdamer Platz entlang der Wilhelmstraße bis zu seinem Ziel, das eine Luxusherberge am Wilhelmplatz ist. Dort trifft er eines der Opfer seiner Erpressungen. Dabei ist Simon erschlagen vom quirligen Gewusel der Menschenmengen und Lärm von Automobilen und Straßenbahnen am Potsdamer Platz, das im Kontrast zur so ruhigen wie düsteren Wilhelmstraße steht, in der die Regierung mit ihren Ministerien, Amtsgebäuden und Hauptquartieren residiert.
    Vor dieser historischen Kulisse inszeniert Jean-Christophe Grangé eine Serie grausamer Ermordungen von schönen Frauen mächtiger Männer, deren verstümmelte Leichen an Jack The Ripper erinnern. Dabei kommt die Ermittlung in dieser Mordserie nur langsam voran, weil Beewen unerfahren in der Untersuchung von solchen Fällen ist und die Verstrickung seiner Co-Ermittler wie insbesondere deren Beziehung zu verschiedenen Opfern erst nach und nach enthüllt wird.
    Zusätzlich zur politischen Stimmung, die durch den drohenden Krieg aufgeladen ist, behandelt Jean-Christophe Grangé weitere im historischen Kontext stehende Themen. Dazu gehören die Traumdeutung und Traumforschung, die Simons Leidenschaft ist, die Behandlung von im ersten Weltkrieg ob in körperlicher oder geistiger Hinsicht versehrten Soldaten, da die traumatisierten Überlebenden des Kriegs etwa in Minnas Klinik behandelt werden, zu denen Beewens Vater zählt, und die Beschreibung der in dieser Zeit gängigen Therapieformen (u.a. Elektroschocks, Hydrotherapie, Infektion mit Malaria), das Studio Babelsberg und die Filmwelt im Allgemeinen. Das sind bei weitem nicht alle Themen, die vom Autor in diesem Krimi-Thriller angerissen werden. Weitere möchte ich an dieser Stelle jedoch nicht vorweg nehmen, um nicht die sich dadurch ergebenden unerwarteten Richtungen, die dieses Buch im Zuge der Ermittlungen von Beewen einschlagen wird, zu verraten.

    Insgesamt hat Jean-Christophe Grangé in seinem ambitionierten Roman zu viel auf einmal gewollt. Das lässt zwar die Handlung in seinem Buch die ein oder andere für mich gänzlich unerwartete Wendung nehmen. Spätestens aber mit dem dritten fundamentalen Twist, der diesem Krimi-Thriller eine Entwicklung gibt, die konträr zu seinem bisherigen Verlauf ist, ging mir das zulasten der Glaubwürdigkeit. Die zuvor eingeführten Verdächtigen, die sich letztlich als falsche Fährten entpuppt haben, habe ich da als weit stimmiger empfunden. Um schließlich seinen Täter und dessen Motiv zu verklausulieren, muss der Autor im letzten Teil dieses Buchs auf ausführliche Erklärungen und Argumentationshilfen zurückgreifen. Dennoch scheinen mir dessen finale Enthüllungen im Widerspruch zu Szenen zu stehen, die in den ersten beiden Teilen dieses Buchs geschildert wurden. Diesen Mangel an Plausibilität kaschiert der Autor durch immer extremere Gewaltexzesse, die in ihrer detaillierten Beschreibung unmenschlicher Grausamkeiten kaum zu überbieten sind.
    Meiner Ansicht nach ist das Problem der marmornen Träume, dass Jean-Christophe Grangé zu viele seiner vielversprechenden Ansätze und interessanten Ideen in einer einzigen Kriminalgeschichte unterbringen wollte. Diese unterschiedlichen Elemente passen jedoch oft nicht so recht zueinander und wollen sich nicht zu einem stimmigen Ganzen zusammenfügen. Als gelungener hätte ich diesen Stoff empfunden, wenn der Autor diesen in einer Reihe von Kriminalfällen (u.a. in Anstalten für Geisteskranke, im Künstlermilieu, am Filmset) verarbeitet hätte, statt alles in eine einzige Mordermittlung packen zu wollen. Dabei hätten dann auch besser die Stärken der marmornen Träume zum Tragen kommen können, die mich zu Beginn dieses Romans überzeugt haben. Dazu zählen für mich die Beschreibung des historischen Settings, die brutalen Mordfälle an verschiedenen Schauplätze im Berlin des Jahres 1939 und das ambivalent gezeichnete Hauptfiguren Trio. Auch hätte ich mir gewünscht, dass der Autor seine Figuren nicht permanent gegen den Strich, sondern ihrer Charakterisierung entsprechend eingesetzt hätte. Dann hätte Beewen in Verfolgungsjagden und physischen Konfrontationen seine Präsenz ausspielen können, Simon wäre der geniale Psychoanalytiker wie Traumdeuter gewesen und Minna als Expertin für die Psyche von Serienmördern eine Vorgängerin der heutigen Profiler.
    Gärtnern für Ahnungslose Carolin Engwert
    Gärtnern für Ahnungslose (Buch)
    24.03.2023

    Toll gestalteter Ratgeber mit hilfreichen Tipps & Tricks für absolute Anfänger

    Aufgrund der originellen Gestaltung im Comic-Stil, die in liebevollen Details ausgearbeitet ist und in erstaunlicher Konsequenz durchgezogen wird, so dass sich diese auf jeder einzelnen Seite des Buchs wiederfindet, ist Gärtnern für Ahnungslose ein Hingucker. Die auffällige Aufmachung lässt diesen Ratgeber zu einer tollen Geschenkidee werden, die auch für Jüngere geeignet ist. Dabei denke ich etwa an das Kapitel "Behind the [plant] scenes", mit dessen Hilfe Kindern oder zumindest Jugendlichen vermittelt werden kann, wie Pflanzen für ihr Wachstum Sonnenenergie nutzbar machen. Abgerundet wird diese kleine Lehrstunde von dazu passenden Illustrationen, die etwa einen Blattquerschnitt zeigen. Zudem wird ein "Einstieg in die Botanik" anhand von verschiedenen Blütenformen (z.B. Kreuzblütler, Doldenblütler) gegeben.
    Gärtnern für Ahnungslose richtet sich an Leute wie mich, die ihren Garten gestalten wollen, obwohl ihnen ein grüner Daumen fehlt. Die zugängliche, unkomplizierte Art, in der dieser Ratgeber mir relevantes Garten-Wissen näher gebracht hat, hat mich motiviert und mir zugleich die Hemmungen genommen. So startet die Autorin etwa mit einem Grünes-Daumen-Training. Insgesamt habe ich die Comic-Gestaltung dieses Buchs nicht nur als originellen Ansatz empfunden, der ein Blickfang ist, sondern als stimmiges, hilfreiches Gesamtkonzept, das gut umgesetzt wurde. Dazu passt auch der in Textform gegebene Inhalt.

    Gärtnern für Ahnungslose beginnt bei den absoluten Basics. Erst habe ich mehr über mich und die Beziehung zu meinem Garten gelernt, indem ich erfahren habe, welcher Gartentyp ich bin und welche Ziele ich mit meinem Garten verfolge. Danach hat die Autorin mir zehn Gartengeräte, die zur Grundausstattung gehören, die es für den eigenen Garten braucht, und eine Übersicht mit Orten, an denen sich Pflanzen kaufen lassen, an die Hand gegeben. Auch gab es eine Anleitung zur Beetplanung, bei der etwa der Standort in Abhängigkeit von der Bodenart und Sonneneinstrahlung zu beachten ist, und Tipps zu Mischkulturen inkl. zahlreicher Beispiele, an denen Beginner im Garten sich versuchen können.
    Als nützlich habe ich die Tipps empfunden, die sich an Anfänger richten. Dazu gehört die Vorstellung der Gardener‘s darlings (u.a. Pflücksalat, Radieschen, Hornveilchen, Primeln), d.h. von besonders pflegeleichten Pflanzen, die sich somit für die Zielgruppe dieses Ratgebers eignen. Denn die Autorin predigt das Mantra, dass auch Leute ohne grünen Daumen einen schönen Garten haben können. Und so ist in diesem Ratgeber der Titel Programm. Auf der anderen Seite bedeutet das aber, dass dieses Buch für all jene, die bereits über Erfahrung im Garten verfügen, weniger gut geeignet ist. Denn dabei werden sie kaum Neues lernen.

    Einer der Schwerpunkte dieses Ratgebers, der auf der Vermittlung von relevantem Wissen für die Anlage eines eigenen Naschgartens liegt, hat neben den darin vermittelten Basics genau meinen Geschmack getroffen. Denn ohne dass ich über einen grünen Daumen verfüge, möchte ich meinen Garten gern schöner gestalten, indem ich Obst, Gemüse, Salate und Kräuter anbaue.
    Das Kapitel zum Naschgarten beginnt mit der Erläuterung von Grundlagen, die das Gießen oder zu beachtende Abstände beim Pflanzen betreffen. Als motivierend habe ich empfunden, dass Carolin Engwert zum Experimentieren etwa mit Hilfe der 50/50 Methode rät. Abgerundet werden diese einführenden Tipps und Tricks von einer Empfehlung pflegeleichter Pflanzen (z.B. Salat), bevor die Autorin sich im Einzelnen mit Gemüse und Salaten, Kräutern sowie Obst auseinandersetzt.
    Der Abschnitt zum Gemüse ist von der Autorin übersichtlich aufbereitet, indem verschiedene Gemüsesorten nach ihrem Sonnen-, Wasser- bzw. Nährstoffbedarf geclustert werden. Das reicht beispielsweise von Sonnenanbetern wie Paprika und Tomaten bis hin zu Schattengewächsen wie Feldsalat und Spinat, die auch mit wenig Sonne auskommen. Gurken und Salate zählen zu den Schluckspechten, die viel Wasser benötigen, im Gegensatz zu Zwiebeln und Paprika, die trockene Perioden verkraften können. Abgerundet werden die zum Gemüse gegebenen Informationen von einer Liste mit zehn besonders pflegeleichten Pflanzen, die sich damit bestens für Anfänger eignen (z.B. Radieschen, Spinat, Zucchini).
    Interessant fand ich den Exkurs zu Tomaten, weil ich wie viele andere auch gern Tomaten anbauen möchte. Dieser Abschnitt beschreibt deren Anzucht und das Umpflanzen der Jungpflanzen ins Beet, zudem die Blumen, in deren Nachbarschaft Tomaten im Beet gerade auf lange Sicht betrachtet gut gedeihen, und endet mit einer Checkliste, die Dos and Don'ts für Tomaten bündelt. Dieser Exkurs wird vom Abschnitt "Selbst anbauen macht den Unterschied" ergänzt, in dem zu Beginn des Buchs unterschiedliche Tomatensorten angegeben werden.

    Weil mir Nachhaltigkeit und Umweltschutz wichtig sind, haben mich die in dieser Hinsicht relevanten Abschnitte in Gärtnern für Ahnungslose interessiert. So informiert Carolin Engwert zu alten Sorten, stellt eine Anleitung zum smarten Pflanzen-Recycling mittels Kompost zur Verfügung und gibt auch Tipps, wie sich beim Gärtnern Plastik sparen lässt.
    Abgerundet wird diese Thematik vom Kapitel "Insektenfreundlich durch das Jahr", indem die Autorin auf einen unperfekten Naturgarten eingeht. Dabei führt sie aus, welche Pflanzen geeignet sind, um Insekten anzulocken, die dann Gemüse, Obst und andere Nutzpflanzen bestäuben. Beispiele für insektenfreundliche Pflanzen werden nach den Jahreszeiten unterschieden übersichtlich aufbereitet präsentiert. Im Frühling bieten sich beispielsweise Weidenkätzchen, Krokus oder Buschwindröschen an. Ergänzt werden diese Beispiele für insektenfreundliche Pflanzen durchs ganze Jahr von Tipps etwa für das Anlegen einer Wildrosenhecke. Diese bietet sich als Brutplatz für Insekten an, sofern ausreichend Platz dafür zur Verfügung steht. Zudem werden Heckensträucher (u.a. Vogelbeere) genannt, die Vögel und Insekten besonders gern haben.

    Der originelle Ansatz dieses Ratgebers in Comic-Form wäre vermutlich noch stärker ausgefallen, wenn das Buch interaktiver gestaltet worden wäre. Beispielsweise hätten die unterschiedlichen Gartentypen, die es gibt, nicht einfach nur aufgelistet werden können. Stattdessen hätte das ein Fragebogen sein können, so dass ich als Leser anhand der von mir gegebenen Antworten bestimmen kann, welcher Gartentyp ich bin. Dass im Abschnitt "Warum es wichtig ist,deine Sachen aufzuschreiben" der Vorteil eines Gartenjournals erläutert wird, fand ich spannend. Da wäre es aber schön gewesen, wenn sich in diesem Ratgeber einige Seiten gefunden hätten, die Raum für Notizen geboten hätten.
    Als praktisch hätte ich zudem empfunden, wenn die Autorin etwa die Vermehrung von Pflanzen mittels Stecklingen, Teilung oder Ausläufern und weitere dafür geeignete Themen anhand von Videoanleitungen vermittelt hätte. Diese Videos hätten dann via in diesem Ratgeber angegebenen QR-Codes aufgerufen werden können.
    Der Weg ins Feuer Der Weg ins Feuer (Buch)
    24.02.2023

    Erst ruhig erzähltes Drama, dann rasanter und actiongeladener Thriller

    Betty Rhyzyk, die Drogenfahnderin beim Dallas Police Department ist, ist noch krank geschrieben, weil sie sich von ihrer Verletzung am Fuß erholt. Da wird der erste Drogendealer ermordet aufgefunden. Der wurde auf offener Straße erschossen. Am Tatort wurde ein Bibelspruch hinterlassen, der Betty bekannt ist und ungute Erinnerungen an die Family Roy weckt. Ist die Family zurück, um sich ihr Territorium in Dallas zu erobern? Sinnt deren Anführerin Evangeline Roy auf Rache an Betty? Ein Machtkampf rivalisierender Kartelle liegt nahe. Auch El Cuchillo, der brutale Fixer des Sinaloa-Kartells, kann für die Morde verantwortlich sein. Doch häutet der seine Opfer lieber als dass er sie einfach nur erschießt. Und so nimmt Betty die Ermittlungen in diesem abgründigen Fall auf.

    Der Weg ins Feuer ist nach der Toten mit der roten Strähne der zweite Band der Reihe um Drogenfahnderin Betty Rhyzyk. Ohne den Vorgänger gelesen zu haben, konnte ich diesem Krimi folgen. Denn die traumatischen Erlebnisse, die Betty in der Toten mit der roten Strähne zu erleiden hatte, verfolgen sie immer noch. Das nutzt Kathleen Kent als Gelegenheit die Wochen, die Betty bei der Family Roy und deren grausamen Oberhaupt Evangeline verbringen musste, zu rekapitulieren. Indem das Finale des ersten Bandes dabei detailliert am Anfang dieses Krimis wiedergegeben wird, möchte ich jedem, der beide Bücher lesen möchte, raten mit der Toten mit der roten Strähne zu beginnen.
    Protagonistin Betty stammt aus einer Polizisten Familie. Nicht nur ihr Vater war Cop, sondern auch ihr großer Bruder, der zu jung verstorben ist. Betty, die eine ehrliche Polizistin ist, pflegt einen unkonventionellen Ermittlungs- und Kleidungsstil mit einer Vorliebe für extravagante Tattoos. Wegen des erlittenen Traumas hat Betty ihre Wut kaum unter Kontrolle, erleidet wiederholt Panikattacken und sieht in jeder rothaarigen Frau ihre Nemesis Evangeline Roy. Dennoch lässt die Autorin Ansätze der starken Frau aufblitzen, die Betty zuvor gewesen ist. Am meisten hat sie damit zu kämpfen, dass sie aufgrund ihrer Verletzung am Fuß nicht mehr joggen kann. So bleibt es ihr verwehrt, sich Frust, Aggression und Angst von der Seele zu laufen. Auch kann sie sich bedingt durch ihre Krankschreibung nicht mit ihrer Arbeit in der Fokussierung auf ihren Job ablenken.

    Der Weg ins Feuer ist in seinem ersten Drittel von einer ruhigen Erzählweise geprägt, die dem Drama, zu dem Bettys Leben geworden ist, Raum gibt. Denn Betty droht ihre Liebe Jackie zu verlieren, die nach Monaten, in denen Betty schon in diesem Zustand ist und während derer sie sich um Betty gekümmert hat, merklich überfordert und am Ende ihrer Kräfte ist. Hinzu kommen die Konflikte mit ihrem Boss Marshall Maclin, mit dem Betty eine unangenehme Vorgeschichte verbindet und der nur auf einen Vorwand für ihre Suspendierung wartet.
    Bevor die Handlung Fahrt aufnimmt, wenn die Ermittlung in den Mordfällen in die Gänge kommt, wird dieser Krimi, der da mehr Drama ist, von den starken Charakterisierungen seiner Figuren getragen. Wie Betty jeden in ihrem Umfeld vor den Kopf stößt, weil sie mit niemandem über ihre Angst vor Evangeline Roy reden kann, ist glaubwürdig von Kathleen Kent beschrieben. Weil Betty immer mehr trinkt, gerät ihr Leben weiter aus den Fugen, obwohl alle versuchen ihr zu helfen. Zudem wartet die Autorin mit einigen interessanten Nebenfiguren auf. Dazu zählen Bettys Lebensgefährtin Jackie, die nicht nur die Heilige spielen, sondern auch eine ganz andere Seite von sich zeigen darf, und die schillernde, ziemlich toughe Dusty Rose, die sich bei jedem ihrer Auftritte zum Szenendieb mausert.

    Im weiteren Verlauf entwickelt sich der Weg ins Feuer zum rasanten Thriller, wenn sich die Leichen der Drogendealer stapeln und sich die Ereignisse dann etwa bei einem unheimlichen Abstieg in den Untergrund von Dallas überschlagen. Dabei zieht Kathleen Kent die Spannungsschraube immer weiter bis hin zu einem feurigen Highlight an, das auch ein starker Schlusspunkt unter diesen Thriller gewesen wäre. Dessen Auflösung hat mich zwar überrascht. Weil ich den Täter aber erst kurz vor seiner Enthüllung habe kommen sehen, hätte ich mir einen detaillierten Einblick in dessen Gedankenwelt gewünscht. Denn das hätte sein Motiv, das mir in der von der Autorin gelieferten Form ein wenig dünn gewesen ist, näher beleuchtet. Ideal wäre dafür ein Kapitel aus Tätersicht gewesen, das die bisherigen Ereignisse dieses Buchs und damit insbesondere die Morde aus seiner Perspektive geschildert hätte.
    Im ersten Drittel hat mich der Weg ins Feuer als ruhig erzählter Krimi, der seine Intensität aus dem Drama in Bettys Leben zieht, überzeugt und in der zweiten Hälfte hat mir dieses Buch als temporeicher, actiongeladener Thriller gefallen. Nur haben sich diese beiden so grund verschiedenen Teile für mich nicht zu einem stimmigen Ganzen zusammengefügt. Stärker wäre dieser zweite Band der Betty Rhyzyk-Reihe ausgefallen, wenn Kathleen Kent sich entweder für ein intensives Krimi-Drama oder einen rasanten Thriller entschieden hätte. Dafür hätte entweder das erste Drittel dieses Buchs weit kürzer ausfallen müssen, wenn die Autorin früher das Tempo angezogen hätte, oder aber im letzten Drittel hätte auf einige nur von Action bestimmte Szenen verzichtet werden müssen. Stattdessen hätte Betty keine Blitzheilung durchlaufen dürfen, sondern müsste immer noch von den erlittenen Traumata gezeichnet sein. Dabei hätte die Autorin dann auch auf das Drama im von seiner Sucht geprägten Leben des Täters eingehen können.
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