jpc.de – Leidenschaft für Musik Startseite jpc.de – Leidenschaft für Musik Startseite
  • Portofrei ab 20 Euro
  • Portofrei bestellen ab 20 Euro
  • Portofrei innerhalb Deutschlands Vinyl und Bücher und alles ab 20 Euro
0
EUR
00,00*
Warenkorb EUR 00,00 *
Anmelden
Konto anlegen
Filter
    Erweiterte Suche
    Anmelden Konto anlegen
    1. Startseite
    2. Alle Rezensionen von Vivi * bei jpc.de

    * Vivi *

    Aktiv seit: 12. November 2014
    "Hilfreich"-Bewertungen: 25
    24 Rezensionen
    Dschungel Friedemann Karig
    Dschungel (CD)
    25.05.2019

    Bevor man verschwindet muss man erst mal da sein

    Friedemann Karigs „Dschungel“ ist voller Überraschungen. Die Ausgangssituation der Geschichte ist an sich nicht ungewöhnlich: Alltagschaos, Gefühlschaos, die Oberflächlichkeit einer Konsumgesellschaft in der heutigen, schnell gelebten Zeit, die großes Vertrauen in fertig gelieferte Dinge setzt. Und in seichte zwischenmenschliche Beziehungen. Zwei Freunde, die jungen Männer Felix und der „Herr Doktor“ bilden als Hauptfiguren eine winzige Therapiegruppe. Felix flüchtet, verschwindet aus Deutschland und macht sich auf eine alles entscheidende Reise nach Kambodscha. Sein Freund macht sich auf den langen, abenteuerlichen Weg, um ihn zu finden. Doch wo soll die Reise enden?

    Die melancholischen Kindheitserinnerungen schaffen eine besondere Atmosphäre. Sie werden durch den Erzähler, den „Herr Doktor“, gefühlvoll wiedergegeben. Nach wenigen Jahren Abstand, im jungen Erwachsenenalter, kommen unterdrückte Emotionen auf die Oberfläche, die damals im Kindesalter keine besondere Bedeutung hatten.

    Im Laufe der Erzählung vermittelt der Autor kluge Erkenntnisse und stark gesellschaftskritische Aussagen, die man je nach Situation ernst oder eben locker und leicht – vielleicht sogar mit wohl wissendem Augenzwinkern – nachempfinden kann. Doch die Gedanken über die Wahrnehmung der Realität und über die Entwicklung der modernen Zivilisation hinterlassen Nachklang.

    Der philosophische, nachdenkliche Grundton macht diesen Roman besonders bemerkenswert. Die Reise ins unbekannte, für Europäer fremdartige Land, Kambodscha – im Vordergrund stets der „Herr Doktor“–, zeigt einen gut ausarbeiteten Entwicklungsweg, ein leises Ausbrechen aus dem grauen Alltag mit zynischem und nebenbei sehr intelligentem Spott geschmückt.

    Wird es etwa erst im kambodschanischen Dschungel klar, was Freundschaft bedeutet? Muss man durch schweres Dickicht, um sich selbst zu erkennen, Zusammenhänge zu verstehen und Prioritäten zu setzen? Was riskiert man für einen besonderen Freund und welchen Preis zahlt man (gern) dafür?

    Die ungekürzte Hörbuch-Version: Entsprechend der vom Autor vorgegebenen meditativ-nachdenklichen Szenen bringt der Sprecher, Fabian Busch, leise Gedanken, Hoffnung und Verzweiflung gleichermaßen sensibel näher. Sein kumpelhafter, frischer Ton verhilft zu einem außergewöhnlichen Hörbuch-Erlebnis.
    Dos Santos, J: Vaticanum Dos Santos, J: Vaticanum (Buch)
    23.03.2019

    Papstentführung, Islamisten und illegale Geldgeschäfte

    Bereits in der Einleitung zu diesem Roman wird auf eine wichtige Eigenschaft der gesamten Erzählung hingewiesen: Der Autor sichert den Lesern zu, dass bekannte historische Begebenheiten an die Handlung angepasst wurden. Also ist die Erwartung diesbezüglich groß, letztendlich denkt man dabei an Fakten, Vermutungen und Geheimnisse aus alten Zeiten, die man in Form von einer abenteuerlichen Geschichte genießen dürfte.

    Nach einer kurzen Vorgeschichte landet man gleich im Herzen von Vatikan und man genießt zusammen mit dem Historiker, Tomás, eine Papstaudienz der besonderen Art; vertraut, innig, zwiespältig. Alles wirkt etwas theatralisch, besonders, wenn man noch die Szene mit der zickenden, respektlosen Freundin von Tomás, Maria Flor, dazurechnet. Eine alte, spannende Prophezeiung wird erwähnt und kurz darauf wird der Papst entführt. Alles scheint nach einem vorhergesehenen Muster zu laufen. Die Zeit, um die Verbrecher zu erwischen, ist knapp, der Fall ist zu kompliziert für die Polizei. Also ermitteln der Historiker, Tomás und die Wirtschaftsprüferin, Catherine.

    Die Ausgangssituation ist vielversprechend, doch nach kurzer Zeit befindet man sich in einer zu lang geratenen Wirtschaftsanalyse, die es verhindert, die Protagonisten ins Herz zu schließen. Sie unterhalten sich überwiegend über Rechnungswesen und illegale Konten.

    Der direkte, klare Schreibstil überzeugt zwar, doch das Thema „Vatikan“ in Verbindung mit Archäologie und religiöser Tradition kommt zu kurz. Es fehlt das gewisse Etwas. Schade um die ungenutzten Möglichkeiten, die „Vatikan“ geboten hätte, die jedoch im Wirrwarr der IOR-Geldgeschäfte untergingen.
    Saucier, J: Niemals ohne sie Saucier, J: Niemals ohne sie (Buch)
    10.03.2019

    Eine Familienbande gegen die Welt

    Die kinderreiche Familie Cardinal kämpft sich durch den düsteren kanadischen Alltag. Der Familienvater, ein glückloser Erzsucher, und die ständig erschöpfte „Muttermaschine“ versuchen ihre 21 Kinder in den Griff zu bekommen. Die Nachkommenschaft liefert täglich brutale Kämpfe, um sich gewisse Privilegien zu sichern, mal einen guten Schlafplatz, mal etwas Besseres zum Anziehen, oder einfach mal, um das Sagen zu haben. Armut bestimmt ihr Leben. Die Cardinals verbindet dennoch eine seltsame Art der Liebe. Diese ähnelt oft mehr der Loyalität als einer offen zugegebenen, gegenseitigen Anziehung und bleibt bis zuletzt unberechenbar.

    Sauciers Sprache ist überwältigend. Schlicht und kompakt fasst sie die komplizierten Tatsachen zusammen. Die überwiegend schäbigen Verhältnisse im Haus der Cardinals erscheinen ausdrucksstark und sogar die kleinsten Details werden sensibel erfasst: Die zügellosen Gewaltausbrüche der Jugendlichen, Randale, Einschüchterung und Demütigung, die sich aus ihrer rauen Umgebung ergeben und von ihren täglichen familiären Kämpfen ernähren. Auch der feindselige Wohnort, Norcoville, trägt zur Grauer erregenden Grundstimmung bei. Die Cardinals wachsen zu ungeschliffenen Gesetzlosen heran, mit einer Ausnahme: Die junge Angéle lernt ein anderes Leben, einen möglichen Ausweg kennen.

    Die Spannung um das Schicksal der engelhaften Angéle bleibt konstant erhalten und die Ereignisse aus verschiedenen Blickwinkeln dargestellt. Einige Cardinal-Kinder liefern ihre Beiträge als wild durcheinander gewirbelte Erinnerungsfetzen aus der Ich-Perspektive. Während der Zeitsprünge und bei den 21 Tauf- und Spitznamen, die abwechselnd zur Verwendung kommen, fällt die Konzentration oft schwer. Ein Anreiz bleibt stets präsent; die Illusion einer verzweifelten Flucht aus einem kaum erträglichen Leben. Ob die Familienmitglieder je „aus dem Familienfoto heraustreten können“ bleibt die abermals wiederkehrende Frage.

    Ein leidenschaftlicher Roman, der lange in Erinnerung bleibt, in einer vorzüglichen Sprache geschrieben.
    Pierce, T: Leben danach Pierce, T: Leben danach (Buch)
    23.02.2019

    Ewig leben oder für immer etwas tot sein

    Schockierend fängt die Geschichte von Thomas Pierce an, die kurze Episode mit dem brennenden Hund wirkt genauso aufwühlend, wie der Patient, Jim Byrd, der in einem Krankenhaus zu sich kommt und seinen eigenen Tod nicht fassen kann. Es ist ja schließlich auch nicht ganz alltäglich, wiederbelebt zu werden.

    In Jims Welt wird Sterben auf ein elektrisches Problem reduziert. Mit seinen zynischen Kommentaren kann er dennoch nicht ganz vernebeln, dass er aus seinem neuen Leben mit HeartNet (ein Herzimplantat – die Spitzentechnologie, die sein Herz am Laufen hält) eine Herzensangelegenheit macht. Trotz ironischen Bemerkungen fällt Jim der Umgang mit der gegebenen Situation schwer.

    Am Rande der Verzweiflung entwickelt sich Jims Geschichte dennoch langsam zu einer sehr herzlichen Erzählung, die emotional auf festen Fundamenten ruht. Der persönliche Grundton des Ich-Erzählers ist bewegend und stellenweise verursacht er sogar Gänsehaut. Die mystischen Elemente, das Thema um das Leben nach dem Tod, ruhelose Geister, Todesfälle und beunruhigende Zukunftsvisionen sorgen für nachdenkliche und ebenso verwirrende Momente.

    Sehr menschlich, sehr direkt und überwältigend.
    Die Schönheit der Nacht Die Schönheit der Nacht (Buch)
    30.05.2018

    Eine sinnliche Reise in die Bretagne

    Die wahre Schönheit der Nacht zu erkennen ist nur eine Episode im Leben der Protagonistin, Claire. Die Schönheit der Worte zu entdecken ist dafür allgegenwärtig für die Leser. Die besondere Anziehungskraft üben in diesem Roman nicht etwa die stürmischen Ereignisse aus, sondern die atemberaubende Ausdrucksweise, die verzaubert und süchtig macht: Man möchte immer mehr von der natürlich wirkenden, ausdrucksvollen Geschichte erfahren. Die Leser sinnlich und emotional zu fesseln, schafft die Autorin bereits in den ersten Sätzen mit Leichtigkeit.

    Von Anfang an fordert die außergewöhnliche, moderne Sprache von Nina George alle Sinne: Sie schafft eine stimmungsvolle Kulisse mit Geräuschen, visuellen Eindrücken, Gerüchen und Geschmack.

    „Er hatte nach Milch und Zucker, nach Kaffee und Lust geschmeckt.“ Ein Seitensprung, betörend, unverbindlich, oberflächlich und er ist voller Sehnsucht. Eine kleine Flucht, doch kein Entkommen für die Hauptfigur: Der gewohnte Alltag erwartet Claire wieder. Man fühlt ihre lähmende Verzweiflung zwischen Lüge und Realität, und dennoch verliert man sich in der wundervollen Lyrik mitten im Gedankenstrom. Das Thema und die gut gewählten Stilmittel ergeben eine harmonische Einheit.

    Der Grundton des Romans ist ruhig und ausgeglichen, doch die Charaktere haben etwas Beunruhigendes. Die Realität der Figuren kommt dem Leser erschreckend nah und lässt die Einsamkeit und das Unglück der Hauptperson, Claire, nachempfinden. Die Einsamkeit und das Unglück in einer scheinbar glücklichen Ehe.

    Die Autorin geht analytisch und wissenschaftlich vor, sie schildert Theorien zum menschlichen Verhalten und stellt schmerzhafte Erkenntnisse in den Vordergrund, über Kindheitsträume, Selbstverwirklichung, das Streben nach Glück, und natürlich auch über die Unglücksfallen, in die man häufiger hineintappt, als man erwarten würde. Offen bleibt nur bis zu den letzten Seiten, ob ihre Figuren einen Ausweg finden. Die Erzählung erlaubt dabei einen ehrlichen Einblick in die Gefühlswelt der heutigen Frauengeneration zwischen Alltag, Karriere und sehnsüchtigen Träumen. Eine authentische Darstellung moderner Weiblichkeit.
    Wie man die Zeit anhält Wie man die Zeit anhält (Buch)
    16.05.2018

    Lieben lernen und Eintagsfliegen anständig behandeln


    Das Leben aus der Perspektive eines 439-Jährigen zu betrachten ist außergewöhnlich, doch genau auf dieser Basis führt Matt Haig seine Leser durch die Geschichte im Roman „Wie man die Zeit anhält“. Logischerweise folgt man ihm auf mehreren Zeitebenen bis in die Gegenwart. Im Laufe seines ungewöhnlich langen Lebens macht seine Hauptfigur, Tom Hazard, überwiegend schmerzhafte Erfahrungen, daher wird man von Anfang an mit einer herzzerreißenden Melancholie konfrontiert. Glücklicherweise gibt es großartige Lichtblicke.

    Da Tom Hazard bereits Ende des 16. Jahrhunderts zur Welt kommt, erlebt er unter anderem Shakespeares Zeit und – ein wundervoller Zufall – er unterstützt ihn sogar bei einem Bühnenstück im Globe Theater. Diese und ähnliche, gut pointierte Zwischensequenzen bieten ein besonderes Leseerlebnis und eine gewisse Heiterkeit.

    Andererseits kommt dieses Buch gelegentlich so vor, als hielte man eine kleine Sammlung von unschätzbaren Weisheiten in den Händen. Die philosophisch angehauchten Abschnitte begeistern mit schlüssigen Gedankenansätzen um das Thema „Zeit“ herum. Die Entwicklung geht eindeutig in Richtung einer besseren Welt, in der Liebe und Lebenswille die Phasen der Angst, der Enttäuschung und des daraus folgenden Rückzugs besiegen können.

    Ob die abwertend als „Eintagsfliegen“ bezeichneten, kurzlebigen Durchschnittsmenschen daraus lernen können? Hoffnung gibt es allemal. Doch vorerst gibt es diese äußerst seltsame Lektüre von Matt Haig und eine gute Gelegenheit, es Tom Hazard gleich zu tun und eine Liste der Dinge – zumindest im Kopf – zu erstellen, was das Leben und die aktuelle Epoche so liebens- und lebenswert macht.
    Die Arznei der Könige Die Arznei der Könige (Buch)
    16.05.2018

    Eine warmherzige Heilerin


    Im 14. Jahrhundert konnten Frauen – darunter auch feine Damen aus Adelsfamilien – kaum von einem selbstbestimmten Leben oder Eheglück träumen. Jakoba von Dahlenburg, der Protagonistin im historischen Roman „Die Arznei der Könige“ von Sabine Weiß ergeht es keinesfalls besser, obwohl sie in vieler Hinsicht eine besondere Frauenfigur verkörpert: klug, selbstlos, respektvoll und selbstbewusst mit Durchsetzungskraft. Ihr Leben wird ständig aufs Neue auf den Kopf gestellt – sie erleidet völlig unverschuldet die übelsten Ungerechtigkeiten – bis sie eines Tages ihr Schicksal selbst in die Hand nimmt und vor ihrem tyrannischen Ehemann flüchtet. Für Jakoba beginnt damit eine abenteuerliche Reise unter vielen Gefahren aus Norddeutschland bis nach Venedig, von dort nach Paris und schließlich zurück nach Lüneburg.

    Sabine Weiß bewies bereits mehrmals ihre außerordentliche Begabung in der Verfassung von authentischen historischen Romanen, auch diesmal gelang ihr ein kleines Meisterwerk. Vor stimmungsvoll abgestimmten Hintergründen führt sie ihre Heldin, Jakoba, die Heilerin, durch raue Landschaften, düstere Festungen und glänzende Städte. Dabei erlaubt sie sogar Einblick in die Königshäuser, in intrigante Machenschaften, nicht zuletzt ins Leben des einfachen Volkes.

    Was Sabine Weiß aus wenigen Tatsachen anhand authentischer historischer Quellen zaubert, ist unterhaltsam und lehrreich zugleich. Die Erzählung wird mit zeitgemäßen Dialogen aufgefrischt, es kommen für die heutige Zeit ungewöhnliche Alltagsgegenstände vor, Gewohnheiten und Konflikte aus dem 14. Jahrhundert werden näher gebracht. Man lernt jedes Mal etwas dazu. Dabei genießt man die abwechslungsreichen Ereignisse und staunt über den damaligen Wissensstand der Heil- und Kräuterkunde.

    Ein Roman, der alles Nötige für den perfekten Lesespaß bietet: Viel Spannung, stürmische Abenteuer, gnadenlose Kämpfe, herzerwärmende Romantik. Es geht um große Herrscher, kleine Alltagshelden und natürlich um eine vorbildliche und liebenswerte Frauenfigur. Auch die Nebenrollen sind bestens besetzt. Das Ergebnis ist so fantasievoll und bewegend, dass man das Buch ungern aus der Hand liegt.
    Das Geheimnis der Muse Jessie Burton
    Das Geheimnis der Muse (Buch)
    27.03.2018

    Kunst und Einzigartigkeit

    Wenn man recht bedenkt, lösen Kunstwerke in jedem Individuum andere Gefühle aus, unabhängig davon, ob die Betrachter die Aussage der Objekte verstehen. Im Großen und Ganzen baut Jessie Burtons Bestseller auf diese Tatsache: Auf große Emotionen um falsch interpretierte Tatsachen, auf Vermutungen, Missverständnisse und verkannte Begabung.

    Zwei Protagonistinnen auf zwei Zeitebenen und an zwei Orten – 1967 in London und 1936 in Andalusien – kommen in Berührung mit Kunst, jede auf ihre Art: Olive Schloss, die heimliche Malerin und Odelle Bastien, die Schrittstellerin mit mangelndem Selbstvertrauen. Ein geheimnisvolles Gemälde verbindet die jungen Damen und verwickelt sie in widersprüchliche Abenteuer.

    1936 wird das Hauptthema von der Gleichberechtigung und Anerkennung des weiblichen Geschlechts beherrscht, Olive kann sich als Künstlerin nicht behaupten, da ihr schon von Kindheit beigebracht wurde, „dass Kunst nichts für Frauen ist“.

    1967 rückt das überwiegend rassistische Verhalten der Londoner Bevölkerung in den Vordergrund, Odelle muss sich überwinden, um zu schreiben und ihre Texte zu publizieren, da sie als eine Schwarze aus Trinidad nicht die gleiche Akzeptanz hat, wie ihre Mitbürgerinnen – weder als Mensch noch als Autorin.

    Die bildhafte Sprache lässt die emotionalen Höhepunkte besonders eindrucksvoll erfassen, seien es romantische oder spannende Momente, bittere Missverständnisse oder qualvolle Leiden.

    Was die Entwicklung der Geschichte betrifft, so treten unzählige unerwartete Wendungen auf, die die Erwartungen bezüglich der Finale mehrfach neu bewerten lassen. Dennoch: Die ganze Wahrheit um die Entstehung und Bedeutung des geheimnisvollen Bildes eröffnet sich nicht vor allen Romanfiguren, sondern nur vor den Lesern und hinterlässt einen bittersüßen Eindruck.

    Die Bedeutung der Kunst und die Betonung der Einzigartigkeit begnadeter Künstlerinnen, so wie Olive und Odelle sind, begleiten die fesselnde Erzählung von Jessie Burton. „Das Geheimnis der Muse“ überzeugt als atmosphärischer Roman mit hohem Anspruch.
    Frau Einstein Frau Einstein (Buch)
    14.03.2018

    Einsteins Familie, die Relativitätstheorie und das Wesen der Liebe

    Die Andeutung an Einsteins Faulheit und die gehobene Zielsetzung, Sinn und Zweck der Menschheit auf der Erde herauszufinden stehen in großem Widerspruch. Doch sie sind Teil der Erzählung von Marie Benedict über die erste Ehefrau Albert Einsteins.

    Die Vermutung liegt nahe, dass es sich hierbei um ein detailreiches biografisches Werk handelt, doch vieles ist aus dem privatem Leben der Einsteins nicht bekannt. Anhand des existierenden, historischen Materials entstand dennoch ein glaubwürdiges literarisches Werk, das mit fiktiven Szenen ergänzt wurde.

    In einem ausgeglichenen, respektvollen Ton lässt die Autorin ihre Titelheldin, Mileva Marić, aus der Ich-Perspektive berichten. Damit verleiht sie ihrem Roman eine sehr persönliche Note. Die Erzählung wirkt daher weder trocken noch dokumentarisch und spiegelt nebenbei die Zwiespältigkeit der gesellschaftlichen Normen am Ende des 19. beziehungsweise am Anfang des 20. Jahrhunderts authentisch: Eine intelligente junge Dame behauptet sich schwer unter Männern, die sie ungern in ihren Kreisen am Polytechnikum akzeptieren wollen und in ihr nur ein „hilfloses Weibchen“ sehen. Es bereitete vor über 100 Jahren ungewöhnliche Schwierigkeiten, wenn man als Frau studieren wollte und noch dazu die Fächer Mathematik und Physik.

    Während das Züricher Studentenleben mit seiner Feindseligkeit noch einigermaßen emotional zurückhaltend geschildert wird, entwickelt sich die Geschichte in den späteren Abschnitten wesentlich dramatischer. Obwohl anfangs Ansätze erkennbar werden, die auf die freigeistige und unkonventionelle Haltung Einsteins hindeuten, entfaltet sich langsam ein düsteres Frauenschicksal, das nahezu aussichtslos zu sein scheint. Doch die Hauptfigur, Mileva Marić, die hochbegabte erste Ehefrau von Albert Einstein, beweist in diesem Roman Stärke. Besonders beeindruckend ist ihre fromme Einstellung, die die Göttlichkeit der Naturwissenschaft betont und ihre unerschütterliche Liebe ihrer Familie und ihrer einzig wahren Freundin, Helene, gegenüber.

    Der feinfühlige Roman von Marie Benedict ist in einer exzellenten Sprache verfasst, das stilistisch an den Sprachgebrauch der vorletzten Jahrhundertwende angepasst zu sein scheint. Nicht zuletzt werden dabei die Grundlagen der Relativitätstheorie und weitere physikalische Gesetze in einer sehr gut verständlichen Weise – sogar für Laien genießbar – behandelt. Eine anspruchsvolle Lektüre.
    Die Vergessenen Die Vergessenen (Buch)
    31.01.2018

    Justizentscheidungen auf dem moralischen Prüfstand

    Ein geheimnisvoller Mann für besondere Fälle, Manolis Lefteris, gutaussehend, intelligent, kultiviert, löst Probleme unkompliziert – das ist an sich schon ein guter Anfang. Doch die Thematik und die Handlung ergeben ein durchaus komplexeres Werk: Es geht um Schlupflöcher in der Justiz und den Glauben an Gerechtigkeit.

    Ellen Sandbergs Geschichte fängt spannend an und bleibt durchgehend auf diesem Niveau. Dies gilt sowohl für die Charaktere als auch für die Ereignisse. Ebenso konstant ausgeglichen bleibt der Grundton des Romans, der Erinnerungen an den zweiten Weltkrieg in Rückblenden verarbeitet und in eine moderne Kriminalgeschichte in der Gegenwart einbettet.

    Nach Aussage der Autorin sind alle Personen und Orte frei erfunden, doch der Kern der Geschichte ist wahren Begebenheiten nachempfunden. Die dokumentarisch präzise dargestellten Episoden aus der Vergangenheit wirken genauso schockierend wie die bedrückende juristische Bewertung der geschilderten Massaker und Mordfälle als normale Kriegshandlung. Dieser Freispruch löst in den nachfolgenden Generationen emotionale Konflikte aus. Die Verzweiflung und Machtlosigkeit der beteiligten fiktiven Charaktere ist spürbar.

    Neben der fesselnden und abenteuerlichen Handlung stimmen die moralischen Schwankungen mal hoffnungsvoll mal niedergeschlagen: Wo liegt der Unterschied zwischen Völkermord und normale Kriegshandlung? Gibt es eine Chance auf Gerechtigkeit? Ist Selbstjustiz im Zweifelsfall akzeptabel? Dementsprechend ist Ellen Sandbergs Protagonist, Manolis Lefteris, kein gewöhnlicher Alltagsmensch, obwohl er diesen Schein gern wahren möchte. Sein Doppelleben macht ihn noch interessanter, da seine Beweggründe – trotz Brutalität – gewisser weise aufrichtig sind: Gerechtigkeit außerhalb der Grenzen des Gesetzes.

    Neben den nachdenklichen Momenten erscheint das pulsierende Münchner Großstadtleben als Kulisse sehr realistisch, teils sogar heiter, die Szenen aus dem Verlagsleben – ob seriöse Tagespresse oder leichte Unterhaltung für eine alternde weibliche Zielgruppe – sind glaubhaft. Besondere Momente werden bildhaft beschrieben und ergeben mit gefühlvollen und klassischen musikalischen Elementen ein noch intensiveres Leseerlebnis.

    „Die Vergessenen“ behandelt ein ernstes Thema mit Leichtigkeit, fesselt durch abenteuerliche Verwicklungen und zeigt auf verschiedenen Zeitebenen düstere Kapitel des Krieges und deren Spätfolgen. Die Autorin stellt ein Mahnmal für die unschuldigen Opfer, die im Laufe der Zeit leichthin in Vergessenheit geraten sind.
    Kleine Stadt der großen Träume Kleine Stadt der großen Träume (Buch)
    12.11.2017

    Das Leben normaler Menschen unter Eishockey-Fanatikern

    In einer abgelegenen schwedischen Kleinstadt wird Eishockey vergöttert. Unter normalen Umständen dürfte diese Tatsache noch keine Probleme verursachen. Doch die Stadt- beziehungsweise „Waldbewohner“ – wie sie von Außenstehenden abgestempelt werden – übertreiben es gewaltig in allen Lebenssituationen. Daher entsteht in Björnstadt kein glückliches Landidyll zwischen Bergen, Wäldern und Seen, wie aus dem Bilderbuch. Vielmehr existieren dort getrennte Gruppen der Eishockey-Fans und der nicht-Fans, die in strenger Hierarchie eingeordnet zurecht kommen müssen. Konflikte gehören zum Alltag. Für normale Menschen ist dieser Ort verständlicherweise wenig lebenswert, höchstens nur akzeptabel. Ein Verbrechen eines Eishockey-Stars der Juniorenmannschaft, eine Vergewaltigung, stellt jedoch alles nochmal auf den Kopf.

    Fredrik Backman drängt seine Leserschaft mit seinem Roman „Kleine Stadt der großen Träume“ zu einem emotionalen Karussell. Er bewegt seine Romanfiguren zwischen den äußersten Grenzen einer gespaltenen Gesellschaft, schockiert mit bitteren Auseinandersetzungen, mit Wut und Enttäuschung, spielt mit Variationen zwischen richtig und falsch und letztendlich zwischen gut und böse. Ist es denn uneingeschränkt vertretbar, nur das beste für einen Sportklub zu wollen und dabei Menschlichkeit, Gerechtigkeit und Frieden aufs Spiel zu setzen?

    Die Funktionsweise eines sponsorenabhängigen Sportvereins und die Stimmung eines Eishockey-Spiels werden authentisch geschildert. Genauso glaubhaft wirken die Charaktere, die im Laufe der Ereignisse aufeinander treffen, manche prallen sogar wortwörtlich aufeinander: Aggression im Spiel und im alltäglichen Leben ist genauso Teil des Geschehens, wie zutiefst rührende Dialoge – alles in einer treffsicheren Sprache, ausdrucksstark und nüchtern zugleich. Fredrik Backman verleiht seinen Texten stets eine atemberaubende Intensität.

    „Kleine Stadt der großen Träume“ ist eine polarisierende, dramatische Geschichte über „Erfolgsmenschen“ und „Loser am äußersten Rand der Zugehörigkeitsskala“, überraschend und spannend bis zum letzten Wort.
    Das Glück an Regentagen Das Glück an Regentagen (Buch)
    12.11.2017

    Sowohl Regentage als auch schwere Lebensphasen kann man überwinden

    Die Hauptfigur in Marissa Stapleys Erzählung, Mae, wird erneut verlassen. Ihre Verzweiflung treibt sie in ihre Heimat zurück, die sie vor langer Zeit verließ. Sie wird in Alexandria Bay sowohl mit ihrer als auch mit der Vergangenheit ihrer Eltern und Großeltern konfrontiert. Gleichzeitig bekommt sie eine Chance auf eine bessere Zukunft, doch sie muss daran glauben, dass sich ihr Schicksal wenden kann.

    Dieses Buch ist eine durchwegs melancholische Lektüre, mit tragischen Zwischenfällen. Mae schwelgt entsprechend in Selbstmitleid. Glücklicherweise gibt es eine Sammlung von weisen Sprüchen, die ihre verstorbene Mutter hinterließ, und die sie durch die Regentage helfen – sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinne.

    Nach einer schockierenden Einführung findet die Geschichte langsam zum Gleichgewicht. Dennoch werden nicht alle Handlungen logisch nachvollziehbar. Ziemlich alle Romanfiguren ertappt man dabei, dass sie furchtbar unter ihren quälenden Schuldgefühlen leiden. Dennoch bereichern die Lebenswege der betroffenen Familien über vier Generationen, denn die Ereignisse zeigen eine ausgeprägte Tendenz zur Romantik und zu rührenden Emotionen. Die naturnahe Kulisse wird bildhaft dargestellt und hinterlässt ein wohliges Zufriedenheitsgefühl – so muss sich Heimat anfühlen.

    Sind denn Regentage etwas Aussichtsloses? Maes verstorbene Mutter, Virginia, sieht jedenfalls, wie man sie am besten verkraften und sogar genießen kann. Die Empfehlungen, wie man an Regentagen zum Glück beitragen kann – jeweils am Kapitelanfang – bieten eine liebevolle Sammlung von New Yorker Insider-Tipps (einige sogar von Alexandria Bay), mit Kaffees, Geschäften und Ausflugsmöglichkeiten. Dieser kleine indirekte Reiseführer ist stimmungsvoll und einladend.

    „Das Glück an Regentagen“ ist ein feines, geheimnisvolles Buch für die Seele. Seite für Seite bringt es den Lesern bei, wie man stets mit Zuversicht in die Zukunft blickt.
    Durst Durst (Buch)
    10.10.2017

    Über 600 Seiten pure Spannung mit Harry Hole

    Was macht Jo Nesbøs Kriminalromane so unwiderstehlich und erfolgreich? Auf der Suche nach einer Antwort bietet der 11. Fall von Harry Hole eine gute Gelegenheit.

    Diesmal geht es um einen Serienmörder mit vampiristischer Neigung. Die Opfer sind hauptsächlich weiblich und es fließt sehr-sehr viel Blut. Mitglieder einer Onlinedating-Gemeinde geraten in Gefahr, der Mörder bedient sich aus den Reihen der Anwender. Die kritische Stellungnahme des Autors ist unmissverständlich: Die Feststellungen zur romantischen Illusion der online organisierten Liebe klingen sehr abwertend und ernüchternd. Hervorgehoben werden die starke Abhängigkeit, der Leichtsinn und die Sehnsucht nach Selbstbestätigung, ohne dabei die mögliche Gefahr zu erkennen.

    Jo Nesbø beweist sehr große Sicherheit beim Umgang mit der Sprache. Das wertet „Durst“ enorm auf, der Schreibstil ist – wie der knappe Titel auch – schlicht und effizient.
    Da der Autor seine Geschichte nicht lediglich auf die Wiedergabe von Gräueltaten beschränkt, bleibt die geschilderte Brutalität zwar nachvollziehbar, doch gewissermaßen zurückhaltend.

    Die Ereignisse werden sachlich und verwirrender weise aus mehreren Blickwinkeln betrachtet. Doch wer könnte der Täter und wer das Opfer werden? Bis zuletzt gelingt es dem Autor leicht, die Leser reinzulegen, er bewegt dazu, die Situationen immer wieder aufs Neue zu überdenken.

    Die Protagonisten sind Alltagshelden, die man leicht akzeptiert, sie sind durchaus nicht fehlerfrei und leben in einer allen vertrauten Normalität: Sie meistern ihren Job und verarbeiten ihre alltäglichen Sorgen. Der legendäre Kommissar Harry Hole glänzt demzufolge nicht immer durch Perfektion. Kriminalkommissarin Katrine Bratt liefert Frauenpower, der junge Ermittler Anders Wyller, mit dem schiefen Grinsen und scharfen Verstand ist sofort sympathisch, Kommissar Truls Berntsen mutiert schnell zur Witzfigur. Schlagfertige Dialoge mit ironischem Unterton lockern die derben Scherze über den blutüberströmten Leichen auf. Die Spannung ist nicht nur im Laufe der Geschichte, sondern auch zwischen den Protagonisten gegenwärtig.

    Nicht zuletzt werden die Leser durch Oslo gelotst. Die detaillierten Wegbeschreibungen wirken realistisch und führen durch die norwegische Hauptstadt und durch die nähere Umgebung.

    Insgesamt verspricht dieser Kriminalroman auch literarisch gesehen besondere Momente mit dunklen Geheimnissen, mit melancholischen Zwischensequenzen und mit einem scharf gezeichneten Gesellschaftsbild – kritisch und intelligent, mit präziser Ausdrucksweise. Anspruchsvoller Lesespaß für alle: Der Einstieg in die Harry-Hole-Serie ist auch mit Band 11 problemlos möglich.
    Palast der Finsternis Palast der Finsternis (Buch)
    28.09.2017

    Fantasievolle Gruselgeschichte in einem prächtigen Palast

    Hinter dem edel schimmernden Cover des Abenteuerromans „Palast der Finsternis“ versteckt sich eine packende Geschichte, die Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen begeistern kann.

    Nach kurzer Einleitung legt Stefan Bachmann ein rasantes Tempo hin. Der Autor verwickelt seine jungen, US-amerikanischen Protagonisten in verwirrende Abenteuer in einem geheimnisvollen unterirdischen Palast, in Péronne, Frankreich. Bald entsteht eine unermesslich hohe Spannung. Im weiteren Verlauf erscheinen übernatürliche Figuren und ein zweiter Erzählstrang aus der Vergangenheit (Ereignisse in Frankreich, Ende des 18. Jahrhunderts) lässt Parallelen zur Gegenwart erahnen.

    Entwicklungsfähige, interessante Charaktere und überraschende Wendungen tragen dazu bei, dass sich die Situationen oft zuspitzen. Mit sicherer Hand führt der Autor durch eine wilde Verfolgungsjagd vor einer gruseligen und dennoch edel wirkenden Kulisse.

    Ein kleines Team aus Jugendlichen meistert atemberaubende Herausforderungen. Ob ihnen die Flucht aus der irrsinnigen (Alp-)Traumwelt gelingt, ist fraglich. Bis zum Schluss ist nicht klar, wie man die Ansammlung von bedrohlichen, abartigen Wesen im unterirdischen Palast beseitigen kann.

    Gewürzt mit schlagfertigen Dialogen, frechen Sprüchen und tiefgehenden Gedanken landet der Autor sicher einige Treffer bei einem jungen Publikum. Aber auch Fantasy-begeisterte Leser aus älteren Jahrgängen werden ihren Spaß an diesem von Sarkasmus durchwobenen Roman haben. Nachdem man aber vor lauter Spannung das Buch kaum aus der Hand legen kann, verspricht diese Lektüre in erster Linie Hochspannung im Rahmen einer langen Lesenacht, um nur eine flotte Möglichkeit zu nennen.
    Mr. Peardews Sammlung der verlorenen Dinge Mr. Peardews Sammlung der verlorenen Dinge (Buch)
    25.06.2017

    Eine Sammlung als Wegweiser zum Glück

    Ein pfiffiges, verspieltes Cover lädt zu einer besonderen Geschichte ein: Ursprünglich suchen lediglich zwei „gebrannte Kinder“, Mr. Peardews und seine Assistentin, Laura, nach Seelenfrieden. Doch der Kreis der Suchenden wird allmählich erweitert. Von Anfang an treten immer mehr Charaktere auf, deren Wege sich später kreuzen.

    Vor allem geht es in Ruth Hogans Buch um die Sehnsucht nach Glück. Die Autorin erzählt liebevoll und ausgeglichen. Ihr Einfallsreichtum fällt sofort auf, die Beschreibungen sind bildhaft, die Ereignisse wecken die Neugier. Obwohl die Umgebung in der Gegenwart sehr realistisch wirkt, fühlt man sich oft in eine Märchenwelt versetzt. Dazu tragen größtenteils die übersinnlichen Elemente und die schicksalhaften Begegnungen bei.

    Was sucht eine Keksdose in einem Zug von London Bridge nach Brighton? Mit vermutlich menschlichen Überresten darin? Wer verliert sie? Welche unglaublichen Zufälle schaffen eine derartige Situation herbei? Dieses Buch ist allemal reich an Spannung und überraschenden Wendungen.

    Gefühlvolle Episoden, bunte Formulierungen zum Thema Tod, Vergänglichkeit, Verlust und witzige Zwischenfälle machen Ruth Hogans Romandebüt zu einem kleinen zauberhaften Leseschatz.
    Rees, T: Die zwei Leben der Florence Grace Rees, T: Die zwei Leben der Florence Grace (Buch)
    04.06.2017

    Eine charakterstarke Frauenfigur im viktorianischen England

    Autorin Tracy Rees beeindruckte bereits mit ihrem ersten Roman und Bestseller „Die Reise der Amy Snow“ und nun entführt sie ihre Leser wieder ins viktorianische England. „Die zwei Leben der Florence Grace“ ist eine natürliche, ausgeglichene Erzählung über eine besondere junge Dame.

    Die Hauptfigur, Florrie Buckley (alias Florence Grace) aus Braggenstones, berichtet über ihren Weg zum Erwachsenwerden aus der Ich-Perspektive. Die sympathische Heldin ist so außergewöhnlich, dass man sie nicht so leicht einordnen kann. Das unschuldige, aufrechte Mädchen landet plötzlich in einer neuen, gekünstelten Umgebung. Nach dem Tod ihrer direkten Angehörigen fällt ihr der Wechsel zwischen ihrer naturnahen, ländlichen Lebensweise in Cornwall und der prachtvollen Gesellschaft in London schwer.

    In diesem Buch werden große Kontraste thematisiert: Landleben – Stadt, Armut – Reichtum, Anstand – Verlogenheit, Diener – Herr, Nebellandschaft – Sonnenschein. Außerdem werden die Umstände besonders betont, die Frauenschicksale bestimmen, darunter die erstarrten Konventionen des 19. Jahrhunderts, die einen „Ausbruch“ nahezu unmöglich machen.

    Tracy Rees vermittelt ihre Geschichte in einer klaren, klassischen Sprache. Der Grundton ist etwas naiv und märchenhaft mit mystischen Elementen. Die Sprachqualität bleibt von der ersten bis zur letzten Seite konstant auf einem hohen Niveau. Die wunderschöne Wortwahl, detailreiche Naturbeschreibungen und die gefühlvolle Darstellung erschaffen eine besondere Atmosphäre, die in Elfriede Peschels Übersetzung perfekt zur Geltung kommt.

    Eine Leseempfehlung für feinfühlige Romantiker und Fans von charakterstarken Frauenfiguren.
    Booy, S: Mit jedem Jahr Booy, S: Mit jedem Jahr (Buch)
    04.06.2017

    Lauter kleine Dinge, die glücklich machen

    „Mit jedem Jahr“ ist ein dezentes, philosophisch angehauchtes Werk vom Schriftsteller Simon Van Booy. Er bleibt sich mit diesem Roman nach wie vor treu und – wie in „Die Illusion des Getrenntseins“ – verwandelt er das Alltägliche ins Außergewöhnliche mit leisen Worten.

    In der Geschichte handelt es sich um eine komplizierte Adoption und um die Entwicklung der Beziehung zwischen einem Ziehvater und einer Adoptivtochter. Das sind überwiegend familiäre Ereignisse zweier liebenswürdigen Menschen, die unter bescheidenen Lebensverhältnissen zurecht kommen müssen und dabei Herausforderungen meistern, die den Meisten vertraut vorkommen werden: Haushaltsmanagement, Arbeit, Schulalltag, gemeinsame Freizeit, Geburtstage, Krankheiten, Kummer, um nur Einiges zu nennen. Nichts Weltbewegendes, dennoch transformiert der Autor das gesamte Geschehen in eine fesselnde Chronik auf mehreren Zeitebenen.

    Der ruhige Grundton wird in jeder Situation beibehalten. Die Darstellung ist schlicht, die Emotionen bleiben durchgehend zurückhaltend, sie werden beinahe schon sachlich betrachtet. Die melancholischen Szenen stimmen stets nachdenklich.

    Die klaren Worte des Autors vermitteln eine unanzweifelbare Selbstverständlichkeit der Liebe zu einer Tochter, die man unverhofft bekommt und die Freude am überraschend wiedergefundenen Sinn des Lebens. Diese wunderbare Neuorientierung führt zu weisen Erkenntnissen, die in der Darstellung des Autors geradezu verzaubern.

    Die Melancholie des Glücks und die Wertschätzung der kleinen Dinge – das sind die Stärken des Buches, mit deren Hilfe der Autor die Leserschaft in eine vertraute und familiäre Welt verführt. Eine kleine Aufheiterung im Alltag, wenn man gelegentlich bei den Warum- und Was-wäre-wenn-Fragen dazu neigt, die Übersicht zu verlieren.

    „Du musst einfach jeden Tag mit dem Besten leben, was du hast.“
    Das Labyrinth der Lichter Das Labyrinth der Lichter (Buch)
    05.04.2017

    Düstere Tage in Barcelonas Geschichte – in einer sprachlich grandiosen Darstellung

    „Das Labyrinth der Lichter“ ist der vierte Band einer Reihe. Es ist jedoch möglich, das Gesamtwerk mit jeder beliebigen Folge zu beginnen. Anfangs verursachen zwar die fehlenden Hintergrundinformationen etwas Verwirrung, doch nach kurzer Zeit überwindet man diese mithilfe der detaillierten Rückblenden.

    Der Roman behandelt auf mehreren Zeitebenen die Geschichte weniger Familien beziehungsweise einiger Opfer des spanischen Bürgerkriegs 1936-1939 und der darauf folgenden Franco-Diktatur. Die Ereignisse spielen sich hauptsächlich in Barcelona und teilweise in Madrid ab. Das sind düstere Episoden, während deren die Angst regierte und ungeahnte menschliche Abgründe sich auftaten.
    Der Autor, Carlos Ruiz Zafón, vermittelt diese grauenvolle Zeit in einer eigenwilligen, wunderschönen Sprache. Durch seine bildhafte Erzählung wird die bedrückende Atmosphäre spürbar: Teils wird die Brutalität ins Unerträgliche gesteigert. Erleichterung schaffen die Jahre nach Francos Tod, der Grundton wechselt danach in eine bittersüße Stimmung.

    Übersetzer Peter Schwaar hatte mit Sicherheit keine leichte Aufgabe, die komplexen Gedanken von Zafón in deutscher Sprache aufzubauen. Immerhin sind in diesem Buch Sätze über 7-8 Zeilen keine Seltenheit.

    „Das Labyrinth der Lichter“ bietet viele Facetten, unter anderem spannende Agentenabenteuer, kaltblütige Verbrechen, zwielichtige Regierungsgeschäfte und als Gegenpol die allgegenwärtige Liebe und das moralisch hoch angesetzte Streben nach der Wahrheit.
    Die Figuren und die Ereignisse wirken authentisch, die Protagonisten erwecken Sympathie. Ihre dramatischen Schicksale stehen symbolisch für viele Leidtragende.

    Das Tempo wird dem Geschehen stets angepasst; mal rasend und verzweifelt, mal zögerlich und unsicher, mal gemütlich und lustvoll-genießerisch. Bei Letzteren treten die Vorzüge von Zafóns Heimatstadt in den Vordergrund: Es ist einmalig, mit seinen Helden zusammen zu leiden, mit ihnen durch Barcelonas Straßen zu streifen und dabei der spanischen Lebensart näher zu kommen. Ein weiterer Lichtblick sind schlagfertige Dialoge, scherzhaft versaute Weisheiten und traumhaft magische Darstellungen einer Stadt in dunklen und in lichtvollen Momenten.

    Unter diesen Gegensätzen bleibt „Das Labyrinth der Lichter“ ein durchgehend spannendes Buch – bildhaft, bewegend, voller Emotionen. Keine leichte Lektüre zwischendurch, eher ein anspruchsvolles Monumentalwerk, das die permanente Aufmerksamkeit fordert.
    Es klingelte an der Tür Rex Stout
    Es klingelte an der Tür (Buch)
    05.04.2017

    Kultdetektiv Nero Wolfe legt sich mit dem FBI an

    „Es klingelte an der Tür“ ist keine Neuerscheinung, sondern ein klassischer amerikanischer Detektivroman, ein Bestseller aus den 60ern – neu aufgelegt vom Klett-Cotta Verlag, aktuell übersetzt von Conny Lösch.
    Das Cover sticht mit einem zeitgerechten Motiv hervor, das geschickt auf die bekannte Nero-Wolfe-Tradition hinweist – natürlich mit Leineneinband im Retrostil.
    Die Kriminalromane von Rex Stout wurden seit den 30ern mehrfach verlegt und verfilmt, mittlerweile wuchs eine riesige Fan-Gemeinde heran. Kein Wunder, Stouts Stil überzeugt von Anfang an sowohl mit hochwertiger Schreibqualität als auch mit spannendem Inhalt. Dabei gewinnt man bei „Es klingelte an der Tür“ anfangs einen etwas verrückten Eindruck, die Handlung klingt absurd: Eine reiche Witwe verwickelt sich in einen anscheinend gefährlichen Konflikt mit der Sicherheitsbehörde der USA und danach wird sie vom FBI verfolgt. Zumal könnte sie ihre Tage völlig sorglos und gedankenlos verbringen, sich in Luxus wälzen und glücklich sein. Doch sie fordert ihr Schicksal heraus. Wie soll es Nero Wolfe gelingen, die Auftraggeberin vor dem FBI dauerhaft zu schützen?

    Zuerst gilt es, die Motive der Protagonisten – der Auftraggeberin und des Detektivs, Nero Wolfe – zu verstehen. Danach geht es schwungvoll an die Lösung heran und all diese Vorgänge bereiten großen Spaß. Schlagfertige Dialoge, charakteristische Figuren und theatralisch angelegte Inszenierungen verhalfen diesen Roman seit der ersten Auflage stets zum Erfolg.

    Besonders bemerkenswert ist die Persönlichkeit von Nero Wolfe, dem übergewichtigen, orchiedeenzüchtenden Sonderling mit scharfem Verstand und mit ausgeprägter Neigung zum Genuss. Doch unerwarteterweise ist er nicht der Erzähler. Die Geschichte wird von seinem smarten Assistenten aus der Ich-Perspektive – spürbar kritisch – dargestellt: Ein ironisches Augenzwinkern ist immer dabei.

    Das heutige Publikum wird sicherlich den klaren Stil des Autors genießen und die Leichtigkeit, mit der er verwirrte Situationen beschreibt und bewertet. Die etwas nostalgische, elegante Grundstimmung wird durch die aktuelle Übersetzung hervorragend unterstreicht: Die beste Basis, um in den faszinierenden New Yorker Alltag der 60er Jahre einzutauchen.

    Die Folge 28 der bereits weltberühmten Nero-Wolfe-Serie ist eine stilvolle und amüsante Lektüre für anspruchsvolle Leserschaft.
    Und nebenan warten die Sterne Und nebenan warten die Sterne (Buch)
    09.11.2016

    Trauerverarbeitung mit Sprüchealbum

    Eine herzzerreißende Familientragödie erschüttert das Leben von Erika Blair. In ihrem persönlichen Umfeld wird sie mit den Gefühlen ihrer Familienmitglieder und ihrer Freunde konfrontiert. Sie muss über dies hinaus noch „verstörende Erinnerungen“ aus der Kindheit bewältigen.

    Autorin Lori Nelson Spielmann wählte ein überaus emotionales Thema für ihren Titel „Und neben warten die Sterne“. Die Ausgangssituation gibt genug Stoff für Spannungen: Alleinerziehende (geschiedene) Mutter, eine Adoptivtochter – junge Erwachsene mit einer Menge Unsicherheiten –, eine tragisch verunglückte leibliche Tochter, ein etwas oberflächlicher Ex-Mann, hoch gesetzte Ziele im Beruf – stressiger Alltag – und emotionale Lasten aus der Vergangenheit.

    In erster Linie steht in diesem Buch die Trauerverarbeitung mit qualvollen Schuldgefühlen. Die Autorin führt die Leser durch zweierlei Ansichten durch die Ereignisse. Erika Blair erzählt in der Ich-Perspektive, die Eindrücke ihrer Adoptivtochter werden in der dritten Person geschildert. Das sorgt zwar anfangs für etwas Verwirrung, doch der direkte, schnörkellose Schreibstil hilft, um sich schnell an dieses Wechselspiel zu gewöhnen.

    Die zwei Hauptfiguren, Erika und Annie, kämpfen sich durch die verwirrte, hektische Welt. Vielversprechende, überraschende Wendungen tragen dazu bei, dass es im Roman nicht nur bei Vorwürfen und quälenden Schuldgefühlen bleibt, sondern auch alte und neue Freundschaften blühen können und Liebe entflammt.

    Letztendlich tragen die Sprüchealben viel bei, dass die Romanhelden nahezu unversehrt durch alle Desaster kommen. Großmutters liebevolle und weise Anleitung begleitet die Töchter schützend über den Tod hinaus.

    Ein bemerkenswerte Lektüre, doch das Thema ist fast zu umfangreich für knapp 400 Seiten. Zeitweise mangelt es an Beweggründen und es wird mutig angenommen, dass die emotionale Wahrnehmung bei Männern fehlt. Es prickelt, es kriselt gewaltig, es ist in jeder Hinsicht aufregend. Die Schwierigkeiten, das eigene Leben „aufzuräumen“, sind knallhart erlebbar.

    Autorin Lori Nelson Spielman bleibt sich treu und sorgt mit ihrem aktuellen Titel für ein packendes emotionales Leseerlebnis.
    Winterblüte Winterblüte (Buch)
    09.11.2016

    Romantisches Wintermärchen

    Ein eiskalter Winter tobt in Heiligendamm, Weihnachten steht vor der Tür und die Familie Baabe ist in großer Aufregung. Tochter Johanna soll bald heiraten, doch sie will nicht. Zumindest nicht die Kandidaten, die ihr den Hof machen. Schließlich möchte sie glücklich werden. Doch 1902, Anfang des 20. Jahrhunderts spielt die gesellschaftliche Stellung eine so große Rolle, dass weibliche Familienmitglieder kaum auf ein unabhängiges und freies Leben hoffen dürfen.

    Glücklicherweise bringt eine unbekannte Schiffsbrüchige Abwechslung ins Leben des kleinen Ortes an der Ostseeküste. Aus der melancholischen Grundstimmung entwickelt sich eine spannende Geschichte, die sowohl die festgefahrenen Traditionen als auch die Toleranz der Beteiligten auf die Probe stellt.

    Die lebendig gezeichneten Figuren und bildhaften Szenenbeschreibungen lassen unterhaltsam in die Kulisse der vorletzten Jahrhundertwende eintauchen. Besonders stimmungsvoll ist die elegante Umgebung, die eifrige Vorbereitung in der Vorweihnachtzeit und die Einstimmung auf das Fest. Ergreifend die dramatischen Emotionsausbrüche – schließlich geht es um Identität, Abstammung und ferner um eine glückliche Zukunft.

    Aussichtslosigkeit und Hoffnung wechseln sich in kurzen Abschnitten ab. Sogar gewisse Parallele zum Aschenputtels Leidensweg werden erkennbar, während sich die Liebesbeziehungen etwas eigenständig entwickeln und sich die Situation am Weihnachtsabend beim prunkvollen Ball zuspitzt.

    Die Autorin strickt „Winterblüte“ fesselnd und einfühlsam, einzig die Dialoge enthalten zum Teil moderne Redewendungen, die sich etwas unglücklich in die Zeit vor über 100 Jahren fügen. Insgesamt gewinnen die Sympathie zu den Romanfiguren und die kurzweilige Erzählkunst.
    Wer weiß, was morgen mit uns ist Wer weiß, was morgen mit uns ist (Buch)
    21.11.2014

    Emotionale Zeitreise mit einer Prise Romantik und Spannung

    Unkompliziertes und fesselndes Jugendbuch mit sympathischen Romanhelden. *****

    Jung und zeitlos verliebt

    Was wäre ein Jungendbuch ohne eine Liebesgeschichte?

    Ann Brashares navigiert ihre Romanhelden in „Wer weiß, was morgen mit uns ist“ durch schwer vorstellbare Hindernisse. Die Schwierigkeiten ergeben sich aus der Herkunft der Liebenden, die amouröse Verbindung entwickelt sich nämlich zwischen zwei Jugendlichen aus verschiedenen Zeiten. Prenna ist eine 17-jährige Schülerin und Zeitreisende aus der Zukunft, Ethan, ihr Schulfreund ist Jetztgeborene (eine Person aus der Gegenwart).

    Zeitreisen sind ein sehr spannendes Thema. In diesem Jugendroman wird natürlich nicht die wissenschaftliche, sondern die menschliche Seite aufgegriffen. Während die kleine „fremde“ Gemeinschaft der Zeitreisenden versucht in der – für sie – „falschen“ Zeit heimlich Fuß zu fassen, erschafft sie einen totalitären Ministaat für sich. Die Richtigkeit ihrer Handlungen ist dabei sehr fragwürdig: Alle Lebensbereiche der Mitglieder werden streng kontrolliert, die totale Überwachung verdirbt die Lebenslust: „Das hier hat mit Leben nichts zu tun.“

    In der Hoffnung auf eine Alternative zur Realität stürzen sich die Protagonisten in waghalsige Abenteuer. Sie schlagen sich durchs Wirrwarr der Ereignisse auf verschiedenen Zeitebenen.

    Der Schreibstil der Autorin ist ausgezeichnet und unkompliziert, selbst, wenn es um politische oder um philosophische Gedankengänge geht. Daher lässt sich das Buch leicht verschlingen. Die anfänglich düstere Grundstimmung löst sich schnell auf, wechselt in eine rasante und hoffnungsvolle Phase, um auf ein mögliches Happy End zuzusteuern. Ob sich die Zeit austricksen lässt?
    Die „Was wäre wenn?“-Fragen sind ständige Begleiter während der Geschichte. Die meist verdrängten Emotionen stimmen nachdenklich und regen stets zu einer kleinen Lesepause an. Aber es gibt immer einen Hoffnungsschimmer.

    In diesem Roman werden viele Themen berührt, von allem gibt es eine Prise: Emotionen, Romantik, Grenzen und Regeln, Sehnsucht nach Freiheit, Zukunftsvisionen, sogar Kritik gegenüber der Konsumgesellschaft. Eine Prise nur, glücklicherweise, schließlich handelt es sich hier um ein Jugendbuch und die Autorin schaffte es mit ihrer direkten und gefühlvollen Art, einen durchgehend unterhaltsamen Roman für eine junge Zielgruppe zu schreiben, ohne den Lesespaß mit einem überkomplizierten Themenkomplex zu verderben.
    Mystery Girl Mystery Girl (Buch)
    12.11.2014

    Ein intelligentes, schräges Buch mit Niveau

    Mystery Girl ist zweifellos ein Kriminalroman fern von der Normalität. Bereits die Ausgangssituation erweckt Argwohn: Ob der Privatdetektiv Solar Lonsky, eine der Hauptfiguren, ein Genie und geschätzter Arbeitgeber oder schlicht nur geisteskrank ist? Oder ist der Erzähler, Sam Kornberg, einigermaßen gesund, obwohl er sich größtenteils der Selbstquälerei hingibt, quasi „frei nach Proust“ um die fehlende Erinnerung, was und wann in seinen Ehejahren schief gelaufen ist? Heißt Kornbergs Ehefrau Lala oder lebt sie unter falscher Identität in den USA? Sehr lange ist es auch nicht klar, ob tatsächlich ein Kriminalfall vorliegt. Nichts ist, wie es scheint.

    Die detaillierten Beschreibungen zeigen schräge Figuren und nicht weniger verwirrende Ereignisse in einer häufig surreal wirkenden Umgebung. Entsprechend kommt die Ansprache in einer korrespondierenden Szene kaum seltsam vor: „Ladies und Gentlemen und alle dazwischen, ...“. Obwohl die Sexualität (oft sogar Pornografie) nicht nur in den Dialogen ein Thema ist, bleibt die Obszönität in annehmbaren Rahmen.

    Alles dient in diesem Roman der Kunst und der Verwirrung. Bald empfindet man nicht mehr störend, wie sprunghaft sich die Themen wechseln: wissenschaftliche Vorträge über Literaturtheorie, bildhaft detaillierte pornografische Filmszenen, Alltag, Verbrechen oder Erinnerungen an ein friedliches Eheleben. Nicht mal die persönliche Anrede der Leser durch den Autor bringt einen aus der Bahn: „Ich will Sie nicht mit Details langweilen.„ Wie eben ein spontaner Austausch von unglaublichen Anekdoten, die wider Erwarten allen – selbst dem langweiligsten und erfolglosesten Romanautor wie Sam Kornberg – passieren können.

    Stilistisch erinnert das Buch an klassische Kriminalgeschichten: präzise geschrieben, spannend gehalten, mit merkwürdigen und abenteuerlichen Wendungen.
    David Gordon lockert einige peinliche oder düstere Abschnitte sogar mit makaberen Ausdrücken auf, wie „Walfischsperma“ (als Energie-Shake) und „Coffee and Donuts für alle“ als allgemeine Begrüßung (mangels Sprachkenntnisse) bei einer mexikanischen Trauerzeremonie.

    David Gordons geistreiche, präzise Ausdrucksform, der Einfallsreichtum des Autors und die durchgehend selbstkritische Haltung des Protagonisten erwecken von Anfang an Sympathie.

    Wer sich in den Parallelwelten zwischen Wahrheit und Täuschung und in durchgeknallten Szenen mit urkomischen Darstellern verlieren möchte und dabei eine unberechenbare, abenteuerliche Lektüre wünscht, dem werden mit Mystery Girl die Herzenswünsche erfüllt.
    Simon, L: Elchscheiße Simon, L: Elchscheiße (Buch)
    12.11.2014

    Roadtrip und Schildbürgerstory, irrsinnig lustig und fesselnd

    Bekanntlich meidet man gern Scheisse in allen Lebenslagen. Bei dieser Scheisse sollte man jedoch eine Ausnahme machen: Da muss man einfach durch!
    Lars Simons Romandebüt ist so gut gelungen, dass es Zeile für Zeile ein Vergnügen ist, der Geschichte zu folgen.
    Sein Held ist ein ganz normaler Mann mit Job, mit Freundin und mit einem guten, aber lauen Durchschnittsleben. Da ihm das aber alles zu fade wird und da seine Beziehung sowieso schon schön langsam dahinkriselt, trifft er eine Entscheidung: Er weckt den Ur-Mann in seinem Inneren. Wie das geht? Ganz einfach: Alles hinschmeißen und etwas Neues anfangen. Ein Wagnis, ein unerwartetes Erbe anzutreten, kommt Torsten da gerade zum richtigen Zeitpunkt. Und Torsten ist wohl einer, der im beginnenden Midlife-Crisis-Alter gern etwas riskiert.

    Das „kosmische Zeichen aus Gödseltorp“ führt ihn zu einem kleinen Ort in Schweden, wo dann so richtig viel „Mist“ passiert. Obwohl der Weg dorthin auch nicht zu unterschätzen ist.

    Der Autor erschuf mit „Elchscheisse“ eine Mischung aus Roadtrip und Schildbürgerstory mit einer ganzen Menge Situationskomik und mit unglaublichen Ereignissen, die Lars Simon bildhaft und oft sogar „schmackhaft“ beschreibt. Die Geschichte ist dabei fesselnd und so irreal es auch klingt, erscheint sie meist glaubhaft.
    Lars Simon schildert Torstens Gefühlswelt unheimlich witzig, mit einer guten Portion Ironie. Man sollte sich diesen schrägen Roman nicht entgehen lassen, insbesondere weil er von einem Mann geschrieben wurde, der sich mit dem Titelthema anscheinend gut auskennt und das garantiert durchgehend Heiterkeit. Dieser knapp 300-Seiten-Irrsinn hat nur einen Fehler: Er endet zu schnell.
    Newsletter abonnieren
    FAQ- und Hilfethemen
    • Über jpc

    • Das Unternehmen
    • Unser Blog
    • Großhandel und Partnerprogramm
    MasterCard VISA Amex PayPal
    DHL
    • AGB
    • Versandkosten
    • Datenschutzhinweise
    • Impressum
    • Kontakt
    • Hinweise zur Batterierücknahme
    * Alle Preise inkl. MwSt., ggf. zzgl. Versandkosten
    ** Alle durchgestrichenen Preise (z. B. EUR 12,99) beziehen sich auf die bislang in diesem Shop angegebenen Preise oder – wenn angegeben – auf einen limitierten Sonderpreis.
    © jpc-Schallplatten-Versandhandelsgesellschaft mbH
    • jpc.de – Leidenschaft für Musik
    • Startseite
    • Feed
    • Pop/Rock
    • Jazz
    • Klassik
    • Vinyl
    • Filme
    • Bücher
    • Noten
    • %SALE%
    • Weitere Weitere Bereiche
      • Themenshops
      • Vom Künstler signiert
      • Zeitschriften
      • Zubehör und Technik
      • Geschenkgutscheine
    • Anmelden
    • Konto anlegen
    • Datenschutzhinweise
    • Impressum
    • Kontakt