Eine große Schatztruhe für Bücherfreunde
Mit seinem vierten Roman aus dem Romanzyklus rund um den Friedhof der Vergessenen Bücher schenkt Zafón seinen Lesern eine wahre Schatztruhe prallgefüllt mit einer spannenden Erzählung, humorvollen Dialogen, düster-poetischen Beschreibungen, geheimnisumwobenen Orten und faszinierenden Charakteren.
Ein wenig fühlte ich mich aufgrund der Hauptfigur Alicia, die mir wie eine weibliche Ausgabe von James Bond vorkam, anfangs an eine Spionagegeschichte erinnert, dann eher an eine Kriminalerzählung, eine Bücher-, Stadt- und Familiengeschichte. Das Buch blickt tief in die leider sehr realen Abgründe der spanischen Geschichte unter Francos Faschisten, weist immer wieder märchenhafte und fantastische Züge auf, bleibt dabei aber in der Realität verwurzelt und wird zum Schluss sogar ein wenig literarisch-philosophisch.
Bei Zafón wird der Leser gefordert; dieser Roman, der sich in keine Schublade stecken lässt, enthält einige sehr grausame, für mich kaum erträgliche Szenen und beginnt mit verschiedenen Erzählsträngen und Zeitsprüngen, die mich verwirrten und zugleich schnell in ihren Bann zogen. Im weiteren Verlauf fügt sich jedoch alles ineinander und Zafón hat dieses Buch offensichtlich bewusst so gestaltet, dass auch das vorherige Lesen oder Wiederlesen der ersten drei Bände nicht notwendig ist. Allerdings erweckt der Roman große Lust, diese gleich danach zu lesen, um noch ein wenig in dieser wie verzaubert wirkenden Welt zu verharren. "Eine Geschichte hat weder Anfang noch Ende, nur Eingangstüren" (S. 874) ist wohl einer der Schlüsselsätze für diesen Romanzyklus.
Besonders gefiel mir der Umgang des Autors mit seinen Figuren, die er sehr lebendig schildert und die mich immer auf die eine oder andere Art faszinierten. Und wenn sie dem Leser einmal nebensächlich erscheinen, können sie urplötzlich aus ihrer scheinbaren Nebenrolle ausbrechen und eine zentrale Rolle einnehmen. Als würde uns der Autor daran erinnern wollen, dass jeder Mensch ein Geheimnis, jeder Mensch wichtig ist. Leider bedeutet das auch, dass man sich als Leser auch einmal von einer Figur verabschieden muss, in die man sich verliebt hat und über die man gerne noch mehr gelesen hätte ...
Der große Lesegenuss, den mir "Das Labyrinth der Lichter" bereitet hat, ist aber auch der eleganten Übersetzung von Peter Schwaar zu verdanken, die durch große Sprachgewandtheit beeindruckt.
Ferner sollte zum Schluss die besonders sorgfältige Gestaltung dieses Buches nicht unerwähnt bleiben: Neben einem praktischen Lesebändchen begleiten historische Fotografien die Handlung und fügen sich ganz selbstverständlich in die Erzählung ein.
Ein wunderbares und rundum gelungenes Werk, dessen Lektüre zwar etwas Zeit und Muße erfordert, aber es lohnt sich!