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    jommelli Top 50 Rezensent

    Aktiv seit: 25. August 2010
    "Hilfreich"-Bewertungen: 2505
    195 Rezensionen
    Klavierkonzerte Nr.1 & 2 Klavierkonzerte Nr.1 & 2 (CD)
    14.07.2021
    Booklet:
    4 von 5
    Gesamteindruck:
    3 von 5
    Klang:
    2 von 5
    Künstlerische Qualität:
    3 von 5
    Repertoirewert:
    3 von 5

    Ernüchternd

    Eigentlich ein großer Freund eines historisch informierten, entschlackten Klangbildes romantischer Musik (siehe meine Rezension der kürzlich erschienenen Weber-Konzerte), hat mich die vorliegende, ungeduldig erwartete Neueinspielung der beiden Brahms-Konzerte mit András Schiff als dirigierendem Pianisten gleich in verschiedener Hinsicht enttäuscht und befremdet.
    Zunächst einmal (ich habe mit dem meines Wissens noch nie auf altem Instrumentarium aufgenommenen 2. Konzert begonnen) habe ich überprüft, ob mit meiner HiFi-Anlage oder den Kopfhörern etwas nicht in Ordnung sei- so stumpf, glanzlos und basslastig war der erste Klageindruck, wie unter einem Schleier oder einer Glasglocke. Aber nein, alles war in bester Ordnung, wie die genau 30 Jahre alte Brendel-Abbado-Einspielung zeigte, die im Vergleich zu der Neuaufnahme schlank, brillant und bis ins kleinste Detail plastisch gestaltet klang. Der Blüthner-Flügel von 1859 ist sicherlich ein schönes Instrument, doch vom Tonmeister sehr stark nach vorn gezogen, so dass das insgesamt auf gewohnt hohem Niveau spielende Orchestra of the Age of Enlightenment aus dem Hintergrund agiert und leider oftmals nicht in allen Stimmen optimal durchhörbar ist. Die jeglicher Tiefenschärfe entbehrende matte Akustik des Londoner Aufnahmestudios trägt das Ihrige dazu bei. Und gerade eine besondere Durchsichtigkeit im Instrumentalsatz hatte ich mir hier eigentlich erwartet! Dazu kommt noch, dass Schiff, an dessen technischer Meisterschaft keinerlei Zweifel bestehen, einen extrem nüchternen, auf Agogik und Rubato weitgehend verzichtenden Interpretationsansatz verfolgt. Sehr schnell habe ich mich bei einer derart emotional unterkühlten Auffassung gelangweilt, ganz besonders im zweiten Satz, der in einer korrekten, aber m.E. nahezu keimfreien Sterilität erstarrt. Gerade in dem nur scheinbar leichtgewichtigen Finale bleibt die sanfte Melancholie und Doppelbödigkeit der komplexen Faktur völlig auf der Strecke. Der im Vergleich zum modernen Konzertflügel insgesamt naturgemäß leisere, hellere Klang des Blüthner kann hierfür keinerlei Rechtfertigung bieten. Ähnlich enttäuscht hat mich das erste Konzert. Unverständlich ist mir, warum Schiff zu Beginn nicht der originalen, sehr raschen Metronomangabe von Brahms gefolgt ist und dadurch die Chance vertan hat, eine vom Komponisten intendierte Spieldauer von deutlich unter 20 Minuten zu erreichen, was dem sehr kolossal wirkendem ersten Satz wahrscheinlich gutgetan hätte. Besonders schmerzlich habe ich kleine agogische Feinheiten und emotional und technisch gekonnt gestaltete und atmende Tempoübergänge vermisst, ohne die romantische Musik, egal auf welchen Instrumenten man sie spielt, nicht leben kann. Hier zeigt sich ganz klar, dass man bei den beiden Konzerten einen erfahrenen Dirigenten braucht, der das Geschehen auf gleicher Augenhöhe mit dem Solisten lenkt und steuert. Der Pianist als Dirigent: Was bei Mozart, Beethoven oder sogar noch Schostakowitsch im Glücksfall (z.B. bei Leonard Bernstein oder Jos van Immerseel) funktionieren kann, scheitert bei Brahms auf ganzer Linie an der Komplexität des kompositorischen Materials. Ein mir bekannter Profi-Hornist hat einmal generell Aufnahmen romantischer Orchestermusik auf Originalinstrumenten herablassend als „Schwachstrommusik“ bezeichnet, was mich einst sehr verärgert hat. Im vorliegenden Falle scheint dieses bissige Verdikt jedoch völlig gerechtfertigt und so kann ich leider nicht in den Chor der vielen begeisterten Rezensenten miteinstimmen. Fazit: Eine sicherlich hochambitionierte Einspielung, die aber meiner subjektiven Einschätzung nach sowohl vom Interpretationsansatz her als auch aufnahmetechnisch weder überzeugt, noch den zahlreichen großartigen Tondokumenten in „traditioneller“ Aufführungspraxis gleichwertig an die Seite gestellt werden kann.


    Endimione (Serenata in 2 Akten / 1776) Endimione (Serenata in 2 Akten / 1776) (CD)
    17.06.2021
    Booklet:
    5 von 5
    Gesamteindruck:
    5 von 5
    Klang:
    5 von 5
    Künstlerische Qualität:
    4 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    Ein Must-have in Sachen Michael Haydn

    Dass Michael Haydn alle Kniffe und Techniken der italienischen Opera seria meisterhaft beherrschte, konnte man bislang nur anhand der Oper “Andromeda e Perseo“ festmachen, von der gleich zwei Aufnahme existieren. Daher kommt der vorliegenden Weltpremiere eine besondere Bedeutung zu, da sie einen wichtigen Mosaikstein im sich erst allmählich vervollständigenden musikalischen Kosmos des jüngeren Haydn-Bruders darstellt. Hochinteressant ist auch ein Vergleich mit Johann Christian Bachs gleichnamiger, nur wenige Jahre zuvor entstandenen Serenata.
    Formal wagt Haydn hier besonders in der Ariengestaltung Beachtliches: Neben eher konventionellen, aus der Dacapo-Arie entwickelten Formen wird mit hybriden rondoartigen Strukturen experimentiert, die man so bei seinen Zeitgenossen nicht finden kann. Qualitativ bewegt sich die Musik auf einer Höhe, die den frühen Opern Mozarts (dem Haydn ein wichtiges Vorbild war, wie man an zahlreichen Stellen deutlich hören kann) kaum nachsteht. Geradezu genial ist die entfernt an Gluck erinnernde Verbindung von Arioso und Rezitativ in der langen, dramaturgisch zentralen Schlummerszene des Endymion.
    Die drei Sopranistinnen und der ebenfalls in hoher Sopranlage durchaus beeindruckend singende Countertenor haben horrend schwere, koloraturgespickte Partien zu meistern und leisten ausgezeichnete Arbeit, auch wenn man minimale Abstriche bei den Protagonisten Diana und Endimione machen muss. Aleksandra Zamojskas vibratoreiche Interpretation neigt leicht zur Manieriertheit, während die Stimme von Nicholas Spanos bei den Spitzentönen seiner gesangstechnisch immens heiklen Kastratenrolle an ihre Grenzen gerät. Trotzdem ist es sehr wohltuend, ein „männliches“ Timbre unter den vier Sopranpartien zu haben. Die Salzburger Hofmusik begleitet beherzt, aber auch manchmal etwas scharf und ruppig, was mir bei diesem Ensemble schon öfters negativ aufgefallen ist. Die oftmals sehr langen Seccorezitative hätten ohne Schaden etwas gekürzt werden können.
    Natürlich ist die vorliegende Serenata ein Gelegenheitswerk und wird wohl kaum eine Rolle im internationalen Konzert- oder Opernbetrieb spielen, doch darf man CPO dankbar sein, eine weitere Facette im Schaffen Michael Haydns eindrucksvoll beleuchtet zu haben. Man kann wieder einmal deutlich hören, auf welch hohem Niveau sich die Musik am fürsterzbischöflichen Hof zu Salzburg um 1770 auch jenseits von Mozart bewegt hat. Klare Kaufempfehlung!


    Klavierkonzerte Nr.1 & 2 Klavierkonzerte Nr.1 & 2 (SACD)
    21.05.2021
    Booklet:
    5 von 5
    Gesamteindruck:
    5 von 5
    Klang:
    5 von 5
    Künstlerische Qualität:
    5 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    Beglückende neue Referenzaufnahme

    Die in Bezug auf C.M. von Webers Werke für Klavier und Orchester nicht eben üppige Diskographie erfährt durch diese erste Gesamteinspielung auf historischen Instrumenten eine besondere und längst überfällige Erweiterung und Neubewertung. Besonders die beiden zeitgleich mit Beethovens Meisterwerken der Gattung entstandenen Klavierkonzerte standen schon immer im Schatten des Titanen. Erst durch die vorliegende spritzig-durchsichtige Interpretation wurde mir bewusst, wie wertvoll und geistreich diese relativ kurzen Werke sind, die nie den Anspruch auf tiefschürfende Weltgeltung erhoben, sondern eine abwechslungsreiche Unterhaltung auf höchstem Niveau darstellen, die für die frühe Entstehungszeit (1810-12) äußerst modern war und Weber auch im Instrumentalfach als einen der begabtesten Komponisten der nach-Beethoven-Generation ausweist. Das vor fast drei Jahrzehnten von M. Tan und Roger Norrington bereits auf authentischem Instrumentarium eingespielte Konzertstück op. 79 komplettiert die Aufnahme sinnvoll und ist aufgrund der viel besseren Klangqualität und -Balance eine echte Bereicherung.
    Das herrliche und bestens intonierte und präparierte Hammerklavier von Conrad Graf tut das seinige dazu, um die perlenden Girlanden dieser immens heikel zu spielenden Musik unter den berufenen Händen von R. Brautigam glitzern und funkeln zu lassen. Das vollendet aufeinander abgestimmte Originalklangorchester der Kölner Akademie unter bewährter Stabführung von M.A.Willens erweist sich hierbei als kongenialer Begleiteter. Das Klangergebnis dieser SACD kann nicht anders als perfekt bezeichnet werden. Unbedingte Kaufempfehlung!
    Gesu Cristo negato da Pietro (Wien 1719) Gesu Cristo negato da Pietro (Wien 1719) (CD)
    07.05.2021
    Booklet:
    3 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    4 von 5
    Künstlerische Qualität:
    4 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    Wertvolle Musik in problematischer Neuedition

    Das hier in Weltersteinspielung vorgestellte Oratorium von J. J. Fux hatte 1719 in Wien Premiere. Fux wählte für die Textvertonung des Hofdichters Pariati, der Petrus mehreren allegorischen Figuren gegenüberstellt, einen bewusst konservativen, anspruchsvoll- kontrapunktischen Kompositionsstil, der auf Opernanklänge weitgehend verzichtet. Innerhalb der klaren Grenzen dieser strengen, gelehrten und öfters etwas steifen Musik passieren jedoch zahlreiche, besonders harmonische Überraschungen, die man gerne mehrmals hört. Allerdings gibt es auch einige äußerst langatmige Einzelnummern. Im Original wechseln sich Rezitative und Dacapoarien zeittypisch ab, die beiden Teile schließen jeweils mit einem kurzen, von den fünf Solisten gesungenen Chor. Dirigent G. Letzbor hat sich allerdings bewusst dafür entschieden, die (seiner Meinung nach) für den heutigen Hörer zu komplexen italienischen Rezitative durch kurze, vor jeder Arie verlesene deutsche Zusammenfassungen zu ersetzen. Man hört bei dieser überarbeiteten, klanglich ausgezeichneten Liveaufnahme nur ganz am Anfang ein derartiges von einer stark österreichisch gefärbten, unausgebildeten Stimme holprig vorgetragenes Beispiel, was ziemlich befremdlich wirkt. Im Verlauf bleibt einem Ähnliches glücklicherweise erspart und man kann die kurzen Texte im booklet nachlesen, während man die ohne Unterbrechung aufeinanderfolgenden Arien hört. Inkonsequenterweise wurden aber an einigen dramaturgisch besonders wichtigen Stellen doch je zwei Accompagnatos und Seccos gespielt- und mir haben die anderen Rezitative tatsächlich schmerzlich gefehlt. Ein so stark auf theologisch gefärbte Rhetorik hin ausgelegtes Werk sollte man nicht derart verstümmeln, auch wenn der Inhalt für uns moderne Menschen tatsächlich wie aus einer anderen Welt zu stammen scheint. Dazu gehört auch, dass mit der allegorischen Figur des „Odio de Giudei“ eine Personifikation des damals besonders in den habsburgischen Erblanden grassierenden katholischen Antijudaismus erklingt. Ohne die vollständigen Texte allerdings bleibt der ganze kulturgeschichtlich hochinteressante Blick in diese versunkene Zeit nur unvollständig.
    Unvollständig klang für mich auch die mit nur vier solistischen Streichern und Continuo (in einer Arie tritt noch eine obligate Posaune dazu) extrem dünn besetzte instrumentale Seite, was G. Letzbor u.a. mit finanziellen Aspekten begründet. Man ist aus den Quellen unterrichtet, dass derartige Oratorien in Wien von einer großen, meist durch Bläser verstärkten Streicherbesetzung aufgeführt wurden, was eine sehr viel größere klangliche Abwechslung ermöglicht hätte. Allerdings ist die Durchhörbarkeit durch die Kammerbesetzung ausgezeichnet und der eher karge Klang zwingt zu konzentriertem Hören, was dieser anspruchsvollen Komposition guttut.
    Die vokale Seite der vorliegenden Ersteinspielung überzeugt hingegen (fast) vollständig. Leider wurde für die Rolle der Magd der vor einigen Jahren als Solist der St. Florianer Sängerknaben überregional bekannte und nun als Countertenor wirkende Alois Mühlbacher verpflichtet, dessen Timbre zu dieser Rolle, die im Original übrigens von einer Frauenstimme gesungen wurde, aber leider überhaupt nicht passt und zudem erhebliche technische Schwächen offenbart. Schade- denn sonst wird wunderschön und nahezu makellos gesungen.
    Insgesamt tue ich mich mit einer Bewertung schwer, da der grundlegende Ansatz einer Modernisierung durch Texteliminierung m.E. weder musikwissenschaftlich noch künstlerisch zu vertreten ist. Trotzdem bekommt man jede Menge wertvoller und teils hochexpressiver Musik in ausgezeichneter Interpretation zu hören, was die Einspielung für Freunde alter Musik insgesamt dann doch empfehlenswert macht.

    Osterkantaten Osterkantaten (CD)
    13.03.2021
    Booklet:
    4 von 5
    Gesamteindruck:
    3 von 5
    Klang:
    2 von 5
    Künstlerische Qualität:
    3 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    Enttäuschende Ersteinspielung

    Weltpremieren von Graupner sind für den Entdecker alter Musik immer eine interessante Sache. Auch diesmal überzeugen die vier zwischen 1719 und 1743 entstandenen Passions- und Osterkantaten musikalisch durch eine ausgeklügelte und kunstvolle, gelegentlich etwas manierierte Tonsprache im Sinne spätbarocker Rhetorik. Leider bin ich mit Klang und Interpretation nicht wirklich glücklich. Zunächst fällt das stark überakustische Umfeld der Reutlinger Kirche negativ auf. Besonders die solistisch besetzten und unverständlicherweise ohne 16´- Bassinstrument spielenden Streicher klingen hier sehr dünn und scharf. Gegen den stark besetzten und leider nicht immer lupenrein intonierenden Knabenchor, aber auch gegen die durchweg überzeugend singenden Solisten (besonders das Timbre des jungen Countertenors Jan Jerlitschka lässt aufhorchen!) kann sich dieses verloren wirkende Streichquartett kaum durchsetzen. Davon abgesehen hätte besonders den beiden österlichen Kantaten ein etwas temperamentvolleres Dirigat sehr gutgetan. Verglichen mit den zahlreichen erstrangigen Graupner-Einspielungen von CPO, Christophorus oder Carus der letzten Jahre bleiben bei der vorliegenden Aufnahme doch noch viele Wünsche offen.

    Ein Kommentar
    Anonym
    15.03.2021

    Graupner

    Herzlichen für die Bewertung, die allerdings nicht ganz wertungsfrei daherkommt:
    Wie man(n) einer CD-Aufnahme ein energisches Dirigat absprechen kann, empfinde ich als interessanten Ansatz: Konnten sie den Ensembles bei den Aufnahmen beiwohnen, um dies so dezidiert zu beurteilen?
    Die Anmerkung in Bezug auf die Osterkantaten und die Tempovorstellung kann ich ebenfalls nicht recht teilen: Ob der Eingangschor zum Ostersonntag,
    die Freudenarie des Tenor oder auch der Schlusschor des Ostermontag, hier wird in äußerst
    lebendigem, virtuosem Tempo musiziert!
    Romilda e Costanza Romilda e Costanza (CD)
    28.02.2021
    Booklet:
    1 von 5
    Gesamteindruck:
    3 von 5
    Klang:
    2 von 5
    Künstlerische Qualität:
    3 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    Ein erster Schritt

    Da unverständlicherweise noch immer mehrere Opern aus Meyerbeers früher Schaffensperiode ohne Einspielung einem breiteren Hörerkreis vorenthalten bleiben, kommt der vorliegenden Aufnahme besondere Bedeutung zu. Mit „Romilda e Costanza“ (1817) liegen nun immerhin all seine in Italien entstandenen Werke auf Tonträger vor. Insofern vervollständigt diese Einspielung das immer noch recht rudimentäre Meyerbeer-Gesamtbild auf lobenswerte Weise.
    Leider bin ich ansonsten nicht besonders glücklich mit dieser 2019 beim Festival in Wildbad entstandenen recht dumpf und nebengeräuschbelastet klingenden Liveaufnahme. Natürlich gibt es, wie bei Budget-Produktion inzwischen fast immer, kein Libretto (nicht einmal ein Hinweis zu einem Download) und nur eine kurze Einführung mit oberflächlicher Inhaltsangabe. Musikalisch ist zunächst einmal das vokale Niveau, mit dem eine Opernersteinspielung steht oder fällt, äußerst inhomogen. Während alle Männerstimmen (darunter der erstklassige und mit entsprechenden Bravorufen geehrte kongolesische Tenor P. Kabongo in der horrend schweren Rolle des Tebaldo) überzeugen, scheitern die Sängerinnen der beiden gleichwertig konzipierten Titelfiguren auf ganzer Linie: Unsaubere Intonation, grelle Spitzentöne, gurgelnde Tiefe, verwaschene Deklamation, holprige Koloraturen- kurzum alle Untugenden von Interpretinnen, die mit den hohen und höchsten Anforderungen dieser extrem virtuosen Belcantopartien restlos überfordert sind. Auf stellenweise fast schon laienhaftem Niveau (rhythmisch verwackelt, dynamisch unausgewogen mit zahlreichen falschen und schiefen Töne in den Bläsern) präsentiert sich das Orchester aus Krakau. So verwundert es nicht, dass der Dirigent L. Acocella auf ziemlich verlorenem Posten steht und es ihm nur selten gelingt, seine Mannschaft aus dem Quark zu locken. Das ist sehr bedauerlich, denn mit erstklassigen Kräften hätte diese stark von Rossini beeinflusste, aber im Detail höchst individuelle und originelle Partitur des jungen Meyerbeer nämlich beste Chancen, ins Repertoire der großen Opernhäuser einzuziehen.
    Insgesamt hätte ich dieser diskographisch wichtigen Ersteinspielung eine bessere Gesamtinterpretation sowie eine liebevollere und hochwertigere Edition gewünscht. Trotzdem kann man die Aufnahme allen Musiktheaterbegeisterten empfehlen und nur hoffen, dass sich bald ein Qualitätslabel für diese wertvolle Oper interessiert!
    Armida Armida (CD)
    24.02.2021
    Booklet:
    5 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    4 von 5
    Künstlerische Qualität:
    3 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    Frühe Talentprobe Saleris

    Allmählich nimmt das noch immer recht unscharfe Bild Antonio Salieris diskographisch mehr und mehr Konturen an. Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg ist die vorliegende Weltpremiere der ersten Opera seria des erst 21-jährigen Wahlwieners. Verglichen mit der nur ein Jahr später entstandenen Buffa „La fiera die Venezia“, der man mit ihrem unwiderstehlichen Brio getrost den Rang eines frühen Meisterwerks zugestehen kann, hält sich meine Begeisterung bei der vorliegenden „Armida“ doch ziemlich in Grenzen.
    Das liegt zunächst einmal an den zahllosen Bezügen auf Salieris Mentor Gluck, die teils so stark sind, dass man schon von Plagiatsnähe sprechen könnte, obwohl sich der junge Komponist damit wohl bewusst vor dem älteren Meister musikalisch verneigen wollte. Dramaturgisch knüpft Salieri besonders in den langen, durch Chöre bereicherten Accompagnatoszenen stark an die Reformopern Glucks an, beschreitet aber mit mehreren, meist allerdings nur mäßig virtuosen Arien und Duetten eher den Weg einer Synthese zwischen der neuen Gattung und der althergebrachten Nummernoper. Trotz prinzipieller Knappheit der einzelnen Formteile gibt es besonders im langen letzten Akt zahlreiche Durststrecken. Generell gelingen dem jungen Komponisten die dramatischen Ausbrüche viel überzeugender als die lyrischen Momente, die schnell gepflegte Langeweile verströmen. Höhepunkt der ganzen Oper ist m.E. ein Terzett der drei Hauptrollen, das von höchstem musikdramatischen Talent zeugt und den Vergleich mit Mozart nicht zu scheuen braucht. Insgesamt hat diese Armida auf mich den Eindruck einer ersten nicht unerheblichen, aber alles andere als genialen Talentprobe gemacht. Ob diese Oper auf der realen Bühne des 21. Jahrhunderts eine nachhaltige Überlebenschance hätte, wage ich zu bezweifeln.
    Ähnlich durchwachsen beurteile ich auch die vorliegende Interpretation durch das Ensemble unter Christophe Roussets in Sachen Salieri inzwischen bewährter Leitung. Lenneke Ruiten in der Titelrolle singt sehr gut, kann aber einige unschöne Schärfen und Härten in der oberen Stimmlage nicht optimal kontrollieren. Die Kastratenrolle des Rinaldo wird von Florie Valiquette verkörpert, die ein gepflegtes, aber insgesamt zu weiches und feminines Timbre für diese vielschichtig konzipierte Partie aufweist. Hier wären Teresa Iervolino, die die kleine Rolle der Ismene singt, oder ein Countertenor geeigneter gewesen. Uneingeschränkt überzeugend agiert Bariton Ashley Riches als Ubaldo. Von diesem jungen Sänger, der seinen immensen Stimmumfang perfekt und ausdrucksvoll steuert, wird man sicherlich noch öfters hören.
    Das Originalklangensemble „Les Talens lyriques“ begleitet wie immer sehr durchsichtig, lässt es aber manchmal an dramatischer Verve fehlen. Unerklärlich ist mir, wieso Rousset trotz genügend Platz auf den Cds zwei größere Arien von Ubaldo und Ismene gestrichen hat, die diese beiden Nebenrollen deutlich aufgewertet hätten. Sehr erfreulich ist die hochwertige Ausstattung der Box mit viersprachigem Libretto und Einführungstext, der höchsten musikwissenschaftlichen Kriterien genüge tut. Alles in allem sicherlich keine CD für die einsame Insel, aber eine durchaus interessante und empfehlenswerte Ersteinspielung.
    Il Paria Il Paria (CD)
    31.01.2021
    Booklet:
    5 von 5
    Gesamteindruck:
    5 von 5
    Klang:
    5 von 5
    Künstlerische Qualität:
    5 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    Grandioses Belcanto-Fest!

    Eines gleich vorweg: Selten hat mich eine Belcanto-Neueinspielung so begeistert wie der vorliegende „Paria“. Dem 1829, also an der Schnittstelle zwischen Jugendwerken und reifen Meisteropern entstandenen Melodramma war weder zu Donizettis Lebzeiten noch in den folgenden knapp 200 Jahren ein besonderer Erfolg beschert. Bis auf eine musikalisch und klanglich unterdurchschnittliche Liveaufnahme aus der italienischen Provinz (Bongiovanni, 2001) fand diese einzige in Indien spielende Oper des großen Bergamasken unverständlicherweise kein Interesse auf dem Tonträgermarkt. Nun legt Opera rara endlich eine Referenzaufnahme dieses hochvirtuosen, formal kühnen und mit nur 110 Minuten Spielzeit sehr kurzen Bühnenwerks vor. Donizetti hatte mit Adelaide Tosi, G.B. Rubini und Luigi Lablache damals drei der weltbesten Sänger zur Verfügung. Ähnliches kann man von der vorliegenden Produktion mit Fug und Recht ebenfalls behaupten. Die zentrale Rolle in diesem auch in heutiger Zeit noch aktuellen Drama über religiös-gesellschaftliche Intoleranz hat der Tenor inne: Idamore dürfte mit seinen vielen punktgenau platzierten Spitzentönen cis2 und d2 wohl die anspruchsvollste Donizetti-Tenorpartie überhaupt sein. René Barbera, dessen Timbre mich manchmal an den jungen Pavarotti erinnert hat, scheint derartige Schwierigkeiten spielend zu bewältigen und geht in einer improvisierten Passage sogar noch bis zum glasklaren e2 weiter. Albina Shagimuratova, deren strahlender Sopran in letzter Zeit noch an Fülle und Wärme gewonnen hat, sowie der gleichermaßen machtvolle wie lyrische Bassbariton von Misha Kiria gesellen sich auf gleicher Augenhöhe dazu, so dass einem vor so viel Belcantoglück manchmal fast schwindlig wird. Dass die Protagonisten dabei ganz unhistorisch und nicht ohne eine gewisse Eitelkeit bei Schlüssen langausgehaltene Spitzentöne präsentieren, fällt dabei nicht weiter ins Gewicht.
    Bestleistungen erbringt auch die aus Spezialisten zusammengestellte und privat organisierte „Britten Sinfonia“, die zwar auf modernem Instrumentarium, aber im Geiste der historischen Aufführungspraxis eine präzise, federnde und temperamentvolle Grundlage für all die vokalen Herrlichkeiten bildet. Nach einer m.E. enttäuschenden „Semiramide“ und einem ebenfalls eher durchwachsenen „Ange de Nisida“ präsentiert sich Sir Marc Elder hier wieder in absoluter in Topform am Pult. Der Klang ist großflächig, brillant und perfekt ausbalanciert, wobei besonders zu loben ist, dass man jede einzelne Orchesterstimme glasklar heraushört.
    Danke an die Opera rara company und ihre zahlreichen Förderer, die auch in immer schwierigerem finanziellen Umfeld eine so herausragende und hochwertig ausgestattete Studioproduktion ermöglicht haben.

    Demofoonte Demofoonte (CD)
    08.01.2021
    Booklet:
    2 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    3 von 5
    Künstlerische Qualität:
    4 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    Alan Curtis´ Vermächtnis

    Diese Cd-Box mit der Weltpremiere von Glucks Demofoonte stellt nichts weniger als das Vermächtnis eines der bedeutendsten Interpreten der historischen Aufführungspraxis des 20. Jahrhunderts dar! Warum diese nur zwei Monate vor seinem Tode im Juli 2015 entstandene Aufnahme erst mit fünfjähriger Verspätung und dann in lieblos-billiger Aufmachung (kein Libretto, keine Inhaltsangabe, nur ein englischer Einführungstext) bei einem Budgetlabel erscheint, ist mir ein Rätsel, lässt aber in Bezug auf die Veröffentlichungspolitik und den Stellenwert herkömmlicher CDs in Streamingzeiten tief blicken.
    Da unverständlicherweise noch immer mehrere Opern aus Glucks vorreformatorischer Schaffensperiode uneingespielt einem breiteren Hörerkreis vorenthalten bleiben, kommt der vorliegenden Aufnahme besondere Bedeutung zu. Da von Demofoonte nur die Arien erhalten geblieben sind, hat Dirigent Alan Curtis die Seccos nach Modellen Glucks rekonstruiert. Das Ergebnis lässt sich hören, doch spielen diese recht stereotypen Rezitative im Vergleich zu den weitestgehend originellen Arien nur eine untergeordnete Rolle. Es ist hochinteressant zu hören, wie der erst 28-jährige Gluck bemüht ist, die Schablonen der Opera seria zu erweitern, zu hinterfragen und zu individualisieren. Das gelingt nicht immer, vieles verharrt noch in höfischer Dacapo-Konvention, aber es gibt genug handfeste musikalische Überraschungen, die den späteren Bilderstürmer und Reformer schon deutlich ankündigen. Insofern vervollständigt diese Einspielung das immer noch sehr rudimentäre Gluck-Gesamtbild auf hervorragende Weise.
    Curtis konnte 2014 und 2015 auf eine Crew ausgezeichneter Kräfte zurückgreifen, unter ihnen so bewährte Namen wie Ann Hallenberg, Romina Basso oder Colin Balzer. Ein konstant sehr hohes gesangstechnisches Niveau wird niemals unterschritten, aber es gibt m.E. doch einen wesentlichen Kritikpunkt: Die bei der Uraufführung 1743 vom berühmten Kastraten Carestini gesungene Rolle des Primo uomo Timante wird von dem zur Aufnahmezeit erst 20-jährigen New Yorker Countertenor Aryeh Nussbaum Cohen verkörpert, der zwar eine wunderschöne, aber für diese große Rolle noch zu leichtgewichtige und unausgereifte Stimme hat. Man vergleiche als Beispiel nur einmal die Auftrittsarie „Sperai vicino“ mit der von P. Jaroussky 2006 mit 28 Jahren gesungenen Version auf seinem Album „Heroes“ und man kann deutlich hören, dass sein junger, hochbegabter Kollege noch einige Jahre benötigen wird, um eine wirklich überzeugendes Rollenportrait vorlegen zu können.
    Das mit A. Curtis traditionell verbundene Ensemble „Il Complesso Barocco“ spielt wie immer unter seiner Leitung korrekt, aber manchmal etwas zurückhaltend und temperamentlos. Die Streicher sind meinem Geschmack nach oft zu scharf und spitz, was wohl auch einer sehr direkten, trockenen Akustik geschuldet ist. Wie auch bei seinen vielen Händeleinspielungen bleibt Curtis also bis zuletzt seiner im Vergleich zu vielen jüngeren Kollegen eher bedächtigen Herangehensweise treu.
    Insgesamt hätte ich dieser grundlegend erfreulichen und spannenden Ersteinspielung allerdings eine liebevollere und hochwertigere Edition gewünscht. Trotzdem ein würdiger Abschluss eines bedeutenden Lebenswerkes!
    Scherz, List & Rache Scherz, List & Rache (CD)
    05.12.2020
    Booklet:
    3 von 5
    Gesamteindruck:
    3 von 5
    Klang:
    3 von 5
    Künstlerische Qualität:
    3 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    Zwiespältiger Gesamteindruck

    P.C. Kayser war bislang eine lexikalische Größe, der man nur im Zusammenhang mit der Biographie seines Freundes Goethe begegnete, auf dessen Texte er immerhin drei Singspiele schrieb. Nun ist es sehr interessant, mit „Scherz List und Rache“ zum ersten Mal eines dieser Werke, die von der Nachwelt nahezu völlig ignoriert wurden, kennenlernen zu können.
    Mein Gesamteindruck ist zwiespältig: Zum einen findet man bei Kayser spannende, individuelle und zukunftsweisende Musik, die man um 1780 andernorts so kaum gehört haben dürfte. Andererseits leidet das mit nur drei Personen besetzte Singspiel, das hier um fast 50% gekürzt (aber immer noch zwei Stunden dauernd!) erklingt, an der oftmals redundanten Überfülle des prinzipiell schlichten Textes, der vom Komponisten meist äußerst kleingliedrig nachgezeichnet wurde, was das Hören am Stück recht anstrengend macht. Unmittelbar eingängige Melodien fehlen fast völlig, Kaysers Tonsprache kann als intellektuell und durchaus spröde bezeichnet werden. Goethe war sich dessen voll und ganz bewusst und so fand das für den Kenner aparte, aber letztendlich unaufführbare Werk bis 1993 (und da auch nur gekürzt und in reduzierter Orchesterfassung) nie den Weg auf eine Opernbühne. Sehr ungünstig erwies sich außerdem der kometenhafte Aufstieg Mozarts zur selben Zeit, der auf Kayser so entmutigend gewirkt haben muss, dass er schon 1792 das Komponieren völlig aufgab.
    Das vorliegende Singspiel ist zwar noch nach Einzelnummern gegliedert, aber diese sind oft sehr lang und in sich in zahlreiche kleinere Rezitative und Arien unterteilt, so dass sich ein durchkomponierter Gesamteindruck ergibt. Die Tonsprache bedient sich italienischer und deutscher Einflüsse, ohne irgendwie epigonal zu sein, die Instrumentation ist farbig und originell, manches erinnert den heutigen Hörer stark an Beethoven. Ob „Scherz, List und Rache“ jemals eine Platz im gegenwärtigen Opernbetrieb finden wird, darf bezweifelt werden.
    Die drei Gesangskräfte, die allesamt trotz der umfangreichen Kürzungen sehr anspruchsvolle und anstrengende Partien haben, leisten durchweg Erfreuliches. Besonders der lyrische, manchmal an F. Wunderlich erinnernde Tenor von C. Frey hat mich vollends überzeugt.
    Das Originalklangorchester unter W. Erhard hingegen agiert in dieser sehr direkt aufgenommenen und recht nebengeräuschreichen Liveaufnahme m.E. zu scharf, ruppig und leider (besonders in den Streichern) oftmals unsauber. Wie schon bei früheren Aufnahmen in dieser Besetzung hat der pausenlos und ungebremst pseudo-virtuos arpeggierende Hammerflügelspieler M.Toni schon bald meine Geduld überstrapaziert.
    Schade, dass somit der gesamte instrumentale Bereich nicht überzeugt. Insgesamt ist auch sehr bedauerlich, dass man bei der DHM nicht in eine ungekürzte Studioaufnahme investieren konnte oder wollte, die es ermöglicht hätte, die gesamte Partitur kennenzulernen, ohne die drei Protagonisten zu überfordern. Wenigstens hätte man den Gesamttext abdrucken und die Kürzungen kennzeichnen können. So bleiben nach dem Hören dieser Weltpremiere trotz ausgezeichneter Sänger doch noch viele Wünsche offen.
    Antiochus & Stratonica Antiochus & Stratonica (CD)
    14.11.2020
    Booklet:
    5 von 5
    Gesamteindruck:
    5 von 5
    Klang:
    5 von 5
    Künstlerische Qualität:
    5 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    Großartige Weltpremiere!

    Die vorliegende erste Studioeinspielung einer Oper Graupners kann nicht hoch genug bewertet werden. Zwar kann man sich bei Youtube einen stark gekürzten Livemitschnitt seiner überaus kühnen Oper „Dido“ anhören, doch erst mit dem vorliegenden „Antiochus“ hat man eine Produktion vorliegen, die höchsten musikalischen und klanglichen Ansprüchen genügt und dabei die Möglichkeit gibt, das Werk ungekürzt mit vollständig abgedrucktem Text genießen zu können.
    Anders als bei so mancher Barockoper ist es hier nämlich durchaus sinnvoll, sich näher mit dem zwar zeitbedingt weitverzweigten, jedoch oft auch witzigen Libretto, das eine wichtige komische Rolle vorsieht, zu beschäftigen. Denn gerade bei der Vertonung der Rezitative lässt der erst 25-jährige Komponist größte Sorgfalt und bewundernswerten dramatischen Instinkt walten.
    Ein Vergleich mit der fast zeitgleich für dieselbe Hamburger Bühne entstandenen ersten Oper Händels „Almira“ bietet sich an. Während Händel herrliche, meist eingängige Melodien, derer er sich bis an sein Lebensende bediente, mit größter Leichtigkeit entwirft, merkt man dem fast gleichaltrigen Graupner deutlich einen Zug zum Intellektuell-Vergrübelten und Spröden an, der sich dann während seiner späteren Darmstädter Jahre zu einem singulären Manierismus entwickelte, der es seinen Hörern nicht immer leicht macht.
    Erstaunlich ist, wie viele bis dato neuartige Klangkombinationen der junge Komponist aus dem eher bescheiden besetzten Orchesterapparat (Streicher, Blockflöten, Oboen, Fagott) zu entwickeln vermag, wobei gedeckte und zarte Farben dominieren. Nahezu jede Arie ist vollkommen originell gestaltet, Form und Harmonik sind –anders als bei den meisten Zeitgenossen- oft nicht vorhersehbar. Selten habe ich eine fast vierstündige Oper des 18. Jahrhunderts gehört, die von A-Z so anspruchsvoll und abwechslungsreich komponiert ist- auch wenn „Schlager“ händelschen Zuschnitts fehlen, was einer weiteren Verbreitung des Werkes jenseits von Spezialfestivals im Wege stehen dürfte. Insgesamt muss man sehr bedauern, dass von drei weiteren für Hamburg geschriebenen Opern die Musik verlorenging und Graupner nach seinem Wechsel nach Darmstadt bis auf wenige Ausnahmen nicht weiter als Opernkomponist in Erscheinung getreten ist.
    Die Interpretation und Klangqualität der vorliegenden Box unter bewährter Leitung von P. O´Dette und S. Stubbs lässt nichts zu wünschen übrig: Alle Partien werden mustergültig und hochinspiriert von illustren Namen der Alte-Musik-Szene vorgetragen und es ist reine Geschmackssache, welche(r) Sänger(in) einem am besten gefällt. Meinem Empfinden nach wird einzig die sehr dominante Harfe als Continuoinstrument zu häufig eingesetzt und verliert dadurch an klanglicher Besonderheit.
    Vielen Dank an alle Beteiligten dieser maßstabsetzenden Produktion, die glücklicherweise noch kurz vor dem großen Lockdown in Bremen fertiggestellt werden konnte und als Meilenstein der gegenwärtigen Graupnerrezeption gelten dürfte.
    Mose (Oratorium) Mose (Oratorium) (CD)
    29.10.2020
    Booklet:
    5 von 5
    Gesamteindruck:
    5 von 5
    Klang:
    4 von 5
    Künstlerische Qualität:
    5 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    Hochinteressanter oratorischer Seitenweg

    Die vorliegende erste Einspielung eines größeren Werks von A.B. Marx überhaupt ist in vieler Hinsicht bemerkenswert: Zum einen bekommt man die Gelegenheit, einen ungerechterweise vergessenen Komponisten, der bislang nur als lexikalische musikwissenschaftliche Größe bekannt war, kennenlernen zu dürfen, zum anderen stellt der Mose aus dem Jahre 1841 eine sehr ernstzunehmende Alternative zu Mendelssohns und Spohrs Oratorien dar.
    Kaum eine Phrase, die einen nicht an die beiden obengenannten Komponisten, an Händel oder bisweilen auch Bach erinnern würde- doch in der dramaturgischen Verbindung der einzelnen formalen Elemente betritt Marx absolutes Neuland. Die drei großen jeweils ca. 40 Minuten langen Teile sind kantatenartig durchkomponiert, man kann (und soll) kaum zwischen Rezitativ und Arioso, beides immer wieder von Chören durchsetzt, unterscheiden. Tatsächlich gibt es hier (nicht aber in der trotz einiger jäher Modulationen und einem ungewöhnlich breiten Tonartenspektrum eher konservativ-diatonischen Tonsprache) Parallelen zu Wagners Ästhetik. Am stärksten war ich von den komplexen fünf- bis achtstimmigen Chören beeindruckt. Die kontrapunktische Meisterschaft ist oftmals verblüffend, ohne dass Marx (völlig anders als Mendelssohn) auch nur eine einzige regelkonforme Fuge dabei verwendet hätte.
    Die Instrumentation ist durchaus originell: Mal extrem hoch geführte, ätherische Violinen, mal prächtiges, durch ein ungewöhnliches Tenorhorn verstärktes Blech oder überraschend aufleuchtende Holzbläsersoli. Man weiß als Zuhörer nie genau, was einen als nächstes erwartet-und diese Unvorhersehbarkeit in allen Parametern ist eine der größten Stärken dieses Oratoriums. So verwundert es auch nicht, dass der beim ersten Hören fast befremdlich wirkende archaische Schluss allen traditionellen Erwartungen radikal entgegenläuft. Viel weniger begabt war der Komponist hingegen als Melodiker: Was vokalen Schmelz anbelangt, bleibt sein Melos klar hinter den berühmteren Zeitgenossen zurück, was das Hören manchmal recht anstrengend macht.
    Insgesamt merkt man dem gesamten Werk deutlich an, dass A.B. Marx ein um Originalität bemühter, sehr begabter Vertreter seines Fachs, aber eben kein epochales Genie wie Mendelssohn oder Wagner war. Ob sich sein Mose in den Konzertprogrammen auf Dauer durchzusetzen vermag, bleibt abzuwarten. In jedem Falle lohnt die nähere Beschäftigung mit diesem Werk. Ich werde mir sicherlich den bald bei Breitkopf erscheinenden Klavierauszug besorgen.
    Die Interpretation durch den fabelhaften Gewandhauschor und die auf Originalinstrumenten spielende Camerata Lipsiensis (eine Nennung der einzelnen Musiker fehlt leider im Beiheft) ist vorzüglich. Minimale Abstriche kann man nur bei kleineren, der Livesituation geschuldeten Unsauberkeiten und stimmlichen Spannungen bei den Gesangssolisten und einigen störenden Nebengeräuschen machen.
    Insgesamt stellt diese Weltpremiere eine der interessantesten Neueinspielungen im Bereich romantischer geistlicher Musik der letzten Jahre dar. Klare Kaufempfehlung!
    Kantaten mit obligatem Fagott Kantaten mit obligatem Fagott (CD)
    20.09.2020
    Booklet:
    5 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    3 von 5
    Künstlerische Qualität:
    5 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    Interessante Neuigkeiten von C.Graupner

    Kontinuierlich setzt CPO Jahr für Jahr seine Graupner-Reihe fort, so dass inzwischen eine beträchtliche Anzahl Kantaten des Darmstädter Hofkapellmeisters vorliegt, was sehr zu begrüßen ist.
    Die vorliegenden sechs Kantaten (1737-1749 komponiert) verwenden neben dem solistischen Fagott originelle Instrumentalbesetzungen wie Hörner, Chalumeaux und bis zu vier verschieden gestimmte Pauken (auch in Moll!), was in der Barockzeit singulär ist.
    Wie meistens bei späten Werken Graupners findet man neben hochoriginellen, ergreifenden, bizarren oder ungewohnt modern anmutenden Kompositionen auch recht langatmige Einzelstücke. So auch hier. Anders als Hermann Max in seiner nach wie vor maßstabsetzenden CPO-Einspielung von Graupnerschen Weihnachtskantaten (2010) hat sich Dirigent Florian Heyerick dazu entschieden, keine Dacapos zu kürzen, was für den heutigen Hörer manchmal eine ziemliche Herausforderung darstellt, so z.B. in einer fast zwölfminütigen Bassarie, die einfach nicht enden will.
    Im Gegensatz zu früheren Aufnahmen unter Heyericks Leitung wird hier ein handverlesenes und prominentes muttersprachliches Vokalquartett eingesetzt, so dass diesbezüglich keinerlei Wünsche übrigbleiben. Der derzeit prominenteste Barockfagottist, Sergio Azzolini, der in jeder Kantate ein großes Solo hat, sorgt hierbei für zusätzlichen Glanz . Nicht so glücklich war ich mit den extrem dünn und scharf klingenden, nur solistisch besetzten Violinen, die sich besonders in den stärker besetzten Stücken nur schwer gegen die lauteren Instrumente wie Hörner oder Pauken durchsetzen können. Hier hätte man in eine mindestens zweifache Besetzung investieren oder die Geigen akustisch stärker zur Geltung bringen müssen. Für diese auf Dauer doch recht störende Beeinträchtigung ein Stern Abzug.
    Kulturgeschichtlich sehr informativ ist das Beiheft, das ausführlich über die traurige Lebensgeschichte von Graupners Fagottist J.C. Klatsch informiert, der in Armut endete, weil ihn sein Dienstherr, der hessische Landgraf, nicht vertragsgemäß bezahlte.
    Insgesamt eine sehr interessante Neuproduktion, an der alle Liebhaber unbekannter Barockmusik ihre Freude haben dürften.


    Ein Kommentar
    Anonym
    27.09.2020

    Danke

    Danke für Ihre immer wieder erhellenden Kommentare.
    Polydorus (Oper in 5 Akten) Polydorus (Oper in 5 Akten) (CD)
    17.08.2020
    Booklet:
    2 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    3 von 5
    Künstlerische Qualität:
    4 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    Ein neuer Blick auf C.H.Graun

    Der vorliegenden Einspielung kommt das nicht unerhebliche Verdienst zu, zum ersten Mal überhaupt eine deutschsprachige Oper von C.H. Graun vorgestellt zu haben.
    Dies ist umso interessanter, als man mit dem 1726 komponierten Polydorus ein Werk hören kann, das teilweise noch ganz in der spätbarocken Tradition wurzelt, aber überwiegend schon das galante, auf die frühe Klassik hinweisende Melos entwickelt, für das Graun in seinen italienischsprachigen Opern später so berühmt werden sollte. Erstaunlich ist, wie modern der damals erst 23-jährige geschrieben hat. Manche Nummern erinnern beim ersten Hören mehr an Haydn oder in ihrer anrührenden Affektsprache sogar an den frühen Mozart als an Bach, Händel oder Telemann, die zur selben Zeit ihre wichtigsten Werke schrieben. In vielen Arien des neuen, empfindsamen Stils bezaubert Graun mit unmittelbar ins Ohr gehenden, aber niemals banalen Melodien, während die eher altmodisch konzipierten Stücke oft recht ungelenk und schematisch daherkommen. Besonders hervorzuheben ist die oftmals zarte und raffinierte Instrumentation und der durchsichtige, stets kunstvolle Streichersatz. Es ist nicht zu viel, hier von einer genialen Begabung zu sprechen.
    Dramaturgisch bewegt sich die im Rahmen des trojanischen Krieges spielende, reichlich verworrene Geschichte um zwei vertauschte royale Cousins ganz im zeitüblichen Rahmen und dürfte für den modernen Hörer von primär historischen Interesse sein.
    Bedauerlicherweise wurde die vorliegende Einspielung offenbar stark gekürzt, wie man an den Auslassungen im Libretto sehen kann. Noch dazu erfährt man nicht, was genau dem Rotstift zum Opfer fiel. Da aber insgesamt 10 ganze Szenen nicht abgedruckt erscheinen, darf man davon ausgehen, dass hier nicht nur Rezitative, sondern auch jede Menge Arien gestrichen wurden, was vielleicht in einem Konzert noch angehen mag, bei einer Studioproduktion aber nicht angemessen ist- zumal die zweite CD mit knapp 38 Minuten sowieso schon extrem kurz ist. Sieht man sich die Umfänge anderer deutscher Opern der Zeit an, darf man davon ausgehen, dass wir bei vorliegender Einspielung leider sehr viel interessante Musik nicht zu hören bekommen.
    Musikalisch bewegt sich Polydorus, sowohl beim Gesang als auch den Instrumentalkräften auf einem durchweg hohen Niveau. Dabei fand ich stimmlich eigentlich nur die beiden Sopranistinnen Hanna Zumsande und Santa Karnite herausragend. Bei den Männerstimmen hat mich vor allem die recht angestrengt klingende Countertenorpartie (Alon Harari in der Titelrolle) nicht besonders überzeugt. Im Falle der nicht immer optimalen Klangbalance wäre auch noch etwas mehr Luft nach oben gewesen.
    Insgesamt kann diese Einspielung jedoch allen Freunden alter Musik empfohlen werden, da man auch trotz der Kürzungen einen bislang so noch nicht gehörten Eindruck über die stilistische Entwicklung Grauns bekommen kann. Danke an CPO für diese interessante Veröffentlichung!
    Kantaten Kantaten (CD)
    15.08.2020
    Booklet:
    5 von 5
    Gesamteindruck:
    5 von 5
    Klang:
    5 von 5
    Künstlerische Qualität:
    5 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    Nachdrücklich zu empfehlen!

    Ich kann dem Rezensenten "meiernberg" nur voll und ganz beipflichten: Diese Aufnahme ist interpretatorisch, editorisch und klangtechnisch auf allerhöchstem Niveau. Besonders die beiden Kantaten sind wahre Juwelen, gegen die das Konzert kompositorisch etwas abfällt, aber den vorzüglichen Gesamteindruck nicht schmälert. Klare Kaufempfehlung!.
    Samuel Marino - Care Pupille Samuel Marino - Care Pupille (CD)
    02.07.2020
    Booklet:
    1 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    3 von 5
    Künstlerische Qualität:
    4 von 5
    Repertoirewert:
    3 von 5

    Licht und Schatten

    Das vorliegende erste Solo-Album des jungen venezolanischen Sopranisten ist darum so besonders, da der Sänger wegen eines hormonellen Defektes nie einen Stimmbruch erlebte und daher einen Stimmtypus vertritt, den man als „natürlichen Kastraten“ bezeichnen könnte. Marino ist keineswegs der einzige Sänger, auf den das zutrifft. Der 1992 verstorbene und durch seinen Auftritt in „gefährliche Liebschaften“ bekannt gewordene Brasilianer Paolo Abel do Nascimento oder der moldawische Sopranist Radu Marian gehören in dieselbe Kategorie. Doch verfügte keiner der vorgenannten Künstler über einen so großen Stimmumfang und eine derart stupende Koloraturtechnik wie der erst 27-jährige Südamerikaner. Zunächst war ich völig baff, dass ein Mann sich so mühelos in schwindelnde Sopranhöhen begeben kann und dabei die Koloraturen makellos perlen und glitzern. Doch schon bald hat sich der erste Überraschungseffekt abgeschwächt und es stellt sich die Frage nach der musikalischen Gestaltung jenseits des Showeffektes. Und hier habe ich festgestellt, dass bei dem jungen Künstler doch noch viel Luft nach oben ist. Gerade die getragenen Arien werden rasch etwas langatmig und die sehr hohen Spitzentöne gelingen dann doch nicht ohne eine gewisse eisige Schärfe. Am meisten aber hat mich die noch nicht sehr entwickelte Fähigkeit zu abgestufter Dynamik und messa di voce irritiert. Alles läuft perfekt, aber oft nicht zu Herzen gehend ab. Insgesamt fehlt Marinos Stimme Wärme und Modulationsfähigkeit. Vergleicht man ihn mit dem etwa gleichaltrigen Orlinski, der über viel weniger spektakuläres Material verfügt, wird schnell klar, dass der sympathische junge Künstler noch einen weiten Weg vor sich hat. Man kann ihm nur weiterhin gute Lehrer und umsichtige Agenten wünschen, damit sein grandioses Talent nicht zu schnell und zu Lasten der Stimme verbraucht wird.Relativ unbefriedigend erschien mir der orchestrale Part der Aufnahme. M. Hofstetter wählt oft zu schnelle Tempi und das Händelfestspielorchester Halle erweist sich was Präzision und Klangfarbenreichtum anbelangt, bei allen Qualitäten insgesamt nicht als absolutes Spitzenensemble. Vieles liegt auch an der reichlich verwaschenen Akustik. Lächerlich und durch nichts zu belegen sind die albernen Tambourin-Begleitungen bei zwei Händelarien. Wozu und warum? Sehr schade fand ich auch, dass man bei über 70 Minuten Spielzeit nur magere 20 Minuten für Gluck-Weltpremieren verwendet hat- doch allein für diese herrlichen Arien lohnt die Anschaffung, man hätte aber gern mehr davon gehört! Das Booklet ist eine Frechheit, da man bei Orfeo anscheinend zu geizig und faul war, Texte und Übersetzungen abzudrucken, was eines Qualitätslabels unwürdig ist. Eine hochinteressante, beeindruckende, aber m.E. keineswegs vollendete Cd-Premiere!
    Vendado es Amor,no es Ciego (Zarzuela,Madrid,1744) Vendado es Amor,no es Ciego (Zarzuela,Madrid,1744) (CD)
    21.06.2020
    Booklet:
    5 von 5
    Gesamteindruck:
    5 von 5
    Klang:
    5 von 5
    Künstlerische Qualität:
    5 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    Exzellent!

    Zuletzt erschien 2011 eine Gesamteinspielung einer Zarzuela von J. de Nebra, so dass es nach so langer Zeit ganz besonders erfreulich ist, mit „Vendado es amor“ ein weiteres großartiges Musiktheaterwerk dieses bedeutenden spanischen Komponisten kennenlernen zu dürfen. Ähnlich wie in den anderen drei Gesamteinspielungen von Nebra-Zarzuelas nimmt einen die emotionale, abwechslungsreiche und sehr nationaltypische Klangsprache des Komponisten sofort gefangen. Lange, virtuose Dacapoarien im neapolitanischen Stil, die entfernt an Hasse oder Pergolesi erinnern, stehen neben kurzen, sehr originellen kleineren Stücken, wie den reizvollen Seguidillas, die man so nur in Spanien findet. In seinen besten Momenten vermittelt Nebra eine fast schon Mozartsche Gefühlstiefe und steht künstlerisch weit über der sonst zeitüblichen Dutzendware.
    Das in Zusammenarbeit mit der Schola cantorum Basel entstandene Cd-Projekt besticht durch interpretatorische wie klangliche Exzellenz gleichermaßen. Das unter Leitung des zur Aufnahmezeit erst 25-jährigen Alberto Miguelez-Rouca, der ansonsten als Countertenor eine internationale Karriere beginnt, stehende Ensemble begeistert mit Präzision, Ausdruckskraft und jugendlicher Frische. Allen Sängerinnen der vier anspruchsvollen Hauptpartien kann man schon jetzt eine glänzende künstlerische Zukunft vorhersagen. Die Dialoge des Werks werden hier von einem Sprecher zusammengefasst, was für nicht-spanische Muttersprachler keinen besonderen Reiz hat. Doch man kann diese Passagen getrost überspringen. Die Beiheftgestaltung nämlich ist mit deutschem Einführungstext, Inhaltsangabe und vollständigem Libretto mit englischer Übersetzung vorbildlich und beweist wieder einmal, dass auch im Jahre 2020 nicht alles, was mit herkömmlichen CD-Produktionen zu tun hat, billig und lieblos sein muss.
    M.E. liegt hier eine der besten Neueinspielungen im Bereich spanischer alter Musik der letzten Jahre vor, so dass eine klare Kaufempfehlung ausgesprochen werden kann.
    Gismondo,Re di Polonia Gismondo,Re di Polonia (CD)
    30.05.2020
    Booklet:
    5 von 5
    Gesamteindruck:
    5 von 5
    Klang:
    5 von 5
    Künstlerische Qualität:
    5 von 5
    Repertoirewert:
    3 von 5

    Herausragende Produktion!

    Mit Gismondo liegt nun schon die dritte von M.E. Cencic produzierte und gesungene Vinci-Oper vor. Cencic verkörpert hier die Titelrolle, die allerdings von Umfang und Anspruch her nur die eines secondo uomo ist.
    Gismondo wurde wie die beiden anderen 2012 und 2015 eingespielten Opern, Artaserse und Catone, in Rom von Kastraten (auch in den weiblichen Rollen) uraufgeführt. Sehr gut fand ich die Entscheidung, diesmal „echte“ Frauen zu besetzen und so das Vokalspektrum deutlich zu erweitern. Warum man die Rolle des Bösewichts Primislao auch einer Sängerin zugedacht hat, verstehe ich hingegen nicht ganz. Von Vinci als Komponist bin ich noch nie besonders begeistert gewesen. Zu glatt, routiniert und eingängig erschien mir seine Musik zumeist- und genau diesen Eindruck hatte ich auch hier wieder. Von den insgesamt 31 Nummern (nur je ein Duett und Terzett unterbrechen die Abfolge von Rezitativen und Arien, alle ausnahmslos in Dacapoform) stehen lediglich drei in Moll. Die um 1720 sehr modernen, elegant komponierten Floskeln und Manieren ähneln einander dann auf Dauer doch sehr. Kontrapunktische Verarbeitung oder Chromatik findet sich nicht oder nur andeutungsweise. Einige aparte Bläsersoli lockern den Streichersatz nur gelegentlich angenehm auf. Problematisch finde ich an vorliegender Oper auch das völlige Fehlen einer Tenor-oder Bassrolle, was das Klangbild (5 Soprane und 2 Alte- davon vier Countertenöre) noch monochromer als bei vielen anderen Barockopern macht. Musikgeschichtlich ist das Werk sicherlich von Bedeutung, da es bei vielen Arien Prototypen des galanten Stils vorstellt, die sich in modifizierter Form noch bis in die Mozartzeit gehalten haben. Insgesamt war es mir aber nicht möglich, das Stück an einem Tage und ohne Überspringen der meisten Seccorezitative, die oftmals länger als die Arien dauern, anzuhören. Bei Vinci merke ich persönlich immer, was man an Händel, Porpora, Pergolesi oder Hasse hat.
    Die Interpretation der vorliegenden CD kann man hingegen nur in höchsten Tönen loben. Shootingstar dürfte der Countertenor Yuri Minenko als primo uomo Ottone sein, den man spätestens ab jetzt zu den Top 5 der Szene zählen darf. Alle anderen Sänger und Sängerinnen, darunter viele bislang noch wenig bekannte Namen, bewegen sich ebenfalls auf höchstem internationalen Niveau und es ist reine Geschmackssache, wer einem besser oder weniger gut gefällt. Makellos ist ebenfalls das temperamentvolle und präzise, aber nie überdrehte oder hektische Spiel des polnischen Originalklangensembles.
    Besondere Beachtung sollte das liebevoll gestaltete dicke Beibuch (viersprachig!) finden, das ausführlich die verzweigten politischen und historischen Hintergründe des Librettos beleuchtet und sich auf dem Level eines profunden akademischen Geschichtsessays befindet, das zu lesen Zeit erfordert und wegen der kleinen Schrift recht mühsam, aber m.E. höchst lohnend ist.
    Tatsächlich entpuppt sich die verwickelte Handlung, die vor dem Hintergrund der polnisch-litauischen Union von 1569 spielt, leider aber nur wieder als typisches Opera-seria-Libretto, das genauso gut im alten Persien oder China spielen könnte und mindestens so viel Gewicht auf amouröse wie auf kriegerische Unternehmungen legt. Nichts wirklich Neues also. Ich hätte es nach dem phänomenalen „Germanico“ von 2018 insgesamt viel interessanter gefunden, eine weitere bislang unbekannte Oper Porporas, den ich als Komponist wesentlich höher als Vinci einschätze, auszugraben. Dessen ungeachtet höchste Punktzahl für diese editorisch und musikalisch herausragende Produktion!
    Prélude Sabrina Sarabi
    Prélude (DVD)
    29.05.2020
    Bild:
    5 von 5
    Extras:
    1 von 5
    Ton:
    3 von 5

    Subtiles Kammerspiel

    Wer jemals hinter die glanzvollen Kulissen einer staatlichen Musikhochschule gesehen hat, wird schnell von der Authentizität des Films „Prélude“ überzeugt sein. Meisterhaft versteht es Regisseurin Sabrina Sarabi ein bis zur letzten Minute spannendes Kammerspiel vor dem Hintergrund subtiler Machtausübung zu inszenieren. Dass junge, hochbegabte Künstler an dem dort oft herrschenden fachlichen und zwischenmenschlichen Druck zerbrechen, entspricht leider den realen Tatsachen. Einziger Wermutstropfen ist für mich die Tatsache, dass sich Hauptdarsteller Louis Hofmann, der ansonsten eine phänomenale schauspielerische Leistung vorlegt, beim Klavierspielen bewusst nicht doubeln ließ. Man merkt einfach zu deutlich, dass hier ein blutiger Anfänger und kein kurz vorm Juilliard-Stipendium stehender Meisterklassenstudent am Instrument sitzt. Dieser dramaturgische Patzer ist m. E. leider so gravierend, dass ich dafür einen Stern abziehe. Sehr ansprechend fand ich die vielen feinen erotischen Andeutungen, die es (bis auf die Ausnahme einer einzigen, bewusst sehr drastisch inszenierten Sexszene) der Phantasie des Zuschauers überlassen, sich auszumalen, wer mit wem was genau treibt. Ein wirklich breiter Publikumserfolg wird diesem mit großem Atem und tiefem Einfühlungsvermögen erzählten Drama einer tragisch gescheiterten Pianistenexistenz wegen des nicht gerade populären Sujets wohl nicht vergönnt sein. Umso nachdrücklicher sei der Film den Freunden ernster Musik und speziell allen klassisch ausgebildeten Berufsmusikern empfohlen!
    Fernando Cortez Fernando Cortez (BR)
    29.05.2020
    Bild:
    5 von 5
    Booklet:
    4 von 5
    Extras:
    3 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    5 von 5
    Künstlerische Qualität:
    3 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    Sehenswerte Aufführung

    Von der französischen Version von Spontinis „Fernand Cortez“, immerhin einem internationalen Erfolgsstück des frühen 19. Jahrhunderts, gab es bislang nur eine gut 20 Jahre alte Aufnahme, die wenig Beachtung fand und schnell nach ihrem Erscheinen wieder vergriffen war. Diese semi-konzertante Einspielung, die man zu horrenden Preisen second hand erstehen oder auf Youtube anhören kann, enthält die zweistündige zweite Fassung der Oper aus dem Jahre 1817.
    Von der etwa eine Stunde längeren Originalfassung, die 1809 in Anwesenheit Napoléons uraufgeführt wurde, legt Dynamic nun eine Weltpremiere vor, die im Herbst 2019 in Florenz über die Bühne ging. Vergleicht man beide Versionen, wird man feststellen, dass es sich eigentlich um zwei dramaturgisch und musikalisch völlig unterschiedliche separate Opern handelt. Insofern kommt der neuen Bluray ein besonderer editorischer Wert zu.
    Spontini steht mit einem Fuß noch tief im 18. Jahrhundert. Vieles erinnert stark an Gluck, aber gerade bei den großen Chor- und Tanzszenen hört man deutlich, wo Wagner wesentliche Anregungen für seinen „Rienzi“ gefunden hat. In jedem Falle ist die Begegnung mit dieser zu Unrecht vom Musiktheaterbetrieb vernachlässigten Oper ein Gewinn.
    Die Inszenierung aus Florenz bietet einen zwar recht traditionellen, aber insgesamt angenehm und unterhaltsam anzusehenden exotisch-bunten Bilderbogen und verschont einen gottseidank mit krampfhaften politischen Aktualisierungsversuchen des sog. „modernen Regietheaters“. (Man kann sich vorstellen, was bei der Geschichte über die Eroberung Mexikos in den Klauen so manches deutschen Regisseurs herausgekommen wäre.)
    Musikalisch kann man die Aufführung unter Jean-Luc Tingaud als solide, aber nicht besonders inspiriert bezeichnen. Die drei Hauptrollen der Oper sind allesamt mit fortgeschrittenen Semestern besetzt. Den günstigsten Eindruck macht Dario Schmucks bestens geführtes und durchsetzungsfähiges Organ in der Titelrolle, während der flackernd-brüchige Sopran von Alexia Voulgaridou in der weiblichen Hauptrolle der Amazily und der näselnde Tenor Luca Lombardos als deren Bruder Telasco nur wenig Grund zu vokaler Freude bieten. Chor und Orchester liefern routinierte Berufsmusikerleistungen, während die Balletteinlagen steif und reichlich verzopft auf mich gewirkt haben.
    Bild- und Tonqualität sind ausgezeichnet, das Booklet (nur Italienisch und Englisch) informativ. Insgesamt kann diese Aufnahme jedem Interessenten unbekannter Opern zum Kauf empfohlen werden
    Franco Fagioli - Veni,Vidi,Vinci Franco Fagioli - Veni,Vidi,Vinci (CD)
    14.05.2020
    Booklet:
    3 von 5
    Gesamteindruck:
    3 von 5
    Klang:
    4 von 5
    Künstlerische Qualität:
    3 von 5
    Repertoirewert:
    4 von 5

    Geschmackssache

    Irgendetwas hat mir spontan an der neuen Fagioli-CD nicht 100% gefallen. Um genauer zu erkunden, woran das liegen könnte, habe ich seine Caffarelli-CD aus dem Jahre 2012 hervorgeholt- und man kann hören, dass acht Jahre im Leben eines Countertenors eine lange Zeit sind. Zunächst fällt auf, dass Fagiolis Timbre deutlich nachgedunkelt ist, was besonders bei den Spitzentönen ab etwa f2 zu hören ist. Stark zugenommen hat auch das Vibrato, wodurch die früher stählerne Klarheit oftmals auf der Strecke bleibt, was zudem auch an einem recht forcierten Einsatz der Bruststimme im tieferen Register liegen mag. Die früher schon andeutungsweise wahrzunehmende Eigenart, Triller als Tremolo zu singen, gerät nun vollends zur unangenehmen Manier. Doch am stärksten ist mir die dynamische Eintönigkeit aufgefallen: Alles klingt irgendwie nach Mezzoforte, das vormals so magische Messa di voce aus dem Pianissimo heraus fehlt völlig. Stimmen zu beurteilen, ist immer subjektiv und es gelingen Fagioli viele Momente, die gesanglich erstklassig, allerdings in heutiger Zeit keineswegs mehr unübertroffen sind, man denke nur an Künstler wie Orlinski oder Marino.
    Obwohl der Mut der DGG zu bewundern ist, ein Countertenoralbum ganz ohne Händel oder Vivaldi zu veröffentlichen, betrachte ich die vorliegende Auswahl an Vinci-Arien kritisch. Zunächst einmal fand ich es merkwürdig, dass Fagioli hier mehrere explizit für berühmte Sängerinnen ( u.a. Cuzzoni und Faustina) geschriebene Arien, sowie zwei Stücke, die ursprünglich einem Tenor zugedacht waren, aufgenommen hat. Obwohl Transpositionen und Umwidmungen im Barock häufig vorkamen, passt sein recht maskulines Timbre doch gerade für die weiblichen Arien m.E. nicht optimal. Etliche Stücke kennt man schon von anderen Interpreten, andere scheinen noch nie aufgenommen worden zu sein, aber es fehlt leider der Hinweis im Booklet, bei welchen Nummern es sich um Weltersteinspeilungen handelt.
    Von Vinci als Komponist war ich, auch das ist natürlich reine Geschmackssache, noch nie besonders begeistert. Zu glatt, vorhersehbar und eingängig erschien mir seine Musik zumeist- und genau diesen Eindruck hatte ich auch hier wieder. Von den 12 aufgenommenen Arien ist z.B. nur eine einzige in Moll und die routiniert komponierten typisch galanten Manieren (um 1720 freilich sehr modern) ähneln einander dann doch sehr. Kontrapunktische Verarbeitung oder Chromatik finden sich nur selten, bei keiner einzigen Nummer hat sich bei mir (völlig anders als z.B. bei Porpora oder Hasse) ein Gänsehauteffekt eingestellt. Wirklich überraschend klingt nur die mit Sopraninoblockflöten und Hörnen apart und ungewöhnlich besetzte Arie „Quell´usignolo“.
    Mit Sicherheit zählt Franco Fagioli noch zu den weltbesten Vertretern seiner Zunft, doch „Veni vidi Vinci“ scheint mir leider weder stimmlich noch von der Werkauswahl her ein Triumphzug geworden zu sein.
    Ein Kommentar
    Anonym
    04.06.2020
    Vielen Dank für die ausgezeichnete, ausführliche und fundierte Rezension. Das gilt auch für Ihre Kritik über Leonardo Vincis kürzlich erschienene Oper Gismondo.
    Mit freundlichem Gruß
    Dr. Fussek
    Phedre (Deluxe-Ausgabe im Buch) Phedre (Deluxe-Ausgabe im Buch) (CD)
    06.05.2020
    Booklet:
    5 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    5 von 5
    Künstlerische Qualität:
    5 von 5
    Repertoirewert:
    3 von 5

    Erstklassige Interpretation einer zweitrangigen Oper

    Jean-Baptiste Lemoyne dürfte selbst eingefleischten Freunden alter Musik kein Begriff sein. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn mit der vorliegenden „Phèdre“ aus dem Jahre 1786 liegt zum ersten Mal überhaupt Musik dieses obskuren Komponisten auf CD vor. Lemoyne wurde- ungewöhnlich für die damalige Zeit- in Deutschland von Kirnberger und Graun ausgebildet und brachte es immerhin zu einem zweiten Kapellmeisterposten am Opernhaus von Friedrich dem Großen. Doch wer hier eine spannende Synthese deutscher Kontrapunktik, glänzender Italiantità und französischer Eleganz erwartet, wird enttäuscht sein. Das Werk präsentiert sich von Anfang an als typisch epigonales Louis-XVI Werk in der Tradition der Reformopern Glucks. Besonders in den ersten beiden Akten hat man das Gefühl, das meiste schon so ähnlich von Gluck her zu kennen, wobei der Stil noch etwas glatter und gefälliger geworden ist. Einzelne Stellen kann man mit Fug und Recht in Plagiatsnähe rücken.
    Erst in der zweiten Hälfte findet Lemoyne durch die zunehmende Dramatik der Dreiecks-Handlung zu einem etwas individuelleren Ton und erweist sich als begabter, aber keineswegs genialer Theaterkomponist. Wie man lesen kann, glättete Lemoye nach dem Misserfolg seiner ersten, die Hörgewohnheiten des Publikums wohl völlig überfordernden Oper „Electre“ seinen Stil erheblich. Die Partitur dieser Oper ist online abrufbar und sieht auf Anhieb viel interessanter als die nun vorliegende „Phèdre“ aus. Warum nur hat man sich beim Palazzetto Bru Zane nicht für dieses Werk, das für einen heutigen Hörerkreis sicherlich wesentlich attraktiver gewesen wäre, entschieden? Unabhängig davon kann man über die vorliegende Aufnahme nur Positives berichten: Judith van Wanroij überzeugt besonders in den dramatischen und erregten Momenten der Titelrolle, alle anderen Interpreten singen auf höchstem internationalen Niveau. Das ungarische Orfeo Orchestra unter G. Vashegyi erweist sich zum wiederholten Male als Klangkörper, der den Vergleich mit den Topformationen der Originalklangszene nicht zu scheuen braucht. Phänomenal ist die satte, aber doch immer präzise Akustik der Budapester Bartók-Halle. Wie schön ist es, aus Ungarn einmal etwas Erfreuliches jenseits von Orbans Eskapaden mitzubekommen. Wie bei allen Editionen aus dem Hause Bru Zane lässt die liebevolle und musikwissenschaftlich hervorragend recherchierte Gestaltung des dicken Beibuches keine Wünsche übrig. Schade nur, dass man mit der vorliegenden Oper wahrlich kein Meisterwerk wiederbelebt hat.
    4 Kommentare
    Anonym
    04.06.2020
    Es ist schon schlimm genug, daß dieses herrliche exzellente Werk für so lange Zeit in Vergessenheit geraten war. Nun schreibt ein unprofessioneller Laie gerade über die Komposition solch einen absoluten Blösinn. Er sollte seine CD schnell verschenken oder verkaufen, das wäre eine gute Idee und in Zukunft sich zurückhalten einem Werk zu schaden das leider auf Grund des Preises der CD potentielle Käufer verschrecken könnte. Bei bekannten Werken können solche dummen Kommentare nicht viel anrichten, aber hier ist das verantwortungslos. Das schreibt jetzt hier ein Profimusiker der sich für Aufführungen dieser Oper sicher erfolgreich einsetzen wird.
    Anonym
    06.06.2020

    Es handet sich NICHT um eine zweitrangige Oper !!! Ganz im Genteil !!!

    Es handelt sich NICHT um eine "zweitrangige" Oper. Das sage ich als erfahrener Berufsmusiker. Es ist schlimm genug, daß solche ERSTKLASSIGEN Werke sehr lange vergessen wurden, wenn aber nun unqualifizierte Kommentare dem Werk schaden - nicht zuletzt weil eine Kaufentscheidung durch den Preis der CDs beeinflusst werden kann - ist das nicht hinnehmbar. Der Rezensent sollte sich bei BRU ZANE bewerben. Dort lassen sich mehrere Spezialisten sehr sehr viel Zeit für die Planung neuer Projekte. Wenn man dort nun das "Glück" hätte so jemanden für die grobe Vorarbeit zu bekommen, der "auf Anhieb" (also in wenigen Minuten) sieht, daß man "Phedre" nicht hätte produzieren sollen sondern "Electre" dann würde er als Wohltäter des Kulturlebens in die Geschichte eingehen. Man wird sicher auch wohlwollend zur Kenntnis nehmen, daß der Rezensent wenigstens so gnädig ist das "dicke (? nein !) Beibuch" als "musikwissenschaftlich hervorragend recherchiert" bezeichnet. NUR: Wie will er das überhaupt beurteilen ? Kennt er sämtliche Quellen und hat überprüft, ob diese richtig zitiert und verwertet wurden. Und vor allem ob nicht andere Quellen übersehen oder verschwiegen wurden ? Alle Interpreten sind hervorragend - da stimme ich ihm zu. NUR: Wenn er sich so negativ über das Werk äußert, hätte er bemerken müssen, daß die Flöte gelegentlich Intonationsprobleme hat. Wie man sieht hier hat kein Profi eine Rezension geschrieben. Ich kann nur allen Lesern dieser Zeilen dringend empfehlen, sich diese CDs zu kaufen. Gerade wegen der QUALITÄT dieser Oper. Aber auch der Interpreten und des Beibuches !!!!!!!!! Und dem Rezensenten würde ich raten wenn er kein Ohr und Gefühl für die Qualität von Musik hat, sicher vorsichtshalber, wenn nicht positiv, sondern zumindest garnicht zu Wort zu melden. Solche Äußerungen haben in der Musikgeschichte schon genügend Schaden angerichtet. Z.B. war Offenbachs Oper "Rheinnixen" 150 Jahre in Vergessenheit geraten bis sie dann in Montpellier produziert wurde. Jetz weiß man, daß es eines seiner besten Werke ist. Vorher wurde in der Offenbach-Literatur das Werk verschwiegen oder mit einem einzigen Satz als völlig unbedeutend dargestellt. Als dieser Satz in der Welt war wurde er ständig kritiklos, unhinterfragt, zitiert. Das passiert wenn unqualifizierte Laien oder Halbgebidete sich wichtig machen. Also Herr/Frau Rezensent gehen Sie in sich !!!!
    Anonym
    22.05.2020

    Politisches Statement

    Vielen Dank für Ihre ausgezeichnete Rezensionen, die von fundierter Sachkenntnis zeugt. Allerdings meine ich, dass politische Statements, ob Sie nun links oder rechts verortet werden wollen oder ob Sie Orban mögen oder nicht, in einer solchen Rezension nichts zu suchen haben. Ich empfehle daher entsprechende Äußerungen in der einschlägigen Presse zu platzieren.
    Anonym
    05.06.2020

    Zwei Ratschläge an den Rezensenten

    1) Kontaktieren Sie umgehend BRU ZANE. Die vielen Profis dort, die sich immer viel zu viel Zeit für die Auswahl nehmen, benötigen dringend solche Leute wie Sie "fürs Grobe". Sie hätten unmöglich die Fehlentscheidung Phedre und nicht Electre zu produzieren getroffen, denn Sie hätten "auf den ersten Blick gesehen" (vermutlich in 10 Minuten) welches das bessere Werk ist.
    2) Die Interpreten sind wirklich ausgezeichnet, da stimme ich mit Ihnen überein, bezweifle aber, daß Sie das beurteilen können. Wenn Sie wirklich etwas davon verstehen, hätten Sie die unüberhörbaren gelegentlichen Intonationsprobleme der Flöte bemerken und erwähnen müssen. Deswegen mein zweiter Rat : Buchen Sie bei der Volkshochschule einen Kurs über Gehörbildung und nehmen Sie die Phedre-CDs mit und lassen sich beibringen wie man so etwas hört. Vielleicht noch zusätzlich ein Kurs in Partiturlesen.
    Bis zu einem erfolgreichen Absolvieren der Kurse sollten Sie erst einmal nicht wieder schreiben.
    Osterkantaten Osterkantaten (CD)
    06.05.2020
    Booklet:
    5 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    5 von 5
    Künstlerische Qualität:
    4 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    Mehr von Agricola bitte!

    Fast 6 Jahre sind nun seit der Ersteinspielung von Weihnachtskantaten aus der Feder J. F. Agricolas durch CPO vergangen, ohne dass es inzwischen weitere Neueinspielungen dieses völlig zu Unrecht vergessenen preußischen Hofkomponisten gegeben hat. Ganz anders ist die editorische Lage bei J.G. Homilius, der in letzter Zeit durch zahlreiche Einspielungen posthum geehrt wurde. Die vorliegende CD ist nun besonders interessant, da sie die Möglichkeit gibt, zwei mit je 32 Minuten exakt gleichlange Osteroratorien dieser beiden Bachschüler zu vergleichen. Als Dreingabe kann man noch eine kurze, aber sehr glanzvoll besetzte Osterkantate Agricolas hören.
    Wie so oft hatte ich bei Homilius den Eindruck eines solide und routiniert, aber im wesentlichen unoriginell verfassten Werkes. Die simple Harmonik und die typisch galanten melodischen Floskeln sind eingängig und hübsch anzuhören, doch in ihrem formalen Verlauf absolut vorhersehbar. Der Gesamteindruck dieses Osteroratoriums erschien mir daher nicht besonders nachhaltig, um nicht zu sagen stellenweise regelrecht fade.
    Ganz anders das als „musikalisches Gedicht“ bezeichnete Oratorium Agricolas: Hier wird man (im Unterschied zu der eher bedächtig daherkommenden ersten Nummer bei Homilius) gleich im kurzen Anfangschor von einer überaus glanzvollen Instrumentation und überschäumendem Temperament und Einfallsreichtum erfreut. Insgesamt arbeitet Agricola formal kleinteiliger und in allen Parametern differenzierter und weniger glatt als sein Kollege, was ihn m.E. als den begabteren Schüler des großen Thomaskantors ausweist und in deutliche Nähe zu den beiden genialen ältesten Bachsöhnen rückt. Dieser sehr günstige erste Eindruck setzt sich im Verlauf der Komposition fort. Besonders die beiden schnellen Arien mit ihren brillanten Bläserpartien laden zum sofortigen nochmaligen Hören ein.
    Mit der Interpretation unter Leitung des bei CPO in den letzten Jahren sehr oft zu hörenden M. A. Willens und seiner fabelhaft musizierenden Kölner Akademie kann man auch diesmal wieder rundherum zufrieden sein. Besonderes Lob verdienen die makellosen Blechbläsersolisten. Die Solostimmen bewegen sich ebenfalls alle auf höchstem Niveau, nur ist es leider um die Textverständlichkeit der sonst so beeindruckenden Sopranistin Hannah Morrison und ihrer beiden Kolleginnen nicht zum Besten bestellt. Insgesamt darf man aber nach dieser beeindruckenden Osterveröffentlichung auf mehr Musik von J.F. Agricola hoffen!

    Judith or The Regeneration of Manasseh (Oratorium, 1888) Judith or The Regeneration of Manasseh (Oratorium, 1888) (SACD)
    18.03.2020
    Booklet:
    5 von 5
    Gesamteindruck:
    5 von 5
    Klang:
    5 von 5
    Künstlerische Qualität:
    5 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    Rundherum geglückte Ersteinspielung

    Von C.H. Parrys 1888 in Birmingham uraufgeführtem Oratorium „Judith“ ist heutzutage allenfalls das schöne Solo „Long since in Egypt`s plentious land“ bekannt, das seinen Weg in die britischen Kirchengesangbücher fand. Umso interessanter ist es, nun endlich zum ersten Mal das ganze Werk kennenlernen zu dürfen.
    In einer Zeit, in der Wagner bereits die traditionelle Harmonik und Instrumentationslehre gehörig umgekrempelt hatte und junge Komponisten wie Hugo Wolf, Debussy oder Mahler den Weg in die musikalische Moderne beschritten, mutet das vorliegende Opus beim ersten Hören fast schon anachronistisch an: Neben Mendelssohns Elias steht in Parrys zumeist diatonischem, kontrapunkt- und sequenzgesättigtem neobarocken Melos besonders Händel Pate. Doch neben vielen Déja-Entendus blitzt immer wieder ein sehr individueller Stil durch, der mit seiner Verbindung von repräsentativem Pomp und melancholischer Noblesse einer der wichtigsten Wegbereiter für Elgar war, der übrigens bei der Uraufführung an der Violine mitwirkte. Doch es wäre falsch, Parry nur als Vorläufer Elgars oder Epigonen abzutun, wie dies G.B. Shaw in bissiger Weise tat. Seine Musik ist bei aller bewussten Rückwärtsgewandtheit hoch individuell und vor allem handwerklich allerbestens gemacht. Parry- ein konservatives Genie? Das wäre vielleicht etwas zu hoch gegriffen, aber hörenswert ist „Judith“ allemal, besonders wenn die Aufnahme so geglückt ist wie in der vorliegenden Studioproduktion. Sarah Fox begeistert in der durchaus opernhaft angelegten Titelrolle mit jugendlich-strahlendem Sopran, die anderen drei Solisten machen einen guten Job, singen aber nicht in derselben Klasse. Chor und Orchester musizieren engagiert und präzise, man merkt allen Beteiligten die freudige Spannung einer Weltersteinspielung positiv an. Wie fast immer bei Chandos kann man für Klang und Beiheftgestaltung Bestnoten vergeben. Klare Kaufempfehlung für alle Freunde anspruchsvoller Chormusik. Ganz besonders die Liebhaber einer sehr speziellen spätviktorianischen „Englishness“ werden hier voll auf ihre Kosten kommen!

    Benedetto Marcello (Lyrische Oper in 3 Akten) Benedetto Marcello (Lyrische Oper in 3 Akten) (CD)
    24.01.2020
    Booklet:
    5 von 5
    Gesamteindruck:
    4 von 5
    Klang:
    4 von 5
    Künstlerische Qualität:
    4 von 5
    Repertoirewert:
    5 von 5

    Hörenswerte Weltpremiere

    Lange 18 Jahre hat es gedauert, bis der Mitschnitt der 2002 bei den Musiktagen Bad Urach uraufgeführten (!) vorletzten Oper von J. Raff auf CD veröffentlicht werden konnte. Dies ist trotz der erheblichen Zeitverzögerung sehr zu begrüßen, da es von keiner der anderen fünf Opern Raffs Gesamtaufnahmen gibt und die vorliegende Weltpremiere mithin als exemplarisch gelten darf.
    „Benedetto Marcello“ ist mit einer Spielzeit von ca. 80 Minuten (ohne Ouverture und instrumentale Zwischenspiele) und nur vier Darstellern bei reduziertem Orchester eher eine leichtgewichtige Oper. Der vom Komponisten selbst verfasste, teils recht hölzerne Text handelt von einer auf historischen Begebenheiten beruhenden, aber weitgehend fiktiven Vierecksgeschichte zwischen den Komponisten B. Marcello (Bariton) und J.A. Hasse (Tenor) sowie ihren späteren Ehefrauen Faustina Bordoni (völlig unhistorisch als Koloratursopran besetzt) und Rosana Scalfi (Mezzo). Nach einigen Wirrungen und einem (natürlich völlig frei erfundenen) Duell zwischen den beiden Maestri findet jeder Topf seinen Deckel und alles endet in Wohlgefallen. Musikalisch sind die drei kurzen Akte zwar durchkomponiert, enthalten aber trotzdem klar erkennbare Einzelnummern. Der insgesamt lockere, teilweise regelrecht duftige Konversationston mit seinen zahlreichen Allusionen an ein durch die Brille einer späteren Zeit betrachtetes Rokoko erinnert oft an entsprechende Klangwelten, die man von R. Strauß her kennt und liebt - oder in ihrer pastellfarben-idealisierten Überzeichnung nicht ausstehen kann. Alles ist perfekt gemacht, die Stimmen virtuos geführt, Raffs melodische Begabung unzweifelhaft, die Instrumentierung delikat- doch auf die Dauer fehlen einfach Dramatik und wirkliche innere Konflikte der insgesamt recht schablonenhaft gestalteten Protagonisten.
    Natürlich darf man das 1877 entstandene Werk nicht mit etwa zeitgleich komponierten Meisterwerken wie Götterdämmerung, Aida oder Carmen vergleichen. Raff beruft sich ganz bewusst auf eine wie aus der Zeit gefallene Klangwelt, die eher an die 1830ger-40ger Jahre erinnert und bei der neben Rossini und Mendelssohn vor allem Nicolai oder Lortzing Pate stehen. Diese ästhetische Entscheidung ist vor allem angesichts der totalen Übermachtsstellung Wagners bewundernswert mutig- genutzt hat sie Raff nichts. Die hier eingespielte Premiere erfolgte erst 120 Jahre nach seinem Tode. Die Operngeschichte wird man sicherlich nicht umschreiben müssen, aber der Hörer kann dankbar sein, einmal eine hervorragend komponierte deutsche Oper jenseits des Bayreuther Titanen kennenlernen zu dürfen. Nach der Uraufführung 2002 wurde es wieder still um „Bendetto Marcello“, was schade ist, da sich das Werk gerade auf kleineren Bühnen gut realisieren ließe und sicherlich Anklang fände- vorausgesetzt man hat so kompetente Kräfte wie damals in Bad Urach zur Verfügung! Die nahezu nebengeräuschfreie Liveeinspielung ist klanglich und musikalisch sehr gut bis ausgezeichnet geraten, wobei ich den mir bis dato unbekannten lyrischen Tenor J. Kalpers besonders herausragend fand. Klare Kaufempfehlung für die Cd-Version, die zwei liebevoll gestaltete Beihefte mit ausführlichem Kommentar und vollständigen Libretto enthält. Es bleibt nur zu hoffen, dass man in den nächsten Jahren auch noch einmal andere Opern Raffs kennenlernen darf.


    26 bis 50 von 195 Rezensionen
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