Jeff Lynnes altes Röhrenradio,endlich wieder Emotionen!
Ich habe die Musik von Jeff Lynne 1978 kennengelernt. Nach der Schule saß ich zusammen mit meinem damaligen Freund bei ihm zu Hause in seinem kleinen Dachzimmer und wir hörten auf einem Kassettenrecorder völlig verrauscht und verknistert Titel wie „Telephone Line“, „Standing in the Rain“ und “Mission“ von ELO. Ich kann das damalige Gefühl beim erstmaligen Hören dieser Songs nur schwerlich beschreiben, aber es hatte schon etwas Magisches und sehr Emotionales. Es folgten noch viele gute Songs in den folgenden Jahren der auslaufenden erfolgreichen Phase von ELO und ich liebte sie fast alle.
Im Jahre1990 nach langer Zeit dann wieder dieses Gefühl, als ich den Titel“Now you’re gone“ von Jeff Lynnes Solo Albums „Armchair Theatre“ hörte, ein edles Piano,eine von Ravi Shankar geliehene indische Sänger,- und Trommlergemeinde, eine einsame Geige, treibendes Schlagwerk und viele grummelnde Gitarren, dazu Jeffs Gesang einfach zauberhaft! Und danach??? Nicht mehr viel, die folgenden Produktionen für andere Interpreten meist beliebig und gleichklingend, fast ermüdend. 2001 das neue ELO Album „ZOOM" , gut aber nicht mitreißend, gefolgt von einer Phase des Wartens und der Neugier ob da nicht doch noch etwas überraschend Neues von Ihm zu erwarten sei. Nun 2012 endlich wieder ein Lebenszeichen von Jeff Lynne “Long Wave“, ein Album mit Coverversionen alter Musical,-und Rock’n’Roll Standards aus dem vorigen Jahrhundert, dem damaligen Langwellenröhrenradio seines Vaters abgehorcht, das in Lynnes Elternhaus im Birmingham der 60er Jahre fast pausenlos lief.
Und ich muss nach anfänglicher Skepsis zugeben, dass sich das Ergebnis durchaus hören lassen kann.
Es ist eine vorzügliche Songauswahl, sehr selten gehörte oder für mich teils völlig unbekannte Stücke die sich Lynne so authentisch zu eigen macht, dass man teilweise glaubt hier alte ELO-Titel zu hören. Dazu ein außergewöhnlich guter Gesang, Lynne mit 64 Jahren in stimmlicher Höchstform, alles sehr sanft ,innig und zartschmelzend vorgetragen. Die Instrumentierung für Lynne-Verhältnisse sehr zurückhaltend ,altmodische Backroundchöre,vor sich hintröpfelnde E-Pianos, gediegene Streicher und sanfte Gitarren,alles trieft vor lauter Herzblut und erzeugt bei mir seit langer Zeit wieder
Gänsehaut und wehmütige Emotionen im Zusammenhang mit Lynnes musikalischem Schaffen. Lynne legt über die Songs einen sehr nostalgisch analog warmen Sound,bei dem man sich unwillkürlich
wieder vor das alte Röhrenradio seines Vaters gesetzt fühlt.Und so
wie wir alte Gemälde nicht in strahlendsten neuen Farben sehen wollen, sondern mit der Patina vergangener Zeiten behaftet, so waren wohl auch hier ähnliche Denkmuster Jeff Lynnes bei der Soundauswahl zu Gange ,gewiss nicht jedermanns Sache aber meiner Meinung nach für dieses Projekt durchaus passend und akzeptabel.
Für mich eine kleine und wunderschöne, sehr persönliche Platte von Jeff Lynne, die beim wiederholten Hören immer mehr dazugewinnt. Ein schönes Geschenk für Leute ab 40+ und hier in Form der
SHM-CD besonders zu empfehlen, durch klangliche Güte und einem zusätzlichen Bonustrack, der die Spieldauer gegenüber der Standard-CD auf zumindest 30 Minuten kommen lässt.
