Des 'Klavier-Kaiser's "Grosse Pianisten" - :re II.
Ich habe in meiner kleinen (Musik-)Bibliothek noch eine gebundene frühe Ausgabe von Mitte der 1960er Jahre der seinerzeit und allzeit 'Grossen Pianisten' des Joachim Kaiser, der in Selbstbekundung zu den letzten Kultur-'Mohikanern'* unsrer Zeit gehört.
(*wohl resp. Schubert im Brief zu Freund Schober Nov.1828)
Er verstand nicht nur einen Adorno, sondern konnte den wie andre
kulturelle 'state of arts' kontextuell und auch gut verständlich formuliert selbst Nicht-Insidern vermitteln, sprach druckreif seine Rezensionen für's Feuilleton ins Telefon - ein Professor im alten, besten Sinn des Worts.
Wenn man den alten Band mit den alten und andren Fotos der neueren, heutigen Paperback Ausgaben vergleicht, erfährt man: diese Zeiten sind perdu - times are changed.
Inzwischen - seit den 2000er-plus, und den von ihm 1972-89 mit andren in Neuausgaben sehr erweitert - ist sein Pianisten-Portrait sicherlich z.T. dated, jedoch nicht substanziell überholt, was die wirklich grossen Pianisten der 1950er bis 1980er Jahre betrifft, zumal deren Manche er persönlich erlebt und auch gekannt hat.
Auch war seine profunde Exegese des Klaviersonaten-Werks Beethovens unter Studenten und Musiklehrern seinerzeit wie ein Neues Testament der Beethoven-Rezeption, und Kaiser war ja ein recht guter, wohl eher dilettantischer Pianist, aber einer mit profundem Wissen und eine Kultur-Instanz der großen deutschen Zeitung: der SZ aus München, und weit darüber hinaus.
Das Kultur-Leben ohne Ihn war undenkbar - auch nicht unfehlbar.
Nun also, verglichen mit andren, eher daten-profanen, oberflächlich subsumierenden Pianisten-Büchern bleiben Kaisers 'Pianisten' auch für anspruchsvolle Leser 'literarisch' lesenswert, wenn auch nur als Kultur-Unterhaltung.
Der von Kaiser hochverehrte Pianist Artur Rubinstein äußerte gleich damals nach Veröffentlichung (1960er) und dem ihm eigens darin gewidmeten Kapitel, er hätte es nicht für möglich gehalten, dass jemand darart anschaulich Musik verbal vermitteln kann.
Sodenn: nach nunmehr über 60-Jahren kann man Rubinstein doch nur zustimmen: 'Kaisers Pianisten' bleiben up-to-date.
Und höchst persönlich beherzt im Ton, immer anschaulich und seriös vermittelt Joachim Kaiser seinen Lesern und 'geneigten' Zuhörern (s)eine Musikkultur, um nicht (auch) beifallheischend eitel oder selbstherrlich belehren, sondern primär inständig aufklären und anregen zu wollen, nehmt doch bitteschön daselbst etwas davon wahr, erfahrt, vergleicht und begreift, was Musik ist als Teil der Welt, in der er, sie, wir leben - und womöglich ärmer ohne sie.
Ein Professor par Excellence dieser berühmte Piano-Kaiser, und, wie er zuletzt selbst bekennend erkannte: Der letzte Mohikaner.