Aufgeklärt-waches Beethoven-Spiel
Seit der epochalen Version der London Classical Players unter Roger Norrington (EMI-Vergin) und deren Nachfolger wie u.a. Gardiner oder Harnoncourt bis heute zur Deutschen Kammerphilharmonie Bremen unter Järvi sollte man akzeptieren, dass Beethovens sinfonische Grösse auch im kammermusikalischen Format gross oder gleichwie der Toscaninis oder Leibowtz' noch gross-philharmonischen Einspielungen durchaus schlank und beinahe kammermusikalisch klingen können.
Alles eine Frage von Phrasierungskunst und Flexibilität in Tempo und Dynamik, Differenzierungsvermögen in Relation zu einer präziser hist.informiert resp. instrumentiert ausgeführten Darbietung.
Und wer Beethoven nun vergleichend a la Toscanini oder Norrington hört, wird kaum arge musikalische Differenzen in den Interpretationshaltungen erkennen können und beide Male lebendig gespielten Beethoven hören.
Hier nun spielt das Danish Chamber Orchestra, derzeit nur privat gesponsert, unter dem schon langjährig vertrauten Dirigenten Adam Fischer, der vor allem mit seinem Austro-Hungarian Haydn Orchestra und sämtlichen Haydn-Sinfonien bekannt wurde, die damals im originalen Eszterhazy-Konzertsaal eingespielt wurden, und z.T. auch akustisch sehr beeindruckten.
Auch hier dirigiert Fischer durchweg überzeugend nun mit den Dänen Beethovens neun Sinfonien auf der Harnoncourt-Järvi Linie, ohne 'historisches' Instrumentarium, flexibel-moderat und weniger tempoexzessiv, jedoch in hist.informierter Diktion, dynamisch weit ausgereizt, mit vielen und klar hörbar artikulierten Streicher-Sforzati und einer insgesamt forsch-frischen Tempogestaltung. Eine so aufgeklärte, stringent-fliessende Diktion, prägnant in der motivischen Gestaltung und insgesamt unheroisch-pathosfrei in der Gesamtdarstellung ist doch bemerkenswert.
Die räumliche Akustik und hörbare Staffelung der Streicher zu den dominant artikuliert agierenden Bläsern klingen natürlich, jedoch mit leider einem durchgängigen Manko: die Pauken erscheinen manchmal wie unterbelichtet oder deplaziert und klingen deshalb stellenweise pelzig artikuliert, wie ein verstopft klingendes Pochen, ein akustisches, weniger musikalisches Verdikt.
Die musikhistorisch so markante 'Eroica' wird leider zu wenig differenziert, eher forsch-glatt durchgespielt und nicht so intensiv artikuliert wie nötig, das grosse Adagio-Fugato läuft einfach zu schnell durch und wirkt auch nicht zwingend nachdrücklich.
Dies meisterte Altmeister Jordi Savall im vergleichbar höheren Originalklangmodus intensiver und ausdrucksvoller.
Wie die ersten beiden, schön Haydn-nah, klingen auch die 4te und 5te Sinfonie wie ein stringenter musikalischer Fluss, der Beginn des Allegro-I der 5ten etwas zu schnell, um auch die anschliessenden, noch schnelleren Streicherfigurationen mit Pausen zum Allegro-II noch unterscheid- und hörbar zu machen.
Die pastorale 6te glänzt mit einer betörend relaxed differenzierten (Bläser!) Szene am Bach, einem doch eher 'verstopften' Gewitter und flüssig schönem Hirtengesang.
Die 7te, vom Anbeginn sehr ernst genommem, 1.Satz rund 14!Min., ist mal kein blöd-rasanter Tanztaumel, sondern eine Abfolge präzis rhythmisch strukturierter sinfonischer Sätze: Sostenuto-Vivace/Allegretto (ohne Adagio-Schmäh)/Presto/Allegro vivace, und ebenso höchst differenziert wie auch genau artikuliert - (ein Kleiber lässt grüssen). Die 8te wird wie ein avancierter Haydn-Klassiker superb dargeboten, schlichtweg erstklassig, so auch die Neunte, allemal instrumental, prägnant abgestimmtes Scherzo und ein fliessend fein strukturiertes Bläser-cantabile-Adagio, andante-fein umrahmt und auch so ausdrucksvoll gespielt, wie auch noch das Final-Presto, und dann - die Crux aller solistisch-chorischen Vokal-Parts, die heute kaum mehr befriedigend, sprich affirmativ gültig realisiert, noch beglaubigt dargestellt werden (können) ... tempi passati.
Immerhin, Schillers Ode als rasant-reklamiert-betonter wie kaum mehr glaubwürdiger Apell.
Resume: eine in sich sehr stimmige, höchst ausdrucksstarke und überzeugende kammermusikalisch-sinfonische Variante der Beethoven-Darstellung, die überhaupt keinen Vergleich zu scheuen braucht, weder retrospektiv, noch zu den aktuellen gross-philharmonischen Darbietungen. Das Dänische Kammerensemble unter Adam Fischer spielt erstklassig Beethoven, auch idiomatisch überzeugend.
Zur Info: diese neue Naxos-Produktion wurde über die noch relativ neue classic streaming-platform "Idagio.com" auf HD-level abgehört.