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    2. Alle Rezensionen von Maxwells Dämon bei jpc.de

    Maxwells Dämon

    Aktiv seit: 25. August 2020
    "Hilfreich"-Bewertungen: 0
    3 Rezensionen
    Der Goldene Schnitt Der Goldene Schnitt (Buch)
    04.05.2022

    Wunderbare Populärdarstellung der krummsten Zahl der Welt


    Die mathematischen Episoden in dieser Monografie des Goldenen Schnittes Φ bestechen durch ihre glasklare Darstellung in didaktisch herausragender Transparenz. Das ist für ein Buch mit populärer Zielrichtung sicher das wichtigste Bewertungskriterium, und daran allein gemessen verdient es ohne jede Frage Höchstbewertung. Dem entspricht auch der optische Eindruck der vielen sauberen grafischen Darstellungen in Harmonie mit dem minimalistischen Gesamtlayout, das zu einem Gesamtbild höchster Ordentlichkeit führt. Irgendwie scheint aber das gar nicht so sehr in den heutigen Zeitgeist mit seiner oft überfrachteten und überbunten Darstellungsweise zu passen. Vielleicht spielen dabei auch Sparmotive des Verlags mit, was angesichts des äußerst günstigen Verkaufspreises nachvollziehbar ist, was aber gerade dann auch zu dem ästhetischen und absolut seriösen Ergebnis führt. Angesichts des ebenfalls schönen Drucks und guten Einbands möchte man sich dann vielleicht auch ein etwas besseres Papier wünschen, aber das kann man aus besagten Gründen nicht verlangen.

    Darüber hinaus scheint das Buch auch sachlich fast ganz fehlerfrei zu sein, doch nicht absolut. So ist etwa im Fall des Eulerschen Polyedersatzes (F+V=E+2) der Sachverhalt zwar korrekt dargestellt, es ist stattdessen aber fälschlich die Rede von der Eulerschen Zahl. Vielleicht ist das nicht unbedingt dem Autor selbst anzulasten, sondern ist möglicherweise durch die Übersetzung ist Deutsche (vom Spanischen?) bedingt. Von den didaktischen Grafiken ist im Detail die Darstellung der Winkelhalbierung im Goldenen Dreieck etwas verunglückt.

    Das alles bewirkt für sich allein aber noch keinen Punktabzug. Den größten Anteil an dem abgezogenen Punkt hat die Tatsache, dass der Aurtor über weite Strecken übliche Überinterpretationen von Φ kolportiert, wenn es um das "Schöne" geht. Erst sehr spät im Text rafft Corbalán sich auf zu fragen, ob möglicherweise "der Wunsch, in der Architektur des Parthenon den Goldenen Schnitt zu finden, größer war als ein bewusster Einsatz vonseiten der Erbauer", und einzuwerfen: "Wir können immer 666 Schritte, Stufen oder Meter zwischen zwei beliebigen Punkten finden, um einen Zusammenhang mit Satan oder dem Teufel herzustellen." Demgemäß lässt sich auch Φ überall finden, wenn man es nur hartnäckig genug darauf anlegt. Das Hinterfragen solcher Überdeutungen im Allgemeinen ist gerade in dieser heute immer mehr von transatlantischem Oberflächendenken beeinflussten Zeit wichtig. Stichworte wie "Fake-News" und Verschwörungstheorien unterstreichen das. In diesem Zusammenhang ist Φ nur ein unwichtiges und harmloses Beispiel, wohl eben aber ein formal symbolisches. Im Pentagramm oder dem Drudenfuß, der vielfach in der Tat auch Zeichen konspirativer Gruppen ist, ist Φ dagegen inhärent, und somit vielleicht die Schönheit an sich. Wenn wir allerdings Φ auf den Grund gehen, dann wird mit seiner Kettenbruchentwicklung vor allem seine ausgezeichnete Bedeutung als irrationalste, sprich krummste, Zahl der Welt klar. Corbalán überlässt diese Deutung den Lesern selbst, auch wenn er mit Beispielen zur Blattstellung bei Pflanzen schon in diese Richtung weist.
    Ostwind Katja von Garnier
    Ostwind (DVD)
    21.03.2022
    Bild:
    5 von 5
    Extras:
    4 von 5
    Ton:
    5 von 5

    Spannend und höchst ergreifend

    Aufreibendes Drama um ein Mädchen und ein Pferd, die zusammen ihre Freiheit suchen

    Wie die Geschichte beginnt:

    Die Gutsherrin Maria Kaltenbach will den ungestümen Hengst Ostwind kaufen und wird dabei folgenschwer verletzt, weil dieser die Gelegenheit nutzt und aus seiner Box ins Freie ausbricht. Frei über endlose Berg- und Gipfelweiten zu jagen – so etwas träumt auch die Siebtklässlerin Mika Schwarz in der Frankfurter U-Bahn auf dem Weg zum letzten Schultag vor dem Sommer, bis sie von ihrer Freundin Fanny geweckt wird.

    Der Klassenlehrer ist ein linker Typ und gibt Mika ein Sitzenbleibe-Zeugnis, obwohl er ihr vorher etwas Besseres signalisiert hatte. So darf sie dann auch nicht wie geplant mit Fanny in das Feriencamp an die Nordsee fahren, sondern wird von ihren Eltern zur Oma aufs Land nach »Hessisch-Sibirien« geschickt, wo sie büffeln soll. Nach längerer Bahnreise kommt sie dort an einem winzigen Haltepunkt an, wo weit und breit niemand ist außer einer dösenden Kuh, die noch Hörner tragen darf und die Mika begrüßt. Mika antwortet mürrisch muh und macht für Fanny ein Foto mit dem Titel "Willkommen in der Pampa".

    Ihre befürchtete Langeweile in der "Pampa" hält dann aber gar nicht lange an, denn das Gut Kaltenbach ihrer Großmutter entpuppt sich als Reiterhof, und Mika lernt dort Ostwind kennen. Anders als die Leute von Kaltenbach gewinnt Mika schnell Ostwinds Vertrauen. Ohne dass sie es bisher wissen konnte, hat sie für Pferde eine Art sechsten Sinn, und so verstehen sich Mika und Ostwind auf eine fast magische Weise. Mika verbringt nun heimlich immer mehr Zeit bei Ostwind im Stall. Dabei entfacht sie aber bald ein Malheur, wobei er ins Freie ausbüxt. Und damit nimmt ein aufreibendes Drama seinen Lauf, in dem Mika und Ostwind durch Himmel und Hölle gehen müssen, bevor sie endlich zusammen frei sein können…

    Bewertung:

    Der Film erzählt eine spannende, mitreißende Geschichte, die weit über die Pferde-Mädchen-Verbindung hinausgeht und die alle Zuschauergenerationen anspricht. Der an vielen Passagen dramatische Tiefgang verlangt die höchste Stufe der Filmbewertung. Er führt gleichzeitig aber auch zu Verwunderung über die Freigabe für jüngste Altersklassen; denn der Film scheint für "kleine Mädchen" wohl weniger geeignet.

    Die Handlung wirkt durchweg sehr realistisch und ist immer schlüssig, während sie gleichzeitig auch sehr dicht ist und nirgends langweilig wird. Sie ist hoch spannend und ergreifend. Auch die Kulisse ist perfekt ausgesucht. Die Haupthandlung spielt im ländlichen Raum, und der Kontrast zum Ballungsraum Rhein-Main, wo Mika mit ihren Eltern wohnt, wird mit der hessischen "Pampa" hervorragend gezeichnet. Anfangs fürchtet Mika hier die Langeweile, denn sie kannte bislang nur die Großstadt und hielt deren Enge, Unfreiheit und Demotivation für das Normale. In der Gegend um "Kaltenbach" sieht Normalität ganz anders aus. Und dort wo Mika und Ostwind heimlich spielen und trainieren, gibt es noch nicht einmal Spuren der seelenlosen Flurbereinigung, sondern nur traditionelle Weidelandschaft mit der Ungezwungenheit schiefer Eichenpfosten-Koppeln und krummlinig grasiger Spurwege. In der heutigen Zeit konnte das dem Film wohl nur noch dadurch gelingen, dass er die Kulisse in einem Waldgebiet suchte. Genau genommen ist es der Reinhardswald, das oberste Gebirge des Weserberglandes, und die Umgebung. Hier ließen sich auch die mächtigen alten Eichen finden, unter denen Ostwind herumtollt und auf einer von denen Mika und der Stallbursche ihre konspirative Beratung über Ostwinds Zukunft abhalten.

    Aber es sind auch Minuspunkte zu nennen, vor allem manche stilbrüchigen und lästigen Musikparts, die das wunderbare Filmerlebnis stören. Etwas enttäuschend scheint auch, dass das treffende Rot des Haars nicht echt sein soll. Denn ansonsten ragt der Film auch an Echtheit und Authentizität heraus. Dabei hat sich aber auch ein massiverer Logikfehler eingeschlichen, insofern leider die Etappen von Mikas Marathon-Trip an die See in der Reihenfolge durcheinander geraten sind. Das ist wirklich schade. Geringere Schwächen sind der affige und übertrieben linke Lehrer, was aber vielleicht eine Persiflage sein soll, ferner Fannys unglaubwürdige Feuerzeugidee, der 300-km-Einsatz des Tierarztes und die Quantenmechanik-Bücher für Mika, obwohl die ja noch nicht einmal die banale Unterstufenmathematik akzeptiert. Ein Rätsel gibt die merkwürdig gestarrte Meeresbrandung auf, als Mika an der See ankommt. Die Autoschlange der Schlussszene mit Mikas abschließendem Sprung in die Freiheit ist für die wenig befahrene Straße in der Pampa viel zu lang und besteht merkwürdigerweise nur in einer Richtung.

    Alle diese Kritikpunkte zusammen reichen aber längst nicht hin, um von der Höchstpunktzahl der Bewertung auch nur einen Punkt abzuziehen. Dafür ist der Film einfach zu gut.
    Die Poesie des Unendlichen Matt Brown
    Die Poesie des Unendlichen (DVD)
    25.08.2020
    Bild:
    5 von 5
    Ton:
    5 von 5

    Auf der Suche nach der Poesie

    Dass sich das Kino einer so speziellen Thematik annimmt, verlangt schon an sich nach einer Gutbewertung. Davon Punkte abziehen zu müssen, fällt schwer und erfordert mindestens eine sehr ausführliche Begründung. Punkte abziehen muss aber nur, wer einige Vorkenntnisse über die realen Hauptpersonen und die reale Handlung hat.

    Der Film erzählt die Geschichte des indischen Genies Srinivasa Ramanujan, nachdem ihm seine totale Hingabe an schöngeistige Mathematik bereits den Schulabschluss gekostet hatte. Die Erzählung beginnt mit seiner Büroanstellung, wo er weiterhin seiner Zahlen-Leidenschaft frönt. Seine Vorgesetzten zeigen viel Verständnis, können ihm aber nicht wirklich weiterhelfen und raten ihm, sich an echte Fachleute zu wenden. So erkennt G. H. Hardy, führender Mathematiker im viktorianischen England, schnell das außergewöhnliche Talent und ruft Ramanujan gegen Widerstände des Fachkollegiums nach Cambridge. Er erkennt in Ramanujan buchstäblich einen neuen Euler und findet seine Notizbücher so originell, dass sie einst einen Platz neben den ruhmreichsten Schriften finden sollten - direkt hier in der ehrwürdigen Bibliothek neben den Briefen des Apostels Paulus und Newtons Principia Mathematica. Dies setzt Hardy sich fortan zum Ziel, und er fördert Ramanujan, wie er kann. Fünf Jahre lang arbeiten beide miteinander und schreiben große mathematische Erfolge. Aber dem Leben in Europa ist Ramanujan nicht auf Dauer gewachsen, und so kehrt er fürs erste in die Heimat zurück. Hardy, der in England eng mit dem Kollegen Littlewood weiterarbeitet, hört von Ramanujan entgegen Absprache lange nichts mehr. Als dann endlich ein Brief aus Indien kommt, enthält dieser nur die bittere Nachricht vom Tod des 32-Jährigen.

    Hintergrund des Films und Informationsquelle zu den Personen ist das Buch "The Man Who Knew Infinity" des amerikanischen Biographen Robert Kanigel, deutscher Titel: "Der das Unendliche kannte". Der englische Original-Filmtitel gleicht dem Buchtitel und weist damit Ramanujan vor Hardy die alleinige Hauptrolle zu. Insofern hätte der Film durchaus mehr von Ramanujan erzählen können, gerade das spannungsreiche Auf und Ab der Schulzeit mit verwirktem Abschluss (im Sinne des Abiturs bei uns) und seinen leidvollen Niedergang nach seiner Rückkehr nach Indien. Letztlich hat der Film diese Chancen auf starke Spannungsmomente vergeben. Andererseits liegt sein Wert aber gerade auch darin, dieses seltene Thema und die Personen überhaupt bekannter zu machen. Als prominente Nebenpersonen treten unter anderen Bertrand Russel, damals Kollege von Hardy, und J. J. Thomson, der Entdecker des Elektrons, damals Vorsitzender der royalen wissenschaftlichen Gesellschaft, auf.

    Der deutsche, ziemlich klangvolle Filmtitel behandelt die Hauptpersonen "demokratischer", indem er sie gleichermaßen beide komplett weglässt. Im Titel verbleiben einzig die Mathematik und ihre Ästhetik, und daran muss der Film sich nun messen lassen. Was die objektive Mathematik betrifft, schlägt sich der Film tatsächlich unerwartet gut. Mathematische Aspekte werden wirklich konkretisiert, was in Spielfilmen über Wissenschaft eher ungewöhnlich ist, in diesem Fall aber leicht zu bewerkstelligen war. Denn der große gemeinsame Nenner zwischen Ramanujan und Hardy war die Zahlentheorie, deren einführende Beispiele nicht abstrakt sind und von einem breiten Publikum zunächst auch ohne Kenntnis höherer Mathematik erfasst werden können. Somit kann man auch ohne spezielle mathematische Vorkenntnisse den Geistesgefechten zwischen Ramanujan, Hardy, Littlewood und Macmahon leicht folgen. Darin und in den liebevollen, korrekten Details liegt sicher eine Stärke dieses Films. Allenfalls ganz Penible könnten nachhaken wollen, warum Macmahon zwischen seiner eigenen und Ramanujans Berechnung für die Partitionen p(200) eine Differenz von zwei Prozent sieht, während uns die Kamera doch schriftliche Belege von einer weitaus winzigeren Abweichung zeigt, allerdings einer ziemlich obskuren von zufällig exakt einer Million (!?). Doch das ist eher Haarspalterei und wird auch kaum auffallen, vielleicht soll es aber auch ein Zuschauertest sein. Aber ebenso merkwürdig wirkt schon eine Szene vorher, in der Macmahon und Ramanujan ein Kopfrechnen um die Wette veranstalten. Diese Episode erscheint ziemlich abwegig, wie übrigens auch eine weitere, wo sich ein gewisser Professor Howard dazu herablässt, gegen Ramanujan handgreiflich zu werden, quasi aus wissenschaftlicher Missgunst heraus. Dieser Howard ist vermutlich eine fiktive Figur oder geht möglicherweise, etwas zu negativ, real auf den vom Buchautor Kanigel genannten Arthur Berry zurück. Seriöse Wissenschaftler handeln jedenfalls nicht so, geschweige gäben sich mit Kopfrechnen oder ähnlichem Klamauk ab. So denkt man zumindest. Im Internet erfährt man allerdings schnell, dass der reale Macmahon tatsächlich ein Kopfrechenkünstler gewesen ist und gern solche Spielchen mit Ramanujan ausgetragen hat, was durch Hardy überliefert wurde. Das berichtet uns der in der Danksagung des Films honorierte Fachberater George Andrews (Notices of the AMS 63,2).

    Die fachliche Umsetzung wirkt demnach sehr ordentlich, doch wie steht es um die Akteure? Wie würde etwa Hardy den Film empfinden? Abgesehen von dem "Stinkstiefel", wie er im Film einmal genannt wird, und von seiner oft zu formalen Filmkleidung war Hardy gerade einmal zehn Jahre älter als Ramanujan, damals noch keine vierzig. Im Film ist er eine ganze Generation älter, hat glasige Schlafaugen und braune Hautflecken. Seine "Sprints" über den Rasenplatz wirken aufgesetzt und arthritisch. Beinahe altersklapprig, kramt er ständig eine Brille hervor und wischt sich einmal beim Absetzen sogar die Augen. In einem nachdenklichen Moment packt er mit seinem Finger an die Lippe! Das alles passt eher zum Klischee "altersvertrottelter Professor", nicht aber zum realen Hardy, den Kanigel als das genaue Gegenteil beschreibt: als "eine Studie ewiger Jugend". Diese Schauspielerei bzw. Regie greift ziemlich daneben, wirkt peinlich und ist eine posthume Herabsetzung für den Elan und Enthusiasmus des Vorbilds. Der Film-Hardy könnte Ramanujans Vater sein und tritt oft auch so auf. Das rückt die Situation in schiefes Licht und erweckt einen schläfrigen und viel zu kühlen Eindruck von der feurigen Begegnung zweier intellektueller Heißblute, welche Hardy später das eine romantische Erlebnis in seinem Leben genannt hat. Die reale Attraktion zwischen beiden bestand nicht auf so banaler, förmlicher Ebene, schon gar nicht einer väterlichen, sondern im flammenden intellektuellen Abenteuer. Hardy selbst hat mit seinem Wort "romantisch" die Regieanweisung vorgegeben, anscheinend leider ungehört. Hardy und Ramanujan waren weniger freundschaftlich als kameradschaftlich verbunden. Sie waren reale Helden einer turbulenten Odyssee zu fernen Zahlenhorizonten hin, zu solchen, wie sie Ramanujan schon geahnt hatte, die aber nur mit vereinten Kräften erreichbar wurden, und selbst dann nur teilweise. Der Film presst diese reale Abenteuer-Geschichte in 104 Minuten, verliert dabei die Intensität und opfert viel Spannung. Er charakterisiert manche Hauptpersonen unkorrekt, im Fall Hardy zentrales Manko des Films. Die vielen witzig platzierten Pointen können das nicht gutmachen. Sie sind allerdings immer schlüssig eingebaut und wirken kaum an den Haaren herbeigezogen. Meist gehen sie wirklich auf Tatsachen zurück, zum Beispiel auch das ironische Gerücht, Littlewood existiere in Wahrheit gar nicht und sei nur Hardys Hirngespinst. Im Film wird auch mehrfach Hardys reale, feinsinnige Persönlichkeit angedeutet, die für die Begegnung mit Ramanujan wesentlich war. Doch bleibt gelinde gesagt fraglich, ob für den realen Hardy, der möglichst nicht einmal eine Hand schütteln wollte, eine Abschiedsszene mit Umarmung, noch dazu eines Mannes, überhaupt vorstellbar gewesen wäre. - War schon Hardy von zierlicher Gestalt, so war Ramanujan wohl noch kleiner und, vielleicht abgesehen von seiner letzten Krankheitsphase, alles andere als schlank. Er war ein rundlicher Denkertyp mit durchaus ansprechendem Gesicht und mit als leuchtend beschriebenen Augen. Erst auf einem am Filmschluss einmontierten Realfoto ist das halbwegs zu erkennen. Die Darstellung von Janaki, Ramanujans Ehefrau, durch ein dunkeläugiges Engelsgesicht steht ebenfalls im Gegensatz zu Kanigels Beschreibung, soll aber dem Spielfilm ruhig zugebilligt sein. Bei Ramanujans Abreise aus Indien war sie allerdings gerade dreizehn, bei ihrer Verheiratung erst zehn, was uns Abendländler ziemlich abgestoßen hätte und daher im Film wohl "hingebogen" wurde. Auch weitere Personen, etwa Macmahon, scheinen im Typ verändert worden zu sein. Und Littlewood hätte wohl eine Karikatur nicht nötig gehabt.

    Ramanujan ist ein Exot im doppelten Sinn und zieht Aufmerksamkeit schon automatisch auf sich - und so zum Teil wohl auch von Hardy ab. Nach eigenem Bekunden lag Hardys größte fachliche Leistung tatsächlich darin, Ramanujan entdeckt zu haben. Aber natürlich steht Hardy für vieles mehr, nur ließe sich das kaum populär darstellen, etwa die generelle Modernisierung der angestaubten englischen Mathematik nach strengem deutschen und französischen Vorbild. Bekannt ist Hardy vor allem aber für seine populäre Schrift über das Wesen und die Schönheit der Mathematik: "A Mathematician's Apology". Viele Sätze im Film stammen aus diesem Werk und sind daher authentisch. Dazu gehört auch das Zitat von "den Reden langweiliger oder aufgeblasener Leute", welchen Hardy zwangsläufig oft zuhören musste, dann sich aber zum Trost sagen konnte, dass er hat auf Augenhöhe mit Littlewood und Ramanujan arbeiten dürfen, etwas das sonst niemandem vergönnt war. Solche Highlights aus Hardys populärer Schrift wirken auch im Film als wirkliche Höhepunkte; sie sind einfach schön. Und Schönheit an sich, ob im allgemeinen Sinn oder speziell im mathematischen, war Hardys generelle Devise und Lebenseinstellung. Er sah "keinen Platz in der Welt für hässliche Mathematik". Insofern ist der poetische deutsche Filmtitel treffgenau und erweist damit Hardy eine gebührende Referenz. Er verspricht damit aber etwas, das dann der Film nicht hält, obwohl er es leicht hätte halten können, da Hardy mit seiner Schrift "Apology" hinreichend Vorlage geliefert hat. Die zwar reichlich aus ihr entnommenen Zitate bereichern sehr passend die Dialoge; dabei wurde aber kein einziges ausgewählt, das Hardys zentrale Devise betrifft. Die sich hier eröffnende Chance, Hardy und seinem Anliegen eine späte breite Öffentlichkeit zu verschaffen, hat der Film damit leider vergeben. Das zu Beginn eingeblendete Zitat Bertrand Russels von der "unvergleichlichen Schönheit" der Mathematik bleibt somit ziemlich leer im Raum stehen. Hardy hatte für die "Apology" Beispiele ausgesucht, die sich auch jedem Nichtmathematiker leicht erschließen und zugleich auch mathematische Schönheit demonstrieren - so etwa Euklids Beweis für die Unendlichkeit der Primzahlen. Dieser elegant minimalistische Beweis hätte sich leicht und ohne intellektuellen Mehraufwand auch in den Film einbetten lassen, zum Beispiel statt der Partitionen-Episode. Anders als die Partitionen hätte Euklids Unendlichkeitsbeweis eine einfache Vorstellung von Schönheit und Tiefe in der Mathematik vermittelt. Zudem hätte sich damit eine Gelegenheit ergeben, Hardy wenigstens einmal auch vor Studenten zu zeigen, den Unendlichkeitsbeweis spannend und dramatisch an der Tafel vorführend. "In seinen Vorlesungen sprang der Funke seiner Begeisterung und seiner Freude an der Sache über", schreibt Kanigel über ihn. Daran und an der metaphysischen Poesie des Unendlichen gleitet der Film nun leider vorbei.

    Umso positiver überrascht es dann, dass sich der Film nicht zufrieden gibt mit Hardys naiv atheistischer Selbsteinschätzung, sondern dass Ramanujan nachhakt und versucht, diese als selbstwidersprüchlich zu entlarven. Jedenfalls ist Ramanujans Einspruch eine löbliche Aufforderung an den Zuschauer, sich dazu eigene Gedanken zu machen. "Wir erfinden die Formeln doch nicht, sie existieren bereits", beschwört Hardy das Auditorium, "und sie warten nur darauf, ...endlich aufgespürt und bewiesen zu werden." Die philosophische Gegenposition dazu wäre etwa die, dass die Formeln von uns, den Menschen, erdacht würden. Doch dann wäre die Mathematik eine Geisteswissenschaft, und wir selbst wären soweit Schöpfergott. Hardy ist quasi eine Galionsfigur des mathematischen Platonismus, und das kommt im Film auch herüber.

    Der Film zeigt, dass Hardys "Apology" gelesen wurde, aber nicht, dass sie auch ganz verstanden wurde. Denn das, worauf es Hardy wesentlich ankam, Ästhetik und Poesie, blieb fast ganz außen vor. Ansonsten bietet der Film ein gut gemachtes, wenn wohl auch dem realen Vorbild gegenüber unterkühltes Unterhaltungs-Drama.
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