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meiernberg
Top 10 Rezensent
27. Februar 2015
Höfische Ton-Kunst
Wenn der Landgraf am Darmstädter Hof den Graupner gelassen hätte, dann wäre der anstelle Bachs Thomaskantor in Leipzig geworden und die Musikgeschichte hätte einen gänzlich anderen Verlauf genommen.
So verbrachte der sein ganzen Leben in Darmstadt und hinterließ ein umfangreiches Werk. Das zentrale Stück dieser neuen Graupner-CD von cpo sind nicht die vier kleinen (und klein besetzten) Konzerte, sondern seine achtteilige Tafelmusik. Die ist voller Affekte und Effekte und zieht den Hörer in den Bann. Vielleicht liegt das auch an den Interpreten, denn die fügen mehreren Sätze virtuose Blockflöten hinzu, ganz gegen Graupners Textanweisungen und cpo's Titelangaben. Erst aus dem Kommentar des Booklets heraus ergeben sich Erkenntnisse zu diesem wirkungsvollen "Eingriff". Mit beherztem Zugriff meistert das israelische Ensemble Accademia Daniel die musikalischen Herausforderungen. Und doch kann man sich vorstellen, wie die Effekte der Tafelmusik klingen würden, bekäme z.B. Concerto Köln die Noten in die Finger. Da würde es noch mehr blitzen und krachen und Effekte würden gnadenlos ausgespielt. Doch auch unter Shalev Ad-El klingt das gut.
Ein Wort zu den (sonst etwas harmlosen) Konzerten: Wer weiß, was eine Chalumeau ist? Dieses einfache Rohrblattinstrument ist der Vorläufer der Klarinette in tiefer Lage und samtigem Ton. Graupner hat viel für dies Instrument komponiert. Er mochte es wohl besonders gern. Wer also eine Chalumeau kennen lernen möchte, dem sei auch diese CD empfohlen, denn gleich im ersten Konzert ist dies Instrument Solo-Akteur. Eine schöne neue CD in typisch hochwertigen Standard von cpo!