4 von 5
gemi:re
Top 25 Rezensent
10. Juni 2017
Gesamteindruck:
4,0 von 5
Künstlerische Qualität:
4,0 von 5
Repertoirewert:
3,0 von 5
'Moderner' hist.informierter Beethoven
P.Järvi Bremer Beethoven
Verglichen mit der von Roger Norrington schon vor rund 30Jahren (hörbar frisch, kaum zu glauben) 'kammermusikalisch' und erstmals stringent hist.informiert interpretierten Beethoven-Sinf.Einspielung mit seinen London Classical Players, klingt Järvis Bremer Aufnahme erstaunlich routiniert und sicher, selbst bei heikelsten Metronomfolgen.
Erstaunlich und ernüchternd zugleich.
Denn hörte man damals bei Norrington noch die Erarbeitung und Bewältigung eines hist.(wenig) informierten Neulands, zumal die ungewohnte, sehr direkte, auch klangtechnische Nahzeichnung kleiner intrumentaler Vorgänge, das kantig impulsive, rasche und spieltechnisch auch noch z.T. unfertige Formen und Gestalten der heiklen musikalischen Verläufe (die damals doch noch abenteuerlich(er) klangen als heute), kommt Järvis Bremer Beethoven spiel- wie klangtechnisch nahezu perfekt, vor allem so rasant und so gekonnt daher, dass man sich über das sog.revolutionäre, plejbeische Potential dieser Beethoven-Musik kaum mehr wundern kann.
Da passt doch alles glatt.
Wirklich? Der essentielle Gehalt dieser Sinfonien liegt m.E. aber sicherlich unter der perfekt formuliert gespielten, klangtechnisch optimierten Erscheinungsebene verborgen, die man aufbrechen muss, um sie hörbar zu machen - eben die Kunst der Interpretation.
Norringtons London Players ist dies in den 80er Jahren - und dem exzellenten Tonmeister Mike Clements - in den EMI-Studios öfter gelungen, wie z.B. beim 'Lustigen Beisammensein der Landleute' zum 'Gewittersturm' der 6ten und dem dann deutlich freudig deklamierten 'Dankgesang' oder beim Adagio-Eingang zum Allegro con brio der 2ten, der nahezu, pardon, 'perfekten' 8ten.
Solcherart gestaltete und Beethoven-essentielle Aufgeregtheiten bleibt uns Järvi mit seinen Bremer Kammerspielern weitgehend schuldig. Durch dessen perfekt glänzende 'philharmonische' Brillanz und Rasanz dringt kaum Unerhörtes und bezwingend Gestaltetes hervor, auch keine hörbare Irritation.
Ebensolchen schnittigen Gleichlauf bieten heute auch grossbesetzte LuxusLiner wie die Berliner Philharmoniker unter Rattle. 30Jahre nach Norringtons Funden zu wenig.