1 von 5
Musaion
Top 100 Rezensent
01. Februar 2022
Gesamteindruck:
1,0 von 5
Künstlerische Qualität:
1,0 von 5
Repertoirewert:
1,0 von 5
Wer hätte das gedacht, ...
... dass nach diesem Wagner-Album Vogt eine solche Wagner-Tenor-Karriere in den letzten Jahren durchlaufen würde.
Schaut man sich Rezensionen zu seinen Aufnahemen hier an, heißt es immer wieder, die Stimme sei Geschmackssache.
Nein - ist sie nicht! Es gibt nämlich einiges dazu zu sagen.
1. Die Stimme selbst ist ein sogenannter "weißer Tenor" mit schwach entwickelter Tiefe und Mittellage und einer brauchbaren Höhe, dünn und mit geringem Vibrato. Nun wird leider gerade letzteres seit dem Aufkommen des Mikrophons und der U-Musik von unerfahrenen Hörern geschätzt, denn diese Stimmcharakteristik lässt sich aufnahmetechnisch besser einfangen als eine Stimme mit gesundem Vibrato. Dieses ist aber zwingend notwendig, um eine Stimme in größeren Sälen mühelos durch den "Klangvorhang" des Orchesters dringen und auch die hintersten Zuhörerreihen erreichen zu lassen, ohne den Sänger zu überanstrengen oder die Stimme strähnig oder schrill klingen zu lassen. Nicht umsonst waren die Stimmen früher genau daraufhin trainiert. Nicht zu vergessen ist, dass das Vibrato auch ein wichtiges Mittel ist, um Emotionen im Gesang auszudrücken ("Stimme bebt vor Erregung").
Mit dieser Stimme Vogts können nur lyrische Arien oder Passagen darin gelingen - alles was eine heldische Stimme oder deren strahlend-schmetternden Einsatz braucht, ist unerreichbar, da ihr der sogenannte Squillo fehlt. Dies gilt aber auch für schwermütige, leidende Gesangspartien, denn dafür fehlt die dunkle Stimmfärbung und die notwendige Tiefe.
2. Zur Interpretation. Gute Sänger können Begrenzungen ihrer Stimme notfalls kunstvoll nutzen, um damit bestimmten Partien besonderen Charakter zu verleihen, was aber meist nur bei bestimmten Partien möglich ist. Nun wagt sich Vogt hier an ein sehr vielseitiges Programm von Wagner-Partien: vom heldentenoralen Siegmund bis zum lyrischen Erik - derartig unterschiedliche Rollen wollen nicht nur stimmlich, sondern auch interpretatorisch differenziert gestaltet werden. Und hier zeigt sich Vogts nächstes großes Manko: Es klingt alles unglaublich einförmig!
Er klingt immer wie ein schwachbrüstig-anämischer Teenie mit Lungenleiden, der sich vorsichtig zwischen piano und forte bewegt. Schon ein Pianissimo gelingt wegen des fehlenden Vibratos meist nicht, sondern verhaucht irgendwie. Das Forte wird nur kurz erreicht und klingt dann hart und nicht schallend.
Zudem singt Vogt recht offen, was oft zu einem hellen e- und a-Laut führt und unschöne Artikulationsphänomene zur Folge hat (bspw. Hende statt Hände). Verschlimmert wird dies durch seine Angewohnheit, die Konsonanten im In- und Auslaut zu verschlucken, was der Wortdeutlichkeit und Verständlichkeit sehr abträglich ist. Entsprechend werfen Leute, die es nicht können oder nichts davon verstehen, den anderen "Konsonantenspuckerei" vor - nichts falscher als das! Das konsonantenreiche Deutsch hat es zwar gesanglich schwer, aber auch Konsonanten kann man singen, wenn die richtigen Resonanzräume genutzt werden. Das zu erlernen ist aber harte Arbeit, die mancher scheut, aber seltsamerweise haben es die alten Gesangskünstler gekonnt, was zur Folge hat, dass man sie - trotz schlechter Aufnahmebedingungen damals - wunderbar versteht. Das Folgeproblem daraus ist, dass die Interpretation auch darunter leidet.
Bsp.:
Track 3: Lohengrin: Klingt die erste Phrase noch gut, so klingt es dann: "... letzde trauuige Fahd, wie gean hed ich sie dia erspaht." usw. Dass diese Fahrt traurig ist und Lohengrin leidet hört man nicht - keine Akzentuierung, keine Verschattung der Stimme oder gar eine Träne in der Stimme. Alles klingt brav aufgesagt.
Track 4: Parsifal: Noch schlimmer - "Die Wunde" - Rufe sind selten so wenig erschütternd gesungen worden wie hier. Da "bebt und zuckt" rein gar nichts, von markerschütternder Klage nicht zu reden! Das ist ein Schulreferat über "Die Schrecklichkeit des Leidens" und alle Zuhörer schlafen getrost ein.
Track 5: Hat man je den Zielsatz der ganzen Oper: "Enthülltet den Gral - öffnet den Schrein!" - immerhin der Befehl des neuen Gralkönigs, sein sehnlichstes Erwarten - je so verhaucht und verhuscht gehört? Von Entzücken keine Spur!
Track 6: " Vernichte nicht das Werk" - das ist kein flehendes Bitten, sondern ein genuscheltes ohne jede emotionale Bewegtheit.
"Erhöre mein tiefinbrünstig Flehn!" klingt säuselig.
Track 9: "Da lacht ihm Brünnhildes Lust!" - "Seliges Grauen" auch hier ist kein emotionales Empfinden hörbar. Alles klingt gleich - Freud und Leid - alles eins.
Track 10: Zwar gelingen ihm die Wälse-Rufe überraschend gut, aber damit ist sein interpretatorischer Eifer erloschen - "lustig lacht da der Blick" ist farb- und bedeutungslos wie der ganze Rest. Ein harmloser Jüngling deklamiert einförmig vor sich hin.
Fazit: Dass jemand mit dieser schwachen, eindimensionalen Stimme und dem eklatanten Mangel an Interpretationsvermögen überhaupt auf der Opernbühne Karriere machen konnte, sagt viel über den aktuellen Zustand des Tenorfachs und die Besetzungspolitik heutzutage aus...
Selten hat man sich über "Tonkonserven" aus der Vergangenheit so sehr gefreut, wie nach dieser CD!