Franz Schubert: Winterreise D.911 auf CD
Winterreise D.911
Herkömmliche CD, die mit allen CD-Playern und Computerlaufwerken, aber auch mit den meisten SACD- oder Multiplayern abspielbar ist.
(soweit verfügbar beim Lieferanten)
- Künstler:
- Daniel Lichti, Leslie De'Ath
- Label:
- Analekta
- Aufnahmejahr ca.:
- 2005
- Artikelnummer:
- 2096643
- UPC/EAN:
- 0774204992125
- Erscheinungstermin:
- 1.1.2014
Die Winterreise wurde innerhalb von zwei Jahren nach Schuberts Tod im Jahr 1827 komponiert. Sie wird oft als der größte aller Liederzyklen gepriesen, und das aus gutem Grund. In diesem Werk ging Schubert so weit an die Grenzen der zu seiner Zeit vorherrschenden melodischen und harmonischen Sprache, dass frühe Aufführungen bei den Zuhörern auf Bestürzung stießen.
Für mindestens eine Person bei der ersten Aufführung war Der Lindenbaum das einzige verständliche Lied des Zyklus – zugleich das volkstümlichste und lyrischste der Lieder und das am wenigsten vorbildliche des gesamten Zyklus. Das anhaltende Fehlen von Schuberts typischer Begabung für scheinbar mühelose Lyrik in diesem Zyklus, mit wenigen Ausnahmen, ist bemerkenswert. Es veranschaulicht die schnelle Anpassungsfähigkeit seines Kompositionsstils, da es einen außergewöhnlichen poetischen Zyklus mit ebenso ikonoklastischen musikalischen Gesten verbindet. Die Melodielinie konzentriert sich fast ausschließlich auf Deklamation und umfasst silbische Monotonie (wie in Die Krähe) als Metapher für Geistesstörung.
Schubert verwendet in den 24 Liedern fast ausschließlich eine Note pro Silbe.
Da es unmöglich ist, der Winterreise in weniger als einem ganzen Buch gerecht zu werden, konzentrieren wir uns hier auf das erstaunlichste und verwirrendste aller Schubert-Lieder, Der Leiermann. Wie Richard Capell sagt: „Tausendmal hätte niemand geglaubt, dass das letzte Lied auch nur annähernd so sein würde.“ Wie bei so vielen von Schuberts besten Liedern ist die musikalische Äußerung hier konzentriert, einfach und aussagekräftig. Ihre ergreifende Wirkung ergibt sich direkt aus der Zurückhaltung und Sparsamkeit der Mittel, in denen jede Note und jede Stille einen direkten, greifbaren dramatischen Zweck hat.
Empfindsamkeit ist hier ein Fremdwort. Obwohl das Drama der Winterreise vielen Interpretationen unterworfen war, ist die Botschaft in Der Leiermann sicherlich eine der Entfremdung und Geistesstörung. In diesem abschließenden Lied wird uns klar, dass der Protagonist der Winterreise im Gegensatz zu dem unglücklichen Jugendlichen der schönen Müllerin, der Trost im Tod findet, zum Überleben verdammt ist. Sein Trost ist der ergreifende Zufluchtsort des Wahnsinns.
Die unausweichliche Angst der anderen 23 Lieder kann nur gelindert werden, indem man sich symbolisch mit dem Leiermann anfreundet. Sie sind Mitinsassen eines Irrenhauses, die frei und ziellos umherwandern können. Der Leiermann ist ein Geist – ein bizarrer Held für unseren Protagonisten, der sich souverän über weltliche Bedürfnisse, Leidenschaft und Vernunft erhebt. Er läuft barfuß auf Eis und nimmt keine körperlichen oder emotionalen Beschwerden wahr. Sein Teller ist sowohl buchstäblich als auch im übertragenen Sinn leer. Auch unser Held dreht seinen Mantel um und schließt sich ihm in seiner schaurigen und gespenstischen Ekstase an, begierig darauf, sein Doppelgänger zu werden.
Die psychische Desorientierung, die die Winterreise durchdringt, weist merkwürdige Parallelen zu einem anderen Meilenstein der deutschen Literatur und Musik auf – Wozzeck. Bergs gleichnamige Oper von 1922, die als Paradigma des musikalischen Expressionismus des frühen 20. Jahrhunderts gilt, basiert auf einem Stück Büchners, das 1914 in Wien uraufgeführt wurde, tatsächlich aber 1836 geschrieben wurde, nur zwölf Jahre nach Müllers Winterreise. Büchners Woyzeck blieb nach seinem Tod im Alter von 23 Jahren als Aneinanderreihung fast unverständlicher Fragmente zurück. Das Werk ist dem Genre des epischen Theaters zuzuordnen, in dem sich das Drama auf die einzelne Szene statt auf die Entfaltung einer fortlaufenden Erzählung konzentriert. Diese Montage wird allgemein als Absicht Büchners angesehen und nicht als Ergebnis von Unvollständigkeit oder Schlamperei.
Die Reihenfolge der Szenen kann ohne schädliche Folgen geändert werden, da Ereignisse und Erfahrungen in zufälligen Mustern ablaufen und nicht durch Überlegungen zu Ursache und Wirkung eingeschränkt sind. Eine solche Herangehensweise an das Drama, die in der Berg-Oper so greifbar ist, weist offensichtliche strukturelle Parallelen zur Winterreise auf. Man kann sich viele ähnlich wirkungsvolle Neuanordnungen der Gedichte und Lieder vorstellen. Das Taumeln am Rande der Vernunft, die Desillusionierung mit der Realität, halluzinatorische Verzerrungen, Ziellosigkeit, Entfremdung von der Gesellschaft und eine ständige Beschäftigung mit den inneren Vorgängen der Psyche sind gemeinsame Themen sowohl im Liederzyklus als auch in der Oper, obwohl zwischen ihrer Entstehung fast hundert Jahre liegen. Büchner könnte Müllers Zyklus durchaus gekannt und von ihm beeinflusst worden sein. Ich beende diese Anmerkungen, wie die Gedichte, fragend: Ist es zu viel gesagt, dass Müllers Werk bereits die Ästhetik des expressionistischen Dramas umfasst und seiner Zeit Jahrzehnte voraus ist?
Eine Anmerkung zum Klavier
Das in dieser Aufnahme verwendete Fortepiano wurde 1851 von Johann Baptist Streicher in Schuberts Heimatstadt Wien gebaut. Obwohl es aus einer Generation nach dem Tod des Komponisten stammt, ist es typisch für die letzten Jahrzehnte der gerade besaiteten Hammerklaviere mit Holzrahmen, auf denen die Winterreise in der Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts oft aufgeführt wurde. Sein Klang und seine Spielmechanik schienen der Musik angemessen, und wir waren der Meinung, dass es dem Zyklus besonders gut diente. Es war früher Teil der Edwin Buenk-Sammlung (Niederlande) und ist heute im Besitz der Musikfakultät der Wilfrid Laurier University in Waterloo, Ontario.
Ein Streicher-Klavier von 1868, ebenfalls gerade besaitet und mit Wiener Spielmechanik, wurde Brahms geschenkt, der es bis zu seinem Tod im Jahr 1897 als sein Studioklavier verwendete.
© Leslie De'Ath
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Tracklisting
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Details
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Mitwirkende
Disk 1 von 1 (CD)
Winterreise D 911 (1827) (op. 89 Liederzyklus (W. Müller))
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1 Nr. 1 Gute Nacht
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2 Nr. 2 Die Wetterfahne
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3 Nr. 3 Gefrorene Tränen
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4 Nr. 4 Erstarrung
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5 Nr. 5 Der Lindenbaum
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6 Nr. 6 Wasserflut
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7 Nr. 7 Auf dem Flusse
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8 Nr. 8 Rückblick
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9 Nr. 9 Irrlicht
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10 Nr. 10 Rast
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11 Nr. 11 Frühlingstraum
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12 Nr. 12 Einsamkeit
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13 Nr. 13 Die Post
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14 Nr. 14 Der greise Kopf
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15 Nr. 15 Die Krähe
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16 Nr. 16 Letzte Hoffnung
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17 Nr. 17 Im Dorfe
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18 Nr. 18 Der stürmische Morgen
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19 Nr. 19 Täuschung
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20 Nr. 20 Der Wegweiser
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21 Nr. 21 Das Wirtshaus
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22 Nr. 22 Mut!
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23 Nr. 23 Die Nebensonnen
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24 Nr. 24 Der Leiermann
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25 Nr. 1 Gute Nacht
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26 Nr. 2 Die Wetterfahne
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27 Nr. 3 Gefror#ne Tränen
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28 Nr. 4 Erstarrung
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29 Nr. 5 Der Lindenbaum
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30 Nr. 6 Wasserflut
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31 Nr. 7 Auf dem Flusse
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32 Nr. 8 Rückblick
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33 Nr. 9 Irrlicht
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34 Nr. 10 Rast
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35 Nr. 11 Frühlingstraum
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36 Nr. 12 Einsamkeit
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37 Nr. 13 Die Post
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38 Nr. 14 Der greise Kopf
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39 Nr. 15 Die Krähe
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40 Nr. 16 Letzte Hoffnung
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41 Nr. 17 Im Dorfe
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42 Nr. 18 Der stürmische Morgen
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43 Nr. 19 Täuschung
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44 Nr. 20 Der Wegweiser
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45 Nr. 21 Das Wirtshaus
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46 Nr. 22 Mut!
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47 Nr. 23 Die Nebensonnen
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48 Nr. 24 Der Leiermann
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