Spannende Geschichte aus der Zeit der amerikanischen Besatzung in den 50er Jahren
Buchinhalt:
Deutschland in den 1950er Jahren: die Amerikaner haben als Besatzungsmacht eine Kaserne im pfälzischen Kaltenstein errichtet. Die Bevölkerung muss sich wohl oder übel mit der Situation arrangieren, ebenso Amy McCoy, die Ehefrau des Kommandanten. Was sie verschweigt: Amy floh einst als Amelie Werner mit ihren Eltern aus Nazideutschland und wollte nie wieder dorthin zurückkehren. Auf dem Stützpunkt findet sie keinen Anschluss, bis ihr Mann das Bauernmädchen Marie als Haushaltshilfe einstellt. Amy und Marie freunden sich schließlich an und Amy findet in Marie ein Stück weit ihr jüngeres Selbst…
Persönlicher Eindruck:
In ihrem neusten Roman nimmt Autorin Grill ihre Leser mit ins ländliche Nachkriegsdeutschland. Die Pfalz ist Teil der amerikanischen Besatzungszone und die Bevölkerung arrangiert sich wohl oder übel mit den „Amis“, die in ihrer kleinen Ortschaft eine Kaserne aus dem Boden stampfen. Das Flair der Fünfziger Jahre, die ersten Kontakte mit den Besatzern und das sachte Aneinander-Herantasten der beiden Völker beschreibt die vorliegende Geschichte authentisch und mitreißend.
Inmitten des Wandels, den die amerikanischen Streitkräfte zwangsläufig mitbringen, stehen als Hauptfiguren zwei zunächst völlig unterschiedliche Frauen: Amy McCoy, die Ehefrau des Kommandanten der Militärbasis, und Marie, ein Bauernmädchen, das eine Stelle als Haushaltshilfe bei den McCoys antritt.
Nachvollziehbar und bildhaft beschreibt Grill, wie Amy und Marie, aber auch die anderen Dorfbewohner mit wenig Englisch- bzw. Deutschkenntnissen aber viel Händen und Füßen versuchen, sich miteinander zu verständigen. Natürlich sind die GIs bald nicht mehr von Kaltensteins Straßen wegzudenken und die deutschen „Frolleins“ sind begehrte Flirt-Objekte bei den Soldaten.
Hinter all dem steckt aber eine noch tiefere Geschichte, die Amy McCoy verschweigt: sie ist deutschstämmig, ihr Vater ein unangepasster Journalist, der mit seiner Familie 1933 aus Deutschland über Paris in die USA emigrierte. Und genau das nagt an Amy, die damals noch Amelie hieß.
Ich selbst wurde über 500 Seiten nicht warm mit dieser Figur. Amy ist hochnäsig und behandelt ihre Mitmenschen von oben herab. Sie ist fast schon besessen von Malerei, Kunstmuseen und dem Wunsch, nach Frankreich zurückkehren zu dürfen. Ihren Frust ertränkt sie in Alkohol. Was ihr fehlt: Ehrlichkeit bezüglich ihrer Herkunft, sich darauf zurückzubesinnen, wo sie herausstammt.
Amy erkennt erst recht spät, dass auch die Menschen um sie herum Probleme haben und sich die Welt nicht allein um sie und ihren Kunstfimmel dreht: Maries Beziehung zu Kriegsheimkehrer Siggi ist zerrüttet und ihre Liebe zu dem farbigen GI George hat in Amys Augen keine Zukunft. Ein weiteres Thema des Romans: Kriegstraume und Kampfmüdigkeit – auch die Ehe der McCoys zerbrach einst beinahe daran.
Mich hat der Roman, der als TV-Miniserie im Dezember 2021 ins Fernsehen kommt, sehr gut unterhalten. Die Figuren sind vielschichtig und mit Profil herausgearbeitet und das Setting authentisch und lebendig. Einzig der Schluss (nach dem eigentlichen erzählerischen Ende bezüglich Marie und George) war in meinen Augen etwas merkwürdig, so, als ob ein Teil dazwischen schlecht gekürzt wurde oder ganz fehlt. Alles in allem aber eine Leseempfehlung und ein authentisches Stück deutscher Nachkriegsgeschichte!