Mitreißender Roman vom St. Pauli der Nachkriegszeit, um Freundschaft und Zusammenhalt
Buchinhalt:
1953 flieht die junge Hanna vom Bauernhof ihres übergriffigen Stiefvaters und kommt nach Hamburg, ins berüchtigte St. Pauli. Prompt wird sie überfallen, erfährt aber Rettung durch Richard, den Hausmeister im Puff von Puffmutter Evke. Zunächst ist Hanna entsetzt über das sündige Viertel mit Reeperbahn und Hermannstraße, doch unter den Fittichen der Seemannswitwe Rieke, die im Erdgeschoss des Etablissements eine eigene Wohnung hat und inmitten der Hilfsbereitschaft, die ihr im Haus begegnet, findet Hanna schnell ein neues Zuhause. Hanna möchte sich mit einem Kleinunternehmen eine eigene Existenz aufbauen und kann dabei auf Richards Hilfe zählen, doch sein Herz bleibt Hanna verschlossen....
Persönlicher Eindruck:
Schon lange habe ich keinen derart mitreißenden Roman aus der deutschen Kriegs- und Nachkriegszeit gelesen, der schon auf den ersten Seiten dafür sorgt, dass ich als Leser direkt an den Schauplatz der Handlung gesaugt werde: Wir Mädchen vom Kiez ist eine authentische Geschichte aus St. Pauli, der berüchtigten Amüsiermeile Hamburgs. Hanna als Landei verschlägt es genau dort hin und prompt landet sie nach einem Überfall im Puff von Evke, wo man sich ihrer Verletzungen annimmt und sie nett und freundlich behandelt.
Natürlich liegt es Hanna mehr als fern, selbst Teil des Rotlichtmilieus zu werden, doch sie weiß nicht wohin und ist dankbar, dass sie von Rieke, einer Freundin von Puffmutter Evke, als Untermieterin aufgenommen wird. Die Gegenleistung: sie muss im Puff putzen und ab und zu für alle kochen. Auch der kriegsversehrte Hausmeister Richard ist Hanna gewogen und unterstützt sie, als sie sich schließlich mit einem Kleinunternehmen selbständig machen will. Zusammen mit Evke, deren Mädels und Richard findet Hanna ein neues Zuhause in der Großstadt.
Mir hat der Schreibstil, der sehr eingängig und bildhaft ist, sehr gut gefallen und ich konnte das Buch kaum aus den Händen legen. Der Zusammenhalt der Prostituierten in Evkes Laden, die Freundlichkeit, mit der Hanna bedacht wird und die geschlossenen Freundschaften haben mich sehr beeindruckt.
Viele Probleme der damaligen Zeit werden angesprochen, denn trotz aufkommendem Wirtschaftswunder sind viele Kriegsnarben noch immer in Hamburg zu sehen und das Leben ist nicht leicht. So hat auch die halbwüchsige Tochter von Evke, Lorelei, mit Spott und Häme zu kämpfen, weil ihr Vater und respektive sie selbst dunkelhäutig ist.
Zahlreiche historische Begebenheiten, wie das Endspiel der Fußball-WM in Bern werden im Buch verwendet, so dass sich eine authentische, historisch nachvollziehbare Kulisse für die Handlung ergibt. Natürlich kommt auch die Liebe nicht zu kurz, wobei viele Irrungen und Wirrungen nötig sind, bis Hanna hinter die Schale des vom Krieg traumatisierten Richard gelangt.
Der Schluss ist rund und harmonisch und wartet davor noch mit einem wahrhaften Showdown auf, doch die Möglichkeit einer eventuellen Fortsetzung mit Lorelei als Hauptfigur hält sich die Autorin mit einem kleinen Cliffhanger ebenfalls offen. Schön wär's – ich wäre auf jeden Fall erfreut, wenn die Handlung fortgesetzt werden würde.
Fazit: Eine absolute Leseempfehlung für alle, die historische Romane mit tiefgängiger Handlung und sympathischen Figuren lieben!