Moderne Aussteigerstory: viel Selbstvermarktung, wenig Sinnsuche
Buchinhalt:
Ein Jahr in der wilden Natur Schwedens – Leben unter freiem Himmel, im Zelt, auf einer Insel mitten im See: Johannes Likar hat seinen Wunsch wahr gemacht. Eine Auszeit in der Natur, als moderner „Trapper“, doch nicht ohne so manche technische Errungenschaft: Likar erlebt alle Jahreszeiten, freundet sich mit Einheimischen an und sucht nach dem Sinn im Leben.
Persönlicher Eindruck:
Im Wechsel der Jahreszeiten hat sich Johannes Likar aufgemacht nach Schweden, um weit draußen in der Pampa auf einer kleinen Insel inmitten eines Sees im Zelt zu campieren. Er steigt temporär aus aus einem stressigen Job, wählt die relative Einsamkeit der weitgehend unberührten Natur und sucht den Sinn im Leben, bei sich selbt, in seinem Glauben und in der Stille.
So ganz war das Buch nicht das, was ich ursprünglich erwartet hatte. Likar lebt keineswegs als moderner Eremit einsam und verlassen in der wilden Natur. Bisweilen bekommt er Besuch von allerhand Fremden, denen er über die Internetseite Couchsurfing eine Übernachtung bietet, er freundet sich mit Einheimischen an und geht auch regelmäßig einkaufen. Er verzichtet nicht auf technische Errungenschaften wie Smartphone, ein E-Piano (ja, wirklich, in der Wildnis!) und auf einen warmen Ofen, so ganz stimmt in meinen Augen nicht, was der Klappentext suggeriert.
Dennoch ist Likars Erzählung spannend und interessant, gerade für diejenige die wie ich so ein Abenteuer niemals selbst machen wollen würden. Der Leser kann Likars Tagesablauf literarisch begleiten, anhand kürzerer Tagebucheinträge ist man quasi mittendrin und auch die Beschreibung der Gegend und des Lagerplatzes ist plastisch und bildhaft.
Was mich nach einer Weile allerdings störte, ist die zunehmende Vermarktung seines Trips, die Likar selbst anstößt. Likar reiht sich ein in eine ganze Reihe von Videobloggern, die derzeit mit Zelt oder Van-Life-Bus durch die Weltgeschichte tingeln und ihre Erlebnisse auf youtube der breiten Masse verkaufen. Je länger das „Inseljahr“ voranschreitet, desto mehr ist Likar darauf aus, Interviews zu geben, Videobeiträge zu posten und das Ganze professionell zu vermarkten. Die ursprüngliche Sinnsuche blieb für meinen Geschmack mehr und mehr auf der Stecke, obwohl Likar immer wieder betont, dass der christliche Aspekt in einem Leben einen wichtigen Raum einnimmt und er vor seinem Naturtrip in Kirchengemeinde und Pfadfindergruppe aktiv war.
Ich verrate nicht zu viel, wenn ich sage, dass Likar am Ende eine Partnerin für sein Aussteigeprojekt findet und vom Zelt im Wald auf ein Zelt auf dem Floß umzieht. Er wird Tourenguide für Touristen und auch das Fernsehen interessiert sich für sein Projekt.
Zahlreiche Bildtafeln in der Mitte des Buches untermalen das Gelesene mit Fotos des Projekts und lassen den Leser auch bildlich dabei sein.
Insgesamt war das Buch interessant, zumindest in der ersten Hälfte. Leider läuft sich das Thema irgendwann tot, ich hätte mir auch mehr Input bezüglich Likars Glaubenslebens gewünscht, das ganz sicher eine Rolle spielt, wenn man für ein Jahr fernab von allem im Zelt in der Wildnis lebt. Dennoch kann ich das Buch allen empfehlen, die Fans von Reiseblogs und Van-Life-Trips sind und diese eventuell im Internet bei youtube mitverfolgen.
Ob Likar letztendlich die Antworten auf seine Fragen gefunden hat, erfährt man leider nicht.