Ein ungewöhnlicher, stellenweise surreal wirkender und sehr spannender Krimi mit Sogwirkung
Zum Inhalt:
Johann Baroni, Ex-Fußballstar, tief gefallen und doch wieder aufgestanden, wird bei der Eröffnung seines Würstel-Standes in seiner Heimatstadt niedergeschossen. Baronis bester Freund, Totengräber Max Broll, ist zutiefst erschüttert und glaubt, den Schützen gesehen zu haben. Als Broll kurze Zeit später den vermeintlichen Schützen, den Touristen Konrad Maria Fink, ganz unbeschwert über den Dorfplatz flanieren sieht, tickt er aus und ringt ihn im Affekt nieder. Doch niemand glaubt ihm, denn es gibt kein Tatmotiv, keine Tatwaffe und überhaupt keine Verbindung zwischen Baroni und Fink. Doch für Broll ist dies der Beginn einer wahren Odyssee…
Meine Meinung:
Der österreichische Bestsellerautor Bernhard Aichner (u.a. „Totenfrau“, „Totenhaus“, „Nur Blau“) legt mit „Interview mit einem Mörder“ den mittlerweile vierten Krimi mit seinem schrägen Protagonisten Max Broll vor. Eine Vorkenntnis der ersten drei Bücher ist sicherlich (wie immer) empfehlenswert, aber absolut nicht notwendig. Ich selbst kenne die ersten drei Fälle (noch!) nicht, habe mich aber sehr schnell und problemlos in die Geschichte hineingelesen.
Es ist ein schneller, humorvoll-schräger und zugleich auch spannender Start in die Geschichte. Auf die Initial-Tat muss der Leser nicht lange warten: Bereits am Ende des zweiten Kapitels (s. 20) wird Baroni niedergeschossen und ab hier beginnt eine unglaubliche Odyssee, die im weiteren Verlauf eine schon fast psychedelische Sogwirkung entfaltet. Nicht nur für den Protagonisten Max Broll verschwimmen zeitweise die Grenzen zwischen Realität und Illusion, auch der Leser fragt sich über lange Strecken des Buches, was tatsächlich geschehen ist und wer in diesem perfiden Verwirrspiel welche Rolle spielt. Ein stellenweise schon surreal wirkendes Meisterstück!
Das Tempo nimmt hierbei schnell an Fahrt auf und es geht auf den „nur“ 287 Seiten (aufgeteilt in 39 Kapitel – durch viele leere Seiten „netto“ ca. 200 Seiten) quer durch Europa, ja bis nach Nordafrika. Dieses hohe Tempo hält Autor Bernhard Aichner bis zum Schluss aufrecht um in einem sehr spannenden und überzeugenden „Grande Finale“ genau den passenden Abschluss für diese außergewöhnliche und schräge Geschichte zu präsentieren. Für mich eine absolut „runde“ Story!
Erwähnen möchte ich auch noch die ebenfalls sehr außergewöhnlichen Charaktere dieses Romans, die in einer erstaunlich übersichtlichen Anzahl daherkommen. Allen voran natürlich Totengräber Max Broll (der sich einen Wellnessbereich auf dem Friedhof eingerichtet hat) und sein „Widersacher“ Konrad Fink, für dessen Besetzung ich mir hervorragend Anthony Hopkins vorstellen könnte. Allein die immer wieder überraschende Interaktion zwischen diesen beiden Extrem-Charakteren macht dieses Buch besonders lesenswert. Aber auch die „Nebencharaktere“ haben mir gut gefallen, allen voran der Gras anbauende (und natürlich auch konsumierende), farbige Dorfpfarrer Akofa oder auch die beiden Ex-Stripperinnen aus Hamburg – Molly und Mandy. Bernhard Aichners Figuren sind ein echtes Kabinett der Kuriositäten!
Last but not least verfügt Aichner über einen ungewöhnlichen und sehr charakteristischen Schreibstil. Zumeist sind seine Sätze sehr kurz, prägnant und wirken auf mich oftmals distanziert und beobachtend. Das muss man schon mögen, mir gefällt´s jedenfalls gut. Aber Aichner kann durchaus auch anders und wird stellenweise richtig poetisch („Ein Kuss wie ein Bankraub, eine spontane Idee, die zum Abenteuer wurde, auf wilden Pferden galoppierten sie mit der Beute davon, wie ein Wildbach war es, der sie mitriss.“ - S. 138).
FAZIT:
Absolut außergewöhnlich, temporeich und spannend: Ein Verwirrspiel par excellence mit skurrilen Charakteren. Sehr lesenswert!